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»Du bist der stärkste Mensch, den ich kenne, aber ich habe Angst, dass du trotzdem zerbrochen bist.« Wie macht man weiter, wenn alles in Trümmern liegt? Das ganze Leben nur ein Scherbenhaufen und jeder Traum zerplatzt ist? Wenn Mark sich einer Sache ganz sicher ist, dann der, dass Menschen in ihrem Leben an einen Punkt kommen können, an dem nichts mehr geht. An dem sie ihre Hülle abstreifen und aufhören, zu sein. Er weiß es. Er hat es bereits gesehen. Umso entschlossener ist er, genau das zu verhindern, als er auf Tom trifft. Aber wie kann er jemandem helfen, wieder leben zu wollen?
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Veröffentlichungsjahr: 2021
Noa Liàn
Gesamtausgabe
2. Auflage, 03/2020
© Noa Liàn – Alle Rechte vorbehalten.
c/o Werneburg Internet Marketing und Publikations-Service Philipp-Kühner-Straße 2, 99817 Eisenach
Text: © Noa Liàn
Coverdesign: © Noa Liàn
Bildmaterial von pixabay.com und stock.adobe.com
Lektorat: Jessica Hartmann
Korrektorat: Jona Dreyer
www.noa-lian.de
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
Die Handlung und alle handelnden Personen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden/realen oder verstorbenen Personen wäre daher rein zufällig.
Es muss von Herzen kommen, was auf Herzen wirken soll. [Goethe]
Für Jona.
Weil ihre Hilfe von Herzen kommt.
Aurelius kicherte vor sich hin. An die Party würde er sich noch lange erinnern. Es war nur ärgerlich, dass er sein Auto am Club stehen lassen musste, denn der Weg bis zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel zog sich enervierend lang hin. Dazu waren die Temperaturen auf -5°C gesunken. Der Nachrichtenton seines Handys brachte ihm seine gute Laune schnell wieder zurück. Mia wünschte ihm eine gute Nacht. Die würde er haben, nachdem er ihr nun nach Monaten endlich nähergekommen war. Ihre Handynummer war wie eine Trophäe für ihn. Mit einem unverschämt glücklichen Grinsen im Gesicht ging er weiter.
Nach einer Weile meinte er, nicht nur seine Schritte zu hören. Das Knirschen im Schnee schien sich zu vervielfältigen. Er wollte nicht ängstlich wirken und so verzichtete er für den Moment darauf, sich umzudrehen. Ganze fünf Minuten hielt er das aus, bis ihn das flaue Gefühl in seinem Magen zwang, über seine Schulter zu blicken.
Ein Mann. Er lief ein Stück weiter hinter ihm auf der anderen Gehwegseite. Viel konnte er durch die Lichtverhältnisse nicht ausmachen, aber er war groß, dünn und hatte offenbar lange Haare. Dazu war er in einen langen, schwarzen Mantel gehüllt.
Aurelius’ Nackenhaare stellten sich auf. Er versuchte, sich zu beruhigen und nicht hysterisch aufzulachen. Das war das Klischee einer einsamen Straße in einer kalten Dezembernacht schlechthin. Vermutlich wollte der Mann auch einfach nach Hause und sich in ein warmes Bett legen. Vielleicht kam er sogar von derselben Party. Obwohl Aurelius das anzweifelte. In dem Aufzug hätte den Kerl da niemand reingelassen.
Er lief zügiger. Weit war es jetzt nicht mehr. Kam der Mann näher? Die Schritte klangen jetzt lauter als zuvor. Er fühlte sich nun gänzlich ausgenüchtert. Ohne dass er es verhindern konnte, beschleunigte sich seine Atmung, wurde hektisch. Ein weiterer Blick über die Schulter bestätigte seinen Verdacht. Der Mann hatte ein gutes Stück aufgeschlossen.
