3,99 €
Eustace arbeitet wie besessen in einer Marketingfirma. Sein Beruf ist seine Leidenschaft, für die er alles andere vernachlässigt. Nur seine geheimen, dunklen Fantasien locken ihn hin und wieder in das Anwesen – einen Club, in dem fast jeder Mann findet, wonach er sucht. Allerdings ist Eustace immer noch auf der Suche nach jemandem, der ihm das geben kann, was er braucht: ein Spiel, so aufregend wie gefährlich. Ohne Safeword. Ein guter Freund gibt ihm schließlich einen heißen Tipp – aber dieser scheint auf den ersten Blick auch nur eine weitere Enttäuschung zu sein. Auf den zweiten jedoch ist Dominik einen Versuch wert, denn in dessen dunklen Augen lauert eine Kraft, die Eustace entgegen jeder Erwartung mitreißt. Doch kann ein Treffen ohne Netz und doppelten Boden gut gehen? Oder erwartet Eustace der unvermeidliche Aufprall? Und was passiert, wenn plötzlich ganz andere Gefühle eine Rolle spielen?
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2021
Noa Liàn
Erotikroman
1. Auflage, 07/2021
© Noa Liàn – Alle Rechte vorbehalten.
c/o Werneburg Internet Marketing und Publikations-Service, Philipp-Kühner-Straße 2, 99817 Eisenach
Text: © Noa Liàn
Coverdesign: © Noa Liàn
Bildmaterial von stock.adobe.com: © Dark Illusion; depositphotos.com: © enastasiam, teerawit
Lektorat und Korrektur: Katharina Rose und Tatjana Germer
www.noa-lian.de
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
Die Handlung und alle handelnden Personen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden/realen oder verstorbenen Personen wäre daher rein zufällig.
Ich richte mich in meinem Bürostuhl auf, lasse die Schultern kreisen und massiere über meinen Nacken. Mein Blick zur Uhr verrät, dass ich schon wieder viel zu lange hier bin.
Ich drehe mich zu der großen Fensterfront um und stehe auf. Es ist dunkel. Kurz lasse ich mich von dem Lichtmeer der Autos und Ampeln ablenken, immerhin werde ich noch eine Weile im Büro bleiben. Ich lehne meinen schmerzenden Kopf gegen die kühlende Fensterscheibe und atme tief durch.
So langsam wackelt mein Aufgabenstapel gefährlich und mit der erneuten Krankmeldung von Malte kann ich mich wohl in den nächsten Wochen häuslich im Büro einrichten.
Ich höre, wie hinter mir die Tür aufgeht, und wende mich ihr zu. »Gittchen, du bist noch hier?«
Birgit kommt auf meinen Schreibtisch zu und legt eine Mappe darauf ab. Über ihrem Arm hängt bereits ihre Jacke. »Philipp ist doch schon gegangen und ich wusste ja, dass du auf die Rückmeldung von Alexander gewartet hast. Ich habe dir alles ausgedruckt und den Terminplan für morgen angepasst. Brauchst du noch etwas?«
»Nein, ich habe dann alles. Danke, für deine Hilfe.« Auch wenn mir nicht nach Lachen zumute ist, lächle ich ihr zu. »Fahr nach Hause und ruh dich aus, wir sehen uns am Montag.«
»Na gut. Mach nicht mehr so lange, Eustace. Du musst auf dich aufpassen.« Sie sieht so besorgt aus, dass ich ein schlechtes Gewissen bekomme, dabei ist es nun mal nicht anders möglich. Irgendwer muss die Arbeit schließlich erledigen.
»Ich passe auf. Du hast mir doch bestimmt morgen nur bis zum Mittag Termine gelegt, oder?«
Sie nickt und zwinkert mir zu. »Bis Montag. Mach dir mal ein schönes Wochenende.«
»Bis dann.«
Sie geht und schließt leise die Tür hinter sich. Was würde ich nur ohne sie tun? In den letzten Wochen hat sich alles in eine völlig verfahrene Situation entwickelt, doch nach wie vor ist sie eine der wenigen hier, die den Überblick behält und mich unterstützt.
Dass Philipp schon gegangen ist, wundert mich gar nicht. Seit er Sebastian ganz für sich eingespannt hat, kommt er mit seinen Aufgaben viel schneller hinterher, als ich es allein könnte. Dabei sollte Sebastian uns beiden unter die Arme greifen.
