Dämmerung der Sterne (OUTER-SPACE COMMANDER 9) - Jens Fitscher - E-Book

Dämmerung der Sterne (OUTER-SPACE COMMANDER 9) E-Book

Jens Fitscher

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Beschreibung

In der sogenannten Schattenwelt waren die E‘mokks dabei, die Grundstrukturen der universellen Gesetze zu verändern. Bisher war es ihnen nur rudimentär gelungen, Naturkonstanten zu manipulieren. Ihr Ziel, oder der Grund, weshalb sie es taten, war unbekannt. Noch waren die Auswirkungen ihres Tuns relativ überschaubar. Connar, seine Tochter Chloe und Prinzessin Sha’hon begeben sich auf eine nicht ungefährliche Reise, um weitere Informationen zu bekommen. Dann geschieht es unvorhergesehenes: Commander Tarik Connar gerät durch einen unüberlegten ‚Distanzlosen Schritt‘ in eine alternierende Wirklichkeit.

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Seitenzahl: 389

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Jens Fitscher

OUTER-SPACE COMMANDER

- Das Vermächtnis der Sterne-

Dämmerung der Sterne

© 2023 Jens Fitscher

Illustration: S. Verlag JG

Verlag: S. Verlag JG, 35767 Breitscheid,

Alle Rechte vorbehalten

Sammelband ‚Sternen Commander‘

Bände 33 - 36

1.Auflage

ISBN: 978-3-96674-635-9

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig und wird sowohl strafrechtlich als auch zivilrechtlich verfolgt. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Der Lohn des Lebens besteht nicht darin, materielle Dinge zu erhalten. Der Lohn des Lebens wird uns erst ausgezahlt, wenn wir diese Welt verlassen.  

Inhalt:

Prolog

Im Planetensystem der Tongva

Familien-Geschichten

Ruf der Kshatriyas

Das Band des Schicksals

Zeitverwerfungen

Alternierende Erde 2048

Connars Erwachen

Carla von Staufenberg

Amanda Selinger

Festus Helmstett

Wayne-Zeno Uelisch

Erste Begegnung

Die Zusammenkunft

Weltraumtransporter

Fluchtvorbereitungen

Das Schiff der namenlosen Invasoren

Kampf den Aggressoren

Die fremde Raumstation

Okkupation

Metamorphose II

Gefechtsalarm

Zu neuen Ufern

Der Höllenplanet

In den Händen der Tongva

Rebellen gegen die Namenlosen

Erneute Metamorphose

Der Späher

Die Namenlosen

Bomben über TERSLAR

Die Weltraumstation OUTSET I

Seranee

Ein neues Leben

Der Ruf der Chron-Bastion

Die Ewigen Feinde

Der letzte Flug der RACHLESS

Wieder vereint

Weibchen

Prolog

Schattenhafte Wesen huschten über die Oberfläche des Planeten. Für menschliche Sinne fast nicht wahrnehmbar, gingen sie ihrer Aufgabe nach.

Was sie genau taten, wäre für menschliche Beobachter ebenso nicht nachzuvollziehen.

Der Planet, auf dem sie sich bewegten, war nicht wirklich groß. Er hatte einen Äquatorialdurchmesser von 6955 Kilometer.

Seine Oberfläche bestand nur aus Karstgestein, Felsen und Einöde.

Die höchsten Bergmassive erstreckten sich bis zu einer Höhe von lediglich 2170 Kilometer.

Leben, wie wir es auf der Erde kennen, gab es nicht, obwohl der Planet in der Habitablen Zone lag. Merkwürdigerweise hatte seine Atmosphäre fast die gleiche Zusammenstellung wie die Erde. Das Außergewöhnliche dagegen war, dass sein Stern in einem dunklen Licht strahlte.

Die Bewohner des Planeten, wenn man von Bewohner überhaupt sprechen konnte, zeigten eine sehr starke Affinität zu ihre Welt.

Diese Welt war in einer eigentümlichen Dimension verankert. Sie lebten in einer geistig dreidimensionalen Umgebung und begannen gerade, ihre 4. Dimension zu erforschen.

Verglich man die menschliche Vorstellung von Dimensionen, so ging es hier zunächst vielmehr um die räumliche Darstellung von Körpern; Länge, Breite und Höhe.

Die sogenannte 4. Dimension wurde als Zeit definiert. Die geistige, spirituale Darstellung von abstrakt, mentalen Inhalten wäre in der Menschenwelt so nicht vorstellbar.

Obwohl es auch hier Ansätze dazu gab, wie zum Beispiel die Hermetischen Gesetzte.

Die Lebensform der E’mokks war diesbezüglich jedoch vollkommen verschieden von der normalerweise vorherrschenden Lebensformen der Galaxie.

Vielleicht hing dies auch damit zusammen, dass sich ihr Lebensraum sehr nahe an einem Schwarzen Loch befand, das in einer bestimmte Form mutierte Hawking-Strahlung emittierte.

Die Energie hierfür stammte aus seinem Gravitationspotential.

Schattenhafte, nichtmenschliche Wesen, in einer geistig, spiritualen Umgebung lebend, verfolgten einen gemeinsamen Zweck.

Ihr Hunger nach Erfolg und Erfüllung wurde gespeist durch den Planeten selbst, auf dem sie lebten. Es war MOK selbst, der über allem stand. MOK, ein aus Urgestein entstandener Planet mit einem Bewusstsein.

Im dreidimensionalen Raum nur ein unscheinbarer und scheinbar toter Gesteinsklotz von 6955 Kilometern Durchmesser, jedoch in der metaphysischen, geistigen Dimension ein Gigant.

MOK hatte begonnen, nur wenige Zeiteinheiten nach seiner Selbstfindung, geistige Ableger von sich zu generieren.

So erschuf er seine Bewohner selbst. Es waren metaphysisch, geistig mentale Lebensformen; mehr Schatten als materielle Körper.

Zunächst bewegten sie sich schwebend. Erst, nachdem MOK ihnen eine gewisse Selbstständigkeit mitgab, verankerte sich ihre Form mit dem Planetenboden.

Zwei kleine Tentakel schlossen damit den Kontakt zu MOK. Wie auf Stelzen gingen die neuen Planetenbewohner zuerst über den Boden.

Erst nach und nach wurde ein neuer Bewegungsablauf etabliert.

Nunmehr, nach 100 Zeiteinheiten, war diese Art der Fortbewegung zur Routine geworden.

Die Zeit verging weiter und MOK erkannte die 4. Dimension.

Jahrhunderte, Jahrtausende vergingen und die E’mokks, wie sich die Ableger des Planeten ebenfalls nannten, entwickelten eine Art Quasiindividualität.

Es wurden selbstständige Bewusstseine, welche sich nicht mehr wirklich an die geistige Entität erinnerten, die sie aus sich selbst heraus geboren hatte.

Der Planet MOK befand sich seit etwa 1000 Sonnenumläufen in Trance. Er versuchte auf diese Art und Weise, mehr Wissen über die 4. Dimension zu erhalten.

Set’al’ta, der oberste Wissensgelehrte, befand sich gerade auf dem Weg in die Wissens-Akademie, als er einen Fon-Ruf seines Kollegen erhielt, welcher in der Forschung tätig war.

„Set’al’ta, wir haben einen Durchbruch! Ich benötige deine Anwesenheit, um eine Wissenssicherheit herzustellen.“

Der Ruf war klar. Prioritäten von Anbeginn allen Wissens gesetzt.

Die Forschung war das Lebenselixier und einzige Lebensgrundlage der E’mokks.

So stand es in den Annalen der Schöpfung. Set’al’ta beeilte sich, den Forschungskomplex zu erreichen.

Jedoch nicht, bevor er noch einen Fon-Ruf an die Wissens-Akademie getätigt hatte. Dort würde man zunächst ohne seine Anwesenheit zur Tagesordnung übergehen.

Es gab anderer Wissensgelehrte, die ihn ersetzen konnten.

Jet’sel’ka, sein Kollege im Forschungs-Ressort, benötigte ihn, und allein das zählte.

