Coralee und der Kanalligator - Mira Lindorm - E-Book

Coralee und der Kanalligator E-Book

Mira Lindorm

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Beschreibung

Urbane Mythen sollen sie sein, die Kanal-Alligatoren. Coralee weiß es besser. Direkt vor ihr blitzen zwei Reihen fingerlanger Zähne in einem beeindruckenden Maul. Und dieses Maul kann nur zu einem Alligator gehören. Einem Alligator, der mitten in New York Frühstückspause macht und eine Fee vermutlich als besseren Nachtisch betrachtet. Warum bloß muss F.E.U ausgerechnet ihr immer die Scheißjobs andrehen?

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Seitenzahl: 79

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Coralee und der Kanalligator

F.E.U. Band 10

Mira Lindorm

 ©Mira Lindorm 2025   

Machandel Verlag Charlotte Erpenbeck
Neustadtstr.7, 49740 Haselünne

Cover gestaltet von Elena Münscher 

mit Grafiken von  von deab/idan/studiostoks/yayimages.com.com

Coverbild der Vorschau:  Malchev/yayimages.com 

Informationen zum Buch: 

Ein kleiner Hinweis: Dieses Buch ist KEIN Kinderbuch!

Alle Personen in diesem Buch sind frei erfunden, genauso wie die ganze Fantasy-Geschichte. Coralee gehört zum Dunklen Hof der Feen und benimmt sich entsprechend. Sie fährt eine pinkfarbene Harley, hat nichts gegen eine handfeste Rauferei (sowohl in einer Bar als auch im Bett), trinkt, flucht, betrügt, zaubert, was immer ihr in den Kram passt, und betrachtet Menschen bestenfalls als nervig. Es gibt nur zwei Dinge in der Menschenwelt, die sie wirklich liebt: anderen einen Streich zu spielen und einen sexy Mann für die Nacht

Wer Coralee noch nicht kennt, findet im Anhang des Buches einige zusätzliche Informationen zu ihr und ihrer Welt.

*1*

Schlechtwetterlaune

Ich erwachte mit Kopfschmerzen. Etwas, das einer Fee normalerweise nicht einmal nach den schlimmsten Trinkorgien passiert. Halb benebelt taumelte ich hoch und stolperte über Ryan, der zusammengerollt neben mir auf dem Teppich lag. Sofort fuhr er hoch. Aus seinem leisen Schnarchen wurde ein sehr lautes Knurren, bevor der Werwolf schaltete, dass er weder bei seinem Rudel noch in Gefahr war und er wieder auf dem Teppich zusammensank, um weiterzudösen. Ich schielte zur Uhr. Früher Vormittag, erst elf Uhr. Kein Wunder, dass Ryan weiterschlief. Unsere nächtlichen Aktivitäten hatten uns schließlich bis kurz vor Sonnenaufgang wach gehalten. Aber das erklärte immer noch nicht meine Kopfschmerzen. Ich befürchtete schon eine Hexenattacke.

Bis mein Blick auf die leere Whiskeyflasche fiel und ich mich daran erinnerte, dass wir ein Trinkspiel mit Verron gemacht hatten. Und dass Essylt dermaßen sauer über den Krach gewesen war, dass sie unseren Whiskey mit einem ihrer Irrwisch-Zauber belegt hatte.

Benommen torkelte ich zu der Küchenzeile und forderte unserer primitiven Kaffeemaschine missmutig einen Becher brauner, aber immerhin dampfender Brühe ab. Es dauerte eine halbe Tasse, bis ich begriff, was mich so unverschämt früh geweckt hatte. Essylt klackerte auf der Computertastatur herum. Dem Emblem in der Ecke nach musste sie gerade einen Notruf empfangen haben. Aber warum hatte ich das Signal nicht gehört?

Essylt deutete meinen verwirrten Blick richtig. „Ich war sowieso am Computer und hatte den Sound abgestellt. Na ja, das war dann wohl umsonst.“

„Jedenfalls solange wir keine neue Tastatur bewilligt kriegen“, brummte ich. „Und was, bitte, war das für ein Notruf?“

„Kam aus der Zentrale. Unerwünschte Vorkommen in New York“, erklärte Essylt.

War nicht so, dass mir das irgendetwas sagte. Außer der Tatsache, dass wir unser zwar ungemütliches, aber wenigstens warmes Heim mit ziemlicher Sicherheit kurzfristig verlassen mussten.