Allerdings will ich nicht schon wieder mit Alexander reden. Wenn ich mich nicht jetzt besonders kollegial zeige, wird er Philipp ohne jeden Zweifel bei der Beförderung den Vorzug geben. Es ist frustrierend, doch eigentlich will ich mich jetzt nicht noch weiter darüber ärgern, das habe ich die ganze Woche über genug getan. Aber manchmal wünsche ich mir doch, dass mein Chef öfter herkommt, um sich selbst ein Bild der Lage zu machen. Dann würde er sehen können, wer wirklich für das Team da ist und wer nicht.
Ich setze mich zurück an den Schreibtisch und schlage die Mappe auf. Die Deadline für die Projektabgabe wurde zwei Tage vorgezogen. Das bedeutet, ich muss morgen unbedingt Druck bei Daniel machen. Wenn ich die Fotos nicht rechtzeitig habe, muss ich Alexander erklären, dass wir den Abgabetermin nicht einhalten können.
Eine Mail ploppt auf meinem PC auf und ich bekomme schon wieder Herzrasen. Ich reibe über meine Brust und atme tief durch. Das geht jetzt schon seit einer ganzen Weile so. Vielleicht sollte ich mir heute Abend Baldriantee machen. Wobei das sowieso nichts bringt, denn zurzeit erwarte ich bei jeder Mail eine neue Hiobsbotschaft.
Ich klicke auf die Nachricht und atme verstohlen durch. Denis ist mit der Website bereits fertig und arbeitet schon an den letzten Kundenwünschen. Ich öffne den Link und nicke anerkennend. Der Kleine ist echt gut. Und überpünktlich, was mir nur zugutekommen kann.
Sofort öffne ich wieder das Mailprogramm und tippe eine Antwort. Er soll ruhig wissen, dass er gute Arbeit geleistet hat. Wenn hier alle so arbeiten würden wie Denis, Birgit, Patrick und Steffi, hätte ich keine Probleme. Ich bräuchte eben nur eine weitere Kraft, wenigstens eine halbe. Die sich Philipp nun aber ganz gekrallt hat. Wie mich dieser Typ einfach nur noch ankotzt.
Ich merke schon wieder, wie ich Bauchschmerzen bekomme. Es gibt vorerst keine Lösung für mein Problem, außer, weiter hart zu arbeiten und schließlich die Büroleitung in dem neuen Büro zugeteilt zu bekommen. Dann würde Philipp hier allein zeigen müssen, was er draufhat, und sich nicht darauf verlassen können, dass ich ihm den Arsch rette – nur um sich umzudrehen und mich bei Alexander anzuschwärzen.
Die Wut über diesen Verrat ist immer noch frisch, aber ich bin gewarnt. Philipp wird alles tun, um selbst diese Beförderung zu bekommen. So leicht gebe ich aber nicht auf. Von wegen, die Kollegen fühlen sich mit mir nicht wohl.
Ich sehe noch einmal auf die Mappe und die überwältigenden Aufgaben, dann schlage ich sie zu. Ich weiß, ich werde es morgen bereuen, doch heute bin ich zu nichts mehr zu gebrauchen. Zur Not muss ich eben Sonntag ins Büro kommen. Birgit hat recht, ich sollte besser auf mich aufpassen. Einmal vor Mitternacht ins Bett gehen und fünf Stunden schlafen, erscheint mir gerade einen Arbeitssonntag wert.
Noch einmal reibe ich mir über meinen steifen Nacken und bewege meinen Kopf, um die Verspannungen abzuschütteln. Ich will gerade den Computer herunterfahren, als mich mein Smartphone ablenkt.
Als ich den Namen desjenigen sehe, der mir die Nachricht geschickt hat, klopft mein Herz erneut überdeutlich. Doch dieses Mal aus einem anderen Grund.
›Ich glaube, ich habe jemanden für dich. Komm morgen Abend in das Anwesen. Henni.‹
Kann das wirklich sein? Ich lehne mich zurück und stoße pfeifend Luft aus. In letzter Zeit habe ich kaum noch darüber nachgedacht, weil ich zu viel Stress hatte. Doch nun erfasst mich eine ganz neue Aufregung. Ich stehe wieder auf und gehe zurück zu den Fenstern.
