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Mein Weckruf war die Diagnose Brustkrebs. Endlich stellte ich meine Gesundheit und Selbstliebe in den Fokus, und mit der Therapie begann eine erkenntnisreiche Reise zu mir selbst. Die Diagnose erhielt ich mit 39 Jahren im Oktober 2021, während ich mitten im Leben stand. Die Erkrankung und die darauffolgende Therapie forderten mich mit all meinen Kräften und stellten unser Familienleben komplett auf den Kopf. Ich für mich kann heute sagen: Das Leben ist zu kurz, um es nach den Vorstellungen anderer zu leben, und es ist nicht notwendig, sein ganzes Leben zu ändern, um am Ende glücklich zu werden. Manchmal reicht es, an den richtigen Stellschrauben zu drehen und den Blickwinkel zu ändern, dann kommt das Glück von ganz allein.
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Seitenzahl: 113
Veröffentlichungsjahr: 2024
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1.0. Diagnose
2.0. Chemotherapie
3.0. Operation
5.0. Bestrahlung
6.0. Reha
7.0. Mein neues Leben nach dem Krebs
Für Laila und Stefan
Donnerstag, der 15.10.2021 – der Tag, der alles veränderte, der unser Familienleben auf den Kopf stellte und dazu führte, dass nichts mehr war wie zuvor.
Ungeduldig verharrte ich auf der Couch und erwartete den Anruf meiner Ärztin. Mir war übel und ich schaffte es kaum, mich abzulenken. Als das Telefon endlich klingelte und ich nervös abnahm, war der Moment da, vor dem sich jeder Mensch fürchtet, und ein Augenblick, den man nie wieder vergisst. Ich hatte Krebs.
So wie die meisten Menschen sich daran erinnern, was sie am Tag des Mauerfalls getan haben oder wo sie sich zum Zeitpunkt des Terroranschlags am 11.09.2001 befanden, werde ich nie vergessen, wie es sich anfühlte, als ich an diesem Nachmittag in unserem Wintergarten saß und diese Nachricht erhielt. Mit diesem Telefongespräch änderte sich von einer auf die andere Sekunde mein bisheriges Leben. Ich war nach außen hin gefasst, als die Ärztin mir das Biopsie-Ergebnis mitteilte. Sie erklärte mir, es handele sich dabei um eine sehr aggressive Form eines Mamma-Karzinoms. Prognostisch gesehen aber immerhin die bessere Variante der Brustkrebs-Arten. Ich spürte einen Hauch von Erleichterung, als ich davon erfuhr. Im Detail handelte es sich um einen invasiv duktalen Tumor, HER 2 negativ, Luminal B mit einer proliferativen Aktivität von 62 %. Das invasiv duktale Mamma-Karzinom hat seinen Ursprung in den Milchgängen und ist mit 75 % das häufigste Karzinom der Brust. Anders ausgedrückt, war ich eine von zehn Frauen, die im Laufe ihres Lebens und im Alter von unter 45 Jahren an Brustkrebs erkrankten.
Ich funktionierte in diesem Moment, war nicht hysterisch oder am Boden zerstört, sondern bewahrte Haltung gegenüber der Dame, die nun zwangsläufig meine (Arzt-)Freundin werden würde. Meine erste Frage, ob eine Chemotherapie vonnöten wäre und ob ich dabei meine Haare verlieren würde, wurde leider bejaht. Ich liebte meine schönen blonden Haare und wusste instinktiv, dass diese Tatsache eine der größten Herausforderungen für mich werden würde.
Während ich geschockt von meinem Sessel aus die Bäume in unserem Garten anstarrte, erklärte mir die Ärztin weiter, dass, auch wenn die langfristigen Aussichten mit dieser Art von Brustkrebs die besseren waren, man jetzt schnell „die harte Keule schwingen“ müsste und eine Chemotherapie zwingend erforderlich wäre. Man erhoffte sich damit, den Tumor und eine mögliche Verbreitung der Krebszellen in weiteren Organen zu stoppen. Die Einzelheiten würden wir aber in der darauffolgenden Woche im Brustzentrum persönlich besprechen.
An diesem Tag wollte sie mir nur den vorläufigen Befund telefonisch mitteilen und mir übers Wochenende Zeit geben, den ersten Schock zu verdauen. Wir beendeten das Telefonat, und noch immer saß ich wie angewurzelt in unserem Wintergarten.
