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Denis, ein junger, aber leidenschaftlicher Dom, stolpert von einer Beziehung in die nächste und nach der letzten liegt sein Selbstbewusstsein endgültig am Boden. Niemand scheint ihn ernst zu nehmen, weder als Partner noch als Dom. Dabei würde er sich das von einem ganz besonders wünschen: Karatekämpfer Diego. Der Zufall will, dass sie sich in einer alkoholgetränkten Nacht plötzlich näherkommen. Aber ein Kampfsportler als Sub - kann das überhaupt gutgehen? Oder bleibt es nur bei einem Spiel?
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Veröffentlichungsjahr: 2021
Noa Liàn
Nur ein Spiel
Erotikroman
2. Auflage, 08/2020
© Noa Liàn – Alle Rechte vorbehalten.
c/o Werneburg Internet Marketing und Publikations-Service Philipp-Kühner-Straße 2, 99817 Eisenach
Text: © Noa Liàn
Coverdesign: © Noa Liàn
Bildmaterial von stock.adobe.com: © Dark Illusion; depositphotos.com: © Tverdohlib.com
Lektorat und Korrektur: Katharina Rose und Tatjana Germer
www.noa-lian.de
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
Die Handlung und alle handelnden Personen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden/realen oder verstorbenen Personen wäre daher rein zufällig.
»Ich denke, es reicht langsam, Denis.«
Der Tadel nervt und überhaupt nervt alles. »Lass mich in Ruhe«, sage ich und kippe mir den Rest meines Drinks runter.
Henni seufzt nur und kümmert sich dann um seine anderen Gäste. Ist mir recht, so kann ich mir weiter Gedanken um meinen Sub machen. Ex-Sub. Wie mich das alles ankotzt!
Ich drehe mich von der Bar weg und sehe mich um. Die Tanzfläche des Anwesens ist gut besucht, die Andreaskreuze sind ebenfalls alle besetzt.
Ich stehe vorsichtig auf, um mich nicht auf die Fresse zu packen – die Welt um mich herum dreht sich leider –, und gehe näher zur offenen Ecke, in der Sklaven nach allen Regeln der Kunst von ihren Herren mit dem Flogger bearbeitet und ausgepeitscht werden. Mein Blick bleibt an Diego hängen. Er ist mir vorhin schon beim Reinkommen aufgefallen. Wie auch nicht, er ist groß, muskulös, einfach heiß und – ein Sub. Und heute ist so ein Tag, an dem ich verfluchen möchte, dass ich in allem nur mittelmäßig bin und mich nicht mal ein Sub ernst nimmt, der noch kleiner und dünner ist als ich.
Irgendetwas steigt in mir hoch und ich bin mir nicht sicher, ob es nur Wut oder auch Magensäfte sind, also behalte ich lieber alles drin. Stattdessen gehe ich näher zu Diego heran.
Sein Rücken ist rot, einige Striemen verfärben sich bereits blau. Doch er steht aufrecht an der Wand, ungefesselt, und nimmt jeden Schlag mit einer Selbstbeherrschung hin, die mir einen heiden Respekt einjagt. Der Mann ist eine Kategorie für sich. Aber als Kampfsportler hat er wahrscheinlich genügend Selbstkontrolle erlernt.
Weitere Schläge prasseln auf ihn ein. Die Muskeln arbeiten leicht, wann immer die Peitsche auf seinem Rücken niedergeht, aber er zuckt nicht, steht ganz still da.
Nur einmal diesen Kerl unter sich haben …
»Wusste nicht, dass du dich jetzt für solche Typen interessierst. Ich mag die Jungs eher schlanker und jünger.« Henni steht nun neben mir und leckt sich die Lippen. »Er ist nicht schlecht, aber es gibt doch bessere. Schau mal den Süßen da hinten an, der ist nachher frei und steht zufällig auf dich. Siehst du, er schaut schon wieder rüber. Lass dich von ihm verwöhnen und vergiss Julian. Der war doch von Anfang an ’nen Spinner.«
Ich mag Henni sonst sehr, aber heute nervt er nur. Und auf das Bürschchen habe ich erst recht keine Lust. »Ist der überhaupt achtzehn? Sieht aus, als könnte er noch bei seiner Mutter an der Brust hängen.«
Henni schnalzt missbilligend mit der Zunge. »Als ob ich hier jemanden reinlassen würde, der minderjährig ist.«
»Ich will noch was trinken.«
»Hör mal, Denis, ich kann mir vorstellen, wie schwer das gerade ist, aber lass dich jetzt nicht hängen. Was hast du davon, morgen völlig verkatert und vollgekotzt aufzuwachen?«
»Gar nichts. Aber ich habe auch nichts davon, es nicht zu tun. Also?« Henni sieht mich böse an. »Was? Ich bin zu Fuß und laufe nachher, bin keine Gefahr für andere.«
Er nuschelt etwas in seinen Bart, was sich verdächtig nach »aber für dich selbst« anhört, geht dann aber an die Bar zurück.
