Charité - Aufbruch nach der Wende - Manfred Dietel - E-Book

Charité - Aufbruch nach der Wende E-Book

Manfred Dietel

0,0
20,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Kurz nach der deutschen Wiedervereinigung übernahm Manfred Dietel die Leitung des berühmten Rudolf-Virchow-Hauses. Zweiundzwanzig Jahre lang führte er das Institut für Pathologie der Charité, diente als Dekan und Ärztlicher Direktor und hatte entscheidenden Anteil am Auf- und Umbau des traditionsreichen Berliner Krankenhauses. Nach einer kurzen Darstellung seines Werdegangs schildert Manfred Dietel die turbulenten Ereignisse und kontroversen wissenschaftspolitischen Auseinandersetzungen, die sich nach der Wende in der Berliner Universitätsmedizin abspielten. Spannend und eindrücklich beleuchtet er die oft unglückliche Rolle des Berliner Senats wie auch hausinterne Ost-West-Konflikte und die schwierige Position des Wissenschaftsrates in dieser bewegten Zeit. Anschließend bietet der Autor eine ebenso verständliche wie anschauliche Einführung in das faszinierende Fach der "klinischen und molekularen Pathologie". Die Integration neuer immunologischer und molekularer Techniken hat diesem für die klinische Diagnostik so zentralen Fach in den letzten drei Jahrzehnten – speziell in der Krebsdiagnostik – einen enormen Bedeutungszuwachs beschert. So entwickelte sich etwa die histologische Gewebediagnostik von einer zumeist deskriptiven zur eher prädiktiven, sprich die Therapieentscheidung direkt beeinflussenden, Disziplin. Der Beitrag, den die Pathologie der Charité durch jahrelange intensive Forschungsarbeit in der Onkologie dazu geleistet hat, ist kaum zu überschätzen und wird exemplarisch dargestellt. Abgerundet werden die Innenansichten durch die amüsante Skizzierung besonderer Ereignisse und origineller Aktivitäten sowie persönlicher Erfahrungen. Originell und humorvoll berichtet Manfred Dietel in diesem Buch von den komplexen Abläufen in der weltberühmten Charité und präsentiert so bewegende Einblicke in eine prägende Zeit der Medizingeschichte.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 624

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



ABW Wissenschaftsverlag GmbH Altensteinstraße 42 14195 Berlin Deutschlandwww.abw-verlag.de

Prof. Dr. med. Dr. h. c. Manfred Dietel Charité – Universitätsmedizin Berlin Institut für Pathologie Charitéplatz 1 10117 Berlin

TITELABBILDUNG:

Das Institut für Pathologie der Charité, Universitätsmedizin Berlin, Ansicht vom Humboldt-Hafen. Aquarell von Martin Schreiber, Architekt der ersten Phase der Rekonstruktion, 1996.

EINBANDGESTALTUNG:

Frauke Schön, HamburgSATZ UND LAYOUT: L42 AG, Berlin

ISBN 978-3-940615-67-1 P210008

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes.

© 2022 ABW Wissenschaftsverlag GmbH

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.

Produkthaftung: Der Verlag und der Autor/Herausgeber/Bearbeiter/Übersetzer haben sich um Vollständigkeit, Richtigkeit und sonstige Fehlerfreiheit des Werkes und der in ihm enthaltenen Angaben, Hinweise und Empfehlungen nach Maßgabe des derzeitigen wissenschaftlichen/medizinischen/technischen Kenntnisstands gewissenhaft bemüht. Gleichwohl kann eine absolute Freiheit von derartigen Unvollkommenheiten und Unrichtigkeiten nicht garantiert werden. Eine Haftung für eventuelle Körper-, Sach- oder Vermögensschäden, die auf einer unsachgemäßen Handhabung des Buches oder auf einer ungeprüften praktischen Anwendung der in ihm enthaltenen Angaben, Hinweise und Empfehlungen adäquat ursächlich beruhen, über die durch das deutsche Schadensersatz- und Produkthaftungsrecht gesetzlich gezogenen Grenzen hinaus wird weder vom Verlag noch vom Autor usw. übernommen.

Der Verlag empfiehlt, Dosierungsanweisungen und Applikationsformen im Einzelfall anhand der Produktinformation der jeweiligen Hersteller und anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen.

INHALT

 

VORWORT

VORSPANN – DER WEG NACH BERLIN

1HAMBURG – ELTERNHAUS, FAMILIE, SPORT

2HAMBURG – MEDIZINSTUDIUM, UK EPPENDORF, PATHOLOGIE

2.1Die Pathologie des Universitätsklinikums Eppendorf

2.2Die Habilitation und nächste Schritte

3KIEL − CHRISTIAN-ALBRECHTS-UNIVERSITÄT

BERLIN – (WISSENSCHAFTS-)POLITISCH

4DIE WISSENSCHAFTSPOLITISCHE ENTWICKLUNG IN DER ZEIT DER WENDE

5WIEDERVEREINIGUNG UND DER WEG VON KIEL NACH BERLIN

5.1Persönliche Auswirkungen

5.2Ein neuer Senator – ein Glücksfall für Berlin

6BERLIN − DIE HOCHSCHULPOLITIK DES SENATS UND DAS DEKANAT

6.1Die Postwende-Fakultät der Charité, Humboldt-Universität zu Berlin

6.2Entwicklung der Charité nach der Wende

6.3Das Dekanat 1997−1999

6.3.1Die Wahl und die angestrebten Ziele

6.3.2Die schwierige Gestaltung der Einflusssphären Dekanat−Vorstand

6.3.3Zurück zur Sacharbeit in der Fakultät, 1997

6.3.4Ceterum censeo – genutzt hat es nichts, 1998

6.3.5Die Situation wird immer schwieriger − das Jahr 1999

6.3.6Res Academica

6.3.7Die Abwahl

7ZWISCHEN DEKANAT UND ÄRZTLICHEM DIREKTORIUM − EINE LEHRREICHE ZEIT

8DAS ÄRZTLICHE DIREKTORAT 2001–2004 UND WIE ES DAZU KAM

8.1Die Wahl

8.2Das erste Jahr Ärztlicher Direktor, 2001

8.3Die wichtigsten Themen der Jahre 2001–2004

8.3.1Privatisierung der Charité

8.3.2Bundeswehrkrankenhaus Berlin

8.3.3Sparmaßnahmen am Campus Charité Mitte

8.3.4Einführung des Budgetsystems „Charité 2000“ – das wichtigste Ziel des Direktorats

8.3.5Laborzentralisierung

8.4Entwicklung der Hochschulmedizin in Berlin, 2001−2003

8.5Berlins Ehrenbürger Rudolf Virchow zum 100sten Todestag

8.6Die Jahre 2003−2004

9EXTERNE ANGEBOTE

9.1Universitätsklinikum Schleswig-Holsteins (UKSH)

9.2Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

10RÜCKKEHR ZUR WISSENSCHAFTLICHEN PATHOLOGIE UND DANK AN VIELE KOLLEGINNEN UND KOLLEGEN

BERLIN – DIE PATHOLOGIE ETC.

11DAS INSTITUT FÜR PATHOLOGIE DER CHARITÉ, 1994−2016

11.1Berufung in ein kompliziertes Umfeld

11.2Personelle und strukturelle Konsolidierung, Renovierung und fachliche Modernisierung in der Postwendezeit, 1994−2000

11.2.1Das Institut im März 1994 − Dienstantritt und personelle Angelegenheiten

11.2.2Bauliche und technische Entwicklung − das Institutsgebäude und dessen Modernisierung (1995–2000)

11.3Institutsfusionen und weitere Entwicklungen, 2000–2016

11.3.1Fusion des Instituts für Pathologie Campus Charité Mitte (CCM) mit dem des Campus Virchow-Klinikum (CVK)

11.3.2Die zweite Fusion des Instituts am Campus Charité Mitte (CCM) mit dem des Klinikums am Campus Benjamin Franklin (CBF), 2010

11.3.3Konsolidierung unterschiedlicher Vorstellungen der Mitarbeiterschaft, 2010−2016

11.4Das Budget für Krankenversorgung, Forschung und Lehre – ein immerwährender Kampf

11.4.1Das Budget des Instituts

11.4.2Wissenschaftliche Medizin und forschende Industrie − ein Plädoyer für transparente Verzahnung

11.4.3Die Bildung von Charité-Centren

11.5Fachlich-diagnostische Entwicklung zu einem der führenden deutschen und europäischen Institute für gewebebasierte morpho-molekulare Diagnostik, 2010−2016

11.5.1Die histologische Diagnostik in der Krankenversorgung als Baustein klinischer Entscheidungen

11.5.2Immunhistologie als unverzichtbarer Baustein der histologischen Diagnostik

11.5.3Diagnostische Molekularpathologie als Voraussetzung für moderne Präzisionsmedizin

11.5.4Zusammenarbeit mit Klinikern

11.5.5Diagnostische Telepathologie – die digitale Zukunft

11.5.6Die Prosektur – seit 2000 v. Chr. bekannt und immer noch hoch aktuell

11.6Das Institut als wissenschaftliche Einrichtung in der Forschung

11.6.1Systempathologie – das übergeordnete Forschungsfeld

11.6.2Molekulare Tumorpathologie (R. Schäfer, C. Sers)

11.6.3Experimentelle Hämatopathologie (M. Hummel)

11.6.4Morpho-molekulare Hämatopathologie (I. Anagnostopoulos, K. Jöhrens)

11.6.5Translationale Tumorforschung – Gynäko- und Mammapathologie (C. Denkert, M. Dietel, B. Ingold-Heppner, B. Pfitzner, S. Darb-Esfahani, F. Klauschen, J. Budcies)

11.6.6Karzinogenese gastroenterologischer Tumoren (C. Röcken, H. Bläker)

11.6.7Morpho-molekulare Klassifikation von Lungentumoren (I. Petersen, W. Weichert, M. Dietel, G. Kristiansen, F. Klauschen, M. von Laffert)

11.6.8Biomarker in der Uropathologie (G. Kristiansen, A. Erbersdobler)

11.6.9Proteogenomische Systempathologie (F. Klauschen)

11.6.10Digitale Pathologie künstliche Intelligenz (P. Hufnagl, F. Klauschen, M. Dietel)

11.6.11Therapieresistenz maligner Tumoren/International Society of Cancer Gene Therapy (M. Dietel, C. Denkert, H. Lage)

11.7Das Institut in der Lehre (K. Jöhrens)

11.8Zusammenfassende Leistungsbilanz des Instituts für Pathologie der Charité

11.9Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter − mehr als zweihundert Glücksfälle

12DIE PATHOLOGIE UND DAS BERLINER MEDIZINHISTORISCHE MUSEUM (BMM)

13BESONDERE EREIGNISSE, VERANSTALTUNGEN, PROJEKTE − EINE AUSWAHL

13.1Eröffnung der Ruine des Virchow-Hörsaals mit Christo und Jeanne-Claude

13.2International Symposium on Cytostatic Drug Resistance

13.3Besuch von Christiane Herzog

13.4Das Museum wird 100 und Virchow 175 Jahre alt, 1999

13.5Harrison’s Principles of Internal Medicine − das Lehrbuch der Inneren Medizin

13.6Doktor honoris causa der Universität Breslau, 2006

13.7Die 92. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Pathologie im Institut für Pathologie der Charité, 2008

13.8Leben und Tod – die Nacht in der Pathologie, 2010

13.9Pre-Analytic of Pathological Specimens – an International Symposium, 2010

13.10Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften

13.11Ehrenmitgliedschaft der Deutschen Gesellschaft für Senologie (DGS), Stuttgart 2012

13.12Rudolf-Virchow-Medaille der Deutschen Gesellschaft für Pathologie, Frankfurt 2015

13.13Besondere Kongresserlebnisse

13.13.1The Gordon Research Conference (GRC, 1994)

13.13.2The Tucson Symposium, 2006 ff. und die Zusammenarbeit mit Ventana Ltd.