Sein Herz raste. Das konnte doch alles nicht wahr sein. Aus dem beschwingten Gefühl noch wenige Minuten zuvor wurde nackte Panik. Er beschleunigte weiter, lief nun so schnell, wie es möglich war, ohne tatsächlich zu rennen. Der Mann tat es ihm gleich. Er hörte es. Er brauchte sich nicht umdrehen, um zu verstehen, was die schnellen Schritte hinter ihm zu bedeuten hatten. Er fing an zu rennen. Der Mann hinter ihm auch.
Er drehte sich wieder um. Der Kerl war näher gekommen, hatte sogar die Straßenseite gewechselt. Er war jetzt so nahe, dass Aurelius den Gesichtsausdruck des Fremden ausmachen konnte. Der wirkte seltsam gehetzt, verlangend und eindringlich.
Er konnte sich nicht zu lange darauf konzentrieren. Schnee und Eis verhinderten einen allzu sicheren Tritt und er rutschte bisweilen mehr, als er rannte.
Die Hauptstraße war nicht mehr weit. Seine Lungen standen wegen der Anstrengung und der kalten Luft in Flammen. In seine Atmung mischte sich das Geräusch seiner unterdrückten Heulerei. Ihm standen vor Angst und Verzweiflung Tränen in den Augen.
»Bitte nicht«, jammerte er zu sich selbst. Für einen Angstschrei fehlte ihm die Luft.
Er hörte nun auch den Atem des Mannes und erwartete jeden Moment, dass er ihn wie in einem schlechten Horrorfilm im Nacken spüren konnte. Sie waren sich so nahe und Aurelius’ Kräfte ließen nach. Blind vor Tränen und außer Atem wusste er, dass er es nicht schaffen konnte. Der andere war viel zu schnell und wurde von etwas Mächtigerem als seiner Angst angetrieben. Was das war, wusste Aurelius nicht, aber seine innere Stimme sagte ihm, dass er keine Chance dagegen hatte.
Die Hauptstraße, ein Geräusch, ein gelbes Auto. Er begriff fast zu spät, was das bedeutete. Im letzten Moment winkte er dem Taxifahrer wild zu, der gerade noch abbremste und ein Stück weiter vor ihm zum Halten kam. Aurelius riss die hintere Tür auf, sprang beinahe in das rettende Auto und knallte die Tür hinter sich zu.
»Narzissenweg 1, bitte«, brachte er japsend hervor.
Der Taxifahrer beäugte ihn einen Moment lang misstrauisch, aber die gute Wohngegend, in die er nun fahren sollte und der teure Mantel, den Aurelius für heute gewählt hatte, schienen ihn zu beruhigen.
Der Fahrer richtete seinen Blick wieder auf die Straße und fuhr los. Aurelius ließ sich in das Polster sinken und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Seine Atmung beruhigte sich mit der einsetzenden Erleichterung. Er hatte es geschafft. Er malte sich erst gar nicht aus, was der Kerl mit ihm angestellt hätte, wenn das Taxi nicht aufgetaucht wäre. Morgen würde das alles nur noch ein vergangener Albtraum sein. Sie fuhren weg von dem Mann, dem er nicht einmal einen letzten Blick zugeworfen hatte, keinen zuwerfen wollte. Er wollte ihn einfach so schnell wie möglich vergessen. Er ließ seinen Kopf gegen die Lehne fallen und schloss die Augen. Er fuhr jetzt Richtung Sicherheit. Richtung zuhause.
Der Schnee fiel sanft gegen das Fenster. Es war in diesem Jahr ungewöhnlich schnell kalt geworden. Die Wettervorhersage hatte für die nächsten Wochen sogar Schneestürme angekündigt.
Kein Wetter für ihn, aber er wusste schon, wie er sich wärmen konnte. Da hörte er sie auch schon. Das laute Zuknallen einer Autotür kündigte Lukas und Timo an. Und wie immer neckten sie sich, weil Timo die Autotür mit Schwung zugeschmissen hatte.
»Vielleicht sollte ich uns einfach doch einen Trabi kaufen, dann brauche ich mich nicht mehr aufzuregen«, hörte er Lukas im Scherz sagen.
»Dafür bist du viel zu eitel, mein Lieber«, entgegnete Timo.
