Branstners Brevier - Gerhard Branstner - E-Book

Branstners Brevier E-Book

Gerhard Branstner

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Beschreibung

An Selbstbewusstsein mangelt es Branstner, der zu Lebzeiten nicht wenige Schlachten auszufechten hatte, wahrlich nicht. Sonst hätte er sein Brevier nicht als das Kommunistische Manifest der Gegenwart bezeichnet. Auch sonst ist er wenig zimperlich, befasst sich in einem weit vorn stehenden Kapitel mit den Irrtümern zweier Klassiker des Marxismus-Leninismus, um am Ende desselben die Bedeutung seiner eigenen Anschauungen noch einmal kräftig herauszustreichen. Zunächst wirft Branstner Marx vor, Darwin zwar gekannt, aber als Quelle nicht genutzt zu haben: Bei Marx ist die Ökonomie Hebel der gesellschaftlichen Bewegung, speziell das Verhältnis von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen. Damit hatte Marx zum ersten Mal einen materiellen Zwang in die Geschichte eingeführt. Dagegen setze ich einen anderen materiellen Zwang, statt dem gesellschaftlichen einen natürlichen. Der dürftigste Grashalm überlebt nur, wenn er in Einheit mit seiner natürlichen Umwelt steht; das Tier, ob Mücke oder Elefant, überlebt nur, wenn es im Einklang mit seiner Umwelt steht. Wie kann der Mensch überleben, wenn er in Widerspruch zu seiner Umwelt, zur Natur steht? Also ist es geboten, die Einheit von Mensch und Natur zu erneuern, sie auf höherer Stufe herzustellen. Es ist an der Zeit, sich darauf zu besinnen, dass wir Kinder der Natur sind, wenn gegenwärtig auch sehr unfolgsame. Danach folgt eine fundamentale Kritik an Lenin: Und wenn Lenin die historische Berechtigung des Sozialismus in seiner höheren Arbeitsproduktivität sah, irrte er sich mindestens zweimal. Erstens stellt man nicht ein Kind gegen einen Erwachsenen in den Ring, und wenn das Kind erwachsen und der Erwachsene gestorben ist, steht die Frage nicht mehr und der Sozialismus steht ohne eigenes Kriterium da. Zweitens ist die Arbeitsproduktivität wichtig, aber nicht wesentlich, da der Sozialismus an einem kapitalistischen Maß gemessen und in die falsche Richtung gelenkt wird. Ein Produkt ist Lenins kuriose Behauptung, dass Sowjetmacht plus Elektrifizierung des ganzen Landes gleich Kommunismus sei. Am Ende dieses Kapitel lesen wir: Ohne die Methode der heiteren Dialektik ist keine marxistische Geschichtsbetrachtung möglich. Ein ernster Marxist ist ein Widerspruch in sich. Marx hat die Knochenarbeit gemacht. Auch Engels und Lenin sind „Knochenarbeiter”, beispielsweise in „Staat und Revolution”, da findet man nur Knochen. Mir geht es um Fleisch und Blut. Meine Fortsetzung des Marxismus ist eine Fortsetzung auf anderem Wege.

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Impressum

Gerhard Branstner

Branstners Brevier

Textzusammenstellung aus „Die zweite Menschwerdung. Überlebensphilosophie”

Das Buch erschien 2003 im tra/o verlag, Berlin.

ISBN 978-3-96521-744-7 (E–Book)

Titelbild: Ernst Franta

© 2022 EDITION digital

Pekrul & Sohn GbR

Godern

Alte Dorfstraße 2 b

19065 Pinnow

Tel.: 03860 505788

E–Mail: verlag@edition–digital.de

Internet: http://www.edition-digital.de

I. Kritik des Marxismus

1. Vorspiel

„Die Wahrheit ist immer konkret“, behaupten die ganz Schlauen. Wenn diese Behauptung wahr wäre, wäre sie nicht wahr, denn sie ist höchst abstrakt.