13.13.3WHO/IAP Congress on Molecular Pathogenesis, Havanna 2009

13.13.4Università Degli Studenti di Padua (2012) – 300 anni giubileo

13.13.5Annual Meetings of the Japanese Society of Pathology

13.13.6The Humphrey Oei Distinguished Lecture

13.13.7Annual Congresses of the Chinese Society of Pathology, Chongqing (China)

13.13.8The Adriatic Society of Pathology (ASP)

14DIE SITUATION DER PATHOLOGIE ZUM ZEITPUNKT MEINES AUSSCHEIDENS

14.1Qualitätssicherung der Berliner Gesellschaft für Pathologie (BGPath)

14.2Perspektiven und Entwicklungen der Pathologie an der Charité und darüber hinaus

14.3Perspektiven der nationalen und internationalen Pathologie

15DIE EMERITIERUNG UND WEITERE AKTIVITÄTEN

15.1Qualitätssicherungs-Initiative Pathologie, QuIP

15.2Wissenschaftlicher Beirat der Bundesärztekammer

15.3Ethikkommission der Charité

15.4Minerva-Stiftung

15.5China

15.5.1Das deutsch-chinesische Freundschaftskrankenhaus

15.5.2German-Sino Healthcare Group e. V. (GSHCG)

15.5.3Virchow Laboratories Group Ltd., Institute of Pathology – Shanghai

15.5.4Virchow Laboratories Ltd. – Institute of Pathology, Sino-German Joint Laboratory, Hangzhou

15.5.5Virchow Laboratories − Telepathologie und künstliche Intelligenz

15.5.6Aktuelle und geplante Projekte in China, 2020 ff.

15.5.7China – halb privat

15.6Start-ups und die Flexibilität des Instituts

15.6.1Global Health Care GmbH (GHC)

15.6.2Sividon GmbH – der EndoPredict®-Test für Brustkrebspatientinnen

15.6.3provitro AG

15.6.4VMscope

15.7Das EMPAIA-Konsortium – an Ecosystem for Pathology Diagnostics with AI Assistance

16ERFAHRUNGEN ZWISCHEN OST UND WEST

16.1Berlin – Havanna

16.2„Kollegiales“ aus Ost und West

16.3Halb Berufliches, halb Privates

16.4Berlin im Privaten

17FAZIT

ANHANG

1Wissenschaftsrat: Empfehlungen zur Hochschulmedizin in den neuen Ländern und in Berlin

2Nach der Wende von Senator Manfred Erhardt an die Charité 1992–1996 neu berufene Kollegen (Auswahl)

3Amtsübernahme 29.05.1997

4Protokoll-Entwurf über die 21. Sitzung des Fakultätsrates der Charité – Sondersitzung – am 15.12.1998

5Eröffnung des Zentrums für Navigation und Robotik am Virchow-Klinikum, 28.10.1997

6Vorläufiges Programm der Sonntagsvorlesungen an der Charité für das Studienjahr 1998/99

7Gewissenlos – Gewissenhaft. Menschenversuche im Konzentrationslager

8Hat die universitäre Forschung noch Zukunft?

9FuE der medizinischen und biotechnologischen Wissenschaft und Wirtschaft in Berlin

10Duell um die Barmherzigkeit

11Diskussionspapier zur Entwicklung der Hochschulmedizin in Berlin anlässlich der Einsetzung einer Expertenkommission

12Positionspapier der Charité zur Entwicklung der Hochschulmedizin in Berlin anlässlich der Einsetzung einer Expertenkommission durch den Senat Berlins

13Strukturreformen in der Berliner Hochschulmedizin

14„Überleben nur mit gut vernetztem Angebot“

15Rundmail an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Charité (Mai 2003)

16Die pathologische Anatomie – graue Eminenz der Medizin

17Organigramm des Instituts für Pathologie, 2012 ff.

18Diagnostische Spezialgebiete der Ärztinnen/Ärzte und Labore

19Zusammenfassende Leistungsbilanz des Instituts für Pathologie der Charité (März 1994 – Oktober 2016) – Eckdaten der Krankenversorgung, Forschung und Lehre

20Kurze Geschichte des Instituts für Pathologie der Charité

21Ausstellungen des Berliner Medizinhistorischen Museums der Charité (Auswahl)

224th International Symposium on Cytostatic Drug Resistance

23Rede zur Eröffnung der Mukoviszidose-Ausstellung

24100 Jahre Berliner Medizinhistorisches Museum der Charité oder die schöpferische Kraft einer Ruine

25In der Tradition Rudolf Virchows – Pathologie heute und morgen

26Pre-Analytic of Pathological Specimens

27Programm Emeritierung

28Ansprache von Prof. Dr. Dres. h. c. Manfred Erhardt, Wissenschaftssenator a. D., bei der Verabschiedung von Prof. Dr. Dr. h. c. Manfred Dietel aus dem Amt des Direktors für Pathologie der Charité am 30. September 2016 in Berlin

29Das Abschiedsständchen der Mitarbeiter

LITERATUR

ABKÜRZUNGEN

DANKSAGUNG

VORWORT

Nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Berufsleben, dem Übergang in die Pensionierung und dem Status des Emeritus denkt man über diese und jene Entwicklung, die Erlebnisse, Freuden und Konflikte seines Lebens ein wenig nach. Dabei kam mir der Gedanke, einige Episoden kurz zu skizzieren, ohne dabei zunächst an einen längeren Text gedacht zu haben. Es wurde dann ein Absatz dem anderen hinzugefügt, ich schaute mir die nicht ganz kleine Bildergalerie an und so langsam entstand dann doch ein zusammenhängendes Opus.

Ich möchte ausdrücklich betonen, dass der Text keineswegs eine vollständige, alle Personen und Situationen angemessen berücksichtigende Aufarbeitung aller Ereignisse und Situationen meines Lebens darstellt, sondern dass er eine subjektive, aus meiner zum Teil spontanen Erinnerung geborene Darstellung bestimmter Vorkommnisse und Erfahrungen widerspiegelt, ergänzt durch die in der aktiven Zeit erdachten organisatorischen und strukturellen Überlegungen.

Ich bitte schon jetzt diejenigen um Nachsicht, die ich möglicherweise nicht angemessen berücksichtigt habe; ich bitte auch um Verständnis, falls Details nur unvollständig wiedergegeben worden sind. Es ging mir bei dieser Niederschrift mehr um die generelle Beschreibung der politischen, speziell wissenschaftspolitischen Entwicklungen in Berlin und um eine Skizze der Entwicklung des Faches Pathologie am Beispiel des Charité-Instituts.

Ich hoffe, dass trotz der Subjektivität, der Unvollständigkeit und möglichen Unzulänglichkeiten der Leser einen Eindruck von der medizinischen Wissenschaft und Wissenschaftspolitik der Wendezeit in Berlin aus verschiedenen Perspektiven erhält und darüber hinaus das Fach Pathologie und seine Bedeutung in der Klinik und Forschung besser versteht.

Manfred Dietel

Berlin, 2022

ANMERKUNGENZUM TEXT

Das Manuskript habe ich in drei Segmente aufgeteilt, um es für die Leserinnen und Leser mit unterschiedlichen Interessen einfacher zu machen, den sie besonders interessierenden Teil schnell zu finden.

Deshalb wurden

der persönlich orientierte Vorspann (Kap. 1−3) auf weißem Papier,

der wissenschaftspolitische Teil (Kap. 4−10) auf gelbem und

der fachspezifische Teil über das Institut für Pathologie, ergänzt durch damit verbundene Erlebnisse und persönliche Anekdoten (Kap. 11−17), wieder auf weißem Papier gedruckt.

VORSPANN – DER WEG NACH BERLIN

Die einzige Grenze für unser Wissen bildet das Nichtwissen.Rudolf VIRCHOW, 1852

1HAMBURG – ELTERNHAUS, FAMILIE, SPORT

Meine Kindheit und Jugend habe ich in Hamburg verbracht, zunächst in Hamburg-Eppendorf und später, als mein Vater, Prof. Dr. Hanns DIETEL, Chefarzt in der Frauenklinik Finkenau wurde, in Uhlenhorst, genau genommen auf dem Gelände der Klinik. Dort bewohnte meine Familie ein für den Chefarzt neu erbautes Haus − damals, 1955, war das noch üblich. Die Schulzeit verlief unauffällig und endete mit einem durchschnittlichen Abitur. Mein Hauptinteresse galt sportlichen Aktivitäten (Fußball, Eishockey, Segeln, Skilaufen) und der Pflege von Freundschaften.

Als ich neun Jahre alt war, haben meinen Eltern begonnen, jährlich mindestens einmal mit mir skizulaufen. Für einen Jungen aus der norddeutschen Ebene war dies eher ungewöhnlich, führte aber zu einer gewissen Fertigkeit. So pflege ich das Skilaufen mit einer Gruppe von Freunden aus der Studentenzeit mit großer Freude bis heute und hoffentlich noch einige Jahre, mal sehen, wie lange die Knochen halten.

Schon mit zwölf Jahren begann ich, auf der Alster zu segeln, und ich habe diesen Sport dann viele Jahre lang sehr intensiv gepflegt. So nahm ich als Jugendlicher gemeinsam mit Freunden an zahlreichen Regatten teil, z. B. in Plön, auf der Kieler Woche, dem Steinhuder Meer, dem Ammersee, dem Wannsee, in Hyères und Nizza. Eine Zeit lang habe ich den Segelsport halb professionell betrieben und war mehrere Jahre zusammen mit dem erfolgreichen Olympia-Teilnehmer Ullrich (Ulli) LIBOR in der Nationalmannschaft des Deutschen Seglerverbandes. Unsere größten Erfolge waren mehrere deutsche Meisterschaften, der Gewinn der Kieler Woche 1970 sowie ein 6. Platz bei der Weltmeisterschaft der Flying-Dutchman-Klasse 1972 in Adelaide (Australien). Nach persönlichen Differenzen und einem zunehmenden Engagement im Beruf habe ich mich dann entschlossen, die „Segelei“ erst einmal ruhen zu lassen, um mich verstärkt der Medizin zu widmen.