Noch im Treppenhaus konnte er hören, wie sie sich kabbelten und mit einem breiten Lächeln im Gesicht lehnte er sich in seinem Sessel zurück und schloss die Augen.
»Hey, aufwachen, Schlafmütze. Wir wollten doch zum Eislaufen«, flüsterte Timo zärtlich in sein Ohr.
Noch bevor er die Augen öffnete, musste er lächeln. Timo wusste immer, wie er ihn ins Hier und Jetzt zurückholen konnte. Strahlend blaue Augen blickten ihm entgegen und noch bevor er irgendetwas sagen konnte, küsste ihn Timo tief und innig. Diese Küsse waren es, nach denen ihm verlangte. Die und die rauen Bartstoppeln an seinem Hals.
»Ihr seid so heiß zusammen«, raunte ihm Lukas ins Ohr. »Ihr solltet aufhören, sonst kommen wir nie zur Eishalle.«
Timo lachte laut auf und schmatzte einen Kuss auf Lukas Mund. »Das könnte dir so passen. Erst Schlittschuhlaufen und dann dein Vergnügen.«
Er musste lachen. Die zwei waren grandios zusammen und er konnte sich wahrlich glücklich schätzen, dass sie ihn in ihre Mitte genommen hatten. Zwischen ihnen fühlte er sich am besten aufgehoben und geborgen.
Eine verspielte halbe Stunde später, saßen sie im Auto und waren auf dem Weg zur Eiskunstlaufhalle. Er liebte Sport und Schlittschuhlaufen im Winter gehörte einfach dazu. Er freute sich sehr auf den Abstecher und noch mehr darauf, Lukas und Timo stolz zu machen. Denn das würde er heute tun. Sein Plan, an dem er zwei Wochen lang getüftelt hatte, würde hoffentlich aufgehen.
Der Parkplatz vor der Eishalle war gut gefüllt, dennoch konnten sie einen günstigen Platz finden, der die Heimreise beschleunigen würde.
»Hast du irgendetwas vor?«, fragte ihn Lukas. Natürlich fiel ihm sofort auf, dass er in Gedanken bereits die Überraschung plante.
»Nein, wie kommst du darauf?«, entgegnete er mit seinem besten Unschuldsgesicht.
»Vielleicht, weil du gerade gedankenverloren auf deinem kleinen Finger gekaut hast und du das immer tust, wenn du etwas zu verbergen hast?«, erwiderte Timo lauthals lachend.
»Ich habe keine Ahnung, wovon ihr redet«, antwortete er vergnügt.
Scherzend und albernd gingen sie zur Eishalle. Zum Glück brauchten sie nichts ausleihen und konnten sich sofort umziehen gehen. Er hatte gleich am Anfang der Beziehung darauf bestanden, dass sie sich gute Sportsachen besorgten, um die Verletzungsgefahr zu minimieren. Ein verletzter Lukas oder Timo war der Stoff, aus dem seine Albträume gemacht waren.
»Kommt schon, macht schneller«, forderte er sie in seiner Ungeduld auf. Er konnte es kaum erwarten, auf dem Eis zu stehen und sich einzulaufen.
»Da kann es ja einer kaum abwarten«, meinte Timo bedeutungsvoll zu Lukas und sie beeilten sich, seinem Wunsch gerecht zu werden.
Nur wenige Minuten später glitt er auf das Eis. Er nahm Fahrt auf und ließ Timo und Lukas für den Moment hinter sich. Sie wussten, dass er das brauchte. Die Geschwindigkeit und das Gefühl von Freiheit. Nachdem er warm war, versuchte er ein paar einfache Sprünge und zog damit die Aufmerksamkeit der meisten Eisläufer auf sich. Nach einer Weile fühlte er sich warm genug und blickte sich suchend nach Timo und Lukas um. Sie waren auf der gegenüberliegenden Seite der Eisbahn, immer noch in Reichweite der rettenden Bande. Timo hielt Lukas an der Hand und versuchte, ihn in der Senkrechten zu halten.
Er schmunzelte. Lukas hasste Eislaufen, aber weil er es liebte, war er mit ihnen hier und bemühte sich jedes Mal aufs Neue.
