Coralee und das Kelpie-Rodeo - Mira Lindorm - E-Book

Coralee und das Kelpie-Rodeo E-Book

Mira Lindorm

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Beschreibung

Endlich hat Coralee genug Bonuspunkte gesammelt, um ein paar Tage frei nehmen zu können. Und wohin fährt sie? Genau, an den Ort, dessen bloße Erwähnung jede Fee sentimental macht. In die Heimat ihrer Sippe, nach Irland. Leider ohne Ryan, denn Coralee befürchtet zu Recht, dass ein gemeinsamer Urlaub ihren Fluch umgehend wieder verstärken würde. Allerdings ist Urlaub alleine ätzend langweilig. Wie schön, dass die lokalen Sirenen gerade ein Kelpie-Rodeo organisieren. Coralee genießt die Show und die Wetten – bis sich hinter den Kulissen Unheil zusammenbraut.

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Coralee und das Kelpie-Rodeo

F.E.U. Band 4

Mira Lindorm

 ©Mira Lindorm 2023   

Machandel Verlag
Neustadtstr.7, 49740 Haselünne

Cover und Illustrationen: Elena Münscher mit Bildmaterial von Dolimac/junnybear36/shutterstock.com Coverbilder der Vorschau: caraman/aliaschin/westamult/lenmdp/u.a. /depositphotos.com

Informationen zum Buch: 

Alle Personen sind frei erfunden, genauso wie die ganze Fantasy-Geschichte. Coralee gehört zum Dunklen Hof der Feen und benimmt sich entsprechend. Sie hat nichts gegen eine handfeste Rauferei (sowohl in einer Bar als auch im Bett), trinkt, flucht, betrügt, zaubert, was immer ihr in den Kram passt und betrachtet Menschen bestenfalls als nervig. Es gibt nur zwei Dinge, die sie wirklich liebt: anderen eine Falle zu stellen und einen sexy Mann für die Nacht. 

Wer Coralee noch nicht kennt, findet im Anhang des Buches einige zusätzliche Informationen zu ihr und ihrer Welt.

Außerdem finden Sie dort eine Aufstellung jeder Wesen der irischen Mythologie, die in diesem Buch vorkommen.

*1*

Urlaubszeit

„Fey Emergency Unit – bitte schildern Sie die Art und das Ausmaß Ihres Notfalls!“

Ryans Stimme war mit leichtem Knurren unterlegt. Ich grinste breit. Sollte der Frischling zusehen, wie er mit seinem ersten eigenen Notfall klarkam. Ich war abwechslungshalber mal nicht zuständig, ich hatte Urlaub. Endlich! Vom Chef persönlich bewilligt, nachdem ich die Seele seines Sprösslings dem Fußball-Dämon unversehrt abgeluchst hatte. Und diese Bewilligung dachte ich auszunutzen, zumal Ryan nach seiner Feuertaufe auch offiziell vertretungsberechtigt war und damit unsere Station auch bei meiner Abwesenheit die Regelzahl von drei Mitarbeitern im Dienst hatte. Auch wenn mein kleiner Werwolf noch nicht einmal halb ausgelernt hatte, irgendwie würde der schon klarkommen, mit meinem leuchtenden Beispiel vor Augen. Zudem, Essylt würde schon auf ihn aufpassen. Hatte die Nervzicke bei mir schließlich auch getan.

Meine Interessen lagen derzeit weit weg von jedem Notfall. Genauer gesagt, in den grünen Hügeln Irlands, jenem Ort, von dem meine Sippe stammte. Nicht, dass ich plötzlich Lust auf die europäische Verwandtschaft hatte. Spießer übelster Sorte. Wohlerzogen, nobel, so senkrecht, als hätten sie einen Besenstiel verschluckt, und dermaßen adelig, dass man mit jedem falschen Wort einen Krieg entfachen konnte.

Wie auch immer, die Familie konnte mir gestohlen bleiben. Mich interessierte etwas ganz anderes: das alle 13 Jahre stattfindende Kelpie-Rodeo. Die Menschen denken, arabische Vollblut-Hengste sind das Nonplusultra der Pferdewelt. Weit gefehlt! Die Kelpies sind um mindestens sechs Größenordnungen besser. Ha! Rassige Vollblut-Killer, die durch die aufspritzenden Wogen der Irischen See preschen und alle Reiter ertränken, die zu blöd sind, sich rechtzeitig aus dem Sattel zu befreien!