Kieler Woche 1970, an der Pinne Ullrich LIBOR.

Zu der Zeit lernte ich meine spätere Frau Marion (geb. PARIS) kennen, die über meine intensive und zeitaufwendige Beschäftigung im Segelsport nicht ganz glücklich war und meinen schrittweisen Rückzug ebenso dezent wie zielgerichtet verstärkte. In den folgenden Jahrzehnten hat Marion auch meine späteren Entscheidungen, die erhebliche Auswirkungen auf das Familienleben hatten, nicht immer vorbehaltlos begrüßt, aber dennoch stets in Gelassenheit unterstützt. Die Tatsache, dass wir mittlerweile mehr als 45 Jahre verheiratet sind, einen Sohn, Dr. jur. Moritz DIETEL, und einen Pflegesohn, Alexander HEINZ, haben, spricht für sich. Mit beiden sind wir eng verbunden. Vor kurzem kam die Schwiegertochter Laura Dietel hinzu; sie hat die Familie erheblich bereichert.

Zu den Interessen der Jugend kam, angeregt durch meine Frau Marion, die als Tochter des Direktors der Hamburgischen Staatsoper Herbert PARIS mit Musik groß geworden ist, eine zunehmende Freude an klassischer Musik, Konzert und Oper gleichermaßen. Manchmal fragten wir uns, ob wir für 15 Mark ins Kino gehen wollten oder kostenlos in die Oper – zugegebenermaßen eine spezielle Fragestellung. So wurde ich Schritt für Schritt in diese Welt, die meiner Familie und mir bis dato relativ fremd war, eingeführt, für mich ein großer Gewinn. Auch heute genießen wir nach wie vor die häufigen Besuche von Festspielen, der Hamburgischen Staatsoper, der Berliner Philharmonie und weiteren Häusern.

Am Eingang der Hörsaalruine (s. Kap. 12) zusammen mit meiner Frau Marion und ihrer ständigen Begleiterin, einer Mischlingshündin namens Chewie, die etwas skeptisch um die Ecke lugt.

Ganz konnte ich den Segelsport doch nicht lassen; so habe ich an der Hochseeregatta „The Rolex Middle Sea Race 2017“ auf der Rennyacht „Varuna IV“ meines langjährigen Freundes Jens KELLINGHUSEN teilgenommen. Der Regattakurs begann in Malta, umrundete Sizilien zunächst östlich, verlief dann durch die Meerenge von Messina, weiter auf der nordwestlichen und dann westlichen Seite Siziliens, um unter Umrundung der Inseln Favignana, Pantelleria und Lampedusa in Malta zu enden. Leider trat bei etwa acht Windstärken ein technischer Defekt auf, der uns gezwungen hat, das Rennen vorzeitig zu beenden. Dies war besonders bedauerlich, da wir an sehr aussichtsreicher Position lagen. Anzumerken ist noch, dass bei derartigen Rennziegen der Begriff Komfort ein Fremdwort ist und der Minimalismus Triumphe feiert. So gibt es zum Beispiel nur sieben Kojen für 14 Mann Besatzung, da immer nur die Hälfte der Mannschaft ein wenig ruhen darf. Der Begriff Koje ist übrigens auch übertrieben, es handelt sich um eine Art straff gespannter relativ kurzer Hängematte. Dessen ungeachtet war es ein bleibendes Erlebnis.

Schon in frühen Jahren habe ich eine gewisse Italophilie entwickelt. So las ich viel über Italien, vom Wein bis zur Geschichte, habe dort einige Monate gearbeitet (s. Kap. 2.2) und das Land mit Freunden mehrfach auf dem Motorrad (BMW R 800, Bj. 1978) bereist. Übrigens fahre ich auch heute noch, im Jahre 2021, gern mit dem Motorrad in Italien herum, die letzte Tour galt der berühmten Linsenblüte in Castelluccio di Norcia, die die Landschaft in bunten Streifen erstrahlen lässt. Durch den Erwerb eines Ferienhauses in Trecastelli (Regione delle Marche, Adria) konnte ich im Jahre 2000 den lang gehegten Traum einer häufigeren Anwesenheit in dem wunderbar chaotischen Land realisieren. So richtig habe ich diese Möglichkeit allerdings erst nach meiner Pensionierung nutzen und genießen können, da ich dann auch intensiv Italienisch gelernt und dort viele Freunde gefunden habe. Besonders ans Herz gewachsen ist mir eine Gruppe italienischer Dorfbewohner, mit denen ich mich jeden Sonntag, soweit möglich, zum vormittäglichen Stammtisch treffe, „GLIAMICIDELPICCOLOBAR“, spezieIl mit „Il Capo“: Tarcisio PARADISI. Besondere Festtage, wie Geburtstage, werden mit großer Liebe und Intensität vorbereitet und begangen. So wurde mir von den Amici zum 64sten eine „Ape“ (auf Deutsch Biene) geschenkt, ein Dreirad auf Rädern mit klitzekleinem, aber höchst solidem Motor, die ich bis heute in Italien nutze. Auch werden beim Stammtisch alle Themen des Lebens und Sterbens ausführlich besprochen und vor dem jeweils anderen kulturellen Hintergrund häufig sehr emotional diskutiert − eine bemerkenswerte persönliche Erfahrung, wie unterschiedlich die Einstellungen und Meinungen zu grundlegenden und aktuellen Themen sein können, obwohl wir doch im gleichen Kulturkreis leben. Davon unabhängig schätze ich immer wieder die außerordentliche Gastfreundschaft, emotionale Bindung, Offenheit, Hilfsbereitschaft und die stets gute Laune. Davon kann ein Norddeutscher durchaus etwas lernen.

Die Varuna IV, eine Rennyacht der Extraklasse, auf der ich das „The Rolex Middle Sea Race 2017“ mitgesegelt habe.

Auf einer „Ape“ stehend und zum 64sten gratulierend: „GLIAMICIDELPICCOLOBAR“. (Ostra, Marken, Italien).

2HAMBURG – MEDIZINSTUDIUM, UK EPPENDORF, PATHOLOGIE

1968 nahm ich – in meiner Entscheidung maßgeblich von meinem Vater beeinflusst – das Studium der Medizin auf. Dass ich damals ohne Verzögerung beginnen konnte, verdanke ich einer nur kurzfristig gültigen Sonderregelung der Zulassungsbestimmungen, die besagte, dass Hamburger Schüler, die in Hamburg studieren wollten, um eine Note bessergestellt wurden. So konnte ich das Studium mit einem Durchschnitt von 3,0 und einem Numerus clausus von 2,5 umgehend aufnehmen. Mein primäres Interesse galt damals nach wie vor dem Segeln und weniger dem Studieren, sodass meine Aktivitäten sich im Wesentlichen auf die Wintersemester konzentrierten. Da ich einen guten und eifrigen Freund hatte (Dr. Arthur THALER), der die Einschreibefristen und Anwesenheitsnachweise in den Sommersemestern für mich wahrnahm − heute ein unvorstellbarer Vorgang −, konnte ich das Studium nach 12 Semestern erfolgreich abschließen.

Zugegebenermaßen waren die damaligen Anforderungen und die kollegiale Durchführung des ausschließlich mündlichen Staatsexamens für mich günstig. Ich erinnere mich noch an die Prüfung in Pädiatrie, die schlichtweg eine Katastrophe war und eigentlich mit einem „Ungenügend“ hätte enden müssen. Der prüfende Professor meinte hingegen, wir – die vier Prüflinge − seien eigentlich ganz nette Kollegen und wir sollten in vier Wochen, mit besseren Kenntnissen in der Pädiatrie, noch einmal wiederkommen. Am Rande sei bemerkt, dass alle vier später gute und engagierte Ärzte geworden sind. Ob man daraus schließen darf, dass es nicht von Prüfungsergebnissen abhängt, ob jemand einmal ein kompetenter Mediziner wird, sei dahingestellt.

2.1DIE PATHOLOGIEDES UNIVERSITÄTSKLINIKUMS EPPENDORF

Nach der Approbation habe ich mit Chirurgie, Gynäkologie und Orthopädie geliebäugelt. Klar war mir aber von Anfang an − das war damals auch so üblich −, dass ich zunächst ein oder zwei Jahre in der Pathologie verbringen wollte, um die pathologische Anatomie, die funktionellen Zusammenhänge der Organe besser kennenzulernen und − etwas, das für mich sehr wichtig war − ein Gefühl für die Struktur, Festigkeit, Geschmeidigkeit, Konsistenz etc. von Gewebe zu erhalten. Dies würde ich auch heute insbesondere denjenigen empfehlen, die später chirurgisch tätig sein möchten. Aber auch für einen Internisten oder Kollegen aus anderen Fachgebieten ist es sehr hilfreich, einen Herzinfarkt, eine Zystenniere oder einen malignen Lungentumor einmal direkt gesehen und in der Hand gehabt zu haben. Danach hat man eine viel konkretere Vorstellung von der Erkrankung, als wenn diese nur im Röntgenbild oder Ultraschall relativ abstrakt dargestellt wurde.

Das Fritz-Schumacher-Haus im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, ehemaliges Institut für Pathologie des UKE; heute medizinhistorisches Museum und Institut für Geschichte und Ethik der Medizin.

Da ich wegen des Segelns unbedingt in Hamburg bleiben wollte, war es klar, dass ich mich in der Pathologie am Universitätsklinikum Eppendorf beim damaligen Chef Prof. Gerhard SEIFERT bewerben musste. Durch die Fürsprache eines mir zugeneigten Herrn in Eppendorf durfte ich schon nach kurzer Wartezeit 1974 als Jungassistent (offiziell „wissenschaftlicher Assistent“) im Institut beginnen. Diese erste Anstellung war auf zwei Jahre begrenzt; genau genommen war es eine verlängerte Probezeit.