„Und?“

Sie deutete wortlos auf den Bildschirm, wo sich gerade im Schneckentempo ein Bild aufbaute. Ein Knochen. Ein ziemlich großer, schmutziger Knochen. Wenn mich nicht alles täuschte, von einem menschlichen Oberarm.

„Und?“

„Der ist frisch“, erklärte sie finster.

„Dafür sieht er aber ziemlich abgefressen aus.“

„Ist er auch.“

„Heißt das, die Ratten in New York plündern jetzt die Friedhöfe? Finden die keine Mülleimer mehr?“

Ein vernichtender Blick. „Behauptest du nicht immer, mit scharfem Feenblick und noch schärferem Feenverstand ausgestattet zu sein? Dann setz gefälligst beides mal ein!“

Ich gönnte dem Bildschirm einen zweiten Blick. Das eine Ende des Knochens sah ziemlich zerbissen aus. Mehr, als Rattenzähne es schaffen konnten. Sogar mehr, als eine ausgewachsene Bulldogge knacken konnte. „Ist der beim Zoobesuch in den Löwenkäfig gefallen?“

Essylt grinste böse. „Nö. Der Knochen schipperte durch die Kanalisation.“

Ich starrte sie an. „Das meinst du jetzt nicht wirklich.“

„Doch, meine ich.“ Ihr Grinsen wurde breiter.

„Alligatoren in der Kanalisation sind nichts als ein urbaner Mythos, vom Internet in die Welt gebracht.“

Sie deutete nur auf den Bildschirm.

„Außerdem, wieso ist ein ganz normales Reptil plötzlich ein Fall für F.E.U.?“

„Weil einer unserer Hellseher deshalb Alarm geschlagen hat.“

Ganz toll. Seher waren notorisch unzuverlässig. In mindestens der Hälfte der Fälle irrten sie sich. 

„Ein reichlich dünner Grund, Essylt. Und außerdem, es ist immer noch Winter. Wir haben Minus-Temperaturen. Das kann überhaupt nicht dringend sein. Wenn es dort tatsächlich einen Alligator gibt, wird der jetzt Winterschlaf halten.“

„Rein von der Biologie her wäre das vielleicht möglich“, gab sie unbeeindruckt zurück. „Aber bist du mal in der Kanalisation gewesen?“

„Sehe ich so aus?“

„Nicht wirklich.“ Sie machte eine Kunstpause. „Da ist es warm. Und vermutlich kannst du dir denken, warum.“

Klar. Gärende Abfälle, faulende Brühe. Ich stöhnte auf. „Sag mir nicht, dass wir da runter sollen!“

„Genau das!“

„Muss das sein?“

„Ich habe die Buskarten schon bestellt.“

Ich stöhnte noch lauter. Ryan hob seinen Kopf erneut, dieses Mal endgültig wach. „Bist du krank?“

„Noch nicht, aber bald! Essylt, soweit ich weiß, führen Straßen nach New York. Und unsere Bikes sind schneller als so ein dämlicher Greyhound-Bus. Außerdem werde ich in den Dingern seekrank.“

Sie war nicht im mindesten beeindruckt. „Erstens, der Bus ist warm. Zweitens, was willst du in New York mit einem Bike? Da gibt es öffentliche Verkehrsmittel. Drittens: Die Kanalisation hat keine Fahrstreifen. Und nach allem, was ich weiß, können Motorräder nicht besonders gut schwimmen.“

Okay, das letzte Argument war überzeugend. Für das Wohl meiner Knucklehead finde ich mich sogar mit einer schäbigen Busfahrt eingepfercht unter lauter Menschen ab.

„Übrigens, Ryan und Verron müssen hierbleiben.“

War ohnehin klar gewesen. Verron war in einem Bus ungefähr so brauchbar wie in einem Flugzeug, nämlich gar nicht. Und laut Vorschrift durfte kein F.E.U.-Agent alleine arbeiten. Ich setzte also Ryan in Kenntnis, dass er mal wieder als Babysitter zuhause bleiben durfte.

Keine Stunde später waren Essylt und ich unterwegs.

*2*

Recherche mit Whiskey

Brrr, die Luft in New York war kalt. Zwar gerade eben über null Grad, aber so feucht, dass sie sich mindestens zehn Grad kühler anfühlte, dazu pfeifender Wind, der Abfall durch dreckige Straßen schob. Nicht wirklich das, was ich angenehm fand. Kalt, nass, schmutzig. Ratten fühlen sich in so etwas wohl. Waren Alligatoren wie Ratten? Verdammt, ich hatte einfach zu wenig Erfahrung mit solchen Biestern. Nur in einem Punkt war ich sicher: Einheimisch war das Tier hier nicht. Auch nicht aus dem Zoo ausgebüxt, denn da waren alle Echsen vollzählig. Vom Bürgermeister persönlich nachgeprüft, nachdem die ersten Knochen aufgetaucht waren, unter Hinzuziehung der Presse natürlich, wie Essylt bereits recherchiert hatte. Und hier aufgewachsen war der Alligator auch nicht, sonst hätte man schon früher etwas von Resten gefressener Menschen in der Kanalisation gehört.