Keine Ahnung, warum diese Werbung plötzlich auf meinem Handy aufploppte, aber schon beim ersten Wort war ich Feuer und Flamme. Ein mörderisches Rodeo, bei dem die Wetten alle Rekorde schlagen würden. Und dessen gewinnender Reiter in den Genuss kommen würde, einem Prinzen oder einer Prinzessin der Kelpies für eine Nacht Gesellschaft leisten zu dürfen. Mir lief das Wasser im Mund zusammen, als ich sah, was für ausgesuchte Exemplare die lokalen Sirenen aus der Irischen See herausbezirzt hatten. Besonders der große Hengst mit dem Silberstreifen in der Mähne, ein gewisser O‘Connor, hatte es mir in seiner Menschenform angetan. Der sah einfach zum Anbeißen aus. Yummy! Auf jeden Fall wollte ich da mitmischen. Mindestens beim Wetten, möglichst sogar beim Reiten. Einen Gewinn hielt ich für so gut wie sicher. Wer auf einer Harley in der Arizona-Wüste Crossroad macht, sollte auch jeden noch so durchgedrehten Gaul meistern.

Mit einem letzten spöttischen Grinsen winkte ich Ryan zu und marschierte aus dem Büro. Nichts wie ab zum Flughafen, bevor Ryan auf die Idee kam, um meine Hilfe zu bitten – was ich ihm wegen diesem beknackten Fluch, der mich zum Gutsein verdammte, nie hätte abschlagen können.

Der Flug war so langweilig, wie man es von einer Menschen-Maschine erwarten konnte. Aber Dublin entschädigte mich voll. Ein Pub nach dem anderen voller rothaariger Iren, die selbst im Alkoholkoma noch hervorragend singen konnten, und die vertrauten Klänge meiner gälischen Muttersprache.

Gut, die Kleinstadt war gewöhnungsbedürftig, wenn man aus Chicago kam, und die Menge an Fußgängern war fast so schlimm wie in Ägypten. Außerdem weit und breit kein Hochhaus. Dafür aber erfreulich viele Pubs.

Nach den ersten vier Ale hatte ich mich an die kleinen Häuser und die engen Straßen gewöhnt. Nach acht Ale fand ich sie sogar ganz sympathisch, Kopfsteinpflaster inklusive.

Bis zur Sperrstunde hatte ich ein Dutzend Pubs durch und vertrieb mir den Rest der Nacht damit, vom nächsten Dach aus die Vergnügungen in einem Stundenhotel zu beobachten. Die ersten Sonnenstrahlen allerdings stachen dort so unangenehm direkt in meine Augen, dass ich mich in die Herberge „Zum zeternden Leprechaun“ verkroch und dort den Tag verschlief.

Ein donnerndes Krachen riss mich aus meinen Träumen. Ein zweiter Faustschlag schmetterte gegen die Eichenbohlen der Zimmertür. „Zimmer räumen oder für einen weiteren Tag bezahlen!“, kreischte eine Stimme, die eindeutig meiner lieblichen Leprechaun-Herbergsmutter gehörte. Stöhnend wälzte ich mich aus dem Bett, packte meine Tasche und stolperte aus dem Zimmer. Der Flur war leer, aber um die Ecke kreischte es schon wieder. „Essen ein Goldstück, Trinken zwei Goldstücke, Auskünfte aller Art drei Goldstücke! Und kein Feengold, wenn ich bitten darf!“

Teuer. Aber ihr Essen war wirklich gut, selbst für Feen-Standards. Und mal ehrlich, bei meinem normalen Dienstplan war gutes Essen ohnehin das Einzige, für das ich regelmäßig Geld ausgeben konnte. Und sei es nur, um dem Kantinenfraß bei F.E.U. zu entgehen.

Meine Knucklehead hatte ich ja leider nicht mitnehmen können. Also fragte ich nach dem Frühstück den griesgrämigen Ehemann meiner bezaubernden Herbergsmutter nach einem Transportmittel Richtung Rodeo. Und fand mich an einer ordinären menschlichen Bushaltestelle wieder. Echt, wie hinterwäldlerisch war dieses Land? Kein Wunder, dass meine Vorfahren ausgewandert waren. Meine Mutter pflegte zwar immer zu sagen, dass diese fürchterlichen christlichen Mönche schuld waren, die das Land für ihren Gott reklamierten, aber ich weiß noch zu gut, wie sehr sie die Erfindungen der Menschen liebte, die auch ohne jeden Zauber das Leben bequemer machen konnten. Na ja, sie war halt keine gute Zauberin, das muss auch mal gesagt werden. Ich bin besser, viel besser, aber ich komme ja auch mehr nach meinem Vater.

Eine adäquate Alternative zu dem Bus war leider nirgends in Sicht. Also überprüfte ich noch mal meinen Tarnzauber, kaufte – kaufte! – eine Fahrkarte und stieg in den altersschwachen  Bus. Kaum hatte ich es mir auf meiner Bank bequem gemacht, kam auch schon ein dickes, schwitzendes Ungeheuer von Menschenmann auf mich zu getorkelt, musterte mich mit offensichtlichem Appetit und erdreistete sich zu fragen: „Ist hier noch frei?“

Ich würdigte ihn keiner Antwort, ließ stattdessen eine Sekunde lang das Trugbild einer Höllenbestie aufschimmern. Der Menschenmann zuckte zurück, schlug ein Kreuzzeichen, murmelte „War wohl doch ein Glas zu viel“ und schlich kopfschüttelnd zwei Sitzreihen weiter, um sich dort zwischen eine ältere Dame mit Schoßhund und einen Handy dudelnden schlaksigen Jungen zu quetschen.