Mein großes, mich für mein zukünftiges (Berufs-)Leben prägendes Glück war die sich schon im ersten Pathologiejahr entwickelnde Bindung an den damaligen leitenden Oberarzt Prof. Eberhard ALTENÄHR. Er war ein national und international anerkannter Experte in der Prostatadiagnostik und der endokrinologischen Pathologie. Er erklärte mir schon früh den Lehrsatz von Rudolf VIRCHOW „Omnis cellula a cellula“ als eine wichtige Basis des morphologischen Verständnisses von Zellen. Er führte mich − liebevoll und fordernd − in die wissenschaftliche Arbeit ein und bestimmte das Thema meiner Dissertation: „Wirkung von verschiedenen Kalziumkonzentrationen, Dibutyryl-cAMP und 1,25-Dihydroxycholecalciferol auf die Nebenschilddrüsen“. Er lehrte mich an vielen schwierigen Fällen das sorgfältige und strukturanalytische Herangehen an histopathologische Mikroskopbilder, um am Ende des diagnostischen Prozesses eine möglichst konkrete Diagnose stellen zu können. Diese sollte sowohl die Krankheit klar benennen als auch die Prognose und, soweit möglich, die am ehesten effektive Therapie vorschlagen. Wir nannten es damals „funktionelle Pathomorphologie“. Diese Forderung an die Gewebediagnostik und der gleichzeitig praktische Ansatz in der täglichen Befundung haben mich mein ganzes Leben lang begleitet und geprägt.

Als Mensch war Eberhard ALTENÄHR ein mir stets sehr zugewandter und dem Stil des Instituts entsprechend kollegialer Vorgesetzter, besser Leiter, der wissenschaftlichen Arbeit, der es verstanden hat, Führung und Freundschaft miteinander zu verbinden. Wäre er nicht viel zu früh verstorben, wäre ein gemeinsamer langjähriger und fruchtbarer Berufsweg sehr wahrscheinlich gewesen, da er mich 1978 nach seiner Berufung nach Berlin als Direktor des Instituts für Pathologie am Universitätsklinikum Steglitz der Freien Universität gefragt hat, ob ich mit ihm als leitender Oberarzt dorthin gehen würde. Dies habe ich aus vollem Herzen bejaht, wollte aber zunächst meine Habilitation in Hamburg abschließen. In diesem Zeitraum ist er leider verstorben.

Prof. Eberhard ALTENÄHR, Oberarzt des Instituts für Pathologie, UKE Hamburg, später Direktor der Pathologie der Freien Universität Berlin, Klinikum Steglitz.

Der große Chef der Pathologie in Hamburg-Eppendorf, Professor SEIFERT, beobachtete meine Entwicklung und die Beziehung zu seinem leitenden Oberarzt mit skeptischem Wohlwollen. Die Skepsis bezog sich auf mein für damalige Verhältnisse ungewöhnliches Äußeres: Ich hatte wenige Haare auf der Stirn, dafür aber umso längere drum herum, und entsprach auch sonst nicht den Vorstellungen eines konservativen Ordinarius darüber, wie ein wissenschaftlicher Assistent auszusehen hätte, auch fuhr ich mit einem alten Motorrad (Zündapp 175) auf dem Eppendorfer Gelände herum (was natürlich verboten war). Umso höher ist es ihm anzurechnen, dass er mir nicht den Stuhl vor die Tür setzte, sondern, was vermutlich auch der Unterstützung seines Oberarztes zu verdanken war, meinen Vertrag verlängerte. Damit war der Weg zur Habilitation und zum Facharzt geebnet. In einem späteren Gespräch mit meiner Frau erklärte SEIFERT einmal halb vertraulich, warum er mich verlängert hatte, sinngemäß sagte er: Er war einer, der bei jeder an ihn gestellten Aufgabe Ja sagte und wenige Tage später lieferte.

In der Hamburger Zeit habe ich mit zwei weiteren Kollegen besonders eng zusammengearbeitet, das waren die Profes. Hartmut ARPS und Axel NIENDORF, unterstützt durch die exzellente MTA Birgit SCHÄFER. Da wir uns in unseren Qualitäten ergänzten, konnten wir erfolgreich zahlreiche Forschungsanträge stellen, die dann in wissenschaftlichen Projekten und Publikationen mündeten und zur Habilitation von beiden Kollegen geführt haben. Hier wurde auch der Grundstein zu einer weiteren Karriere in der Pathologie gelegt. Christoph RÖCKEN, später leitender Oberarzt in der Charité und jetzt Ordinarius der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, begann seinen Weg ebenfalls in unserer Gruppe. Die Forschung fand zumeist in den Laboratorien im Untergeschoss des Instituts statt. Dort hatten wir uns eine kleine, fast autonome Insel geschaffen, in der es gelegentlich nicht nur um die hehre Wissenschaft, sondern auch um feuchtfröhliche Geselligkeit ging.

Gerhard SEIFERT hat mein ganzes Berufsleben geprägt. Er war stets fair und offen zu seinen Assistenten, unterstützte sie, wann und wo immer er konnte, wirkte bei unvermeidbaren Meinungsverschiedenheiten zwischen seinen Mitarbeitern stets väterlich ausgleichend und vermochte es, eine gute, aber auch konsequent fachlich und wissenschaftlich produktive Atmosphäre zu schaffen. Ein von ihm gelegentlich ausgesprochener Satz, der ihn und seinen Führungsstil charakterisiert, lautete: „Wer im hiesigen Institut [er meinte eigentlich, bei ihm] als Arzt arbeiten darf, hat wissenschaftliches Potential, morphologische Begabung und menschliche Qualitäten, sonst wäre er nicht hier.“ Aus Sicht der Assistenten musste dieser Satz durch den Zusatz „nur wer schreibt, der bleibt“ ergänzt werden. Ob dies in jedem Fall zutraf, sei dahingestellt; die Tatsache aber, dass sich seine Schüler noch immer jedes Jahr einmal zum sogenannten Habips-Treffen versammeln, um seiner zu gedenken, spricht für sich. Die Bilanz des Institutes während der Seifert-Ära sind 24 Habilitationen und 6 Ordinariate (E. ALTENÄHR, W. BÖCKER, M. DIETEL, G. KLÖPPEL, H. OTTO, und A. SCHULZ), 12 Chefarztpositionen (H. ARPS, G. BOMMER, A. BURCKHARDT, J. CASELITZ, O. GEBBERS, K. HAMPER, H. KASTENDIEK, H. LIETZ, H. MITSCHKE, K. RIESNER, W. SAEGER, P. SCHMIEGELOW), 5 leitende Oberärzte/Abteilungsleiter und ein Leiter eines privaten Instituts (K. DONATH, G. DELLING, G. FREYTAG, T. LÖNING, H-J. SCHÄFER, S. SCHRÖDER). Kurz gesagt, er war ein großartiger Lehrer und im Laufe der Jahre auch ein väterlicher Freund, der als Führungspersönlichkeit nicht nur das Institut in Hamburg, sondern sowohl fachlich als auch wissenschaftlich die deutsche Pathologie geprägt hat.

Prof. Gerhard SEIFERT, Direktor des Instituts für Pathologie, UKE, Hamburg.

Der von seinen Schülern anlässlich der akademischen Trauerfeier formulierte Nachruf ist ein beredtes Zeugnis seiner menschlichen Größe:

„Am 17. April 2014 ist unser hoch verehrter Chef und Freund, Prof. Dr. Gerhard Seifert, nach kurzer Krankheit im Alter von 92 Jahren verstorben. Sein Leben galt der Pathologie, der er im Laufe vieler Jahre unschätzbare Dienste geleistet hat.

Gerhard Seifert hat seine Ausbildung 1949 am Institut für Pathologie der Universität Leipzig bei Heinrich Bredt begonnen und ist seitdem der Pathologie mit enthusiastischem Einsatz treu geblieben. Auf seinem Lebensweg war ein entscheidender Schritt, 1958 mit seiner gesamten Familie unter schwierigen persönlichen Umständen in den Westen zu fliehen. Dort begann er im damals von Willy Giese geleiteten Gerhard-Domagk-Institut für Pathologie der Universität Münster. Durch sein präzises engagiertes Arbeiten, hohes wissenschaftliches Interesse und wegen seines verbindlichen Wesens erwarb er sich dort in kurzer Zeit hohen Respekt. Dieser strahlte über Münster hinaus und führte 1965 zur Berufung auf den Lehrstuhl für Pathologie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf. Diese Entscheidung der Hamburger Fakultät darf durchaus als eine der glücklichsten der letzten Jahrzehnte bezeichnet werden.

Gerhard Seifert blieb bis zur Emeritierung, Ende 1988, in Hamburg, leitete das Institut in hervorragender Weise und führte es wissenschaftlich in die oberen Ränge europäischer Institute. Dies wurde u. a. dadurch gewürdigt, dass er als Präsident den Europäischen Pathologenkongress 1984 in Hamburg ausrichtete.

Der wissenschaftliche Schwerpunkt von Seiferts Arbeit lag insbesondere auf dem Gebiet der Pankreas-, Oral- und Speicheldrüsenpathologie. Insgesamt schrieb er mehr als 400 Publikationen, von denen aus übergeordneter Sicht sicherlich die 1991 unter seiner Federführung erschiene WHO-Klassifikation besonders Bedeutung hat. Er war einer der ersten, der die Notwendigkeit und den Nutzen von Registern – heute würden wir Biobank sagen – erkannte und während seines Arbeitslebens eines der weltweit größten Speicheldrüsenregister (> 6500 Tumore in 30 Jahren) aufgebaut hat. Seifert war stets offen für neue Projekte, Methoden und Experimente. Dabei zeigte er seinen untrüglichen Instinkt, neue Entwicklungen und Trends zu erfassen und aufzunehmen

Auch seine unermüdliche Tätigkeit für das 20-bändige Werk „Spezielle Pathologische Anatomie“ und seine bis ins hohe Alter erfüllte Editortätigkeit als Herausgeber von Virchows Archiv zeigen sein äußerst intensives, konstant auf hohem Niveau erbrachtes Engagement für unser Fach. So nebenbei war er noch Präsident unserer Gesellschaft, der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen, der Deutschen Division der Internationalen Akademie für Pathologie und der Europäischen Gesellschaft für Pathologie.

In seiner aktiven Zeit war er ein stets engagierter Lehrer, nicht nur für die Studenten (noch heute trifft man gelegentlich einen Kollegen, der sagt: „Ich habe bei Seifert gehört“), sondern auch in der täglichen Lehre am Mikroskop für seine Assistenten und Oberärzte − auch die konnten immer noch etwas von ihm lernen.

Nach seinem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst wurde dieses Engagement durch seine Berufung zum Präsidenten der Joachim Jungius-Gesellschaft der Wissenschaft und der Hamburger Stiftung zur Förderung der Krebsbekämpfung gewürdigt. Ferner wirkte er als Vorsitzender des Freundes- und Förderkreises des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf.

Was aber kennzeichnet den Menschen Gerhard Seifert? Zunächst einmal seine grundsätzliche Großzügigkeit, zumindest denjenigen gegenüber, die seinen Leistungsanforderungen entsprachen. In vielen Situationen haben wir ihn als verlässlichen Unterstützer und uns Schüler stets positiv motivierenden Lehrer empfunden. Die Großzügigkeit hatte allerdings auch ihre Grenzen. Insbesondere bei diagnostischen Fehlern seiner Schüler hat er die Fehlleistungen fast persönlich genommen.