Sanft lächelnd fuhr er vorsichtig in ihren Rücken und umarmte beide von hinten. »Ich glaube, wir sind jetzt alle warm genug, damit ich euch etwas zeigen kann. Schimpfen ist im Übrigen verboten.«
Timo und Lukas sahen sich fragend an und fuhren mit ihm zusammen an den Rand.
»Bis gleich«, verkündete er lachend und glitt weiter auf die Eisfläche.
Er wartete einen günstigen Moment ab und setzte zu einem dreifachen Axel an – der ihm auf Anhieb gelang. Lukas und Timo, zuerst völlig verblüfft, gratulierten ihm einen Augenblick später mit einem begeisterten Applaus, in den der Rest der Halle einstimmte. Mit erhitztem Gesicht kehrte er zu ihnen zurück.
»Wahnsinn«, schrie Timo ihm entgegen. »Du hast es geschafft, wann hast du dafür geübt?«
»Ihr wart doch die letzten zwei Wochen auf Dienstreise. Ich dachte, ich nutze die Zeit, um euch danach zu überraschen.«
»Wirklich toll«, sagte Lukas ganz entrückt. »Du hast dir so gewünscht, dass es endlich klappt.« Er schien mehr als nur gerührt zu sein und wischte sich eine kleine Träne aus dem Auge. Danach nahm er ihn in eine liebevolle Umarmung und sagte: »Ich bin verdammt stolz auf dich.«
Die Worte gingen runter wie Öl. Er schmiegte sich an Lukas und Timo sich an ihn. Und gemeinsam genossen sie den Moment.
Sie konnten danach gar nicht schnell genug nach Hause fahren. Der Parkplatz erwies sich als echter Glücksgriff und so schafften sie es, trotz der sich jetzt anbahnenden Überfüllung, schnell nach Hause.
Er konnte sich kaum darauf konzentrieren, den Schlüssel in das Schloss zu stecken, weil sich Lukas von hinten an ihm rieb. Er spürte seinen Ständer, und noch bevor er ihm Einhalt gebieten konnte, saugte Timo sein linkes Ohrläppchen ein – seine schwache Stelle.
»Jungs«, stöhnte er hilflos, »wir müssen noch in die Wohnung reinkommen.«
»Warum?«, fragte Timo provokant. »So haben die Nachbarn auch mal was Interessantes in ihrem Leben gesehen.« Zur Unterstützung seiner Aussage griff er ihm spielerisch in den Schritt.
Im selben Moment öffnete sich zu seiner Erleichterung die Tür und sie fielen beinahe in den Wohnungsflur. Lukas kickte hinter ihnen die Tür ins Schloss und begann eilig, ihm von hinten das T-Shirt aus der Hose zu ziehen, um es gemeinsam mit der Jacke über seinen Kopf zerren zu können.
Timo konnte sich hingegen kaum von seinen Lippen lösen und zwickte in die von Lukas freigelegten Brustwarzen. Er legte den Kopf in den Nacken und stöhnte. Das würde wieder eine tolle Nacht werden.
»Wenn du drei Wünsche frei hättest«, säuselte Lukas fragend in sein Ohr, »welche wären das?«
Er brauchte nicht lange überlegen, er wusste genau, was er vor ihnen vermisst hatte. »Dass ihr für immer bei mir bleibt, auf mich aufpasst und mich liebt.«
Und in diesem Moment, in jener Nacht, blieben sie ganz nahe bei ihm, passten auf ihn auf und liebten ihn. Seine Augen hielt er genießend geschlossen. Er wollte alles nehmen, was sie ihm geben konnten. Er ließ sich in das Gefühl der Geborgenheit fallen und badete in dem Eindruck, ihnen etwas zu bedeuten, bedeutsam zu sein, eine Bedeutung zu haben.