Immerhin einer, der noch tut, was ich verlange. Die Tatsache, dass er es widerstrebend und mit Widerworten tut und als Besitzer des Clubs Dienstleister ist, ignoriere ich vehement.
Mein Blick ruht erneut auf Diego. Perfekt wäre das Bild, wenn sein Schwanz steif wäre, doch das ist er selten. Zumindest bei den öffentlichen Spielen, an einem privaten mit ihm habe ich noch nie teilgenommen. Es ist ein kleiner Makel, der mich wieder zurück in die Wirklichkeit und an die Bar bringt.
Ich brauche nicht weiter über Diego nachdenken. Er ist nicht mein Typ und wir sind nicht in derselben Liga. Nicht einmal im selben Universum. Aber dafür gibt es ja den Alkohol. Und den brauche ich jetzt reichlich.
Die neblige Nacht ist eiskalt und ernüchtert mich so weit, dass ich halbwegs geradeaus laufen kann. Mein Kopf hängt irgendwo in den Wolken und malt sich schmutzige Dinge aus, die ich mit Diego anstellen könnte. Und bei denen er so erregt ist, dass er mich anbettelt, abspritzen zu können. Natürlich ist er nicht diese Art Sub, aber wem schadet so ein bisschen Kopfkino? Mir bestimmt nicht. Vor allem, nachdem ich Julian und seinen neuen Stecher gesehen habe.
Irgendwann bekomme ich ein mulmiges Gefühl im Bauch. Klar, der Alkohol, aber … ich fühle mich vor allem beobachtet. Die Straße ist dunkel und wird nur von den kleinen, orangefarbenen Lichtkreisen der Laternen beleuchtet, die für meinen Geschmack viel zu weit auseinanderstehen. Sind das Schritte hinter mir?
Ich will mich nicht umdrehen. Wer sich umdreht, sieht gleich so aus, als hätte er Angst. Also einfach ignorieren und stoisch weiterlaufen.
Ich stolpere. Verdammter Alkohol. Aber ich kann mich noch halten. Doch nun kann ich die Schritte nicht mehr überhören, schnelle Schritte, die auf mich zukommen.
Im nächsten Moment spüre ich einen Stoß im Rücken und ich werde zu Boden gedrückt. »Was –« Ich wehre mich, so gut ich kann, und versuche, mich zu befreien. Doch da sind mehrere Kerle und sie fummeln an meiner Jacke und meiner Hose herum.
»Lasst ihn los!«, ruft jemand und die Griffe lockern sich.
»Weg hier!«, flüstert einer eindringlich und dann bin ich auch schon frei, kann aber nur meinen Kopf heben, um die dunklen Gestalten verschwinden zu sehen.
»Verdammt.« Ich versuche aufzustehen, doch meine Beine sind wie Pudding.
»Alles in Ordnung?« Die Stimme von eben. Und ihr Besitzer fasst mich beim Arm und hilft mir auf.
»Was? O ja, danke. Sehr nett von dir.« Ich drehe mich zu meinem Retter um und bin einigermaßen überrascht, Diego zu sehen. Kein Wunder, dass er mich so einfach hochheben konnte und – kein Wunder, dass die Leute abgehauen sind. »Gut, dass du in der Nähe warst.«
Diego nickt und sieht mich prüfend an. »Ich bin kurz nach dir aus dem Anwesen gegangen und habe gesehen, dass die in deine Richtung gelaufen sind.«
»Oh … das habe ich nicht mitbekommen.« Wie auch du Depp, du bist voll wie eine Haubitze.