Eine ihn besonders charakterisierende Eigenschaft war eine Mischung aus Bescheidenheit, gepaart mit natürlicher Autorität, die stets von allen akzeptiert wurde. Der Begriff „Motivierendes Vorbild“ (siehe Sören Schröder, Nachruf Hamburger Ärzteblatt 06/07−2014) entspricht sicher der Eigenschaft, die seine zahlreichen Schüler (s. o.) im persönlichen Umgang mit ihm empfunden haben. Zu seinen Schülern bestand eine unerschütterliche Solidarität, diese zeigte sich u. a. darin, dass sich die Habilitanden 2013 zum vierzigsten Mal in der sogenannten „Habipsrunde“ getroffen haben, um die Tradition des Zusammenhalts und die persönliche Nähe zu pflegen. Diese waren für Gerhard Seifert immer ein Höhepunkt (wie er selbst mehrfach gesagt hat), da diese Gruppe so etwas wie seine zweite Familie war.

Gerhard Seifert hat für das Fach Pathologie als Arzt, als Wissenschaftler und Lehrer Großartiges geleistet. Wir, die Gemeinschaft der Pathologen und speziell seine akademischen Schüler werden ihn in dankbarer Erinnerung halten.

Im Namen aller Seifert-Schüler,

Manfred Dietel“

2.2DIE HABILITATIONUNDNÄCHSTE SCHRITTE

Nach sechs wissenschaftlich fruchtbaren Jahren, in denen von mehreren Mitarbeitern und mir die Forschungsarbeiten auf der Basis von sich ergänzenden Methoden, also histopathologischen Analysen, ersten immunhistologischen Darstellungen des Nebenschilddrüsenhormons Parathormon in verschiedenen Nebenschilddrüsen-Tumoren, Elektronenmikroskopie, Zellkulturen lebender Nebenschilddrüsen-Zellen, radioimmunologische Messungen des in vitro sezernierten Parathormons etc., durchgeführt und publiziert wurden (z. B. M. DIETEL et al., Endocrinology 1979), konnte ich die Habilitationsarbeit „Funktionelle Morphologie und Pathologie der Nebenschilddrüsen. Sekretionsstudie mittels Gewebekultur, Elektronenmikroskopie, Immunhistochemie, Morphometrie und Radioimmunoassay“ vorlegen, die von der Fakultät 1981 nach externer Begutachtung und Vortrag vor dem Fakultätsrat akzeptiert und anschließend publiziert wurde (DIETEL, Fischer-Verlag, 1982).

In dieser produktiven Zeit hatte ich Gelegenheit, mehrere Jahre im Vorstand des Sonderforschungsbereichs 34 „Endokrinologie − Funktionen und Defekte von Rezeptorsystemen“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft unter Leitung von Prof. Peter SCRIBA mitzuarbeiten und zu publizieren.

Im Jahr 1981 habe ich zudem die Facharztprüfung abgelegt. Parallel dazu wandte ich mich aufgrund meines Interesses an der Gynäkopathologie dem Thema „Ovarialtumoren“, speziell den „Tumoren mit niedriger Malignität (Borderline Tumors)“ und deren Klassifikation zu (s. Kap. 11.6.5). Während dieser Jahre hatte ein Kollege und späterer Freund, Prof. Fritz HÖLZEL, einen entscheidenden Einfluss auf mich, da er mir noch eindringlicher und klarer als Eberhard ALTENÄHR die wissenschaftliche Arbeit, selbstkritische Darstellung der Ergebnisse, die logische Argumentation und Diskussion der Resultate und die in sich schlüssige Argumentation einer „scientific publication“ beigebracht hat. Wir haben stundenlang zusammengesessen, die Habilitationsschrift und weitere Veröffentlichungen sowie die dafür notwendige Literatur anderer Autoren diskutiert. Ich habe mich zumeist von seiner klaren und gut durchdachten Systematik des Forschungsdesigns und dessen Darstellung überzeugen lassen. Dabei wurde mir klar, wie häufig ein Anfänger selbstverliebt seine Gedanken ausbreitet, ohne die Stringenz der eigenen Ergebnisse mit der notwendigen kritischen Distanz zu überprüfen. Fritz HÖLZEL, leider 2004 viel zu früh verstorben, ist mir über viele Jahre ein wichtiger Freund gewesen. Ihm verdanke ich neben der intellektuellen Prägung auch die Änderung meines wissenschaftlichen Schwerpunktes in Richtung Onkopathologie maligner Tumoren. Wir haben gemeinsam viele Experimente erdacht und durchgeführt und wissenschaftliche Arbeiten verfasst, die sich schwerpunktmäßig mit der Entstehung bösartiger Tumoren, der Entwicklung von Resistenzen gegenüber Chemotherapeutika, der Chemoresistenz, und deren Überwindung beschäftigt haben (W. E. SIMON et al., J Natl Cancer Inst 1983; M. DIETEL et al., Cancer Res 1990).

Prof. Dr. Fritz HÖLZEL bei einer Ansprache anlässlich meines 50sten Geburtstags.

Damals haben wir erstmals Zellkulturen von individuellen Patienten mit dem Ziel etabliert, die Wirksamkeit verschiedener Zytostatika vorhersagen zu können (prädiktive Diagnostik). Auch wenn die Ergebnisse aufgrund technischer Probleme häufig erst relativ spät, gelegentlich zu spät den Patienten und dem behandelnden Arzt vorgelegt werden konnten, bin ich heute noch davon überzeugt, dass der experimentelle Ansatz richtungsweisend war, wie sich heute speziell in der modernen Molekularpathologie und den neuen Ansätzen der 3-D-Zellkulturen (Organoide) zeigt. Davon später mehr (s. Kap. 11.6.1, 11.6.9).

Ein wissenschaftlicher Gastaufenthalt auf Einladung des Instituts für Pathologie und Histologie der Universität Mailand, Ospedale San Paolo, der die Etablierung primärer Zellkulturen maligner Tumoren zum Ziel hatte, war für mich ein besonderes Erlebnis. Er ermöglichte mir einen Einblick in ein ausländisches Forschungslabor, eine intensive Freundschaft mit Prof. Giuseppe (Beppe) VIALE (University of Milan, European Institute of Oncology) und entsprach darüber hinaus meiner Zuneigung zu Italien. Ein weiterer höchst positiver Aspekt dieses Aufenthalts bestand darin, dass ich meiner Freude am Motorradfahren frönen konnte. So habe ich an den Wochenenden im Mai bei zumeist herrlichem Wetter die Region um Mailand auf zwei Rädern erkundet.

Ein besonderer Höhepunkt war der Besuch des Palio di Siena − des berühmten und äußerst harten Pferderennens auf der Piazza der toskanischen Stadt –, das ich mit einem sienesischen Kollegen des Instituts und seiner sehr distinguierten Familie erleben durfte. Da die Contrada (Stadtviertel) seiner Familie nicht gewonnen hatte – aus seiner Sicht eine Katastrophe −, war die Stimmung beim anschließenden Abendessen etwas gedämpft. Für mich bemerkenswert, fand die „Cena“ (Abendessen) in Räumlichkeiten am Rande der berühmten Piazza del Campo statt, die exklusiv den Sienesen vorbehalten sind und von Touristen nicht einmal erkannt werden, denn sie verbergen sich hinter kleinen Türen in ansonsten touristischen Restaurants.

Prof. Giuseppe VIALE, Università di Milano, European Institute of Oncology.

Sehr wichtig für meine persönliche und wissenschaftliche Entwicklung war die enge Zusammenarbeit mit Prof. William (Bill) T. BECK (St. Jude Children’s Research Hospital in Memphis, später Dean of Chicago University). Wir haben intensiv zum Thema der Zytostatikaresistenz kooperiert, viele bilaterale Experimente durchgeführt und uns dieser komplexen Thematik Schritt für Schritt genähert. Die Arbeiten konnten wir u. a. in einer gemeinsamen Publikation, übrigens zusammen mit Tom GROGAN, u. a. in Cancer Research publizieren (W. Beck et al., Cancer Res 1996). In den Jahren nach der Emeritierung haben wir uns bis heute kontinuierlich über wissenschaftliche und politische Themen ausgetauscht. Bill hat mir mehrfach deutlich gemacht, dass er − zumindest gedanklich − die USA verlassen wird, wenn Trump ein zweites Mal gewählt werden sollte. Wir alle wissen, er konnte bleiben, bis jetzt.

William T. BECK (St. Jude Children’s Research Hospital, Memphis, Dean of Chicago University).

Thomas GROGAN, MD, Director of the Institute of Pathology, University of Arizona, College of Medicine, Founder of Ventana.

Eine langjährige fruchtbare Kooperation und später enge persönliche Freundschaft verbindet mich seitdem mit Prof. Thomas GROGAN (Tucson, USA). Wir haben zum Thema „Immunhistologischer Nachweis von Biomarkern“ über Jahre gemeinsame Entwicklungen vorangetrieben, die mir und dem Institut ganz wesentlich in der wissenschaftlichen Entwicklung geholfen haben (s. Kap. 11.5.2). T. GROGAN war damals Direktor der Pathologie der University of Arizona, College of Medicine, mit Schwerpunkt Hämatopathologie. Als seine besondere Lebensleistung ist die gerätetechnische Automatisierung der Immunhistologie zu nennen, die die Entwicklung der modernen Pathologie weltweit fundamental beeinflusst hat. Dazu hatte er 1985 die Firma Ventana Medical Systems Ltd. gegründet, deren Chief Scientific Officer er über Jahrzehnte war. Das Bild zeigt ihn in typischer Pose, immer gut gelaunt, immer entspannt und letztlich immer Pathologe. In meiner Zeit in Berlin haben wir die Kooperation fortgesetzt und in zahlreichen gemeinsamen Projekten und Publikationen weiterentwickelt (s. Kap. 13.9 und 13.13.2). 2008 wurde Ventana von Roche übernommen. Kurz danach ging Tom in Ruhestand und schrieb das lesenswerte Buch „Chasing the Invisible“, in dem er sehr detailliert und präzise zwei wesentliche technologische Entwicklungsschritte der diagnostischen Pathologie − die Immunhistologie und die „silver enhanced in situ hybridization“ – beschrieben hat.

Nach meiner Ernennung zum Oberarzt und C3-Professor waren die Jahre in Hamburg bis 1989 durch zahlreiche Aktivitäten geprägt, z. B. in der Fakultät im UKE, im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie, in den Sonderforschungsbereichen 34 und 232, in der Preclinical Therapeutic Models Group der EORTC (European Organisation For Research And Treatment Of Cancer) und in anderen Organisationen.