„Die Raumzeit ist keine Konstante. Sie ist auch kein Einweg-Pfad. Energie und Materie stehen in Wechselbeziehung innerhalb der baryonischen Materie. Es ist tatsächlich kein Widerspruch. Die 4. Dimension ist räumlich, wie auch zeitlich gesteuert“, empfing ihn Jet’sel’ka aufgeregt.

„Siehe selbst!“ Er deutete mit seinen mentalen Gliedmaßen auf eine Ansammlung von energetischen Strömungsfelder.

„Wir haben Kontakt“, kam von weiter hinten der Ruf eines anderen Forschers.

Sie befanden sich alle in einer Art Subraum-Kontinuum innerhalb einer räumlich-mental fixierten Umgebung.

Set’al’ta fühlte sofort die Aufgeregtheit alle dreiundzwanzig anwesenden E’mokks.

„Initialisierung starten. Der Kontakt muss mit allen Mitteln gefestigt werden!“

Jet’sel’kas Anweisung erhöhte die Erregung unter den Wissenschaftlern und Forschern nochmals und ließ die Dramatik des Geschehens in eine fast unermessliche Höhe schnellen.

In dem dimensional übergeordneten, mental abstrakten Geistes-Tableau manifestierte sich das Abbild eines fernen Sonnensystems.

Jet’sel’ka sowie der dazugekommene Set’al’ta erkannten sofort die Wichtigkeit dieser Information. „Dort ist der Ursprung. Dort werden wir alle unsere Fragen beantwortet bekommen.“

Jet’sel’ka wurde regelrecht euphorisch, was eine wirkliche Seltenheit unter den E’mokks war. „MOK wird zufrieden mit uns sein“, hörte Set’al’ta einen anderen Wissenschaftskollegen sagen.

„Es ist eindeutig ein Drei-Planetensystem. Es kommen immer mehr Datensätze herein. Set’al’ta hilf mir mit der Analyse. Bevor wir mit MOK in direkten Kontakt treten, muss eine lückenlose Datenauswertung vorliegen.“

Der oberste Wissensgelehrte und sein Team benötigten genau 11.5 Zeiteinheiten, ohne eine Pause einzulegen, um eine komplette, wissenschaftlich nachprüfbare Auswertung zu erstellen. Dann meldete sich MOK mit einem gewaltigen, glockenähnlichen Ton in mentaler Form.

Alle E’mokks erstarrten regelrecht vor Ehrfurcht und ihre Gedanken fokussierten sich nur noch auf die gewaltige, mentale Präsenz.

„Der GEN-CODE befindet sich in dem Drei-Planeten-System. Es ist oberste Priorität diesen zu bekommen. Nachdem die Koordinaten des Planetensystems vorliegen, wird Set’al’ta eine Armada zusammenstellen. Diese Streitmacht muss imstande sein, allen Widrigkeiten entgegenzuwirken, die sich auf dem Weg zur Beschaffung des GEN-CODEs möglicherweise ergeben könnten.“

Der Wissenschaftler Jet’sel’ka konnte die Aussage von MOK zunächst überhaupt nicht richtig einordnen. Dachte er doch bisher, dass einzig und allein die Erforschung der 4. Dimension Grundlage seines Wirkens war.

Nunmehr sprach MOK aber von einem GEN-CODE.

Verstört blickte er Set’al’ta an. Aber auch dieser konnte sich keinen Reim darauf machen.

Nichtsdestotrotz begann Set’al’ta nunmehr mit der Erschaffung der notwendigen, dreidimensionalen Werkzeugen.

Das künstlich entstandene Leben der E’mokks hatte bisher eher ein stiefmütterliches Verhältnis zur Raumfahrt. War doch die Erforschung der 4. Dimension als Grundlage ihrer Lebensphilosophie viel wichtiger gewesen.

Es war nicht einfach für, Set’al’ta, aus einer geistig, spiritualen Umgebung heraus, in das materielle Universum vorzudringen.

Dazu benötigte es neu zu erstellende Fertigungsanlagen, Rohstoffe und physikalisches Wissen. Umso erstaunter war er, als die zentrale Steuereinheit seiner Wissens-Akademie plötzlich voll war, von ganzen physikalischen Regelwerken, Formeln und Konstruktionsunterlagen, welche als Basis für die Konstruktion und Erschaffung der sogenannten ‚Armada‘ grundlegend waren.

Es gab hierzu keine andere Erklärung, als dass MOK selbst diese Informationen eingespielt hatte. Set’al’ta begann unverzüglich mit seiner Arbeit. Viele tausend E’mokks wurden in Folge von ihm auf dieses, neue, sehr wichtige Ziel ausgebildet und regelrecht formatiert.

Es war nicht einfach, für Lebewesen, welche vornehmlich in einer geistig, spiritualen Umgebung lebten, sich mit körperlich, materiellen Dingen zu befassen.

Es war dementsprechend umso schwieriger, als hier ebenfalls noch eine Verbindung zu höherdimensionalen Energien geschaffen werden musste. Schließlich bewegten sich Raumschiffe mit Überlicht, also mussten ihre Aggregate entsprechend ausgestattet sein.

Auch die Waffensysteme waren ein sehr wichtiger Bestandteil der ‚Armada‘. Schlussendlich gab es noch die Dimensionierung der einzelnen Objekte, welche unter der Terminologie Raum-Cruiser entwickelt wurden.

Größe, Form und Menge wurden von MOK definiert. Zeit war für die einzelnen E’mokks relativ, jedoch nicht so für MOK selbst.

Er forderte immer mehr Tempo, je länger sich die Entwicklung und der Bau der ‚Armada‘ verzögerte.

Set’al’ta verstand zunächst diese merkwürdige Erregungsform seines Schöpfers nicht.

Sein Kollege Jet’sel’ka hatte ihm versichert, dass es kein Problem war, die 4. Dimension zu nutzen, das heißt, zeitliche Transmissionen waren möglich. Natürlich wusste dies auch MOK.

Jedoch verhielt sich die Entität gänzlich umgekehrt proportional zu dieser Erkenntnis, was die leitenden E’mokks mehr als irritierte.

Mittlerweile, nach einem fast ganzen Lebenszyklus, war ein erstes Kontingent Raum-Cruiser fertiggestellt.

Der Plan zielte jedoch auf mindestens drei Kontingenten a 500 Einzelschiffen.

MOK schien jedoch nicht bereit zu sein, nochmals so lange zu warten. Er befahl die sofortige Bemannung der Raum-Cruiser und die zeitnahe, vollständige Einsatzmeldung.

Ein Fehler, der sich erst viel später als grundlegend herausstellen sollte, war dabei, dass man den Besatzungen der Raum-Cruiser keine wirkliche Ausbildung zukommen ließ.

Dies wäre umso wichtiger gewesen, als es gerade für Wesen, die sich in der 3-dimensionalen materiellen Welt überhaupt nicht zu Hause fühlten.

Als sich die Armada mit 498 Raum-Cruiser in Bewegung setzte, zwei Schiffe waren durch schwere Schäden durch unsachgemäßer Bedienung ausgefallen, war ihr Zielgebiet als das Riija Sonnensystem definiert, und zwar fast genau 1.500 Jahre in der Vergangenheit, gerechnet von Commander Connar Ankunftszeit auf dem zweiten Planeten Chinigchinu.

Das Riija Sonnensystem verfügte damals noch über drei Planeten. Der zur Sonne hin am nächsten gelegene Planet hieß Dvija, und war die Ursprungswelt der Kshatriyas.

Im Planetensystem der Tongva

„Ich bin Ratsmitglied Selec’t. Das Volk der Tongva begrüßt die auf so überraschend und auf eindrucksvoller Art erschienenen Besucher. Darf ich Sie alle zu einem etwas ruhigeren Ort führen. Dort ist es einfacher, diese Begegnung zu vertiefen.“

Ich versuchte, die letzten Minuten noch geistig zu verarbeiten, da betraten wir bereits einen Raum, in dessen Mitte ein ovaler Tisch mit Stühlen stand. Wir, das waren meine ehemalige Frau Carolin, Chloe, ihre Tochter, von dessen Existenz sie hier und jetzt noch nichts wusste, Prinzessin Sha’hon, eine Sa’lfeniens und meine Gefährtin, ein gewisser Haakon, anscheinend der Gefährte von Carolin und Felix, ein Eichkater, der es sich auf der rechten Schulter von Carolin gemütlich gemacht hatte. Allen voraus betrat Ratsmitglied Selec’t als erster den Raum.