Henni schreibt solche Dinge normalerweise nur, wenn er sich sicher ist. Er kennt mich, er weiß, was ich will und wonach ich suche. Hat er wirklich jemanden gefunden, der dasselbe will? Der so weit gehen würde? Ich war länger nicht im Anwesen, und wenn, dann nur kurz. Eher, um mich mit Henni zu unterhalten als tatsächlich darauf zu hoffen, dass ich jemanden finde. Dabei ist das Anwesen der einzige Ort, an dem ich meine Bedürfnisse überhaupt ausleben kann. Wenn auch leider immer noch nicht so, wie ich es gerne tun würde.
Ich fühle mich rastlos. Am liebsten würde ich gleich zu ihm fahren und seine Behauptung überprüfen. Aber er wird schon seine Gründe haben, warum er mich erst morgen sehen will. Ob ich mich direkt mit demjenigen treffen kann?
Für einen Moment schließe ich die Augen. Das letzte Mal ist wirklich viel zu lange her. Ich brauche Ablenkung, muss sowieso runterkommen. Warum also nicht?
Ich antworte Henni, dass er auf mich zählen kann. Nicht dass er noch denkt, dass ich es mir anders überlegt habe. Als ob das je passieren würde.
Meine Gedanken wandern an dunkle Orte, zu meinen letzten Treffen, die ich dort hatte. Sie waren nie furchtbar gewesen, aber eben auch nicht das, was ich brauche. Wonach ich mich sehne. Und jetzt schreibt mir Henni, dass mein Wunsch doch noch Erfüllung finden kann.
Ein kalter Schauder läuft über meinen Rücken, als ich an die Nacht zurückdenke, die alles verändert hat. An die Angst und die Aufregung. Nur noch einmal fühlen, was ich damals erlebt habe …
Ich würde eine Menge dafür geben, doch bisher haben mich alle enttäuscht. Ich will diesen Kick, die süße Panik erleben, die er mit sich bringt. Und das Gefühl, nichts tun zu können, egal, was ich sage. Ich war schon ein paarmal nahe dran. Aber ich kann mich einfach auf nichts wirklich einlassen, wozu es eine Hintertür gibt. Um den Schalter vollkommen umzulegen, brauche ich ein Schloss vor meinen Gedanken. Die Fantasie muss Realität werden.
Langsam öffne ich wieder meine Augen. Noch immer liegen mehrere Arbeitsmappen auf meinem Schreibtisch. Meine Situation im Büro ist nicht leichter geworden, doch schon der Gedanke an das, was ich womöglich bald haben werde, lässt mich lächeln.
Ich lecke mir über meine Lippen und mache mich auf den Weg in die Küche. Die Büroflure sind ruhig und nur noch die Notlichter sind an. Irgendwann habe ich das als Büroregel angeordnet, damit Alexander keinen Schock bei der Stromrechnung bekommt. Aktuell weiß ich noch nicht einmal, wie ich ihm meine ganzen Arbeitsstunden erklären soll, denn das Limit an Überstunden, das er maximal erlaubt, habe ich weit überschritten.
Auch wenn ich eben noch nach Hause fahren wollte, die Aussicht auf den nächsten Abend, den ich ganz für mich und meine eigenen Bedürfnisse haben werde, lässt mich neue Zuversicht schöpfen. Während der Kaffee durchläuft, malt sich mein Gehirn den morgigen Abend aus.
Wie wird er sein? Henni weiß, dass ich wählerisch bin, aber vielleicht hat er auch gedacht, dass die Vorstellungen des anderen Mannes wichtiger als sein Aussehen sind. Ich denke zwar auch so, aber gegen einen ansehnlichen Kerl habe ich weniger einzuwenden. Aber … womöglich erhöht es den Reiz, wenn er mich gar nicht anspricht, wenn mich alles abstößt. Müsste es dann nicht umso besser sein?
Ich greife nach der Kaffeetasse und gehe zurück in mein Büro. Richtig motiviert fühle ich mich nicht, dafür bin ich zu müde, aber die gute Nachricht von Henni hat meine Laune so weit gehoben, dass ich mir die Hände reibe und mich an die Vorschläge von Steffi setze. Wer weiß, wenn ich gut vorankomme, muss ich morgen nur noch für die zwei Gespräche zurück ins Büro und fahre danach direkt zum Anwesen. Dann könnte ich mir vorab eine Massage gönnen und schwimmen gehen.