Nach zwei erfolglosen Bewerbungen (Zürich und Gießen) war die 1989 erfolgte Berufung zum ordentlichen Professor (C4) und Direktor des Instituts für Allgemeine Pathologie der Christian-Albrechts-Universität (CAU) zu Kiel ein für mich entscheidender Schritt, ja das absolute Glück. Das Institut genoss durch die jahrelange herausragende Arbeit von Prof. Karl LENNERT, dessen Nachfolger ich werden durfte, ein exzellentes Renommee und eröffnete mir damit eine exquisite Möglichkeit der weiteren Entwicklung.

3KIEL − CHRISTIAN-ALBRECHTS-UNIVERSITÄT

Die feierliche Amtsübergabe fand im Frühjahr 1989 im Hörsaal des Kieler Instituts für Pathologie der Christian-Albrechts-Universität statt. Die große Freude, Leiter zu werden, wurde ein wenig dadurch gedämpft, dass die damals dort tätigen Oberärzte (Profes. M.-L. HANSMANN, D. HARMS, H.KREIPE, R. PARWARESCH, D. SCHMIDT und H.-J. RADZUN sowie Dres. J. LÜTTGES, U. JÄNIG und H.-W. WACKER) zumeist deutlich älter und erfahrener waren als ich mit meinen 40 Jahren. Im Rückblick bin ich insbesondere Prof. Dieter HARMS und Dr. Jutta LÜTTGES dankbar dafür, dass sie mich sowohl menschlich als auch diagnostisch − er und sie gehören zu den besten Pathologen, die ich kenne (insbesondere in der Kinder- und Pankreaspathologie) – äußerst kollegial unterstützend aufgenommen haben. Die Beziehung zu Karl LENNERT indes war weniger entspannt, da er letztlich nur Hämatopathologen akzeptierte und Schülern seines nicht sehr geschätzten Kollegen SEIFERT eher skeptisch gegenüberstand. Dass meine Frau und ich Spiegel-Leser waren, was während eines Abendessens offenbart wurde, führte zu einer weiteren Abkühlung des Verhältnisses, da er dieses „linke Kampfblatt“ dezidiert ablehnte.

Eine strukturelle Problematik unseres Verhältnisses lag darin, dass die Fakultät und das Kieler Ministerium ihm ein Institut für Hämatopathologie, das unabhängig vom Mutterhaus agieren konnte, zugesagt hatte. Nach Auffassung von Karl LENNERT sollten alle Gewebeproben, die irgendwie mit Hämatopathologie zusammenhingen, in „seinem“ Institut bearbeitet werden. Diese Aufgabenteilung konnte von mir nicht akzeptiert werden, da zahlreiche der Kollegen im Institut hämatopathologisch ausgerichtet waren und ich somit eine Spaltung der Mitarbeiter befürchtete. Dies galt allen voran OA Prof. Reza PARWARESCH. Nach einer intensiven, dennoch fair geführten Auseinandersetzung über die zukünftige Aufgabenverteilung konnten klare Verhältnisse geschaffen werden, die von beiden Seiten – dies sei hier ausdrücklich betont − zu hundert Prozent eingehalten wurden.

Amtsübergabe von Karl LENNERT an Manfred DIETEL, Institut für Pathologie der Christian-Albrechts-Universität, Kiel 1989.

Der Oberarzt Prof. PARWARESCH, der damals das Kieler Institut stark geprägt hat, war zweifelsohne ein exzellenter Wissenschaftler und Diagnostiker, litt aber leider stark unter einer genetischen Erkrankung. Für einen „Jungchef“ war er eine harte Nuss, da er virtuos die Klaviatur von Zuckerbrot und Peitsche spielte, eine Erfahrung, die für mich neu und in der aktuellen Situation gelegentlich recht schwierig war. Nachdem ich diese und jene „Erfahrung“ überstanden und das Spiel durchschaut hatte, war sie mir bei schwierigen Situationen in den Jahren danach hin und wieder hilfreich.

Nach der anfänglichen Orientierungszeit gestalteten sich die Verhältnisse in Kiel überwiegend positiv. So waren die ärztlichen Mitarbeiter solidarisch und loyal und die medizinisch-technischen Assistentinnen äußerst engagiert und in hohem Maße verlässlich (hier sind Jutta HAEFFKE und Karin MÜLLER besonders zu nennen) − eine für einen neuen Chef sehr hilfreiche und beruhigende Situation. Zusammen mit Dieter HARMS konnte eine Kindertumorzellbank aufgebaut werden, die Einwerbung von Drittmitteln stellte kein großes Problem für das wissenschaftlich exzellent aufgestellte Institut dar, und die Arbeiten zur Zytostatikaresistenz maligner Tumoren gingen gut voran. So konnte im November 1991 im Auditorium Maximum der Christian-Albrechts-Universität das „2nd International Symposium on Cytostatic Drug Resistance“ stattfinden, an dem zahlreiche international bekannte Wissenschaftler teilnahmen (s. Kap. 13.2).

Prof. Dieter HARMS, ltd. Oberarzt am Institut für Pathologie der Universität Kiel, in typischer Haltung bei einem Gespräch nach seinem Vortrag über Fragen der Paidopathologie, Hörsaal des Berliner Medizin-Historischen Museums.

Ein besonderes Erlebnis während des Symposiums war die Bekanntschaft und anschließende Freundschaft mit einem chinesischen Kollegen, Prof. GUOYAJUN (damals Director of the Cancer Institute of Second Military Medical University, Shanghai), der zuvor kurze Zeit an der Charité gearbeitet hatte. Mit ihm habe ich während seiner anschließenden Zeit in den USA und später in China viele Studien gemeinsam entwickelt und die International Society for Cell and Gene Therapy (ISCGT) gegründet (s. Kap. 11.6.11).

Der Kieler Fakultät gehörten überwiegend kollegiale und sympathische Kolleginnen und Kollegen an, die das klassische Zusammengehörigkeitsgefühl einer Wissenschaftlergruppe, gepaart mit gegenseitiger Hilfestellung in schwierigen Situationen, gepflegt haben; immer bemüht, dem Sinn des Wortes „facultas“ − „Fähigkeit, Vermögen, Vollmacht“ − zu entsprechen. In dieser Zeit hatte ich das Vergnügen, als Vertreter der Fakultät im akademischen Senat der Christian-Albrechts-Universität (CAU) Kiel zu sitzen. In meiner Kieler Zeit war das Verhältnis zwischen Medizin und Verwaltung noch ausgewogen, hier sei insbesondere der Verwaltungsleiter Manfred BAXMANN genannt, der sich stets vorbehaltlos für die Anliegen der Mediziner stark gemacht hat. Leider hat sich im Laufe der späten 1990er und dann in den 2000er Jahren die Ausgewogenheit stark, nach meinem Empfinden deutlich zu stark, in Richtung Übermacht der Verwaltung verlagert, ein Prozess, der letztlich alle Universitätskrankenhäuser in Deutschland erfasst hat. Ich werde während der Beschreibung der Berliner Zeit noch näher darauf eingehen.

Die relativ starke Rolle der Kieler Fakultät führte dazu, dass bei medizinisch relevanten und strukturell bedeutsamen Entscheidungen der Verwaltung und/oder des Ministeriums die Fakultät oder Vertreter der Professoren stets mit einbezogen wurden. Damit konnten die aus Sicht der Verwaltung möglicherweise verständlichen Bestrebungen einer stärkeren Ökonomisierung der Medizin, die später durch das neue DRG-System teilweise absurde Blüten hervorbrachte, auf ein vertretbares Maß beschränkt werden.

Im Vorgriff sei kurz erwähnt, dass die Mitsprache der Fakultätsratsmitglieder bei wichtigen Entscheidungen im Klinikum endgültig verloren ging, als die Landesregierung 2003 aufgrund eines aus meiner persönlichen Sicht grundsätzlich falschen Beratungsgutachtens der Firma Roland Berger die Zusammenlegung der Kieler medizinischen Fakultät mit der aus Lübeck beschloss. Die damit verbundene Gründung des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UK-SH) führte zu einer enormen zeitlichen und inhaltlichen Belastung von zahlreichen Fakultätsmitgliedern, Verwaltungsmitarbeitern und vielen weiteren Beteiligten, ohne das vorgegebene Ziel der angemessenen Ökonomisierung bei Erhaltung der wissenschaftlichen und medizinischen Leistungsfähigkeit zu erreichen.

Meine persönlich sehr positive und glückliche Zeit in Kiel endete Anfang 1994 mit meinem Wechsel nach Berlin. In der Übergangszeit wurde das Kieler Institut von Prof. HARMS interimistisch geleitet, bis mein ehemaliger Kollege aus Hamburg, Prof. Günter KLÖPPEL, 1995 das Institut als Direktor übernahm und bis 2009 leitete. Danach wurde Prof. Christoph RÖCKEN (s. Kap. 2.1 und 11.6.6) auf den Kieler Lehrstuhl berufen.

BERLIN – (WISSENSCHAFTS-)POLITISCH

… die Medicin ist eine soziale Wissenschaft und Politik ist nichts weiter als Medizin im Großen.Rudolf VIRCHOW, 1848

4DIE WISSENSCHAFTSPOLITISCHE ENTWICKLUNGIN DER ZEIT DER WENDE

Für mich persönlich ergab sich durch die Berufung 1990 zum Mitglied des damals einflussreichen „Medizinausschusses des Wissenschaftsrats der Bundesrepublik Deutschland“ eine vertiefte Einsicht in die wissenschaftspolitischen Strukturen auf Bundesebene, da der Ausschuss die inhaltliche und strukturelle Entwicklung der Universitätsmedizin in Deutschland aufgrund des damals gültigen Hochschulbauförderungsgesetzes (HBFG) wesentlich prägte. Dem Wissenschaftsrat habe ich unter dem Vorsitzenden Prof. Peter SCRIBA acht Jahre lang angehört. Damit konnte ich auch den gesamten Umbauprozess der deutschen Universitätsmedizin nach der Wiedervereinigung miterleben und partiell mitgestalten. Dies galt für den Hochschulbau, zu prüfende neue Organisationsmodelle (zum Beispiel das „Bochumer Modell“), medizinische Großinvestitionen und viele weitere die Felder der die Universitätsmedizin betreffende Fragen.

Die Wiedervereinigung 1989/1990 war für Deutschland ein großer Einschnitt, der auch die deutschen Universitäten und die Universitätsklinika betraf. Deren Anzahl wurde dadurch um neun vergrößert (Charité Berlin, Greifswald, Rostock, Leipzig, Dresden, Halle-Wittenberg, Magdeburg, Jena, Erfurt), sodass sich von der Aufgabenteilung, Ressourcenallokation, Wissenschaftsförderung, Ausbildungskapazität, Rechtsform und Finanzierung durch die neuen Bundesländer und den Bund eine völlig neue Situation ergab.