Mein Mann, der das Gespräch als Zuhörer mitbekam, nahm mich anschließend in den Arm und versuchte mich zu beruhigen, aber natürlich stand auch ihm die Angst ins Gesicht geschrieben. Noch nicht mal das Weinen klappte, wie es sollte, der Schock saß einfach zu tief und ließ mich sprachlos da sitzen. Immer wieder an diesem Abend schossen die Worte der Ärztin in mein Gedächtnis und ein kalter Schauer überzog meinen Körper. Die schlimmsten Befürchtungen der letzten drei Wochen hatten sich bewahrheitet, und die Angst bezüglich der eigenen Endlichkeit war allgegenwärtig.
Unsere Welt stand für die nächsten Tage kurz still.
Dieses Wochenende galt es durchzustehen und mit dieser Angst und Ungewissheit irgendwie umzugehen. Es fühlte sich an, als wäre jemand gestorben, aber es war kein jemand, es war unser altes Leben, welches an diesem Tag beendet worden war. In dieser Zeit weinte ich in der Nacht, ich weinte am Tag, und ich versuchte verzweifelt, Halt zu finden. Meine Seele schrie nach Geborgenheit, allein sein war in diesem Moment pures Gift für mich, und so vergingen diese Tage in der Nähe meiner Familie und enger Freunde. Die wichtigste Erkenntnis an diesem Wochenende war, dass dir die Angst niemand nehmen kann, sie aber durch Gespräche mit lieben Menschen erträglicher werden kann.
Am darauffolgenden Montag im Brustzentrum besprachen wir die weiteren Schritte sowie den bevorstehenden Behandlungsplan. Alles lief gefühlt wie im Film ab. Zwischendurch ertappte ich mich dabei, wie ich damit haderte, dass gerade ich hier saß und solche Sachen gesagt bekam.
Vier Wochen vor meinem 40. Geburtstag, danke, das wäre doch nicht nötig gewesen, du „Arschloch“ in meiner Brust! Als ob ich nicht schon genug mit diesem Geburtstag zu kämpfen gehabt hätte, denn ich befand mich mental seit geraumer Zeit in einer Sinn- bzw. Lebenskrise zog Resümee über mein bisher geführtes Leben. Was hatte ich bis dato erreicht, was war das überhaupt wert, sollte ich daran etwas ändern, oder sollte ich alles so belassen, wie es war? Vielleicht war es aber auch nur die anhaltende Corona-Pandemie oder die instinktive Vorahnung durch die vorausgegangen Untersuchungen in den letzten 6 Monaten. Seit circa einem halben Jahr begleitete mich immer mal wieder ein Stechen in der rechten Brust, welches für ein paar Sekunden anhielt, bevor es wieder verschwand. Daraufhin unterzog ich mich einer Mammografie Untersuchung, bei der nichts festgestellt werden konnte. Da die Ärzte meine geschilderten Symptome aber Ernst nahmen veranlassten sie eine weitere Untersuchung 3 Monate später.
Diese erfolgte Anfang Oktober 2021 und bei dieser entdeckte man den Tumor in meiner rechten Brust. Eigentlich hatte ich geplant meinen runden Geburtstag gebührend zu feiern, ich wollte mir, bevor ich von dem Ding in meiner Brust erfuhr die Polarlichter in Norwegen anschauen. Stattdessen war ich nun gezwungen einen Kampf gegen den Krebs zu führen und mich die meiste Zeit im Krankenhaus aufzuhalten.
Nach der ausführlichen Untersuchung der Gewebeprobe in der Pathologie und der Diskussion im Tumorkonferenz-Gremium stand der Behandlungsplan fest: Neoadjuvante Chemotherapie über einen Port den Anfang machten hierbei vier Dosen Epirubicin und Cyclophosphamid im Drei-Wochen-Rhythmus gefolgt von zwölf Paclitaxel Dosen wöchentlich, anschließend eine brusterhaltende Operation, danach Bestrahlung und am Ende eine Reha. Dauer dieser Art von Behandlung circa ein Jahr. Ich war sprachlos. Es dauerte also ein langes Jahr, in dem es nur darum ging, das 3 cm große Mamma-Karzinom auf den folgenden Seiten als „Arschloch“ bezeichnet in meiner rechten Brust zu eliminieren. Aber egal was ist schon ein Jahr als Investition für hoffentlich viele Folgejahre, ermutigte ich mich.