War natürlich auch möglich, dass ich mich irrte und das Biest lediglich besonders gründlich beim Fressen war. Ich beschloss, bei den lokalen Ghulen nachzufragen. Also nichts wie ab zu den Leichenfressern, und das hieß, zum nächsten Friedhof.

Nicht ganz richtig, wie Essylt mir umgehend erklärte. Die bevorzugten hierzulande die Umgebung von Highland Park, wo es immerhin gleich drei Friedhöfe gab.

„Ist das nicht egal?“, knurrte ich. „Ghule gibt es meines Wissens schließlich auf, oder besser, unter jedem Friedhof.“

Sie grinste frech. „New York ist speziell.“

„Mehr als Chicago?“

Erneutes Blecken ihrer Zahnreihen. „Wirst schon sehen.“

Jau. Tat ich. Mit tellergroßen Augen, als der Bus uns  direkt vor dem Highland Park Disc Golf Course auslud. Der sah zwar in dieser Jahreszeit auch nicht besonders gut aus mit seinen kahlen, triefenden Bäumen, aber wie ein Ghul-Habitat wirkte er auch nicht. Essylt führte mich quer durch das Gelände bis zu einer sichtlich wohlhabenden Siedlung. Schließlich standen wir vor einem Clubhaus mit mehreren Dachgauben hinter einem barocken Vorgarten und einer Garage, in der ich neben einem silbernen Ferrari auch einen knallroten Porsche entdeckte.

„Essylt! Das ist nicht dein Ernst!“

„Quatsch kein Blech. Geh lieber rein. Da drin ist es wenigstens warm.“

Als ob uns irgend so ein snobistischer Menschen-Millionär einfach reinlassen würde. Aber warm hatte etwas für sich. Ich raffte alles an Haltung zusammen, was ich auftreiben konnte, und marschierte zur marmorumkleideten Eingangstür. 

Sie öffnete sich lautlos, noch bevor ich zur Klingel greifen konnte. Was … Aber da roch ich es auch schon. Magie, ziemlich grob, relativ ungeübt, aber durchaus wirksam. „F.E.U.!“ rief ich sicherheitshalber,

Essylts Drohne bohrte sich fühlbar in meinen Rücken. „Geh schon endlich!“

Mit einem schiefen Blick in Richtung auf den kleinen Nervtöter stellte ich fest, dass Essylts Drohne sich bereits wieder getarnt hatte. Was sollte das nun wieder bedeuten? Vor den Ghulen brauchte sie sich doch nicht zu verstecken. Aber Essylt erklärte nie was sie tat. Achselzuckend setzte ich mich wieder in Bewegung.

Drinnen empfing mich das reinste Abbild von Millionärs-Edelkitsch. Dunkle Ledersessel, beigefarbene Vorhänge, dunkelsilberne Tapeten, Ölgemälde an jeder Wand und eine kleine Edelholz-Bar neben dem Kamin. Lediglich das Feuer war nicht echt, das war nur eine Bildschirm-Animation. Vollkommen verständlich, wenn ich die beiden Gestalten vor mir richtig einordnete. Ghule, eindeutig. Allerdings Ghule in dunklen Anzügen mit Sakko, Krawatte, weißem Einstecktuch, Maßschuhen, blickdichten Sonnenbrillen, Apple-Watch und strohblonden Perücken.

„Das ist jetzt nicht wahr!“, entfuhr es mir. 

Der Ghul in dem Ledersessel gegenüber lächelte und entblößte dabei für eine halbe Sekunde sein Haifischgebiss. „Was ist daran so ungewöhnlich? Wir gehen eben mit der Zeit!“

Ich sah mich noch einmal sehr betont in der Bude um. „Soweit ich weiß, bestatten die Menschen ihre Toten heutzutage nicht mehr mit Gold und teuren Gaben. Woher also der plötzliche Reichtum?“

„Ehrliche Arbeit.“ Das Lächeln des Ghuls wurde noch breiter.

Ich verschluckte mich fast. Arbeit? Meine Fresse, das würde nicht mal die dümmste Fee glauben.