Das relevanteste Problemfeld war der Umgang mit den Universitätskliniken in Deutschlands Osten. An der hierzu geführten Diskussion habe ich direkt teilgenommen, da ich auch der „Evaluierungskommission des Wissenschaftsrates zur Begutachtung der Medizinischen Fakultäten der ehemaligen DDR“ angehörte, die sämtliche Universitätskliniken im Osten zweimal besuchte und begutachtete, um Empfehlungen für den Umbau oder Neuaufbau der medizinisch-wissenschaftlichen Landschaft in den neuen Bundesländern auszusprechen. Dies war eine äußerst spannende, zum Teil auch delikate Aufgabe, die von der damaligen Kommission meines Erachtens sorgfältig und verantwortungsvoll erfüllt wurde und die schwierige Situation der universitären Kollegen im Osten angemessen berücksichtigt hat. Es versteht sich von selbst, dass es mehrere in den Ost-Unikliniken gab, die ihre tiefe Skepsis und Abneigung offen zum Ausdruck brachten und die Kommission als eine Art „Übernahmekommando“ aus dem Westen ansahen. Hier seien anekdotisch zwei Vorkommnisse erwähnt, die die Kommissionsmitglieder beeindruckt hatten und die die nicht ganz einfache Situation verdeutlichen:

Mentor und Freund Prof. Peter SCRIBA, Direktor der Inneren Medizin der Universität Lübeck und später der Ludwig-Maximilians-Universität München, nach einem seiner stets überzeugenden Vorträge.

–Einmal besuchten wir eine große gynäkologische Klinik. Deren Chef stand auf der obersten Stufe einer Art Freitreppe, ließ die Kommission zu sich „heraufsteigen“ und begrüßte uns äußerst knapp mit offener Geringschätzung und Missachtung. In weiteren Gesprächen machte er deutlich, dass wir − die westdeutschen „Kollegen“ oder besser gesagt das westdeutsche Kommando − in keiner Weise beurteilen könnten, was in der DDR geleistet worden war, und dass es uns nicht zustünde, darüber nach sogenannten West-Kriterien zu urteilen.

Die Kommission reagierte auf derartige Meinungsäußerungen durchweg gelassen und hat sich in der aktuellen Arbeit vor Ort dadurch nicht beeinflussen lassen. Häufig war es möglich, in persönlichen Diskussionen die durchaus verständlichen Wogen zu glätten.

–Bemerkenswert war auch einer unserer ersten Besuche in einem nicht gerade reichen Bundesland mit zwei Universitätskliniken. Dort wurde uns von der damaligen Wissenschaftsministerin gleich zu Beginn in sehr dezidierten Worten klargemacht, dass sie von uns nicht viel hielte und dass es auf gar keinen Fall in Betracht käme, eine der beiden Kliniken zu schließen. Eine Möglichkeit, die im Vorfeld diskutiert worden war. Dies würde politisch nicht umgesetzt werden und bräuchte von uns deshalb gar nicht erst gedacht oder diskutiert zu werden. Auf die Frage, ob und wie das Land zwei Universitätskliniken zunächst beim Aufbau und später bei der weiteren Entwicklung finanzieren wolle und könne, lautete die knappe Antwort, dass das nicht unser Problem sei.

Derartige Aussagen stellten für die Kommission ein Problem dar, da wir zum einen keine Vorschläge machen wollten, die von vornherein abgelehnt wurden, und zum anderen nicht von der Linie des unter den gegebenen Umständen Machbaren abweichen konnten. Im zuvor skizzierten Fall hat sich übrigens die Politik partiell durchgesetzt und heute existieren zwei Fakultäten mit jeweils spezifischer Ausrichtung, wie von uns als Kompromiss vorgeschlagen.

Konflikte dieser Art gab es während der Kommissionsarbeit mehrfach; meist wurden sie durch die exzellente diplomatische Arbeit der Geschäftsstelle des Wissenschaftsrats und des damaligen Referatsleiters im BMBF und Vertreter des Bundes Wedig VON HEYDEN entschärft und in Formulierungen verwandelt, die − ohne die Politik zu brüskieren − die Position des Wissenschaftsrats klar darstellten. Die außerordentlich positive wissenschaftliche und medizinische Entwicklung in den neun Universitätskliniken der neuen Bundesländer während der letzten zwei Jahrzehnten belegt, dass die damals geleistete Arbeit überwiegend auf fruchtbaren Boden gefallen ist und der immer wieder betonte angeblich weiterhin bestehende Unterschied zwischen Ost und West zumindest für die Universitätsmedizin in großen Teilen nicht mehr gilt.

Die weitaus größte Mehrheit der Mandatsträger (Institutsleiter, Kliniker, Universitätsleitung, politische Administratoren etc.) hat die Evaluation akzeptiert und konstruktiv unterstützt. Um eine faire Beurteilung vornehmen zu können, mussten neben den fachlichen Gesichtspunkten stets auch die politischen Umstände und Standpunkte berücksichtigt werden. Die Empfehlungen des Wissenschaftsrats waren für die einzelnen Universitätskliniken von fundamentaler Bedeutung, da bei positiver Bewertung die Fortführung der Institution und die finanzielle Beteiligung des Bundes an zahlreichen Projekten gesichert waren.

Die Grenzanlage 1964 am Humboldthafen; jetziges Alexanderufer, rechts das Institut für Pathologie der Charité, im Hintergrund das heutige Bundeswirtschaftsministerium.

Nach der Wende wurde auch die medizinische Fakultät der Humboldt-Universität, Charité Berlin, von der Kommission eingehend begutachtet und zusammen mit dem Klinikum Steglitz und dem Rudolf-Virchow-Klinikum, beide Freie Universität, insgesamt zur weiteren Förderung empfohlen. Schon damals wurde deutlich darauf hingewiesen, dass zeitnah ein Gesamtkonzept mit Finanzplanung vom Land erwartet wurde (Auszug aus der Stellungnahme des Wissenschaftsrats bzgl. Charité siehe Anhang 1). Die anschließenden Planungen und damit verbundenen Probleme sind in den Kapiteln 6 und 8 näher ausgeführt.

Während der Begehung galt schon damals mein besonderes Interesse dem im Institut für Pathologie − dem Rudolf-Virchow-Haus −, da es die Wiege der wissenschaftlichen Pathologie ist. Das Institut lag unmittelbar am Todesstreifen und den entsprechenden Grenzanlagen. Die damalige Situation entsprach in etwa der, wie sie in der Abbildung dargestellt ist, nur dass der Zaun durch eine Mauer ersetzt worden war (s. Kap. 11.2.2).

Im Rahmen der Ost-West-Umwälzungen wurde von der Hochschulrektorenkonferenz die „Ständige Kommission für Fragen der Forschung und des wissenschaftlichen Nachwuchses“ eingerichtet, deren Mitglied ich über mehrere Jahre war. Diese Kommission hat ganz wesentliche Impulse zur Vereinheitlichung der medizinischen Ausbildung in beiden Teilen Deutschlands sowie zur Definition und Beschreibung des Inhalts des Studiums gesetzt. Im Rahmen der föderalistischen Bildungspolitik in Deutschland werden derartige Empfehlungen allerdings zumeist nur freundlich zur Kenntnis genommen, eine konkrete Umsetzung ist aufgrund der dezentralen Bildungsstrukturen in der Regel jedoch nicht gegeben. Meines Erachtens ist dies gerade in Fächern wie Medizin, in denen eine einheitliche Wissensvermittlung und Prüfung erfolgen sollte, kein zukunftsweisendes Modell. Damit sollen gut begründete und geplante Reformstudiengänge nicht unterdrückt werden − aber da quasi jede Universität ihr eigenes Curriculum entwickeln kann, ist ein Wechsel beispielsweise von Hamburg nach Berlin oder München nur mühsam möglich. Diese Kritik sei mir als persönliche Einschätzung erlaubt.

Als Fußnote möchte ich erwähnen, dass sich aus dem mehrwöchigen Zusammensein auf den Reisen der Kommissionen durch den Osten Deutschlands, die von gemeinsamen Abendessen, gepflegter Kommunikation und gelegentlichem kollektiven Duschen (Haus der Hochseefischer, Rostock) begleitet wurden, mehrere enge Bekanntschaften und Freundschaften ergeben haben. So denke ich an die Arbeit in den Kommissionen nach wie vor sehr gern zurück.

5WIEDERVEREINIGUNG UND DER WEGVON KIEL NACH BERLIN

Die Wiedervereinigung Deutschlands war für viele Deutsche und auch für mich und meine Familie ein einschneidendes Ereignis, das sich signifikant auf meinen weiteren Weg ausgewirkt und mein Leben verändert hat.

5.1PERSÖNLICHE AUSWIRKUNGEN

Für mich persönlich hatte die Wiedervereinigung eine erhebliche Konsequenz, da die Stelle von Prof. Heinz Werner DAVID, Direktor des Instituts für Pathologie der Charité Berlin von 1987 bis 1991, aufgrund der Aufdeckung seiner – nach damaliger Einschätzung − politisch problematischen Vergangenheit vakant wurde. DAVID hatte neben anderen Positionen auch das Amt des Direktors des Instituts für Wissenschaftsinformation in der Medizin bekleidet, das auch den DDR-Medizin-Report und die Zeitschrift für Klinische Medizin herausgab und damit eine zentrale Einrichtung des Ministeriums für Gesundheitswesen der DDR war. Er wirkte 1968 als Prodekan für Studienangelegenheiten und anschließend zehn Jahre als Dekan der medizinischen Fakultät der Humboldt-Universität (1980−1990). Von 1976 bis 1984 war er Vorsitzender der Gesellschaft für Pathologie und später Vizepräsident der Gesellschaft für experimentelle Medizin der DDR (bis 1989). In späteren Gesprächen mit Kollegen wurde mehrfach deutlich, dass er in der Medizinerszene der DDR zweifellos Anerkennung genoss.

Qua Amt hatte DAVID eine starke Politiknähe. Möglicherweise waren seine Kontakte aber intensiver als notwendig, das beschreibt zumindest die Journalistin Rosemarie STEIN in ihrem Buch „Die Charité 1945−1992. Ein Mythos von innen“ (R. STEIN, Argon Verlag, 1992). Sie legte offen, dass er „Inoffizieller Mitarbeiter“ der Staatssicherheit gewesen war (IM Heinz Werner) und belegte dies durch die Veröffentlichung eines belastenden Briefes.

Prof. Dr. Heinz DAVID, Direktor des Instituts für Pathologie der Charité (1987–1991).

