Coralee und die entlaufene Mumie - Mira Lindorm - E-Book

Coralee und die entlaufene Mumie E-Book

Mira Lindorm

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Beschreibung

Feen sind freier als der Wind. Der wird immerhin noch durch Wände aufgehalten, eine Fee nicht. Freiheit ist die Feennorm. Für Coralee ist der aktuelle Notruf daher so unverständlich wie ein Funksignal vom Mars. Eine entlaufene Mumie wieder einfangen und in ihren Sarkophag verfrachten? Warum, bitteschön, hatte die sich überhaupt darin einsperren lassen? Mal abgesehen davon dass Coralee bislang gedacht hat, Mumien seien tot. Aber da muss sie sich wohl geirrt haben. Diese spezielle Mumie zeigt höchst lebendige Neigungen.

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Coralee und die entlaufene Mumie

F.E.U. Band 2

Mira Lindorm

 ©Mira Lindorm 2023   

Machandel Verlag
Neustadtstr.7, 49740 Haselünne

Cover und Illustrationen: Elena Münscher mit Bildmaterial von Memo Angeles und Anton Brand, shutterstock.com

Informationen zum Buch: 

Alle Personen sind frei erfunden, genauso wie die ganze Fantasy-Geschichte. Coralee gehört zum Dunklen Hof der Feen und benimmt sich entsprechend. Sie hat nichts gegen eine handfeste Rauferei (sowohl in einer Bar als auch im Bett), trinkt, flucht, betrügt, zaubert, was immer ihr in den Kram passt und betrachtet Menschen bestenfalls als nervig. Es gibt nur zwei Dinge, die sie wirklich liebt: anderen eine Falle zu stellen und einen sexy Mann für die Nacht. 

Wer Coralee noch nicht kennt, findet im Anhang des Buches noch einige Informationen zu ihr und ihrer Welt.

Das Gedicht in Kapitel 7 

ist tatsächlich eine altägyptische Liebeserklärung.

Quelle:

https://www.literaturnische.de/GG/altaegyp.htm

[in einer Königsmumie der Amarna-Periode, um 1350 v.u.Z.]

[aus dem Altägyptischen von Alan Gardiner und Wolfgang Steuhl]

*1*

„Fey Emergency Unit – bitte schildern Sie die Art und das Ausmaß Ihres Notfalls!“

Den Spruch kannte ich mittlerweile so gut, dass er mir aus den Ohren wieder herausstaubte.

Ich hoffte sehnlichst, dass es dieses Mal nur einer der Ex- und Hopp-Fälle war. Hinfahren, erledigen, zurückfahren. Immerhin lag gerade ein gut gebauter und mit einiger Fantasie begabter Werwolf halb neben und halb auf mir.

Was faselte der Anrufer da? Ich glaubte, meinen spitzen Ohren nicht zu trauen.

Normalerweise bin ich nicht interessiert an den Grabstätten anderer Leute. Sollen sie doch darin liegen oder nicht liegen, wann und wo sie wollen. Dieses Problem aber war so ungewöhnlich, dass ich unwillkürlich meine Hand aus Ryans Nackenfell nahm und mich tatsächlich voll auf das Telefon konzentrierte. Der Werwolf knurrte unzufrieden und hob schläfrig ein Augenlid.