Langsam kam er wieder zu sich und öffnete die Augen. Im Zimmer war es noch kälter geworden. Sein Rücken schmerzte durch das lange Sitzen im Sessel. Er lauschte angestrengt. Von Lukas und Timo war nichts mehr zu hören. Natürlich, seine Nachbarn lagen im Bett. Der Himmel draußen war dunkel, kündigte aber mit einer blasser werdenden Nachtschwärze den Morgen an. Noch immer fiel der Schnee gegen das Fenster.
Langsam ließ er seinen Blick durch das Zimmer schweifen. Stapel an Wäsche, Geschirr und Dingen, die er noch brauchen würde, verbargen einen Großteil des Zimmers. Mehrere Briefe lagen auf einer Anhäufung alter Zeitungen auf dem Wohnzimmertisch. Sie sahen wichtig aus. Einige Umschläge waren gelb. Aber den festen Knoten, der sich in seinem Magen bilden wollte, konnte er jetzt nicht gebrauchen. Er wollte zurück in seine Welt. In die, in der er etwas war. In der er sich nicht schämen musste und ganz er selbst sein konnte. In der er geliebt wurde. Von vielen. Von Lukas und Timo. Von allen.
Nach einigen tiefen Atemzügen ging es wieder. Er beruhigte sich und ließ zu, dass ihn seine Traumwelt wieder in Empfang nahm. Und wohlig lächelnd kehrte er zu ihr zurück. Zu ihr und zur Liebe und zum Licht.
Der Neuschnee knirschte unter seinen Füßen. Er wusste nicht mehr, wie lange er bereits unterwegs war und auch nicht, wie lange er weiterlaufen sollte. Oder wohin. Die letzten Tage verschwammen zu einer Einheit aus Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Seine Augen brannten und er kämpfte erneut gegen die Tränen an. Genau wie gegen den Kloß in seinem Hals, der inzwischen ein ständiger Begleiter war. Doch alles Schlucken und Räuspern half nicht. Er blieb. Genauso wie das Gefühl der Ohnmacht. Wie sollte es nur weitergehen? Er sah sich um.
Aus dem Gebäude zu seiner Rechten hörte er dumpfe Musik. Ein paar Menschen standen direkt vor dem Eingang, rauchten und unterhielten sich locker. Das alte Gebäude war wohl zu einer Art Club umgebaut worden. Vor drei Jahren war es verlassen gewesen. Und einer seiner Zufluchtsorte, weswegen ihn seine Füße wohl hergetragen hatten. Aber hier hatte sich nun alles verändert. Genau wie sein ganzes Umfeld und die Menschen darin. Nur er nicht. Er war nach wie vor der unbedeutende Niemand von vor drei Jahren. Genau genommen war es nie anders gewesen.
Das laute Zufallen der schweren Eingangstür holte ihn aus diesen trüben Gedanken zurück. Ein junger, gutaussehender Mann wurde unter Applaus und Gegröle verabschiedet. Sicherlich war der Alkohol in Strömen geflossen.
»Geil, Alter. Ich wusste, du packst es.«
Heiteres Gelächter und Ausgelassenheit. Es war surreal, dass er daran teilhaben konnte. Wenn auch nur aus der Ferne. Er könnte nie zu diesen Menschen dazugehören. Sie nahmen ihn nicht einmal wahr, obwohl er nur eine Straßenbreite entfernt von ihnen war.
Der junge Mann machte sich jetzt auf den Weg. Allein.
Es bereitete ihm Unbehagen, das mit anzusehen. Die Straßen waren heutzutage sehr gefährlich. Er wusste das nur zu gut. Die Prellung an seiner rechten Schulter tat nach wie vor weh.
Ohne dass es ihm zuerst bewusst gewesen war, lief er hinterher. Der Mann erinnerte ihn an jemanden. Jemanden aus seiner Schulzeit, den er sehr gern gehabt hatte. Manchmal hatte er das Gefühl gehabt, dass auch Lennard ihn gemocht hätte, aber als der Sonderling, der er nun einmal war, hatte er sich nie getraut, Lennard anzusprechen. Nicht einmal guten Tag zu sagen.
Ob das wirklich Lennard war? Es war viel Zeit vergangen und Menschen veränderten sich körperlich. Er sah ihm jedenfalls sehr ähnlich.