Ich ärgere mich, weil ich nun doch völlig abgehetzt am Anwesen ankomme. Und das nur, weil ich drei Stunden lang versucht habe, den Fotografen ans Telefon zu bekommen, und Philipp mir ein weiteres Kundengespräch aufs Auge gedrückt hat. Kann dieser Mann eigentlich gar nichts allein?
Ich habe mich nicht einmal mehr umziehen können. Nach dem Streit mit Philipp habe ich mich aber großzügig mit Deo eingenebelt. Es fehlte noch, dass ich mir meinen Abend von ihm ganz kaputtmachen lasse.
Ich parke eilig und mache mich auf den Weg zur Hintertür des riesigen Gebäudes. Beinahe renne ich noch Pat, den Türsteher, über den Haufen. Er fängt mich auf und zwinkert mir zu. Schade eigentlich, dass er mir meine Wünsche nicht erfüllen will, denn optisch passt er genau in mein Beuteschema.
Drinnen werde ich von James freundlich begrüßt, der sich gleich anschickt, mir meinen leichten Mantel abzunehmen. Er muss mich erwartet haben, denn normalerweise begrüßt er nur die Gäste an der Vordertür, durch die ich nur selten gehe. Ich bevorzuge es einfach etwas diskreter. Zum Glück bin ich hier noch nie einem Kunden von mir begegnet.
»Sie werden bereits erwartet«, sagt James und bestätigt damit meine Vermutung.
»Wo finde ich Henni?«
»Den Flur lang runter, kurz vor den Separees.«
»Danke, James.«
»Mit dem größten Vergnügen.« Er zwinkert mir zu und ich frage mich nicht zum ersten Mal, ob er sich insgeheim über seine Aufgabe hier amüsiert. Und ob er wirklich James heißt.
Aber dafür will ich mir heute keine Zeit nehmen, davon habe ich ohnehin zu viel vertrödelt. Stattdessen gehe ich den langen Flur entlang, der keinen direkten Zugang zur Bar oder der großen Tanz- und Showfläche hat. Zuzusehen, was andere machen, hat mich noch nie großartig interessiert. Wenn überhaupt, lasse ich mir selbst zusehen, habe dabei aber gerne die Kontrolle darüber, wer mich sehen wird. Und in welchem Zustand.
»Da bist du ja endlich, ich dachte schon, du kommst nicht mehr.« Henni klingt zwar wütend, doch seine Augen blitzen vorfreudig auf. So, wie er aussieht, könnte man denken, er hat eine ganz besondere Süßigkeit aus dem Laden geklaut.
»Tut mir leid, das Büro.«
Er winkt ab. »Da habe ich einmal etwas für dich und du versetzt mich beinahe. Du musst auch mal an dich denken. Wie lange haben wir uns jetzt nicht gesehen?«
Ich denke zurück und … habe keine spontane Antwort. Das muss vor dem Großprojekt gewesen sein. Und ja, das ist definitiv zu lange her. »Jetzt bin ich ja hier. Ich hoffe, du hast mich nicht mit einem leeren Versprechen hierhergelockt.«
Henni schnalzt mit der Zunge und schüttelt den Kopf. »Als ob ich so etwas nötig hätte.« Er grinst breit. »Ich glaube, er ist genau das, was du brauchst.«
»An deiner Stelle würde ich keine allzu großen Versprechungen machen, du kennst mich.«
»Und genau deswegen bin ich sehr zuversichtlich. Komm mit. Er wartet in einem der Separees.«
Ich gehe ungern in diesen Teil des Anwesens, weil es nur Vorhänge und keine Privatsphäre gibt. Alle Gespräche, die hier geführt werden, können belauscht werden, und zu jeder Zeit kann ein Interessierter ein Separee betreten. Aber ich werde mich wohl damit abfinden müssen, wenn ich den Mann kennenlernen will, den Henni für mich ausgesucht hat.
»Wie kommt’s überhaupt? Ist er neu hier?«
Henni bewegt seinen Kopf abwägend hin und her. »Ja und nein. Wir kennen uns schon einige Jahre. Er hat früher in Hamburg gewohnt, bevor er dann weggezogen ist. Jetzt ist er seit kurzem wieder hier. Bist du bereit?«
»Ich denke schon.«
Henni führt mich an einigen Vorhängen vorbei bis fast zum Ende des Raumes. Vor einem der letzten Separees bleibt er dann stehen und zwinkert mir zu. »Viel Spaß«, sagt er bedeutungsvoll und überlässt es mir damit, mich vorzustellen.