Ich nahm es kaum wahr. Meine Vorstellung malte sich gerade eine ganz andere Szene aus als das triste F.E.U.-Büro mit seinen billigen Pressholzmöbeln und seiner sperrmüllähnlichen, unbequemen Liege. Unbequem genug, dass Ryan und ich es vorgezogen hatten, uns auf den weichen Teppich der Sitzecke zurückzuziehen. Aber ich sah derzeit weder die mit abwaschbarer, grauer Farbe gestrichenen Wände noch das vor Schmutz fast blinde Fenster. Vor meinem inneren Auge erstreckte sich eine verlockend heiße, menschen- und gebäudeleere Wüste, an deren Horizont eine einsame Kamelkarawane entlangzog. Yay! Endlich mal ein Auftrag, der mich in vernünftig temperierte Gefilde bringen würde! Der einzige Wermutstropfen war, dass ich dort mein eigenes Fahrzeug nicht einsetzen konnte. Essylt würde in diesem speziellen Punkt natürlich keine Probleme haben. Die Drohne der Irrwisch-Frau war klein genug, um im Handgepäck mitzufliegen. Ach ja, und Verron würde zu Hause bleiben müssen. Der Halbtroll passte nun wirklich in keinen Flugzeugsitz. Höchstens in den Bauch einer Frachtmaschine. Und das würden diese Sparfüchse von F.E.U. nicht bezahlen. Die genehmigten uns immer nur die Billigflieger.

Ich entwirrte meine Beine aus denen Ryans und zitierte Essylt herbei.

„Reisefertig machen! Es geht ins Ausland! Per Flieger, und es wäre sehr nett, wenn du den buchen würdest!“

Essylt kannte sich nun mal mit Computern viel, viel besser aus als ich. Wer braucht schon einen Computer in der Feenwelt? Da zaubern wir einfach, was wir brauchen. Mit diesen blöden Plastikkästen musste ich erst arbeiten, seit ich bei F.E.U. war. Scheiß Fluch! Wenn ich damals gewusst hätte, zu welch elender Arbeit diese Hexe mich damit verdonnerte, hätte ich mich lieber gleich in den nächsten Vulkankrater gestürzt.

Die Kleine schwirrte auch prompt an unseren PC – genau, einen für uns alle drei zusammen! Sagte ich schon, dass die F.E.U.-Typen geizig sind?

Der aufgezeichnete Telefonanruf ploppte prompt hoch und gab ihr die notwendigen Informationen. Auch wenn unsere Technik veraltet hoch zehn ist, immerhin funktioniert sie.

„Ägypten???“ Essylt schien nicht sehr erbaut. „Im Ernst? Und nur wegen einer vermissten Pharaonen-Mumie?“

„Hast du was gegen heißen Wüstensand und feurige Pharaonen?“

„Der Wüstensand ist verdreckt und die Pharaonen sind ausgestorben“, knurrte sie. „Das einzige, was an deiner Beschreibung stimmt, ist heiß. Und ja, ich hab was dagegen. Hast du meinen Stoffwechsel vergessen?“

Hatte ich tatsächlich. Irrwische sind schon bei gemäßigten Temperaturen immer sehr warm. Sind halt klein und immer in Bewegung, das erzeugt Hitze. Und wenn sie zu viel davon haben, produzieren sie Feuer. Ehrlich! Sieht aus wie ein kleiner Flammenwerfer, was dann aus ihrem Mund kommt. „Dann sollte ich wohl eine Kühltasche mitnehmen.“

„Hast wohl einen an der Klatsche! Als ob ich mich ausgerechnet von dir herumtragen lassen würde! Ich bleib natürlich in meiner Drohne.“

Auch gut. Die hatte eine Klimaanlage. Das hieß allerdings auch, dass Essylt für diesen Spezialeinsatz mächtig eingeschränkt sein würde.

„Wer wird unser dritter Partner?“

Essylt checkte die Infos. „Da Verron Normalflug-untauglich ist, hat man uns jemanden vor Ort zugewiesen. Salem.“

Ah ja. „Und wer, bei Titanias lila Arsch, ist Salem?“

Ein breites, spitzzahniges, gemeines Grinsen. „Einer der Kairoer Dschinns.“

Ich fiel zurück auf den Teppich. So einer ausgerechnet? „Kann ich den Auftrag ablehnen?“

„Keine Chance.“

Scheiße! Dschinns mögen Elfen ungefähr so gerne wie Menschen Fußpilz. Das würde eine Tortur werden! Ob es in Ägypten Vulkankrater gab, in die man sich stürzen konnte? Vermutlich nicht, wenn ich meine rudimentären Geologiekenntnisse befragte.