»Hast du es weit nach Hause? Ich würde mich an deiner Stelle nicht darauf verlassen, dass sie nicht ein Stück weiter unten auf dich warten.«
»Ähm …« Meine Antworten werden erfrischenderweise immer einfallsreicher. Die Fantasien, in denen ich Diego klare Ansagen mache, stellen sich schämend in eine Ecke. »Noch ein bisschen.«
Das scheint Diego nicht zu gefallen, er sieht jedenfalls nachdenklich in die dunkle Straße. »Ich wohne ein Stück weiter in die andere Richtung. Nur zwei Querstraßen vom Anwesen entfernt. Wenn du möchtest, kannst du heute bei mir schlafen und musst nicht erst auf ein Taxi warten.«
»Ja?«
»Ja.«
Die Pause ist auch in meinen Ohren zu lang und ich erinnere mich, dass ich antworten sollte. »Ja, cool. Wenn das okay für dich ist.«
»Ist es«, sagt er und ich bin ihm dankbar, dass er geduldig bleibt.
Wir gehen wieder in Richtung des Anwesens. Irgendwann bemerke ich, dass Diego meinen Arm nicht losgelassen hat. So schlimm schwanke ich doch gar nicht! Mit dem nächsten Stolpern beschließe ich aber vorsichtshalber, mich nicht über die Hilfe zu beschweren.
Ohnehin fällt meinem träge arbeitenden Gehirn gerade etwas ein. »Dann bist du extra wegen mir in diese Richtung gegangen? Oder wolltest du noch irgendwohin?«
Diego sieht mich nicht an und durch die Dunkelheit kann ich seinen Gesichtsausdruck nicht erkennen. Er räuspert sich aber kurz. »Na ja, es sind seltsame Zeiten, ich wollte sichergehen, dass nichts passiert. Was im Anwesen geschieht, wissen in dieser Umgebung doch die meisten. Ich wollte nicht, dass dir deswegen jemand Probleme macht.«
»Echt cool von dir, Mann. Danke.« Ich begreife gerade erst, wie sehr ich am Arsch gewesen wäre, wenn Diego nicht aufgepasst hätte. »Die meisten hätte es gar nicht interessiert.«
»Ich bin nicht die meisten«, antwortet er und klingt dabei leicht verschnupft.
»Ja, sorry, das wollte ich damit nicht sagen. Nimm’s mir nicht übel.«
Es dauert eine Weile, bis er wieder antwortet. »Tue ich nicht.«
»Danke. Das ist ziemlich korrekt von dir.« Ich merke, dass ich anfange, Unsinn zu erzählen, und halte so lange den Mund, bis wir ein kurzes Stück zu einem Haus zurückgelegt haben, vor dem er stehen bleibt. »Wow, gehört das dir?«
»Ja, das ist mein Haus.«
»Das ist … wow.« Ich frage lieber nicht, wie er sich dieses Schickimickiding leisten konnte, sonst muss ich noch auf dem Fußweg schlafen. Oder zu mir laufen und mich überfallen lassen. Mir wird kalt.
Diego merkt, dass ich zittere, und beeilt sich, mich in sein Haus zu lassen. »Möchtest du Tee?«
»Lieber nicht, ich bin froh, wenn drin bleibt, was ich gerade drin habe.« Ich spüre wieder diesen aufmerksamen Blick auf mir, ignoriere ihn aber. »Soll ich auf dem Sofa schlafen?«, frage ich, bin mir aber unsicher, ob ich das will. Hier ist alles so steril-sauber, dass ich Angst habe, etwas zu beschmutzen. Teppich ist daher auch keine Alternative. Verstohlen trete ich mir meine Schuhe von den Füßen und stelle sie in den Eingangsbereich zurück, wo ich auch meine Jacke angehangen habe.
»Ich habe ein Gästezimmer.«
Natürlich hat er das. Was sonst? »Cool.«
Diego weist auf eine Treppe und lässt mich vorangehen. Oben angekommen, geht er an mir vorbei und öffnet eine Zimmertür am Ende des Flurs.
Das Zimmer ist geschmackvoll eingerichtet, sogar mit einem großen Bett. Ohne nachzudenken, gehe ich darauf zu und lasse mich reinfallen. »Ich denke, ich komme ab hier allein klar.«
»In Ordnung. Wenn du noch etwas brauchst …«
Ich drehe mich zu ihm und betrachte ihn ausgiebig. »Nichts, was ich bekommen könnte.«
Diego wirkt für einen kurzen Moment überrascht, lässt sich ansonsten aber nichts anmerken. Er nimmt mich wahrscheinlich gar nicht ernst. Wie auch?
»Du könntest fragen und sehen, was du am Ende bekommen kannst.«
Ich verdrehe die Augen. »Ich habe keine Frage.«
»Sondern?«
»Nur einen Befehl.« Ganz unwillkürlich muss ich mir auf die Lippe beißen. Blöder, verdammter Alkohol.