Ich gestehe, ich war froh, als der Bus nach magenumdrehendem Geschaukel endlich sein Ziel erreichte. Essylt quatscht mir ja schon immer die Hucke voll, aber das war nichts gegen die beiden Tratschweiber, die auf der Bank vor mir saßen und lautstark über die Schwächen ihrer Nachbarn und Verwandten herzogen. Ich verließ den Bus geradezu fluchtartig, fest entschlossen, mir für die Rückfahrt ein anderes Transportmittel zu suchen. Notfalls zu Fuß. Oder auf einem Kelpie.

Ein Gedanke, der geradezu verlockend klang. Kelpies sind zwar ziemlich mörderisch veranlagt, aber sie sind auch verdammt schnell. Querfeldein würden sie diesem trotteligen Bus locker den Rang ablaufen.

Wo steckten diese Kelpies überhaupt? Hier an der Bushaltestelle jedenfalls nicht. Ich sah mich um. Gut getarnt, aber für meine Feenaugen natürlich trotzdem erkennbar, strebte gerade eine Gruppe Leprechauns, die ebenfalls aufgeregt über das Rodeo diskutierten, durch die Dorfstraße grob in Richtung Meer. Logisch. Kelpies lieben das Wasser. Wie sonst sollten sie ihre Opfer ertränken?

Ich folgte den Grünhäutigen umgehend.

*2*

Das Rodeo

Auf dem Weg zur Küste kribbelte ich bereits vor Adrenalin. Das erste Mal, dass ich ein Kelpie-Rodeo sehen würde! Der Gedanke alleine war schon anregend. Dass, völlig unüblich für die Gegend und die Jahreszeit, auch noch eine wärmende Sonne vom wolkenlos blauen Himmel lachte, war nur noch das Sahnehäubchen auf dem Kuchen.

In der Ferne sah ich bereits das Meer und den Strand, hörte Lachen und Rufen, ein sicheres Zeichen, dass das Rodeo bereits in vollem Gang war. Unwillkürlich wurde ich schneller. Ich war ganz wild darauf, endlich zu sehen, was da abging.

Tatsächlich empfing mich ein wahrhaft atemberaubender Anblick. Dutzende Kelpies tobten buckelnd und sich aufbäumend durch einen Treibholz-Corral. Ihr schimmernd blaues Fell leuchtete förmlich in der Sonne. Das Trommeln ihrer Hufe unterlegte eindrucksvoll das Grölen und Lachen der Zuschauer.

Wer konnte so viel guter Unterhaltung schon widerstehen? Ich brannte darauf, mich in die Menge zu stürzen. Selbstredend strebte ich dorthin, wo am meisten los war.

Die meisten der potenziellen Reiter waren Leprechauns, aber ich sah auch zwei Goblins, und … eine Menschenfrau? Was zur Hölle tat die hier? 

Als sie sich kurz umsah, revidierte ich meine Bezeichnung. Das war keine Frau, sondern ein junges Mädchen, vermutlich kaum dreizehn oder vierzehn Jahre alt. Ihrem Gesichtsausdruck nach wünschte sie sich gerade weit, weit weg. Kein Wunder, so, wie die Leprechauns sie zähnefletschend ansahen. Bei Oberons blaublütigen Eiern, wie kam ein Menschenkind hierher, mitten in eine nicht besonders menschenbegeisterte Menge magischer Wesen?

Die Neugier siegte, ich ging zu ihr und tippt ihr auf die Schulter. „Hey, was machst du hier? Die ist kein Ort, an dem sich Menschen aufhalten sollten!“

Sie drehte sich zu mir um, und ich konnte ihren geweiteten blauen Augen ansehen, dass sie sich vor Angst fast in die Hosen machte. „E... Entschuldigung, ich wollte wirklich keinen Ärger machen! Ich habe nur die Kelpies gesehen, und sie sind so schön,  ich wollte sie nur mal von Nahem begucken.“

Ich runzelte die Stirn. Hatte die Kleine wirklich so wenig Ahnung? Die Nähe eines Kelpies war für Menschen lebensgefährlich. Und hier war gleich ein ganzes Rodeo-Team versammelt. „Hau lieber ab! Sofort!“

Das Mädchen nickte. Ihre Unterlippe zitterte. „Tut mir leid, wirklich! Ich wollte keinen Ärger machen!“