Ich atme tief durch, warte, bis sich mein Herzschlag beruhigt, und drehe mich vollständig zu dem Vorhang, hinter dem ich hoffentlich jemanden finden werde, der meine Fantasien Realität werden lässt. Oder auch nicht.
Ich schiebe den Vorhang beiseite und –
Was ich sehe, überzeugt mich nicht. Der Mann ist schlank, unauffällig – einfach nicht mein Typ. Als er aufsieht, bemerke ich allerdings, dass er ungewöhnlich wache Augen hat. Sein Blick ist beinahe lauernd.
»Wie schön, dass du es noch einrichten konntest«, sagt er mit einem unüberhörbaren ironischen Unterton, lehnt sich zurück und überschlägt die Beine.
»Es soll Menschen geben, die müssen arbeiten.«
Er zieht die Augenbrauen hoch und sein Schmunzeln drückt schlecht verborgene Zweifel aus. »Natürlich. Da du nun hier bist, kannst du dich aber setzen, dann habe ich nicht das Gefühl, dass ich meine Zeit komplett verschwendet habe.« Sein Blick gleitet an meinem Körper auf und ab. Offenbar sind wir beide nicht begeistert.
Ich zögere. Soll ich mich wirklich zu ihm setzen? Würde das nicht bedeuten, dass ich einverstanden bin? Andererseits muss ich ihn nicht heiraten. Habe ich nicht gestern noch gedacht, dass ein unangenehmer Kandidat reizvoll sein könnte?
Ich gebe mir einen Ruck und setze mich zu ihm auf das Sofa. Sein Blick ist mir gefolgt und hängt nun aufmerksam an meinem Gesicht. Gefällt ihm, was er sieht? In seinen dunklen Augen kann ich schlecht lesen, das schummrige Licht macht es nicht besser. Sein Aftershave gefällt mir auch nicht, es ist zu erdig.
»Was ist, kannst du dich nicht von meinem Anblick losreißen?«, frage ich provozierend und lehne mich ebenfalls zurück. Ich öffne meine Krawatte und den obersten Knopf meines Hemdes.
Sein Blick folgt meinen Händen, bevor er wieder aufsieht und den Kopf schüttelt. »Du bist ziemlich eingenommen von dir selbst.« Er legt einen Arm auf die Sofalehne. Sein hochgekrempeltes schwarzes Hemd gibt einen Teil seiner Unterarme frei, die zumindest so aussehen, als könnten sie jemanden vernünftig festhalten. Vielleicht ist er doch nicht so schlecht.
»Bisher hatte ich nie einen Grund, das nicht zu sein. Ich bin gut und wenn ich etwas will, bekomme ich das.«
»Und doch sind wir hier, weil du etwas noch nicht bekommen hast.« Das Lauern ist zurück. Er wirkt wie ein Jäger, der seine Beute durch das Zielfernrohr betrachtet.
Wie viel hat ihm Henni erzählt? Kennt er meine Bedingungen? »Dass ich es noch nicht habe, heißt nicht, dass ich es nie haben werde.«
»Vielleicht.« Erneut betrachtet er meinen Körper, bevor er seinen Kopf zum Vorhang dreht, durch den gerade Elfchen schlüpft, um nach Getränken zu fragen. Er ist im wahrsten Sinne des Wortes wie ein Hauself und sorgt dafür, dass hier jeder bekommt, was er braucht. »Ich nehme ein Bier«, antwortet meine neue Bekanntschaft und sieht wieder zu mir.
»Danke, ich brauche nichts.«
Der Typ zieht seine Augenbrauen zusammen und wendet sich wieder an Elfchen. »Er nimmt ein Wasser.«
»Bin gleich zurück.«
Als der Kleine endlich weg ist, verschränke ich meine Arme und schnaufe. »Das war wohl nicht notwendig.«
»Du kommst direkt von deiner Arbeit, du schwitzt und bist gestresst. Trinken ist das Mindeste, was du jetzt tun solltest.«
»Das hast du nicht zu bestimmen«, antworte ich dennoch, auch wenn er leider recht hat. Ein Glas vor mir stehen zu haben, bindet mich nur eben an das Gespräch, niemand steht einfach von einem vollen Glas auf, ohne als grob unhöflich zu gelten. Und gerade will ich lieber gehen, schon allein, weil er mich zu leicht durchschaut.