»Welchen?«, fragt er und besitzt dabei den Anstand, weder zu lachen noch auszurasten.
»Zieh dich aus!« Habe ich das gerade gesagt? Diego legt jedenfalls seinen Kopf schief und sieht mich verwundert an. Verdammt, das kann ich jetzt noch gebrauchen. Aber nun stecke ich bereits zu tief drin. »Komm schon, du bist’n Sub, Mann. Du musst tun, was ich sage.« Muss sich das in meinen Ohren so lächerlich anhören? Wenn er jetzt doch anfängt zu lachen, gehe ich mich irgendwo beerdigen.
»Du bist betrunken.«
Zum Kuckuck mit seiner Geduld! »Das weiß ich selbst!« Ich stöhne genervt auf und lasse mich auf den Rücken fallen. Hinter meiner Stirn kann ich bereits spüren, dass mir der nächste Morgen nicht gefallen wird.
Das Rascheln von Kleidung lässt mich wieder aufsehen. Diego zieht sich tatsächlich aus. Langsam, bedächtig, aber nicht erotisch. Mir bleibt der Mund offen stehen.
Er ist nackt. Weil ich es ihm gesagt habe. Ich sollte aufhören, doch … »Knie dich hin.« Meine Stimme zittert ein wenig, aber der Befehl ist trotzdem eindeutig gewesen.
Und Diego kniet. Vor mir. Wegen mir. Verdammt, das ist heiß. Und mein Ego lugt vorsichtig aus dem Keller heraus. »Fass dich an.«
Seine rechte Hand bewegt sich zu seinem Schaft und er beginnt, langsam an ihm auf und ab zu streichen. Er wird hart. Ich nicht. Blöder Alkohol. »Stopp!«
Diego hält sofort inne und sieht mich abwartend an. Sein Schwanz steht aufrecht und ich kann mir vorstellen, wie sehr er gerne weitergemacht hätte.
Er ist wirklich nicht mein Typ und noch weniger meine Kragenweite, aber er ist unbestreitbar ... Ja, was? In seiner Ergebenheit stecken Eleganz und Unnahbarkeit. Er ist zweifelsohne devot, wirkt aber nicht kriecherisch. Das Selbstbewusstsein steht ihm gut dabei. Ich kann nicht verstehen, was Henni meint, in meinen Augen ist er einer der attraktivsten Subs, die ich kenne.
»Du bist heiß.« In einem Handbuch für Doms kommt dieser Satz bestimmt nicht vor, aber mein Kopf bekommt nichts Besseres zusammen.
»Danke, Herr.«
Macht er sich über mich lustig oder meint er das ernst? Sein Schwanz ist immer noch steif, also könnte ihm das vielleicht gefallen haben.
Mein Bauch grummelt. Schade, dass Diego nichts für mich ist. Mir wird übel. »Muss kotzen«, bringe ich hervor, während ich es gerade noch zum Bettrand schaffe.
Diego ist aufgesprungen und hält mich fest. Fast wäre ich aus dem Bett und in meine Kotze gefallen.
Mein Magen will sich kaum beruhigen, doch langsam kommt immer weniger. Ich hasse kotzen. Erst recht, wenn der Boden eines Fremden dran glauben muss. Immerhin, peinlicher kann es ab hier nicht mehr werden.
»Rutsch ein Stück zurück, ich hole einen Lappen.«
Diego hilft mir, weiter auf das Bett zu kommen, und geht dann vermutlich ins Badezimmer. Er ist schnell wieder an meiner Seite, kümmert sich jedoch nicht um den Fußboden, sondern fährt mit dem Waschlappen vorsichtig über mein Gesicht. Ziemlich erniedrigend, aber es fühlt sich auch gut an.
»Ich hole dir ein Glas Wasser, dann kannst du dir den Mund ausspülen.«
Wieder geht er und ich realisiere, dass er nach wie vor nackt ist. So wichtig bin ich nun nicht, dass er sich wegen mir nichts überwerfen kann. Doch bevor ich ihm hinterherrufen kann, ist er schon wieder zurück. Immer noch nackt, aber mit einem Glas und einem kleinen Eimer bewaffnet.
»Spül am besten deinen Mund erst aus, bevor du trinkst.«
Ja, guter Plan. Der Mann denkt mit. Im Gegensatz zu mir, ich denke immer zu selten. Henni hatte recht, weswegen ich ihn gleich noch weniger leiden kann.