„Du kennst diese merkwürdige Frau mit dem Tier auf der Schulter. Du kennst sie sogar sehr gut, ist das richtig?“

Plötzlich erschienen Sha’hons Gedanken in meinem Kopf.

Sie sprach mich telepathisch über die sogenannte ‚Geweihte Sprache‘ an. Nur bestimmte, hochgestellte Persönlichkeiten der Sa’lfeniens beherrschten sie.

Natürlich hatte ich noch keine Gelegenheit, Sha’hon über alle Hintergründe zu informieren. Sie wusste nicht, dass Carolin meine ehemalige Frau war.

„Bitte nehmt Platz. Ich werde umgehend für eine Erfrischung sorgen. Wir können uns ganz ungezwungen unterhalten.“

Ratsmitglied Selec’t unterbrach meine Konzentration.

Ich blickte Sha’hon an, die mir nicht von der Seite wich und sich direkt rechts neben mich setzte, während Carolin und Haakon zur anderen Seite des Tischs gingen.

Mein Magen verkrampfte sich etwas, als ich sie so ungezwungen und relativ entspannt sah.

Ich konnte mich noch gut daran erinnern, dass alles Außerirdische sie mehr als nur erschreckt hatte.

Es war auch der Grund gewesen, dass sie sich von mir getrennt hatte. Sie hatte damals erfahren, dass mein Körper von organischen Naniten verändert worden war.

Sie hielt mich damals tatsächlich für einen mutierten Alien. Wie war das wohl jetzt? Ich versuchte mich auf das hier und jetzt zu fokussieren.

„Wir können später darüber reden. Aber du hast recht, Carolin war einmal meine Ehefrau gewesen. Aber das ist schon lange her“, antwortet ich telepathisch auf Sha’hons Frage.

„Und Chloe?“

„Ja, sie ist meine Tochter. Aber davon weiß Carolin noch nichts. Das ist ein Faktor, den wir noch klären müssen. Hängt wohl mit der Zeit-Korrelation zusammen. Wir befinden uns anscheinend in der Vergangenheit. Der Transmitter hat uns damit nicht nur räumlich versetzt, sondern auch zeitlich.“

Chloe hatte links von mir Platz genommen, während sich Selec’t am Kopfende des ovalen Tisches niederließ. Dort gab es eine kleine Erhebung auf der Tischplatte, welche ich als Sensorfläche mit mehreren Tastenfeldern erkannte.

Carolin schaute mich eindringlich an, als wir uns gesetzt hatten. Auch ihr Eichkater zeigte einen angespannten Gesichtsausdruck und sein Blick wechselte ständig von mir zu Sha’hon und Chloe.

Lediglich Haakon schien die Ruhe selbst zu sein. „Nachdem was ich mittlerweile gehört und gesehen habe, kann ich wohl davon ausgehen, dass sich die Anwesenden nicht ganz unbekannt sind. Obwohl das Erscheinen der drei letzten Besucher mehr als ausgewöhnlich war. Darf ich deshalb zunächst sie bitten, mir, als Vertreter der hiesigen Spezies, zu erklären, was ihre Anwesenheit auf unserem Planeten ausgelöst hat.“ Ratsmitglied Selec’t blickte von Sha’hon über Chloe zu mir.

Anscheinend sah er in mir zu Recht den Anführer unserer kleinen Gruppe.

Ich überlegte kurz, wo ich mit meiner Geschichte anfangen sollte. Nicht nur Carolin bedachte mich mit einem erwartungsvollen Blick.

Selbst der Eichkater auf ihrer Schulter wirkte auf einmal sehr ruhig und schien begierig zu sein, mehr über unsere Mission zu erfahren.

Obwohl, war es überhaupt unsere Mission? Ließ ich mich dabei nicht fremdsteuern? Ja sogar instrumentalisieren?

Durch eine fremde Macht? Mein Blick richtete sich zufällig auf Chloe. Sie fixierte regelrecht das Gesicht ihrer Mutter.

Ich konnte mir vorstellen, dass es ihr ziemlich schwer fallen musste, sich ihre gegenüber nicht als ihre Tochter zu erkennen zu geben. Ich gab mir einen Ruck.

„Der Grund unseres Hierseins, ist wohl die Entscheidung eines uralten Sternenvolks, das einst sehr fortschrittlich war und in diesem Bereich der Galaxie lebte, das Volk der Kshatriays. Auf dem Planeten Sa’lf, der Welt der Sa’lfeniens, kam es zu einer ersten Kontaktaufnahme. Die Festungsanlage ELLIA meldete sich bei mir. Gleichzeitig kam es wohl auch zur Bewusstseinsbildung des Planeten Sa’lf, ein Ereignis, welches irgendwie mit der bewusst herbeigeführten Veränderung der Universellen Naturkonstante in Verbindung steht. Du Carolin, hast bereits ebenfalls so etwas angedeutet. Planeten beginnen zu leben. ELLIA war wohl der Meinung, dass ich hier in diesem Planetensystem mehr darüber erfahren könnte“

Der Eichkater auf Carolins Schulter gab einen merkwürdigen, piependen Ton von sich und plötzlich vernahm ich eine mentale Stimme in meinem Bewusstsein.

„Was genau hat diese Kshatriays Festung mitgeteilt? Du musst dich nicht fürchten, ich bin Quaoarie. Der zum Leben erwachte dritte Planet des Riija Sonnensystems.“

Anscheinend hatten alle Anwesenden die Stimme gehört. Ratsmitglied Selec’t Gesichtsausdruck war genauso verstörend, wie meiner.

Nur für Carolin und ihren Partner schien es ganz normal zu sein, dass ein Planetenbewusstsein zu ihnen in dieser Form sprach.

Was sollte ich antworten? Diese neu erwachte Entität war wohl genau das eigentliche Problem, soviel ich verstanden hatte.

Ich hörte noch die mentale Stimme des Avatars: „Die universelle Konstante des Lebens wird in Frage gestellt und der Bedarf einer Regulation wird unabdingbar.“

Diese Aussage konnte ich aber nicht weitergeben. Es würde im Endeffekt bedeuten, dass eine sogenannte ‚Regulierung‘ das Erlöschen des Planetenbewusstseins herbeizuführten gedachte.

Ich musste improvisieren. „Vorsicht, du bewegst dich auf dünnem Eis“, vernahm ich Sha’hons Gedanke, dann konzentrierte ich mich.

„Im diesem Planetensystem wurde einst ein ganzer Planet zerstört. Der Aggressor wird wieder zuschlagen. Die Aufgabe besteht darin, herauszufinden, was er tatsächlich will!“

Jetzt schaute mich meine Tochter verstört an. Ich hatte keine Zeit, um mir eine wirklich gute und plausible Geschichte auszudenken. Also habe ich mir etwas zusammengereimt.

Das sollte ihr doch klar sein.

„Hast du nähere Informationen bezüglich dieses sogenannten Aggressors?“

Die mentale Frage von Quaoarie stand unvermittelt in meinem Geist.

„Nein, ich denke genau deswegen wurde ich ja von ELLIA hierhergeschickt, um herauszufinden, um wen es sich dabei handelt. Vielleicht gibt es in den geschichtlichen Aufzeichnungen der Tongva mehr Informationen.“

Ich schaute zu Ratsmitglied Selec’t.

„Er hat deine kurze Kommunikation mit Quaoarie nicht mitbekommen! Du musst deine Frage nochmals verbal wiederholen!“

Carolin hatte laut gesprochen, so dass es alle am Tisch hören konnten. Ich wiederholte Selec’t gegenüber nochmals meine Frage.