Der Materialismus definiert die Materie als das vom Bewusstsein unabhängige Sein. Wenn der bedeutende marxistische Philosoph Georg Klaus umgekehrt das Bewusstsein im Verhältnis zur Materie definieren will, gerät er allerdings in eine peinliche Hilflosigkeit. Das hat seine Ursache darin, dass er, obwohl ausgefuchster Logiker, die elementare Regel der Logik nicht beherrscht, denn sie besagt, dass ein Ding zuerst in das Nächstallgemeinere eingeordnet wird (der Esel ist ein Säugetier), um dann mit seiner Differenzia Spezifika (mit langen Ohren) konkret erfasst zu werden. Nun hat die Materie aber kein Allgemeineres, sie ist ja selbst das Allgemeinste. Also muss die Definition entgegengesetzt der allgemeinen Regel ein Spezifikum zu Hilfe nehmen, ohne das die Materie sein kann, beispielsweise muss sie nicht rund oder grün sein. Materie zu definieren als unabhängig von schlechtem Gestank wäre genau so richtig wie unabhängig vom Bewusstsein. Nun ist aber das Bewusstsein ein politischer Streitpunkt, was grün oder rund oder stinkig nicht sind. Es ist aber eine konkrete Eigenschaft der Materie wie rund oder grün oder stinkig.

Immanuel Kant kennt natürlich die einfache Regel der Logik, dass wenn A größer ist als B und B größer als C, A auch größer ist als C. Oder wenn der Groschen in der Hand und die Hand in der Hosentasche ist, der Groschen auch in der Hosentasche ist. Aber wehe, wenn es um eine Glaubensfrage geht, da ist die elementarste Logik beim Teufel. So ist nach Kant Gott für den Menschen verantwortlich und der Mensch für sein Handeln, aber Gott ist nicht für das Handeln des Menschen verantwortlich. Um Gottes willen.

Erkennen heißt vergleichen. Ohne Vergleich gibt es keine Erkenntnis. Selbst die Erkenntnis der Unvergleichlichkeit setzt den Vergleich voraus. Durch das Vergleichen erkennen wir das Gemeinsame und das Unterscheidende, das Wesentliche und das Unwesentliche an den Erscheinungen.

Wer erfährt, dass der Gott der Schwarzafrikaner schwarz und der Gott der Itelmenen ein Clown ist, weil die Itelmenen ein Volk von Clowns sind, der erkennt, dass nicht Gott die Menschen nach seinem Bilde gemacht hat, sondern die Menschen Gott nach ihrem Bilde.

Unter den Blinden ist der Einäugige König. Und was ist der Zweiäugige unter den Einäugigen? Ein Ärgernis, ein Klugscheißer, eine Missgeburt. Da die Einäugigen in der Mehrheit sind, bestimmen sie die Norm. Da kann der Zweiäugige ohne Schaden nur davonkommen, wenn er ein Auge zudrückt.

Klartext bedeutet gewöhnlich nicht mehr als die unverblümte Wahrheit sagen. Aber wie will der Opportunist die Wahrheit sagen, oder der Leisetreter, oder der Kriegsliebhaber, der Antisemit, der Rassist, der politisch Unkundige oder der Fehlgeleitete, der Karrierist oder auch nur der Eitle? Kapitalistisch denken ist unhygienisch, kapitalistisch reden ein Verbrechen. Klartext heißt, den Punkt zu treffen, wo es wehtut, und so weit zu gehen, dass es wehtut.

Klartext ist nicht nur eine Frage des Charakters, er ist auch eine hohe Kunst.

2. Irrungen der Geschichte

Die Geschichte ist eine Geschichte von Irrungen. Die Geschichte irrt sich dauernd. Die Weltgeschichte kann über einen Kieselstein stolpern und vom Wege abkommen, die Notwendigkeit über einen Zufall, ob der nun Stalin heißt oder Napoleon oder Fritz Müller, und es kann Jahrzehnte dauern und länger, bis sie auf ihren Weg zurückfindet.

Die griechisch-römische Sklavenhaltergesellschaft, vermutlich ihr größter Irrtum, war zu früh gekommener Kapitalismus. Die Geschichte hatte sich übernommen. Zu früh gekommener Kapitalismus konnte natürlich kein ganz richtiger Kapitalismus sein. Aber für die gegebenen Voraussetzungen war er doch zu viel Kapitalismus. Wie aber kann ein verfrühter Kapitalismus, ein Irrtum der Geschichte, das mächtigste Weltreich werden?

Die Irrtümer der Geschichte sind auch objektive Wirklichkeit. Die Geschichte irrt, wenn sie irrt, nach Gesetzen. Oder mit Marx gesagt: Die Gesetze setzen sich durch, indem sie sich nicht durchsetzen. Oder noch anders gesagt: Die Notwendigkeit nimmt die Form des Zufalls an. Und noch einmal mit Marx gesagt: Wenn Gesetz und Erscheinung, Wesen und Erscheinung identisch wären, brauchte es keine Wissenschaft. Nun ist aber Wesen und Erscheinung nie identisch, also erscheint die Geschichte nur als Irrtum.