Entsprechend der hochschulpolitischen Regelung des Berliner Senats zur Übernahme in Rechtsverhältnisse des hauptberuflich beschäftigten wissenschaftlichen Personals, insbesondere der leitenden Persönlichkeiten an Universitäten, wurde gemäß dem Einigungsvertrag und dort speziell des Art. 75 Hochschulrahmengesetz (HRG, Überleitungsvorschriften, sprich Hochschulpersonal-Übernahmegesetz des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft) verfügt, dass alle Professorenstellen neu ausgeschrieben werden mussten. Dies bedeutete im Klartext, dass sich die bisherigen Hochschullehrer und universitären Klinikdirektoren der Ost-Universitäten einem Berufungsverfahren nach westdeutschen Kriterien unterwerfen mussten. So wurde auch in Berlin verfahren. Dies geschah unter dem Gesichtspunkt, dass die betreffenden Hochschullehrer den zukünftigen Nachwuchs an den Universitäten ausbilden und somit nicht belastet sein sollten. Nur bei positiver Beurteilung durch den Ehrenausschuss (auch Ehrenkommission genannt, eingesetzt vom akademischen Senat der Humboldt-Universität, s. Kap. 6.2) und ggf. der Struktur- und Berufungskommission (eingesetzt vom Senator für Wissenschaft und Forschung) wurde eine Übernahme gemäß des HRG empfohlen. Ein Ausschlusskriterium war gegeben, wenn ein Verantwortungsträger ein sogenannter „Inoffizieller Mitarbeiter der Staatssicherheit“ (IM) gewesen war, da dies als inakzeptable Systemnähe galt (s. Kap. 11.1). Diese von den Betroffenen, in der Politik und von Teilen der Öffentlichkeit vielfach kritisierte und als Verdrängungsprozess gebrandmarkte Regelung wurde im Juli 1997 vom Bundesverfassungsgericht bestätigt. Es wurde festgestellt, dass Fragen zu früheren Tätigkeiten in der SED oder der Staatssicherheit grundsätzlich zulässig sind und die Kündigung eines Hochschullehrers in diesem Zusammenhang wegen fehlender Eignung rechtlich unproblematisch sei.

1992 wurde deshalb die Stelle des Leiters der Charité-Pathologie ausgeschrieben. Prof. Manfred ERHARDT, damals Senator für Wissenschaft und Forschung, leitete das übliche Berufungsverfahren (s. Kap. 5.2) ein. Da ich seinerzeit noch nicht lange in Kiel tätig war und es mir dort sehr gut gefiel, zog ich zunächst einen Wechsel nach Berlin nicht in Betracht. Aufgrund der Anfragen mehrerer Kollegen in Berlin und der ausdrücklichen Bitte der Berufungskommission, mich zu bewerben, entschloss ich mich dann doch, meinen Hut in den Ring zu werfen. Obwohl ich unvorhersehbare Probleme auf mich zukommen sah, reizte mich die Aufgabe. Ich sah in ihr eine einmalige und attraktive Chance, die Wiedervereinigung partiell aktiv mitgestalten und am Umbauprozess Berlins und der Charité persönlich mitwirken zu können. Im Vordergrund stand natürlich die für einen Pathologen ungewöhnlich reizvolle Aufgabe, möglicherweise als Nachfolger Rudolf VIRCHOWS in einem höchst geschichtsträchtigen Institut arbeiten zu dürfen.

Ein Porträt von Giovanni Battista MORGAGNI (*25.02.1682 in Forlì; † 05.12.1771 in Padua) und Rudolf Ludwig Karl VIRCHOW (*13.10.1821 in Schivelbein, Pommern; † 05.09.1902 in Berlin), beide Pathologen waren geniale Vordenker moderner Medizin.

Das Ölgemälde ist ein Geschenk der italienischen Regierung zu VIRCHOWS 80stem Geburtstag und hängt heute im Konferenzraum der Charité-Pathologie.

Im Herbst 1993 hat sich die Kommission, nach dem üblichen Procedere mit einer öffentlichen Vorlesung und der persönlichen Vorstellung mit intensivem Gespräch über die zukünftigen Möglichkeiten der Entwicklung, dazu entschieden, den Ruf an mich auszusprechen. In der Phase der Überlegungen hat mir mein jahrzehntelanger Mentor und Freund, Prof. Peter SCRIBA (Direktor der Inneren Medizin der Universität Lübeck und später der Ludwig-Maximilians-Universität München), in einem Telefonat und einem persönlichen Gespräch klargemacht, dass ich den Ruf unbedingt annehmen solle, ja anzunehmen habe, sonst würde er mir die „Freundschaft kündigen“. Nach positiven und unterstützenden Verhandlungen mit der Charité-Verwaltung, geleitet von Jürgen TÄGERT − einem sehr angenehmen und sachlichen Verhandlungspartner − und dem damaligen Dekan, Prof. Harald MAU, habe ich den Ruf Ende 1993 angenommen und wechselte im März 1994 an die Charité.

Bei den Berufungsverhandlungen ging es im Wesentlichen um die bauliche Rekonstruktion des Instituts, die gerätetechnische Erneuerung fast aller Instrumente (in der Routine und den wissenschaftlichen Labors etc.) und, als zentraler Punkt, um die personelle Ausstattung. Die geschlossenen Vereinbarungen wurden bis auf die bauliche Rekonstruktion (s. Kap. 11.2.2) relativ korrekt umgesetzt. Meine Erfahrungen im Wissenschaftsrat und den politischen Gepflogenheiten auf beiden Seiten waren sicherlich hilfreich, um die Entwicklung des Pathologieinstituts und später auch der Charité insgesamt voranzubringen. Als kleine Anmerkung sei erwähnt, dass der gesamte Vertrag nur vier Seiten lang war − heute umfassen diese Verträge mehr als 30 Seiten. Ob das der Klarheit dient, sei dahingestellt.

Im vertraulichen Gespräch mit Prof. Peter SCRIBA.

Persönlich ist anzumerken, dass meine Familie und zahlreiche Freunde damals an meinem Verstand zweifelten, da die Verhältnisse im gerade wiedervereinigten Deutschland und speziell in Berlin − im Gegensatz zu Kiel − unübersichtlich und keineswegs komfortabel waren. Auch die Zustände am Charité-Institut waren, vorsichtig formuliert, problematisch und die Zukunft der Charité in Berlin-Mitte, d. h. am alten Standort, war keineswegs gesichert. Es wurde schon früh deutlich, dass der politische Entscheidungsprozess über die künftige Organisation der Hochschulmedizin ein gerütteltes Maß an Komik entwickelte:

Kurz nach der Wende, im April 1991, wurde, nach der Begutachtung des Wissenschaftsrates, vom Land Berlin eine Hochschulstrukturkommission ins Leben gerufen (Leiter: Prof. Kurt KOCHSIEK). Dem Berliner Senat waren die Vorschläge nicht genehm und er setzte im Juni 1992 eine neue Expertenkommission ein (Leiter: Prof. Peter SCRIBA). Zusätzlich gab es die für die konkrete Entwicklung der Charité wichtige 6. Struktur und Berufungskommission, die 1993 die Vorschläge der Expertenkommission zur Neustrukturierung der Hochschulmedizin in Berlin deutlich kritisierte und als realitätsfern einstufte, da neben vielen weiteren Punkten die Ost-West-Problematik nicht angemessen berücksichtigt worden sei. Durch kritische Kommentare, zum Beispiel des akademischen Senats der FU, wurde die Gesamtsituation, vorsichtig ausgedrückt, höchst unübersichtlich. Die Journalistin Mechthild KÜPPER lieferte einen für die Stimmung der Zeit nach der Wende charakteristischen Beitrag: „Die Humboldt-Universität, Einheitsschmerzen zwischen Abwicklung und Selbstreform“ (Rotbuch Verlag, 1993). Darin schrieb sie u. a.: „[…] im Februar 1993 gaben die Westberliner eine weitere Probe ihrer Kunst, ausschließlich im Sinne des eigenen Besitzstandes zu begutachten.“ Zur generellen Korrektheit dieser Aussagen kann ich nichts sagen, sicher ist aber, dass die Gefechtslage angespannt war. Spötter sprachen von der Berliner „Kommissionitis“.

Eingang der Charité von der Schumannstraße mit Sitz des Vorstands.

Außerdem wurde von Familie und Freunden befürchtet, dass ich als Wessi (ein schrecklicher Begriff, genauso schrecklich wie Ossi) von vielen Ostberlinern mit großer „Zurückhaltung“ behandelt werden würde. Diese Befürchtung sollte sich nicht bewahrheiten; die Interimsdirektoren des Instituts Profes. Hubert MARTIN, Hans GUSKI und Gerhard DITSCHERLEIN waren bereit, über alle Themen, auch politisch problematische, zu sprechen. Sie haben mir das Institut mit all seinen fachlichen und baulichen Problemen gezeigt und mich in den Folgejahren stets loyal unterstützt. Dies galt auch für die oberärztlichen und ärztlichen KollegInnen sowie ohne Einschränkung für die medizinisch-technischen AssistentInnen, die SektionsassistentInnen und anderen Mitarbeitenden. Auch das weitere Personal der Charité, das ich in den späteren Jahren als Dekan und ärztlicher Direktor auf allen Ebenen kennenlernte, hat mich nicht ein einziges Mal als Westdeutschen diskreditiert. Noch heute, im Jahr 2022, ergeben sich immer wieder freundliche Kontakte mit Mitarbeitenden der Technik, der IT-Abteilung, des Gartenbaus und anderen Abteilungen der Charité. Dafür sei hier noch einmal allen Dank gesagt.

5.2EINNEUER SENATOR – EIN GLÜCKSFALLFÜR BERLIN

Ein zentral wichtiger Beitrag zur Erneuerung der Charité am Standort in Berlin-Mitte wurde von Senator Prof. Manfred ERHARDT geleistet, der im Januar 1991 als Senator für Wissenschaft und Forschung nach Berlin berufen wurde und Ordnung in den chaotischen Prozess brachte. Er war zugleich Präsident der Kultusministerkonferenz und damit sehr einflussreich in der deutschen Wissenschaftsszene. Für die Charité war dies ein ausgesprochener Glücksfall, da er in allen Gesprächen und Verhandlungen nie einen Zweifel daran ließ, dass die „alte Charité“ erhalten bleiben und zu neuer Blüte geführt werden sollte. Dies wurde vom Berliner Senat – damals unter dem Regierenden Bürgermeister Eberhard DIEPGEN – mehrfach versichert und letztlich auch partiell umgesetzt. Senator ERHARDT, kompetent unterstützt durch den Senatsdirektor Wolfgang ECKEY, hat in die Charité eine Aufbruchsstimmung eingepflanzt und bei den Berufungen eine vertrauenerweckende, kollegiale Atmosphäre geschaffen. So auch bei meiner Berufung und den anderen neu zu besetzenden Lehrstühlen wie Dermatologie, Onkologie, chirurgische Onkologie, allgemeine Chirurgie, Radiologie, Nuklearmedizin, Neurologie etc. Unter der Ägide von ERHARDT