»Danke«, sage ich und tue, was er mir geheißen hat. So weit ist es schon gekommen. Ich führe seinen Befehl aus. Na gut, es war mehr ein Vorschlag, aber ich will jetzt übertreiben.
Das Wasser tut gut. Nachdem sich mein Mund einigermaßen sauber anfühlt, nehme ich ein paar Schlucke. Meine Kehle dankt es mir.
»Ich will duschen«, jammere ich und versuche, aufzustehen.
»Meinst du, das ist jetzt eine so gute Idee? Ein aufgeschlagener Kopf ist schlimmer als Bettwäsche, die ich morgen einfach waschen kann.«
Warum muss er schon wieder etwas Schlaues sagen? Ich brumme schließlich nur und lasse mich zurückfallen. Aua. Mein Kopf tut jetzt schon weh.
»Ich hole dir noch mehr Wasser und Schmerzmittel, dann geht es dir morgen nicht ganz so schlecht.«
»Wie du meinst.« Resignation ist im besoffenen Zustand gar nicht mal übel. Meine Augen fallen mir auch schon zu.
Ich spüre eine Hand an meinem Gesicht, die mir ein paar Haare wegstreicht. »Komm noch mal kurz hoch, sonst geht es nicht.«
Ich lasse mich unwillig hochziehen, nehme die ovale Pille und spüle sie mit Wasser hinter.
Ich liege wieder und es wird wärmer um mich herum. Deckt er mich zu?
Noch ein paar Geräusche. Wasser? Doch die Müdigkeit siegt.
»Scheiße.« Es ist offiziell, ich werde sterben. Jedenfalls behauptet das mein Kopf, der gleich platzt. Ich taste nach links, doch da ist nur noch mehr Bett statt einem Nachttisch.
Ich versuche, meine schweren Augenlider zu öffnen. Ob es jetzt sinnvoll ist, zu schwören, nie wieder Alkohol zu trinken? Besser nicht, wäre sowieso nur ein Punkt mehr auf der Liste der Dinge, die ich nicht einhalten kann.
Endlich sehe ich wieder etwas. Und es ist nicht einmal so fies hell im Zimmer, wie es sein könnte. Vorhänge vor dem Fenster verhindern einen grausamen Tod durch Sonnenlicht. Das einzige Problem, was sich gerade auftut …
»Wo zur Hölle bin ich?« Auf jeden Fall nicht in meiner Wohnung. Dort stehen kein Luxusbett und keine Möbel, die wie maßangefertigt aussehen.
Ich setze mich auf und finde den Nachttisch. Rechts von mir. Mit einem Glas Wasser und einer Tablettenpackung. »Dem Himmel sei Dank!« Wo auch immer ich bin, hier weiß jemand, was bei Katerstimmung am wichtigsten ist.
Nachdem ich ausgetrunken habe, sehe ich mich noch einmal um. Tief unter der Oberfläche versuchen sich Erinnerungen, in mein Bewusstsein zu kämpfen. Ich war im Anwesen. Um Julians Erinnerung im Suff zu ertränken. Dann habe ich … genau, Diego angeschmachtet … weiter gesoffen … und bin nach Hause gegangen …
Nein! Ich wollte nach Hause gehen, bis ich überfallen worden bin und Diego mich aufgegabelt hat. Ich halte kurz inne, denn mein Kopf pocht nun immer heftiger und Übelkeit steigt in mir hoch.
Es klopft sachte und widerwillig sehe ich hoch, um bestätigt zu finden, was ich schon vermutet habe. Ich bin bei Diego. »Guten … Tag.« Er hat kurz gezögert und zur Uhr an der gegenüberliegenden Wand gesehen.
»Ähm … guten Morgen«, antworte ich halb trotzig und sehe ihm in die Augen. Und dann öffnen sich plötzlich weitere Erinnerungsfetzen und ich muss meine Hände vors Gesicht nehmen. Ich befehle Diego, sich auszuziehen. »O mein Gott.« Diego, wie er tut, was ich befohlen habe. »O mein Gott!« Ich, wie ich ihm den Teppich vollkotze. »O. Mein. Gott!«
»Ich sehe, du erinnerst dich«, sagt er, klingt dabei aber nicht wütend, eher erheitert.
Ich wage kaum, aufzusehen, aber da muss ich jetzt durch. »Tut mir leid, Mann. Ich war … etwas von der Rolle.«
Er sieht gelassen aus. »Schon in Ordnung. Jeder hat mal einen schlechten Tag.«
»Danke, für dein Verständnis.« Dass ich mich schon die ganze Woche über betrunken habe, sage ich besser nicht.