Der Irrtum ist die Erscheinung der Gesetzmäßigkeit, wie der Zufall die Erscheinung der Notwendigkeit ist. Jeder Mensch sieht anders aus, wie jeder Esel anders aussieht. Das Konkrete ist die Erscheinungsform des Allgemeinen. So auch in der Geschichte.

Stalin auf die Geschichte als Erscheinung bezogen ist ein Massenmörder, auf die Geschichte als Gesetz bezogen, ist er nur ein Irrtum.

Der Irrtum ist der Umweg der Geschichte. Und die Geschichte liebt die Umwege. Aber ebenso gilt: Der Irrtum ist der Pionier der Wahrheit.

3. Irrtümer von Marx und Lenin

Das Gänseblümchen und der Mammutbaum, der Elefant und die Mücke, der Urmensch und der eigentliche Mensch verdanken der Anpassung ihr Dasein auf unserer Erde.

Alle von Darwin erkannten Gesetze haben ihren schließlichen Sinn und Zweck im Gesetz der Anpassung. Das Gesetz der Anpassung kann nicht in der Form auf die Gesellschaft übertragen werden, in der Darwin es begriffen hat.

Darwin war eine Quelle, die Marx kannte, aber nicht nutzte.

Das moderne, im „Naturgesetz des Menschen“ neu gefasste Darwinsche Gesetz, wonach die gesellschaftliche Organisation des Menschen das Organ der Anpassung von Mensch und Natur ist, muss als das begriffen und gestaltet werden, was ein langwieriger, epochaler Prozess ist. Aber in ihm wird der Mensch wieder ein endliches Wesen in der unendlichen Natur, womit er seine natürliche Identität erlangt.

Alles, was der Mensch tut, erklärt sich letzten Endes aus der Notwendigkeit der Anpassung. Das hat er mit dem Tier gemein. Das Tier kann sich jedoch nur organisch anpassen, daher entwickelt es sich auch nur organisch. Dieser Entwicklung sind jedoch biologische Grenzen gesetzt. Der Mensch hingegen verwandelt die Natur selbst, er macht die grenzenlose Natur zum materiellen Organ seiner Anpassung. Daher sind die Möglichkeiten seiner Entwicklung unbegrenzt. Der Mensch passt sich der Natur an, indem er die Natur sich anpasst.

Bei Marx ist die Ökonomie Hebel der gesellschaftlichen Bewegung, speziell das Verhältnis von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen. Damit hatte Marx zum ersten Mal einen materiellen Zwang in die Geschichte eingeführt. Dagegen setze ich einen anderen materiellen Zwang, statt dem gesellschaftlichen einen natürlichen. Der dürftigste Grashalm überlebt nur, wenn er in Einheit mit seiner natürlichen Umwelt steht; das Tier, ob Mücke oder Elefant, überlebt nur, wenn es im Einklang mit seiner Umwelt steht. Wie kann der Mensch überleben, wenn er in Widerspruch zu seiner Umwelt, zur Natur steht? Also ist es geboten, die Einheit von Mensch und Natur zu erneuern, sie auf höherer Stufe herzustellen.

Es ist an der Zeit, sich darauf zu besinnen, dass wir Kinder der Natur sind, wenn gegenwärtig auch sehr unfolgsame.

Die Anpassung, als Weltformel verstanden, hebt die künstliche Trennung von Mensch und Natur auf, sie lässt den Menschen wieder zu einem „Kind der Natur” werden.

Der Mensch ist nicht mehr wider die Natur, er ist wieder eins mit der Natur, er ist kein Wesen außerhalb der Natur, er ist nur das höchste Wesen der Natur. Er ist gesellschaftliches Wesen nur, um das höchste Wesen der Natur zu werden. Das ist die Antwort auf die Frage nach der Natur des Menschen, das ist die Lösung des Rätsels Mensch.

Wo steht bei Marx, dass die von ihm entdeckten „Naturgesetze der Gesellschaft” Funktionen eines Gesetzes der Natur sind?

Das Verhältnis von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen ist nicht, wie Marx im Vorwort „Zur Kritik der Politischen Ökonomie” verkündet, die grundlegende Kausalität der Geschichte, ihr primäres Gesetz. Die grundlegende Kausalität, ihr primäres Gesetz ist das Gesetz der Einheit von Mensch und Natur.

Die Einheit von Mensch und Natur (die Menschheit als Teil der Natur) ist das oberste Gesetz, dem alle anderen Gesetze (auch die von Marx entdeckten gesellschaftlichen Gesetze) untergeordnet sind.

Es ist das einzige Gesetz, das gleichermaßen für die lebende Natur und für die Gesellschaft gilt. Das hat Darwin selber nie begriffen, und Marx auch nicht.