„Die Zerstörung des 3. Planeten unseres Sonnensystems wird bis heute in meinem Volk regelrecht als Tabu behandelt. Selbst in den Schulen und Universitäten wird dieses historische Ereignis mehr oder wenig totgeschwiegen. Es ist nicht einfach für mich, darüber zu sprechen. Unsere Geschichtsschreibung beginnt viele Jahrhunderte nach diesem Geschehen. Auch ich kann Ihnen dazu sehr wenig sagen.“

„Es müssen doch irgendwelche Aufzeichnungen existieren. Schließlich war solch ein Exitus ein gewaltiger Einschnitt in das Leben. Besonders die Evakuierung zum Nachbarplaneten und dessen Besiedelung war ein gigantische Unterfangen.“ Haakons spontane Äußerung blieb nicht ohne Erwiderung.

„Es gibt eine Ratskommission für historische Entwicklungen, deren Vorsitz eine Kollegin von mir, SEketa Melm’ste, innehat. Ich werde mich erkundigen, ob sie vakant ist.“

Selec’t erhob sich abrupt von seinem Platz, schaute nochmals kurz in die Runde, und verließ sichtbar erleichtert, den Raum.

„Ähm, und jetzt,“ rutschte es Chloe heraus. Carolins Gesichtsausdruck wirkte nachdenklich, als sie in ihre Richtung blickte. Unvermittelt öffnete sich wieder die Tür. Doch anstatt Ratsmitglied Selec’t standen dort zwei Saaldiener in einheitlich wirkender Kleidung.

„Wir bitten Sie, uns zu folgen. Es stehen Räumlichkeiten zu Verfügung, um es Ihnen so angenehm wie möglich zu gestalten. Dort können Sie die Zeitspanne bis zur nächsten Besprechung bequem überbrücken.“

Verblüff über diese Aussage eines der Saaldiener schauten wir uns alle gegenseitig an.

„Das war aber eine kurze Zusammenkunft“, vernahm ich Sha’hons Gedanke.

„Das hört sich aber für meine Begriffe wie eine ständige Überwachung an.“ Carolin sah Chloe erstaunt an. „Nein, so ist das absolut nicht gemeint, glaube mir. Ich denke eher, dass Ratsmitglied Selec’t selbst zunächst Zeit benötigt, um weitere Informationen zum angesprochenen Thema zu beschaffen. Dazu gehört auch, dass er Kontakt zu SEketa Melm’ste aufnimmt. Es macht keinen Sinn, nur theoretisch zu spekulieren. Auch Quaoarie ist dieser Auffassung.“

Wie als Zeichen der Zustimmung, gab der Eichkater auf ihrer Schulter einen schmatzend-gackernden Ton von sich. Auch Haakon nickte zustimmend.

„Na, wenn das so ist, dann beugen wir uns der Macht des Faktischen!“

Ich lächelte Carolin zu, was auch sofort Sha’hon auffiel. Sie zischte böse und blickte mich mit ihren gelb-geschlitzten Katzenaugen warnend an.

Ich musste kurz leise auflachen. Außer Chloe merkte es niemand und sie ließ auch nicht erkennen, was sie in dem Moment dachte.

Wir erhoben uns alle fast gelichzeitig von den Plätzen und folgten den beiden Saaldiener.

Wenige Meter neben dem kleinen Raum, den wir gerade verließen, befand sich ein Lift. Er beförderte uns zehn Stockwerke nach oben.

Wir schwiegen uns gegenseitig an, wobei die Blicke, die wir uns dabei zuwarfen, wohl ganze Bände sprachen.

Die Situation zwischen allen Anwesenden war zweifelsohne angespannt. Ich hatte bemerkt, dass Chloe mehrmals ansetzte, etwas zu sagen. Nur meine warnende Blicke hielten sie jedoch davon ab, ihre Mutter anzusprechen, die von ihrer Tochter noch überhaupt nichts wusste.

„Es wird sich ein besserer Zeitpunkt ergeben, dann kannst du mit ihr sprechen“, ließ ich sie telepathisch wissen, als wir den Lift wieder verließen. „Ich weiß nicht, wie lange ich noch schweigen kann, Es ist ein sehr blödes Gefühl, zu wissen, dass meine Mutter, bei der ich großgeworden bin, von meiner Existenz noch überhaupt nichts weiß“, konterte sie ebenfalls telepathisch.

„Es stehen Ihnen zwei Logis zur Verfügung. Bitte wählen Sie die Aufteilung.“

Die beiden Türen der uns zugewiesenen Räumlichkeiten lagen sich direkt gegenüber. Wir standen in einem relativ schmalen Gang von etwa fünf Meter Länge und blickten uns etwas verwundert an.

Während vor jedem der beiden Saaldiener sich die Tür automatisch öffnete, standen wir etwas unsicher davor.

Erst als sie sich grußlos zurückzogen und den Eingang freigaben, kam in unsere kleine Gruppe Bewegung. Wie selbstverständlich betraten Carolin und Haakon zusammen eine Suite und während ich ihnen nachschaute, hatte Sha’hon bereits ebenfalls durch die gegenüberliegende Tür die dahinter befindlichen Räumlichkeiten betreten.

„Wir sehen uns später!“ Carolin hatte sich kurz zu mir umgedreht.

Bevor Chloe, die immer noch neben mir stand, auf dumme Gedanken kam, schupste ich sie in die andere Richtung und folgte ihr, ohne eine Erwiderung zu geben.

Sha’hon schaute uns schnippisch entgegen, als wir durch die Tür traten.

„Ihr beide macht Gesichter, als wärt ihr gerade gestorben!“

„Wie soll ich das denn verstehen? Tode machen keine Gesichter mehr!“

„Eben“, schnurrte Sha’hon.

Chloe ging schweigsam an mir vorbei in den Raum und steuerte zielbewusst auf die zweite Tür zu, welche sich an der, vom Eingang aus, rechten Seite des etwa sieben mal zehn Meter großen Zimmers befand.

„Tarik, wie sieht nun dein weitere Plan aus? Ich fühle Unsicherheit. Seitdem du diese Carolin wiedergesehen hast, bist du so merkwürdig.“

Sha’hon stand jetzt ganz dicht vor mir und ihre gelb leuchtenden Augen schauten mich durchdringend an.

„Kann ich dir irgendwie helfen?“

Ich wusste tatsächlich selbst nicht, was mit mir los war. Sha’hon hatte wirklich ein sehr sensibles Gespür dafür.

Mich hatte tatsächlich der so unerwartete Anblick meiner geschiedenen Frau irgendwie aus dem Gleichgewicht gebracht.

Erinnerungen kamen auf und verunsicherten mich noch zusätzlich.

„Lass und zunächst darüber sprechen, was genau unsere Mission ist. Wenn man überhaupt von einer Mission sprechen kann. ELLA, die Festungsanlage der Kshatriays, hat mir, beziehungsweise uns diesbezüglich ja überhaupt keine andere Chance gelassen. Jetzt sind wir hier und sollten das Beste Daraus machen.“

„Du zweifelst an dir selbst, ist es das?“

Sha’hons Frage irritierte mich, aber nur kurz.

Sie bezog sich natürlich auf meinen Gefühlszustand.

Sie trat noch etwas näher an mich heran und nahm mich behutsam in den Arm. So sensibilisiert kannte ich die Prinzessin überhaupt nicht.

„Mir ging es ähnlich mit Marlon, als ich dir begegnet bin. Vergangene Werte sind gut, um Erfahrungen zu sammeln. Jedoch ist die Vergangenheit im hier und jetzt nur noch eine schöne Geschichte, die dein Ego dir erzählt.“

Sie sprach leise, aber dafür sehr eindringlich. Ich begann die Wärme ihres Körpers zu fühlen und wurde etwas ruhiger, als ich ihrer Stimme zuhörte. „Du machst das gut, meine kleine Prinzessin von den Sternen, erwiderte ich telepathisch.

„Auch Helden benötigen des Öfteren etwas seelischen Beistand. Du weißt doch, eines der kosmischen Gesetzte sagt, dass das gesamte Universum auf der Verbindung von männlichen und weiblichen Qualitäten basiert. Diese Geschlechtlichkeit ist in allem. Im ausgeglichenen Zusammenspiel offenbart sich die wahre Kraft des Geistes.“

Jetzt blickte ich sie wirklich erstaunt an. Solch metaphysikalische Weisheiten hatte ich von ihr als Letztes erwartet.