Bevor ich noch etwas sagen kann, ist der kleine Elf aber wieder zurück. »Brauchen die Herren noch etwas?«, fragt er und sein anzüglicher Tonfall macht deutlich, wonach er eigentlich fragt.
Wieder ist es der ungehobelte Kerl, der vor mir antworten kann. »Wir kommen zurecht, danke.«
Etwas enttäuscht nickt Elfchen und lässt uns wieder allein.
»Erzähl mir, was du willst.« Er greift nach dem Bier und trinkt einen großen Schluck. Leider erwischt er mich dabei, wie ich ihn anstarre und grinst, während er sich über die Lippen leckt.
»Ich kenne nicht einmal deinen Namen, warum sollte ich dir alles von mir erzählen.«
»Ist der so wichtig?«
»Für gewöhnlich ist er wichtig.«
Er legt den Kopf schief. »Erzähl mir, was du willst, Eustace. Wenn wir eine Einigung finden, sage ich dir meinen Namen.«
Arroganter Kerl! Dass Henni ihm meinen Namen gesagt hat, werde ich ihm später unter die Nase reiben. Aber warum hat er das überhaupt getan? Ist er sich wirklich so sicher, dass ich mit diesem Windbeutel hier etwas anfangen kann?
Wütend greife ich nach dem Wasserglas und trinke mehrere große Schlucke. Ich würde es natürlich nie zugeben, aber nach dem ganzen Stress des Tages tut es doch gut, etwas anderes als Kaffee zu trinken.
Als ich wieder absetze, antworte ich nicht gleich, eigentlich würde ich lieber gehen und mir alles in Ruhe durch den Kopf gehen lassen. Andererseits kann ich mir nicht vorstellen, dass der Kerl sich dann noch einmal mit mir treffen wird, da ich ihn eben schon versetzt habe. Die meisten hassen das so sehr, dass sie schon das jetzige Treffen abgeblasen hätten. Er allerdings ist noch hier und ich will Henni wenigstens eine richtige Begründung dafür geben, warum das hier von Anfang an unsinnig war.
»Ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob ich dir davon erzählen sollte.«
Er sieht mich belustigt an. »Weil mein Name so wichtig ist?«
»Nein, weil du …«, ich mustere ihn ungeniert, »nicht so aussiehst, als könntest du meine Wünsche erfüllen.«
Sein Lächeln wird noch breiter. »Wie sehe ich denn aus?«
»Zu weich und zu schwach«, antworte ich unumwunden. Wenn er damit nicht klarkommt, ist er sowieso raus.
Doch er lacht nur und trinkt noch einen Schluck Bier. »Kein Wunder, dass du niemanden findest, wenn du so oberflächlich suchst.«
»Ganz sicher liegt es nicht nur daran. Es ist einfach … speziell.«
»Ja«, räumt er ein und nickt. »Erzähl mir, wie du es dir vorstellst.« Sein Interesse an mir scheint gewachsen zu sein, sein Lächeln hat jedenfalls einen ernsten Zug bekommen.
»Wie ich es mir vorstelle? Ganz einfach, ich möchte kein Netz haben, in das ich mich einfach fallenlassen kann.«
»Was wäre so schlimm daran?«
»Ich würde es jedes Mal nutzen.«
Er atmet leise aus. Seine Augen weiten sich und er leckt sich noch einmal über die Lippen. Doch, da ist ganz sicher Interesse. Und warum auch nicht, reizvoll ist dieser Gedanke für die meisten. Sie können damit nur nicht auf die Art umgehen, die ich brauche. »Also willst du keins und … einfach nehmen, was kommt?«
»Nein«, sage ich hart. »Ich will, dass sich jemand nimmt, was ich nicht will.«
»Das läuft am Ende –«
»Nein, tut es nicht. Es ist ein Unterschied, wenn jemand weiß, dass ich etwas Bestimmtes will und ich das dann bekomme, oder jemand nur durchsetzt, was er selbst will.«
»Kein Netz.«
»Richtig.«
Er trinkt erneut. »Das ist sehr gefährlich«, sagt er leise, doch so gestochen klar, als würde er mich vor sich selbst warnen wollen.