Der Kommunismus ist die logische Konsequenz des Darwinismus.

Allerdings war der Kommunismus bei Marx noch weniger Wissenschaft als vielmehr weitgehend schöne Utopie. Daran sind schon immer auch gutwillige Kommunisten verzweifelt.

Die eklatante Verletzung eines Gesetzes der Natur, das Gesetz der Anpassung, der Einheit von Mensch und Natur als Folge der Verletzung des gesellschaftlichen Gesetzes der Harmonie von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen findet nur einmal statt, sie ist die einmalige, einzigartige Herausforderung des Menschen als Vernunftwesen.

Wenn die Produktivkräfte zur Naturzerstörung fuhren, müssen die Produktionsverhältnisse geändert werden.

Aus dem Irrtum von Marx, die Anpassung nicht als Gesetz der Einheit von Mensch und Natur zu begreifen, ergibt sich der zweite Irrtum, die Überschätzung des Verhältnisses von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen.

Und wenn Lenin die historische Berechtigung des Sozialismus in seiner höheren Arbeitsproduktivität sah, irrte er sich mindestens zweimal. Erstens stellt man nicht ein Kind gegen einen Erwachsenen in den Ring, und wenn das Kind erwachsen und der Erwachsene gestorben ist, steht die Frage nicht mehr und der Sozialismus steht ohne eigenes Kriterium da. Zweitens ist die Arbeitsproduktivität wichtig, aber nicht wesentlich, da der Sozialismus an einem kapitalistischen Maß gemessen und in die falsche Richtung gelenkt wird. Ein Produkt ist Lenins kuriose Behauptung, dass Sowjetmacht plus Elektrifizierung des ganzen Landes gleich Kommunismus sei. Die umgekehrte Kuriosität ist die große Initiative, wo Lenin einen Subbotnik als Vorzeichen der kommunistischen Arbeitsmoral deutet. Auch wenn Lenin meine „Neue Weltofferte” nicht gelesen haben konnte, darf man ihm solche Unseriösitäten nicht nachsehen. Das wäre selbst dem Idealisten Hegel zu idealistisch gewesen.

Die Frage der Arbeitsproduktivität steht jetzt an zweiter Stelle, was nicht heißt, dass sie nicht zufriedenstellend gelöst wird. Im Gegenteil ist sie erst jetzt lösbar.

Alle Erscheinungen haben auch ihre Eigenentwicklung, wie auch die Gesellschaft als ganze ihre Eigenentwicklung hat, die sich nicht allein aus der Anpassung erklärt.

Wenn nicht alles tauscht, ist die Frage noch offen, ob nicht die Menschheit als ganze ein Fehlversuch ist. Ein Irrtum der Natur. Ihre natürlichen Existenzbedingungen jedenfalls sind mehr gefährdet als gesichert.

Die Prügel, die uns die geschändete Natur verabfolgten wird, werden schon den nötigen Willen befördern, die richtige Alternative zu erfassen, da kann kein Zweifel sein. So unangenehm die Prügel auch sein werden, so sehr sind sie unsere sichere Hoffnung.

Mit der sozialistischen Revolution ist es noch umgekehrter richtig. Da geht es schon gar nicht um die Entfesselung der Produktivkräfte, wie Marx und Lenin meinten. Die sozialistische Revolution ist vielmehr nur die erste Etappe der eigentlichen Revolution und somit Voraussetzung der zweiten Etappe, des Kommunismus. Der Kommunismus ist aber nicht höherer Kapitalismus (höhere Arbeitsproduktivität), sondern Gegenwelt. Und die sozialistische Revolution hat dem vorzuwirken.

Der Einklang in der Natur, der Einklang zwischen Mensch und Natur und der Einklang zwischen den Menschen, die Welt der Gleichheit und der Heiterkeit sind Vorstellungen, die in ihrer Gesamtheit eine Gegenwelt zu unserer gegenwärtigen Unwelt bilden. Ohne Gegenwelt aber ist der Mensch kein Mensch.

Diese Gegenwelt macht uns alle Unwelt ertragbar und überwindbar.

Erst wenn ich mit dieser Welt der Wirklichkeit, mit der wirklichen Welt ein und für alle mal fertig bin, kann ich die Gegenwelt errichten. Und umgekehrt kann ich mit der wirklichen Welt nur fertig werden, fertig sein, wenn ich die Gegenwelt besitze. Sie reduziert sich nicht auf die Kritik der Wirklichkeit, sondern ist der vollkommene Gegensatz, der positive Gegensatz.