»Möchtest du duschen?«
»Ja, das wäre … Mann, das ist wirklich nett von dir. Wenn ich die Teppichreinigung zahlen soll …«
»Das ist kein Problem. Komm, ich zeige dir das Bad. Ich kann dir auch ein paar Wechselsachen leihen.«
Ich stehe auf und folge ihm. Dass ich mit den muffigen Klamotten in seinem Bett gelegen habe, macht die Sache noch peinlicher. »Die werden mir wohl nicht passen.«
Er dreht sich zu mir um und mustert mich von oben bis unten. Mir wird warm. »Ich habe hier ein paar Vereinsshirts in verschiedenen Größen für meine Schüler im Dojo gelagert. Mit Shorts von mir sollte das für deinen Weg nach Hause schon gehen.«
»Danke.«
Er nickt nur und führt mich in sein Bad, das an einen Wellnesstempel erinnert.
Ich versuche, nicht zu beeindruckt auszusehen, und ziehe mich aus. Nebenbei bemerke ich, wie er mir Handtücher zurechtlegt und die versprochenen Klamotten. Ich habe das Gefühl, dass er sich Zeit dabei lässt und mich beobachtet. Aber hey, nachdem ich ihn aufgefordert habe, sich nackt auszuziehen, kann ich mich kaum beschweren. Soll er schauen, was es zu sehen gibt. Mir ist es sowieso egal. Auch wenn ich meinen Körper nicht toll finde, habe ich keine Probleme, mich nackt zu zeigen. Wer’s nicht sehen will, schaut nicht hin.
Als ich mich umdrehe, ertappe ich ihn, wie er meinen Hintern anstarrt. »Möchtest du mit duschen kommen oder ist noch was?«, frage ich flapsiger als beabsichtigt und seine Wangen werden tatsächlich rot.
»T-Tut mir leid. Ich warte unten. Möchtest du etwas essen? Toast? Brötchen?« Er redet etwas schneller und ich fühle mich beinahe wie ein Superheld, weil ich ihn aus dem Konzept gebracht habe.
»Brötchen wäre nett, aber ich kann auch zuhause essen. Du musst dir nicht noch mehr Umstände machen.«
»Das sind keine Umstände. Also gut … Brötchen.« Leider geht er wirklich aus dem Bad.
Gegen einen Fick in dieser riesigen Hightech-Dusche hätte ich echt nichts gehabt. Nun stehe ich hier allein und probiere vorsichtig die vielen Knöpfe durch und hoffe, dass die Dusche nicht implodiert, weil ich etwas falsch gemacht habe.
Ich genieße das warme Wasser einen Moment lang, bevor ich mich dann doch schnell fertig mache. Ich sollte Diego nicht zu lange auf die Nerven gehen. Auch wenn er augenscheinlich keine großen Probleme mit meiner Anwesenheit hat. Allerdings ist Wochenende, da haben die meisten Leute Besseres zu tun, als sich um wiedererwachte Schnapsleichen zu kümmern.
Den Blick in den Spiegel lasse ich aus, nehme nur ein Handtuch mit nach unten, um mir zwischendrin die Haare weiter trockenrubbeln zu können. Nebenher stelle ich fest, dass die Sachen echt bequem sind. Und verdammt gut riechen.
Diego steht in der Küche, als ich unten ankomme, und holt Brötchen aus dem Ofen. »Sie sind gerade fertig geworden.«
»Cool, danke.«
»Setz dich einfach und nimm dir, was du brauchst. Kaffee? Tee?«
»Ähm …« Komm schon, Denis, reiß dich zusammen! »Kaffee.«
Nachdem der Kaffeevollautomat, was sonst, sein Werk verrichtet hat, setzt sich Diego zu mir an den Tisch, der voll beladen mit allerlei Aufstrichen ist. Ein bisschen Käse und Wurst reichen mir aber. »Danke noch einmal. Auch wenn es dich vermutlich schon nervt.«
»Tut es nicht.«
Ich schnaufe. »Wie geht das eigentlich?« Diego sieht mich irritiert an. »Immer so gelassen und ruhig zu bleiben? Und geduldig.«
»Oh … Ich nehme an, daran ist mein Training schuld.«
»Gute Antwort«, erwidere ich großzügig und bevor ich mich selbst dafür schelten kann, grinst Diego ein wenig und ich bin wieder Superman.
»Als ich jünger war, war ich recht aufbrausend.