„Du erstaunst mich immer mehr!“

Sie schnurrte und leckte mit ihrer weichen Zunge über mein Ohrläppchen.

„Als Prinzessin hatte ich die Möglichkeit, von den größten Philosophen meines Volkes zu lernen.“ Ihre animalische Art und das gleichzeitig herausstechende, intellektuelle Ergo, ließ mich regelrecht innerlich erzittern.

Ich schaute in ihre gelben Schlitzaugen und beobachtete, wie sich die Pupillen mit einem Mal stark vergrößerten.

Gleichzeitig spürte ich ihre Handflächen an meinem verlängerten Rückgrat, wie sie sich langsam nach unten bewegten.

„Du weißt, dass sich Chloe im Nebenzimmer aufhält. Wir sind hier nicht allein.“

Ein tiefes, fast schon aggressives Knurren entwich ihrem Mund.

„Deine Spezies scheint immer nur auf das eine fixiert zu sein. Warum bist du so angespannt? Macht es dir denn keinen Spaß, zu spielen?“

Etwas verblüfft wollte ich einen Schritt zurück machen, aber sie hatte mich fest im Griff. Erst einige Sekunden später gab sie mich frei, jedenfalls tat sie so, aber ich fühlte immer noch ihre Hände an meinem Körper.

Familien-Geschichten

Prinzessin Sha’hon zog ruckartig ihre Hand von der Stelle, an der sie eben noch gelegen hatte, als Carolin den Raum betrat, nämlich auf einem meiner Pobacken.

Sha’hon knurrte zornig, aber leise, sodass nur ich es vernahm.

„Wenigstens sitzt diese komische Kreatur nicht mehr auf ihrer Schulter“, vernahm ich Sha’hons Gedanken.

Ich schaute neugierig geworden Carolin entgegen. Sie hatte den uns temporär zugewiesenen Aufenthaltsraum, ohne anzuklopfen, betreten.

„Tarik, ich möchte mit dir reden!“

Ihre Augen leuchteten kurz hell auf, was mich zunächst etwas irritierte.

„Es ist viel geschehen, seitdem du mich am Haus meiner Großmutter abgesetzt hast, obwohl noch nicht einmal ein Jahr vergangen ist.“

„Ich bin damals zurück in das Jahr 2274 gegangen, schon vergessen? Frage mich nicht, wieso ich jetzt und hier wieder in deiner Gegenwart aufgetaucht bin. Ich nehme stark an, der Transmitter der Kshatriyas hat uns nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich versetzt. Für mich sind bereits mehr als ein Jahr vergangen!“

Ich dachte in diesem Moment an meine Begegnung mit Chloe. Wie konnte es nur sein, dass Carolin immer noch überhaupt keine Anzeichen einer Schwangerschaft zeigte?

„Können wir reden, allein?“

Und bevor Sha’hon sich beleidigt fühlen konnte, wandte sie sich ihr zu.

„Seien Sie mir nicht böse, es ist nicht persönlich gemeint. Aber es sind, denke ich, zwischen ihm und mir noch einige sehr individuelle Dinge zu besprechen.“

Sha’hon ließ nicht erkennen, was sie gerade dachte. Sie schnurrte nur kurz in meine Richtung und ging dann betont langsam auf die Zwischentür zu, die in den zweiten Raum der Suite führte.

Bevor sie die Tür erreichte, wurde sie bereits von der anderen Seite geöffnet. Unvermittelt stand Chloe im Türrahmen.

„Zu diesen individuellen Dingen gehöre ich wohl ebenfalls dazu! Wenn nicht sogar hauptsächlich, nicht wahr Tarik?“

Chloe kam auf uns zu, während hinter Sha’hon sich die Tür schloss. Ich vernahm noch ihren Gedanken: „Na dann viel Spaß bei deiner Vergangenheitsbewältigung“, dann wurde ich voll und ganz von meiner Tochter und meiner Exfrau, oder so, in Beschlag genommen. Carolin schaute mich irritiert an.

„Lasst es uns zunächst etwas bequemer machen!“ Ich deutet auf die Sitzlandschaft, die mitten im Raum stand. Sie war in U-Form gestaltet, mit einer sehr dynamischen und individuellen Optik in schwarzem Leder mit roten Applikationen an den multifunktionalen Kopfteilen und große Touch Wheel Fernbedienungen der Raumbeleuchtung in den Armlehnen, welche teilweise in der Luft zu schweben schienen.

Desgleichen verfügte sie über Federkernpolsterung und einer breiten Liegefläche.

„Wie du meinst!“

Carolins Augen versprühten ein Feuer, das ich so früher noch nie an ihr bemerkt hatte. Bevor Chloe ihre Mutter mit der für sie bestimmt überaus bizarren Wahrheit konfrontierte, versuchte ich deren Auswirkung auf die Zukunft kurz zu überdenken. „Chloe, ich hoffe nur, du weiß, was du tust. Schließlich kann es zu Verwerfungen von zukünftigen Ereignissen führen oder sogar ein Paradoxon auslösen“, sagte ich laut und deutlich in ihre Richtung.

„Was ist hier los? Tarik, willst du mich nicht in euer Geheimnis einweihen?“

„Genau das will Chloe ja bereits die ganze Zeit über tun. Ich möchte nur nicht, dass uns ein Zeitparadoxon alles zerstört. Ich habe schon einmal dabei einen geliebten Menschen verloren.“

„Ich passe schon auf, was ich von der Zukunft erzähle, Papa. Keine Angst.“

Carolins Pupillen begannen sich spontan zu vergrößern und auf ihrer Stirn bildeten sich große Falten.

„Papa? Sie ist deine Tochter? Alle Achtung!“

Bevor ich ihr antworten konnte, kam mir Chloe zuvor.

„Ja Mama, Tarik ist mein Vater. Deine Schwangerschaft hat, wie du mir mal erzählt hast, ganze 14 Monate gedauert.“

Tränen standen plötzlich in Chloes Augen, während sie gebannt Carolins Reaktion beobachtete, genauso wie ich natürlich auch.

Es dauerte gefühlt mehrere Minuten, bis Carolin fähig war, etwas zu sagen.

„Was, wie, wann? Nein, das glaube ich nicht. Ihr beide wollt mich wohl veralbern.“

Dabei betrachtete sie nachdenklich Chloes Gesichtszüge.

„Schon merkwürdig. Ich hatte die ganze Zeit so ein komisches Gefühl, als würde ich sie von irgendwoher kennen!“

„Mein vollständiger Name ist Chloe Caprice vanGelden. Ich bin tatsächlich deine Tochter!“

Als Carolin den Namen vernahm, musste sie mehrmals kräftig schlucken.

Sie blickte mehrmals von mir zu Chloe und zurück. Dann strich sie sich über den Bauch.

„Chloe und ich haben einen Zeittransfer hinter uns. Das heißt, sie sogar zweimal, nämlich in beide Richtungen. Es ist wirklich verwirrend, das gebe ich zu. Aber es ist die Wahrheit. Sie ist unsere Tochter.“

Carolins rechte Hand lag immer noch auf ihrem Bauch, während sie mit der linken Chloe berührte, die seitlich neben ihr saß.

Dann konnte Chloe sich nicht mehr halten, beugte ihren Oberkörper nach vorne, und umarmte sie.

„Mama, was glaubst du, wie ich mich gefühlt habe, als wir hier ankamen und ich dich sofort erkannte?“

Als Carolin nicht reagierte, ergänzte Chloe: „Ich durfte nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen. Du hast ja von meiner Existenz anscheinend noch nichts gewusst und hättest mir womöglich nicht geglaubt!“

„Es ist auch jetzt für mich noch sehr schwer, zu akzeptieren, dass du meine ungeborene Tochter bist! Überhaupt, wie ist das möglich? Wann…?“ Sie blickte mich dabei an.

„Denk an die letzte Nacht auf der KLONDIKE, bevor ich dich zurück in deine Zeit gebracht habe. Chloe erzählte etwas von einer außergewöhnlichen Schwangerschaft über 14 Monate. Auch wenn du jetzt noch nichts siehst, wächst sie bereits in dir heran. Jedenfalls wirst du in der nächsten Zeit bestimmt Änderungen an deinem Körper bemerken.“

In ihrem Blick lag immer noch so etwas wie Unglaube, dann blitzte es in ihren Augen auf.