»Vielleicht. Solange ich nicht an einen Verrückten gerate, kann nicht allzu viel schief gehen.«
»Da habe ich meine Zweifel.«
Ich schnaube. »Die haben alle.«
»Woher willst du bei diesen Bedingungen wissen, dass nicht doch jemand dabei ist, der dir echten Schaden zufügen will?«
»Das dürftest du ja inzwischen am allerbesten wissen.«
»Henni?«
»Ich komme nur ins Anwesen. Bisher hat es sich noch nie wirklich gelohnt, aber es ist besser als nichts und ich bin hier sicher.«
Er dreht sein Glas und sieht nachdenklich aus. »Du redest, als würdest du einem Ziel nacheifern, das du bereits kennst.«
»Ich kenne es.«
Erstaunt sieht er wieder auf. »Wie kommt es?«
»Denkst du nicht, dass das eine sehr persönliche Frage ist?«
»Alles hier ist persönlich. Aber bevor ich eine Entscheidung treffe, will ich mir sicher sein, dass das nicht nur eine fixe Idee von dir ist. Du denkst vielleicht, ich bin zu schwach, aber glaube mir, ich habe genügend Typen kennengelernt, die allerlei gewollt haben und ein ziemlich unangenehmes Erwachen hatten. Ich will niemanden, der ein paar Filme gesehen hat und denkt, dass das eine geile Sache ist, die man unbedingt mal genauso ausprobiert haben muss. Fantasie und Realität sind nicht dasselbe.«
Er hat nicht ganz unrecht, auch ich kenne genügend Leute, die sich übernommen haben. Aber ich bin keiner davon. »Mein Ex«, sage ich schließlich. Ein Teil von mir will sich ihm einfach anvertrauen. Name hin oder her.
»Was war mit dem?«
»Er war eigentlich nie das, was ich mir im Bett vorgestellt habe, also habe ich mir einen Teil woanders geholt.« Ich erinnere mich zurück an die Nacht, die mir sofort wieder Gänsehaut beschert. »Er hätte auf einer Geschäftsreise sein sollen, aber der Flug ist abgesagt worden. Und da hat er mich in flagranti erwischt. Er war … ziemlich wütend.« Ich muss grinsen. »Nachdem ich ihm geantwortet habe, dass er es eben nicht bringt, hat er den anderen Kerl von mir runtergestoßen und … mir eine Lehre erteilt. Schade war nur, dass der andere dabei die Flucht ergriffen hat. Das hätte sehr interessant werden können.«
Ich weiß nicht, wie ich den Blick einordnen soll, den der Typ mir jetzt zuwirft, es ist vielleicht etwas zwischen Schock, Erregung, aber auch Wut.
»Leider hat sich mein Ex danach getrennt. Aber so wie an diesem Abend …« Meine Stimme verliert sich und innerlich jage ich wieder dem Gefühl nach, das ich seitdem vermisse.
»Du hast nie in Erwägung gezogen, ihn anzuzeigen?«
Ich muss lachen. »Nein, warum hätte ich das tun sollen? Es war … wie ein Erwachen. Ich habe mich vorher oft gefragt, warum Sex mir nie das geben konnte, was er anderen gegeben hat. Ich wusste irgendwann, dass ich mit Vanillasex nichts anfangen kann, aber irgendetwas hat dennoch gefehlt. Ich bin ihm heute noch dankbar, denn jetzt weiß ich wenigstens, was das war.«
»Auch das ist eine gefährliche Ansicht, aber ich denke, ich verstehe, wie du es meinst. Und für diesen Wunsch hat sich bisher niemand gefunden? Nicht einmal annähernd?«
»Annähernd … vielleicht. Aber niemand will ohne Netz spielen. Selbst wenn ich keines will, sie wollen alle eins für sich selbst.«
»Verständlich.«
»Ja, durchaus. Es ist nicht so, dass ich das nicht verstehen kann, es ist mir nur nicht genug. Das ist nicht das, was ich brauche. Es gibt ein paar, die nahe herangekommen sind, einfach weil ihre Präsenz mich davon abgehalten hat, mich für das Netz oder ein Safeword zu entscheiden, aber genau das ist das Problem. Am Ende war es in diesen wenigen Situationen immer zu freiwillig, ich wollte es mit ihnen treiben. Immer aus etwas anderen Gründen, aber dabei kam es nie an den Punkt, an dem ich aufstehen und gehen wollte.«
Er schnauft vernehmlich und nickt nachdenklich.