Ich musste wohl laut gestöhnt haben, denn Ryan hob den Kopf und sah mich besorgt an.

Meine Verzweiflung war nur zur Hälfte gespielt. „Hey, Wölfchen, wenn du es nicht schaffst, mir etwas Entspannung zu schenken, wird meine Laune heute den absoluten Nullpunkt unterschreiten.“

Er grinste nur unbekümmert, während sein Wolfsfell zugunsten wohldefinierter Muskeln unter sonnengebräunter Haut verschwand und er sich mit aufreizender Langsamkeit an meinem linken Bein nach oben schob, die Zunge stets auf meiner Haut. Technik hatte der Junge, das musste ich ihm lassen. Noch bevor er voll aufgerichtet war, hatte ich Essylt, den Dschinn und unseren Auftrag vorübergehend ad acta gelegt. Wann auch immer der Flieger ging, mein Werwolf würde mich vorher noch in Ekstase jaulen lassen.

*2*

Der Flug wurde exakt so ätzend, wie ich befürchtet hatte. Eng gedrängte, schwitzende, plappernde Menschen, ewige Wartezeiten und ein Kaffee, der den Namen nicht einmal im Ansatz verdiente. Einziger Bonuspunkt: Solange Essylts Drohne nicht von meiner Seite wich, kamen wir praktisch überall ohne Kontrollen durch. Keine Ahnung, wie sie es schaffte, die Menschen zu täuschen, aber augenscheinlich hatte sie einen passenden Zauber. Was mit Sicherheit nützlich war, denn bei einem Röntgenscan wären meine zusätzlichen Rippengelenke bestimmt aufgefallen.

Essylt verbrachte den Flug samt Drohne im Handgepäckfach, sodass ich tatsächlich mal Ruhe vor ihrer spitzen Zunge hatte. Die brauchte ich auch dringend. Ryan hatte dafür gesorgt, dass die letzte Nacht verdammt kurz geworden war. Gut, okay, ich bin eine Fee, wir brauchen extrem wenig Schlaf. Aber ein heißer Werwolf, der so richtig in Fahrt ist, schlägt uns da um Längen. Wobei ich besonders an eine ganz bestimmte Länge denken musste. Die, die ich liebend gerne anstelle von Essylts Drohne mitgenommen hätte. Wenn es denn erlaubt gewesen wäre, Hilfspersonal ins Ausland mitzunehmen.

Und dann waren wir in Ägypten. Heiße Luft, noch heißere Sonne und nicht eine einzige Wolke am Himmel. Mein Traumland – wäre da nicht dieser kleine Haken in Form eines blauhäutigen Dschinns gewesen. Der ließ sich aber nirgends blicken. Stattdessen schlurfte mir ein schrumpeliger kleiner Einheimischer in einer ausgeblichenen Dschallabija und ausgetretenen Schuhen entgegen. „Die Madame ist von F.E.U.?“ 

Ungnädig murmelte ich ein „Ja!“.

Er grinste breit, zeigte mir dabei fünf halb verrottete Beißer und einen goldenen Kunstzahn und führte mich dann zu seinem Auto. Rost, der nur noch von Aufklebern zusammengehalten wurde. Und Sitze, die in Fetzen hingen. Ich hätte meine Vorgesetzten erwürgen können. Dieses Mal hatten sie es mit dem Sparen wirklich übertrieben! Wie glühend ich Essylt beneidete, die bequem in ihrer Drohne saß und dieses Drecksding nicht berühren musste!

„Wohin darf ich Madame kutschieren?“, erkundigte er sich mit einem weiteren schmierigen Lächeln.

„Am besten direkt zu dem entlaufenen Pharao“, knurrte ich.