Ich sog alles was die Ärztin uns zu sagen hatte auf wie ein Schwamm. Immer wieder versuchte ich mich zu fokussieren und signalisierte ihr sofort, dass ich bereit war, all diese Schritte gemeinsam mit ihnen zu gehen, wenn dies nur bitte dazu führen würde, dass ich überlebe.
Alle negativen Gedanken, mit den ich mich die letzten Monate beschäftigt hatte, rutschten ruckartig in den Hintergrund und der Überlebensmodus war ab sofort „on fire“.
Kurze Zeit später übernahm die Maschinerie der Klinik die Regie und ich befand mich mitten im sogenannten „Staging“.
Innerhalb von zwei bis drei Wochen folgten etliche Untersuchungen wie Schädel- und Thorax-CT, Knochenszintigrafie, ein MRT der Brust, die Port-Operation sowie die Chemo-Aufklärung. Es war erschreckend und beruhigend zugleich, wie sich gekümmert wird, wenn man eine schwerwiegende Erkrankung hat. Schnell stellte ich fest, dass der einzige Lichtblick in dieser Misere war, dass Brustkrebs eine Krebsart ist, die sehr gut erforscht ist. Diesbezüglich fühlte ich mich von Anfang an gut aufgehoben in unserem Gesundheitssystem sowie in dem behandelnden interdisziplinären Brustzentrum.
Emotional glich diese Zeit einer Achterbahnfahrt, denn wieder galt es, voller Ungewissheit auf die Befunde zu warten. Erneut mussten wir bangen, ob es noch weitere Baustellen in meinem Körper gab, die die Aussichten auf Heilung definitiv minimiert hätten. Glücklicherweise konnten keine Metastasen im Körper festgestellt werden, allerdings war man sich nicht ganz sicher, ob in der linken Brust eine weitere „kleine Stelle“ war. Im MRT wurde linksseitig eine winzige Kontrastmittelansammlung gefunden, und im Klartext bedeutete dies: Die linke Brust musste ebenfalls gestanzt werden. Diesmal wusste ich natürlich, was auf mich zukam, denn ich hatte das Prozedere ja bereits mit meiner rechten Brust hinter mir. Dies bedeutete aber nicht, dass ich weniger Respekt davor gehabt hätte. Meine rechte Brust sah immer noch mitgenommen aus von dem Eingriff. Sie erschien in sämtlichen Regenbogenfarben, und der Bluterguss zog sich über die komplette Fläche. Ich hatte die leise Hoffnung, dass dieser Anblick dazu führte, dass sich die beiden Ärztinnen an diesem Tag besonders viel Mühe gaben. Eine der Ärztinnen hielt den kalten Ultraschallkopf auf meine linke Brust und versuchte dabei, die auffällige Stelle zu fixieren, was bedingt durch die glitschige Gelmasse kein leichtes Unterfangen war. Die andere Ärztin betäubte währenddessen die Einstichstelle kurz, um dann mit dem Stanzgerät in meine Brust zu schießen. So muss es sich anfühlen, wenn man erschossen wird, dachte ich mir. Ich spürte einen dumpfen Druck im Rumpf und erschrak vor dem verhältnismäßig lauten Knall. Da ich seit meiner Jugend an einem ausgeprägten Knalltrauma leide, hielt ich mir dabei sicherheitshalber die Ohren zu. Für „normale“ Menschen ohne Knalltrauma ist die Lautstärke natürlich lächerlich und nur mein persönliches Empfinden. Ich kann gar nicht beschreiben, was in diesem Moment unangenehmer für mich war, das vermeintlich laute Geräusch, der Druck auf den Brustkorb oder die Angst vor dem möglichen Schmerz. Diesmal tat der Vorgang allerdings nicht weh, denn der „Schuss“ saß präzise und die Probe konnte im Anschluss ihre Reise ins Labor antreten.
Ein paar Tage später kam die erleichternde Nachricht, dass sich dieser Verdacht nicht bestätigt hatte. Ich war sehr froh und glücklich darüber, dass es bis hierhin nur diese eine, wenn auch nicht unerhebliche Baustelle gab.