„Ich hatte gestern über mehrere Stunden einen wiederkehrenden Brechreiz.“

Sie schaute mich mit großen Augen an.

„Mach einfach einen Schwangerschaftstest, wenn du uns nicht glaubst. Auch die Tongva müssten über so etwas verfügen.“

„Wie peinlich ist das denn? Nein, ich warte, bis ich zurück auf der Erde bin.“

Sie setzte sich jetzt gerade und blickte von Chloe zu mir.

„Jetzt erzählt mir mal die ganze Geschichte. Wann wurdest du geboren?“

Carolin schaute wieder zu Chloe. Bevor sie jedoch irgendetwas erwidern konnte, musste ich warnend einschreiten.

„Vorsicht, Zeitparadoxon. Chloe sei bitte vorsichtig, was du von dir gibst. Ich denke insbesondere dein Geburtsdatum solltest du nicht mitteilen. Es könnte schnell eine Zeitanomalie entstehen, die sich bis zu deiner jetzigen Existenz erstrecken kann.“

Chloe blickte mich erschrocken an.

„Tut mir leid, Mama, aber Tarik hat recht. Ich darf dir nichts erzählen. Die Gefahr, dass sich die Zukunft dadurch verändert, wäre zu groß.“

„Es ist schon schwer genug, sich vorzustellen, dass du, eine erwachsene Frau, zum zweiten Mal als Fötus in meinem Bauch existierst. Aber es ist nochmals ein ganz anderes Ding zu wissen, dass ich tatsächlich Mutter sein werde über einen Zeitraum hinweg, den du bereits hinter dir hast.“ Carolin blickte mich hilfesuchend an.

„Du glaubst nicht, wie überrascht ich gewesen war, als unsere Tochter sich so plötzlich bei mir vorgestellt hat. Es ist nicht einfach, wenn man es mit der sogenannten 4. Dimension zu tun bekommt.“

Bevor wir uns weiter mit den Tatsachen der Zukunft quälen konnten, öffneten sich fast zur gleichen Zeit die Eingangstür und die gegenüberliegende Wohnraumtür. Sha’hon kam aus dem zweiten Zimmer, während am Eingang eine weibliche Tongva mit zwei männlichen Begleiter stand.

Sie ließ kurz ihren Blick über uns schweifen, bevor sie sprach.

„Ratsmitglied Selec’t hat mich informiert. Ich bin SEketa Melm’ste. Meine beiden Begleiter, Dozenten an der hiesigen Hochschule, Marl Kuvie und Septer Jumpf.“

Sie schaute beide kurz bei der Nennung ihrer Namen an und wandte sich dann direkt an mich.

„Sie sind Commander Connar, richtig.“ Es war mehr eine Feststellung als eine Frage.

„Sie sind an der historischen Entstehung unseres Volkes interessiert. Sie wissen aber auch, dass wir uns hier auf einem Niveau begeben, dass fast schon an einem Tabubruch grenzt!“

Die Vorsitzende der Ratskommission für historische Entwicklungen kam auf uns zu und setzte sich unaufgefordert mir gegenüber.

Ihre beiden Begleiter platzierten sich beidseitig neben sie.

„Ich denke, es ist auch im Interesse von Quaoarie, wenn wir mehr über die Vergangenheit des Riija-Systems erfahren“, entgegnete Carolin ihr.

„So, so, Quaoarie! Nun ja, es ist, wie gesagt, ein Tabu, aber ich werde versuchen, mein Bestes zu geben.“

Noch bevor ich die erste Frage stellen konnte, betrat Haakon ebenfalls den Raum.

Auf seiner rechten Schulter saß Felix, der Eichkater.

Sha’hon Mundwinkel verzogen sich leicht und ein weiches Knurren verließ ihren Mund.

Felix hatte es als einziger bemerkt und ich sah erstaunt, dass sich seine Fellhaare geradezu kerzengrade aufstellten.

„Quaoarie hat mich informiert, dass hier und jetzt Fragen der Vergangenheit beantwortet werden.“ Felix spitzte die Ohren. Plötzlich kitzelte mich etwas in meinen Gedanken.

Verwundert bemerkte ich, dass Carolin mich starr anschaute.

Dann vernahm ich bereits leise ihre Gedanken: „Tarik, ich möchte mit dir später noch etwas ausführlicher über die Situation sprechen. Das mit unserer Tochter hat mich sehr mitgenommen.“

Ich nickte kurz zu ihr rüber. „Ja, das können wir. Ich kann gut verstehen, dass du das alles nicht so einfach wegstecken kannst. Ich bin schon froh, dass du nicht sofort umgekippt bist. Du hast dich sehr verändert, in den wenigen Monaten, seitdem wir uns das letzte Mal gesehen haben, weißt du!“ Ich sah am Schimmer ihrer Augen, dass sie ebenfalls meine auf sie gerichteten, telepathischen Worte verstanden hatte.

„In den Analen unserer Vergangenheit ist verzeichnet, dass das Riija Sonnensystem einst über drei Sauerstoffplaneten verfügte, welche sich in der habitablen Zone um die Sonne drehten. Bei dem ursprünglich inneren Planeten handelte es sich tatsächlich um unsere Heimatwelt Dvija“, hörte ich SEketa Melm’ste weiter sprechen.

Felix hüpfte aufgeregt mehrmals auf und ab, sodass Carolin ihn mit der Hand festhalten musste, bevor er von ihrer Schulter gefallen wäre.

„Was genau ist damals geschehen?“

Ihre Frage ließ den Eichkater augenscheinlich etwas ruhiger werden.

„Unser Heimatplanet wurde durch ein unbekanntes Ereignis zerstört. Es gibt merkwürdigerweise überhaupt keine genauen Berichte zu diesem Ereignis. Unsere Vorfahren konnten sich jedoch noch rechtzeitig auf den zweiten Planeten, Chinigchinu, retten. Damals sind jedoch auch viele Tausende umgekommen, soviel wurde noch überliefert.“ 

„Wer waren die Feinde der Tongva? Oder handelte es sich um ein Naturereignis? Es ist absolut nicht plausibel, dass hierzu keine Aufzeichnungen existieren. Auch über eine solche lange Zeit hinweg muss es doch etwas geben!“

Ich blickte SEketa Melm’ste eindringlich an. Sie wechselte mehrere Blicke mit ihren beiden Dozenten, bevor sie antwortete: „Ja, es gibt da tatsächlich ein paar Ungereimtheiten in den Aufzeichnungen. Jedoch gibt es, nach meinem Kenntnisstand, keinen Historiker, der diese sehr floskelhaften Erwähnungen für bare Münze nimmt, oder sie überhaupt beachtet.“

„Warum macht sie es denn nur so spannend“, vernahm ich unvermittelt Sha’hons Gedanken.

Ich wollte hier gerade weiter intervenieren, als Carolin bereits reagierte.

„Oftmals stecken auch hinter Legenden und Märchen reale Gegebenheiten. Sollten Sie über solcherart von Informationen verfügen, wäre es von großer Wichtigkeit, sie ebenfalls zu erfahren.“

„Es ist, wie gesagt, unter den Historikern unseres Volkes ein Tabu, darüber zu sprechen. Fragen Sie mich nicht, wieso und warum. Jedenfalls soll es kein natürliches Ereignis gewesen sein, das zu der vollkommenen Vernichtung des Planeten geführt hat. Vielmehr sollen schattenhafte Wesen mit Raubtiergesichtern unmittelbar vor der großen Katastrophe erschienen sein. Sie bewegten sich sehr, sehr schnell, und man konnte ihnen nicht habhaft werden.“

SEketa Melm’stes Blick verharrte auf Sha’hon, während sie zu Ende sprach.

Sha’hon schaute mich mit einem fragenden Blick an.

„Habe ich ein Raubtiergesicht?“

Ihre mental an mich gestellte Frage ließ mich kurz lächeln. Diese Geste schien wohl auch den Tongva bekannt zu sein. Denn wie auf Kommando ruckten die Köpfe der beiden Dozenten in meine Richtung. Auch SEketa Melm’ste blickte nunmehr direkt in mein Gesicht.