„Geht nicht. Der ist mit unbekanntem Ziel abgehauen.“

Täuschte ich mich, oder klang das gerade ein wenig spöttisch? Egal. Ich beschloss, mich nicht von diesem minderbemittelten Exemplar der Gattung Homo sapiens provozieren zu lassen. „Dann eben zum letzten bekannten Wohnort.“

„Zu Diensten, Madame!“

Mit Rülpsen und Stottern sprang die Rostlaube an und setzte sich unter gequältem Quietschen in Bewegung. Nicht etwa zu den Pyramiden, wie ich schnell feststellte, sondern zu einer Art heruntergekommenem Ziegelbau ohne Fenster. Vor einem großen eisernen Tor hielt er an, kramte aus dem Handschuhfach einen Schlüssel, mit dem schon Methusalem gearbeitet haben musste, und quälte sich aus dem Wagen. Essylt und ich folgen umgehend.

Wider Erwarten war das Schloss geölt und öffnete sich nahezu sofort. Noch verblüffter war ich, als wir nach einer weiteren Tür in eine Art klimatisiertes Depot kamen.

„Und wir sind wo …?“, fragte Essylt spitz, während sie aus ihrer Drohne stieg.

„In einem angemieteten Lagerraum des Ägyptischen Museums“, gab er ungerührt zurück. Komischer Mensch, dass der nicht einmal zusammenzuckte bei Essylts Anblick.

Ich sah mich ungläubig um. Kisten, Kästen, Kartons. „Hier habt ihr einen Pharao aufbewahrt? Kein Wunder, dass der abgehauen ist!“

Er grinste nur wieder. „War kein Platz mehr im Museum. Die unwichtigeren Pharaos landen dann eben im Archiv.“

„In Kartons verpackt?“

Das Grinsen verschwand schlagartig. „So dämlich sind nicht mal unsere Wissenschaftler, trotz aller westlichen Erziehung. Nein, natürlich nicht im Karton. Der Pharao hatte selbstverständlich einen angemessenen Steinsarg.“

Ich hob eine Augenbraue.

„Oh, natürlich weiß ich, wo der steht. Wenn Madame ...“ Er unterbrach sich, sah zu Essylt. „Wenn die beiden Madames mir folgen würden?“

Drei Räume und gefühlte hundert Schlurfschritte später standen wir in der Tat vor einem großen Steinsarg. Die in den Granit gehauenen Hieroglyphen waren bestens erhalten. „Snefer-ka heißt der gute Junge also. Bringt uns aber nicht weiter. Wir können ja wohl schlecht einen Fahndungsbrief ausschreiben.“

Der Alte antwortete nicht.

Essylt umrundete den Sarkophag. „Eindeutig 1. Dynastie“, sagte sie. „Dann wird er wohl versuchen, in seine alte Hauptstadt Memphis zu gelangen.“

„Und vermutlich wird er nicht erbaut sein, wenn er da nur noch einen Trümmerhaufen vorfindet“, mutmaßte ich finster.

„Unwichtig!“, zischte Essylt. „Viel interessanter wäre, was ihn aufgeweckt hat. Los, mach den Sarkophag auf. Vielleicht finden wir ja da drin einen Hinweis.“

Ich starrte finster auf den Alten. Der grinste, mal wieder, und machte keinerlei Anstalten, mir zu helfen. Mir blieb nichts übrig, als selbst den Steindeckel von dem Sarkophag zu schieben. Nicht, dass mich das Gewicht störte, wir Feen sind um einiges kräftiger, als wir aussehen, aber kalter Stein bekleckert mit undefinierbarer Menschen-Farbe? Brrrr! So ziemlich das Letzte, was ich anpacken wollte. Ich war froh, als ich merkte, dass der Deckel schon einigermaßen locker saß. Offensichtlich hatte ihn Snefer-ka nicht wieder richtig angedrückt, als er entfleuchte.

Es knirschte, dann rumpelte der Deckel zur Seite und stellte sich halb schräg hinter den Sarkophag. Die Neonlampen beleuchteten das Innere gestochen scharf.

Kein Pharao.

Keine Grabbeigaben.

Keine Mumienbinden oder dergleichen.