In der darauffolgenden Zeit zwischen Staging, Port-Operation und Beginn der Chemotherapie erstellte ich mir mein persönliches „Mutmachbuch“. Darin sind Fotos meiner Familie und meiner Freunde enthalten, von Bekannten geschriebene Karten abgelegt sowie Gedanken und Gedichte notiert. Ich war mir sicher, ich würde dies brauchen, um mein Ziel vor Augen nicht zu verlieren. Darüber hinaus wollte ich gewappnet sein für die Momente, in denen ich verzweifelt sein könnte.
Außerdem war ich überwältigt, weil ich besonders in dieser Zeit merkte, wie sehr die Menschen um mich herum für mich da waren. Meine Familie, meine Freunde und auch Bekannte waren mir während dieser Etappe die größte Stütze und ich bin für jeden Einzelnen bis heute sehr dankbar. Es macht einen demütig, denn selbst die Anteilnahme von mir fremden Personen oder weitläufig Bekannten war unfassbar groß und ich bekam liebevolle Worte oder Gesten auf verschiedenste Art und Weise übermittelt. Das war nicht selbstverständlich und gehört unbedingt erwähnt. Es gab aber auch zwei skurrile Begegnungen, in denen mir zwei weitläufig bekannte Personen, die ich zufällig beim Einkaufen traf, den Hinweis gaben, es handele sich ja NUR um Brustkrebs!
Mensch, was für ein Glück, dachte ich mir innerlich. In den letzten Tagen konnte ich meine Freude darüber, dass ich NUR Brustkrebs hatte, kaum fassen;-)
Ja, und auch solche Menschen muss es geben, Personen, die in solchen Momenten nicht die richtigen Worte finden und wo Schweigen die bessere Option gewesen wäre.
Mir gelang es aber, darüber hinweg zu lächeln und mich nicht provozieren zu lassen.
Am 05.11.2021 fand die Port-Operation statt, zu der mich meine Freundin Katha begleitete. Nachdem ich das Zimmer bezogen und das sexy OP-Nachthemd angezogen hatte, bekamen wir beide einen Lachanfall. Versehentlich hatte ich das Hemdchen falsch übergeworfen und stand mit nackter Brust und in voller Blüte verdutzt vor ihr. Diese Frotzeleien mit ihr lenkten mich ab von meiner Aufregung vor diesem Eingriff.
Die Angst vor dieser Operation war auch der Grund, warum ich vorher bereits geklärt hatte, dass ich anstatt einer örtlichen Betäubung eine Vollnarkose bekommen würde. Zu viele Menschen hatten mir zuvor berichtet, wie unangenehm diese OP im wachen Zustand wäre und ehrlich gesagt, wollte ich mir das in meinem angespannten Gemütszustand ersparen. Deswegen bestand ich auf eine Vollnarkose und erfreulicherweise ließen sich die Ärztinnen und Ärzte darauf ein.
Ich schlummerte unter Einfluss von Propofol selig vor mich hin, während mir das Operationsteam innerhalb einer Stunde die „Zapfstation“ implantierte. Die Operation verlief gut und ich durfte noch am selben Tag das Krankenhaus wieder verlassen. 18 Tage später sollte es dann losgehen mit der ersten Chemo-Verabreichung. Jedoch nahm die Angst vor der Chemotherapie leider nicht ab und schwebte wie ein Damoklesschwert über mir. Meine Gedanken und Gefühle kreisten ständig darum, und ich war unsicher, ob ich dies schaffen würde.
Ob mein Körper es aushalten würde und ob meine Psyche das Durchhaltevermögen hätte, diese Phase unbeschadet zu überstehen. Wenn die Angst unerträglich groß war, half es mir ungemein, mich mit anderen Betroffenen oder ehemaligen Erkrankten auszutauschen. Unter anderem nahm ich zu einer Frau Kontakt auf, die ich nur flüchtig kannte. Ihr Sohn und unsere Tochter hatten in der Grundschule zusammen eine Klasse besucht. Daher wusste ich, dass sie bereits zwei Jahre zuvor an Brustkrebs erkrankt war. Ich rief sie spontan an und wir quatschten lange und ausführlich, danach verabredeten wir uns noch zum Spazierengehen und sie berichtete unaufdringlich von ihren Erfahrungen während der Therapie.
Es tat so gut, mit ihr zu sprechen, denn sie hatte die Krankheit überstanden, und das machte mir Mut. Es war nicht nur unser 1
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