„Nein, natürlich nicht. Du bist eine verführerische, exotistische Schönheit“, beantwortete ich ebenso mental Sha’hons Frage.

„Diese Metapher mäßige Charakterisierung könnte tatsächlich einer wahren Begebenheit zugrunde liegen. Es gibt hierzu jedoch keine weiteren Forschungen!“

Mein Lächeln schien SEketa Melm’ste nur kurz etwas irritiert zu haben.

„Man müsste einfach in der Zeit zurückgehen und sich die ganze Geschichte selbst hautnah anschauen!“ Chloes Äußerung war wohl ihrer Jugend geschuldet oder aber sie dachte in diesem Moment an die Ellio’sh-Technologie der Zeitreisen, die sie ja selbst bereits genutzt hatte.

Jedenfalls löste ihre Bemerkung bei SEketa Melm’ste und ihren Begleitern regelrecht eine emotionale Überladung aus.

Marl Kuvie und Septer Jumpf begannen sich, lautstark über die Möglichkeit einer Zeitreise zu streiten, während SEketa Melm’ste Chloe anzischte: „Sie meinen das doch wohl nicht ernsthaft. Zeitreisen, was für ein Unsinn. Physikalisch nicht möglich! Außerdem wäre es ein Tabubruch, die Vernichtung unseres Heimatplaneten überhaupt mit einer derartigen Fantasterei in Verbindung zu bringen. Wie können Sie nur!“

„Nun mal langsam. Die Anmerkung war wohl auch nur als rein hypothetisch zu verstehen“, versuchte ich die Situation zu deeskalieren.

Chloe blickte mich völlig perplex an. Sie hatte nicht mit einem derartigen Aufwallung der Gefühle gerechnet.

„Ich habe mich bereiterklärt, mit Ihnen über das größte und tiefgreifendste Ereignis in der Geschichte der Tongva zu sprechen und Sie beleidigen mein Entgegenkommen, indem Sie unsinnige Vorschläge unterbreiten.“

Ruf der Kshatriyas

Plötzlich ertönte eine fremde Stimme in meinem Geist. Ich bemerkte an den Gesichtern aller Anwesenden, dass auch sie die Botschaft der Planten-Entität Quaoarie vernahmen: „Quaoarie spricht zu euch. Commander Connar wird gebeten, mich sofort aufzusuchen. Ich erwarte eine wichtige Botschaft der Kshatriyas. Die uralte Festung ELLIU hat sich mir offenbart. Sie existiert seit Äonen unbemerkt auf meiner Oberfläche. Die genauen Koordinaten werden dem Raumschiff OMALLA soeben übermittelt. Der Rat der Tongva ist bereits informiert worden. Commander Rak’les steht mit seinem Schiff bereit. Die Planetenbotschafter Carolin und Haakon werden gebeten, ebenfalls zu erscheinen.“

Der Eichkater Felix hatte bisher auf Haakons rechte Schulter gesessen. Jetzt wechselte er mit einem mächtigen Sprung über zu Carolin.

Dann blickte er mich mit seinen großen, schwarzen Kulleraugen auffordernd an.

„Endlich tut sich etwas. Du benötigst unbedingt eine Ablenkung!“

Ich ignorierte beflissen Sha’hon telepathisch übermittelte Worte und sagte kurz und bündig: „Ich bin bereit!“ Ratsmitglied und Vorsitzende der Ratskommission für historische Entwicklungen SEketa Melm’ste blickte kurz auf.

Sie wirkte in sich gekehrte, was wohl damit zu begründen war, dass sie gerade einen Anruf über das körperintegriertes Kommunikationsmodul erhielt.

Sie wandte sich von uns ab und ich hörte sie leise sprechen. Ihre beiden Begleiter Marl Kuvie und Septer Jumpf standen immer noch völlig starr neben ihr.

Sie wirkten jetzt wieder wie interessenlos und verhielten sich so, als ginge sie alles überhaupt nichts an, obwohl sie noch vor einer halben Minute wie wild miteinander gestritten hatten.

Ich fragte mich die ganze Zeit über bereits, wieso die beiden überhaupt anwesend waren. Als unvermittelt Ratsmitglied Selec’t den Raum betrat, war die Entscheidung getroffen.

„Die OMALLA wird euch zum dritten Planeten bringen. Selec’t wird euch als Interessenvertreter unserer Welt begleiten. Ich wäre ebenfalls gerne mitgekommen, habe aber leider noch andere, wichtige Termine wahrzunehmen. Ich bleibe aber mit meinem Kollegen in Verbindung, falls noch weitere Fragen aufkommen.“

Während SEketa Melm’ste und ihre beiden Begleiter auf den Ausgang zugingen, forderte Ratsmitglied Selec’t uns auf, ihm zu folgen.

Sha’hon und Chloe kamen auf mich zu und nahmen mich in ihre Mitte, während Carolin und Haakon bereits flüsternd miteinander hinter ihm hergingen.

Ich konnte nicht verstehen, was sie sprachen, und das irritierte mich etwas. Gab es zwischen ihnen ein Geheimnis?

Chloe hatte wohl meinen nachdenklichen Gesichtsausdruck bemerkt.

„Sie ist sehr selbstbewusst geworden, nicht wahr“, vernahm ich ihren Gedanken.

Wir erreichten die OMALLA mit einem Schwebegleiter. Es herrschte eine gespannte etwas angespannte Stimmung.

Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Ich fragte mich schon die ganze Zeit, welche Botschaft die Planten-Entität Quaoarie empfangen hatte. Außerdem war ich bei Nennung der Bezeichnung ‚Festung ELLIU‘ hellhörig geworden.

Es drängte sich unverkennbar der Vergleich mit der Festung ELLIA auf dem Planeten Sa’lf, im Wega System, auf. Commander Rak’les begrüßte uns auf der Brücke der OMALLA.

„Wir starten sofort. Der Planet Quaoarie ist lediglich 67 Millionen Kilometer von Chinigchinu entfernt. Wir werden ihn in etwa einer Stunde erreichen.“

Auf dem wandausfüllenden Zentralschirm konnten wir den Start des Schiffs bereits mitverfolgen.

Im Nu war der Raumhafen aus der Sicht verschwunden und die Planetenoberfläche wurde immer kleiner, bis man den Planeten als Ganzes wahrnehmen konnte.

Blau-grün erstrahlte die neue Heimatwelt der Tongva noch einige Minuten, dann beschleunigte die OMALLA, befreit von der Schwerkraft des Planeten, auf den von der Sonne am weitesten entfernten Planeten Quaoarie zu.

Carolin und Haakon gingen wie selbstverständlich auf eine kleine Sitzlandschaft neben der Steuerkonsole zu und machten es sich dort bequem. „Kommt, setzt euch. Der Flug dauert zwar nicht so lange, aber ihr müsst trotzdem nicht der Crew im Wege stehen“, vernahm ich Carolins Worte. Sha’hon knurrte leise ihren Unmut, während Chloe bereits grinsend neben ihr Platz nahm.

Als nun Sha’hon und ich ebenfalls nebeneinander Platz genommen hatten, war es Carolin, die sofort mit dem Gespräch anfing.

„Tarik, du hast bereits über das Volk der Kshatriyas gesprochen. Jetzt wurde Quaoarie von ihnen kontaktiert. Kannst du uns mehr über sie berichten? Ich glaube, aus dem bisher gehörten zu entnehmen, dass die Kontaktaufnahme irgendwie mit dem Erwachen der Planten- Entitäten zu tun hat. Anscheinend gibt es ja auch eine Verbindung zwischen dem hiesigen Riija Sonnensystems und der Welt der Sa’lfeniens. Die dortige Festung nennt sich ELLIA und die hiesige wurde als ELLIU bezeichnet.“

Carolin schaute, während sie sprach und die Welt der Sa’lfeniens erwähnte, kurz zu Sha’hon.

Ich bemerkte, wie sich die feinen Härchen an Sha’hons Unterarm aufstellten.

Gleichzeitig rollte sich Felix, der immer noch auf der rechten Schulter von Carolin saß, noch mehr zusammen und machte sich so klein wie möglich. Es lag eine merkwürdige Spannung in der Luft, obwohl es dazu überhaupt keinen Grund zu geben schien.

„Da muss ich dich leider enttäuschen. Der Avatar von ELLIA hat sich sehr bedeckt gegeben. Alles, was ich, was wir über dieses uralte Volk erfahren haben, wurde bereits erwähnt. Natürlich habe ich mir meine eigenen Gedanken gemacht. Es ist wohl kein Zufall, dass man uns in das Heimatsystem der Tongva befördert hat.“

Ich wechselte kurz die Richtung des Gesprächs. „Auch du scheinst ja bereits ausführlichen Kontakt zu diesen lebenden Planeten-Entitäten bekommen zu haben. Ist dir denn bekannt, warum oder besser ausgedrückt, durch welches Ereignis diese merkwürdige Ich-Wertung überhaupt zustande gekommen ist?“

„Wir wurden beide vom Planten Erde rekrutiert, als die Eskalationen von Gewalt und Chaos am größten wurden und außerirdische Kräfte begannen, dabei noch mitzumischen. Wann und wie der Planet Erde oder Quaoar, wie sich die Schöpferkraft der Erde selbst nennt, zu seiner Ich-Wertung fand, ist uns ebenfalls nicht bekannt.“

Ich schaute Haakon etwas irritiert an. Er hatte sich bisher immer nur passiv verhalten, sodass ich seine Anwesenheit nur noch indirekt wahrgenommen hatte.

Felix, der Eichkater, wechselte unvermittelt von Carolins zu ihm hinüber. Er ließ kurz einen dumpfen Laut hören, ähnlich einem menschlichen räuspern.

Dann verhielt er sich wieder ruhig und beobachtete uns aufmerksam weiter, mit seinen großen, runden Knopfaugen.

Ich schaute kurz versonnen und etwas nachdenklich zum Commando-Steuerpult, an dem Commander Rak’les stand und sich angeregt mit Ratsmitglied Selec’t unterhielt.

Mein Blick wanderte über den halbrunden Steuerpult auf den wandgroßen Zentralschirm, auf dem jetzt vermehrt Millionen von kleinen, glitzernde Punkte in unterschiedlicher Helligkeit in einem Meer von Schwärze zu sehen waren.

Die Sichtbarkeit der Sterne wurde natürlich vom positronischen Schiffsgehirn künstlich verstärkt. Ansonsten wäre der Bildschirm für menschliche Augen relativ dunkel geblieben.

Chloe unterhielt sich leise mit ihrer Mutter und meine Gedanken begannen sich zu verschleiern. Kurz blitzten Erinnerungsfetzen aus der Zeit meiner Astronautenausbildung in meinen Kopf auf. Die Zeit, als ich Carolin kennengelernt hatte; als wir dann irgendwann heirateten; dann der Strahlenunfall, die Trennung; das Wiedersehen und nochmals die Trennung.

„Wir landen direkt neben dem VOKUS-Gebirge. Dort befindet sich auch die von Quaoarie genannte Festung ELLIU. Vor einiger Zeit gab es hier einen starken Vulkanausbruch. Eine große Fläche am Rande des Gebirges wurde dabei freigelegt. Ein Zugang entstand. Die OMALLA wird direkt davor landen.“

Ich blickte Ratsmitglied Selec’t etwas verwirrt an. Ich hatte sein herantreten an die Sitzgruppe überhaupt nicht wahrgenommen.

Ein Blick auf den Zentralschirm bestätigte mir jedoch, dass das Schiff tatsächlich bereits zur Landung ansetzte.

Kurz waren noch ein Ausschnitt der erkalteten, dunkelgrauen Lavafläche zu erkennen, dann wurde der Schirm dunkel.

Unvermittelt vernahm ich in meinem Kopf ein Rauschen, dann die unverkennbare, mentale Stimme der Planeten-Entität Quaoarie.

An den Gesichtern der anderen erkannte ich, dass auch sie von Quaoarie angesprochen wurden. „Willkommen auf meiner Oberfläche. Eine wichtige Botschaft hat mein Bewusstsein erreicht. Diese Botschaft richtet sich hauptsächlich an Commander Tarik Connar, den ‚Bevollmächtigen des Lebens‘. Ich fungiere somit nur als Mittler.“

Ein kurze Pause entstand. ‚Bevollmächtigter des Lebens‘ klang es in meinem Kopf nach. Diesen Titel hatte mir eine künstliche Intelligenz der Ellio’sh verliehen, oder waren es die Talik gewesen. Ich konnte mich wirklich so genau nicht mehr daran erinnern.

Es war einzig und allein diese Bezeichnung, welcher in meinem weiteren Lebensweg immer wieder auftauchte.

Ich hatte bis heute noch nicht gänzlich verstanden, was dieser Terminus genau aussagte oder bezweckte.

Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als Quaoarie fortfuhr: „Die Festung ELLIA als oberste Instanz in der Nachfolge des vergangenen Volks der Kshatriays sandte mir die Botschaft, unterstützt durch meinen Bruder Sa’lf. Commander Connars Raumschiff KLONDIKE soll umgehend in dieses Sonnensystem transferiert werden. Auf meiner Oberfläche existiert ebenfalls eine Kshatriays-Festung. ELLIU ist ihre Eigenbezeichnung. Sie wird als Gegenpol der Transmission genutzt werden. Die KLONDIKE wird benötigt, um die Voraussetzungen der Mission GEN-CODE zu initialisieren. Weitere Informationen folgen.“

Wieder entstand eine kleine Pause.

„Es wurden keine weiteren Angaben gemacht. Lediglich auf die Brisanz und die Wichtigkeit dieser Mission wurde mehrfach hingewiesen.“

War das nicht gerade ein Widerspruch?

„Wieso lässt du das zu? Zumindest sollten hier im Vorfeld eine Menge mehr Informationen fließen!“ Chloes telepathische Äußerung machten mich nachdenklich.

„Habe ich eine Wahl?“, stellte ich mental die Gegenfrage. Wieder einmal waren es fremde Mächte, die versuchten, mich zu manipulieren. Natürlich wusste ich das.

„Man hat immer eine Wahl. Du solltest mit dir nicht alles machen lassen!“

Ich musste lächeln. Es war wohl meinem Alter geschuldet, pragmatischer zu werden.

Die Jugend wollte mit dem Kopf durch die Wand, das Alter brachte Erfahrung und Besonnenheit mit sich.

„So alt bist du ja auch wieder nicht.“

Sha’hon hatte meine Gedanken mitbekommen. Sie war telepathisch begabt, bei ihrem Volk nannte man die mentale Kommunikation „Geweihte Sprache‘.

Normalerweise konnte ein Sa’lfeniens jedoch nur einen ausdrücklich an ihn gerichteten Gedanken verstehen.

Erst jetzt fühlte ich, dass ihre Hand auf der meinen lag. Dieser direkter Körperkontakt schien es möglich zu machen, dass sie an meinen Gedanken partizipieren konnte. „Genauso ist es“, sagte sie leise. Ich bemerkte, dass Felix uns aufmerksam zu beobachten schien.

Auch Carolin schaute Sha’hon und mich unvermittelt an.

„Die Kshatriays scheinen in dieser Galaxie eine nicht gerade unwichtige Rolle gespielt zu haben. Wenn ich bedenke, welche Möglichkeiten heute ihre noch existierende Technologie offenbart, kann ich mir kaum vorstellen, wie es war, als dieses Volk noch lebte. Ich dachte bisher immer, die von dir erwähnten Ellio’sh hätten in vergangenen Zeiten diese Galaxie beherrscht.“

Carolin schaute mir jetzt versonnen in die Augen. Ihr Blick schien irgendwie verschwommen, als wäre er in eine weite Ferne gerichtet.

„Die KLONDIKE wird also hierher geholt!“

Es war mehr eine Feststellung als eine Frage, schien es mir. Tatsächlich sprach Carolin weiter, jedoch nur in meinen Gedanken.

Sie hatte von Quaoar, die Entität der Erde, diese Art der Kommunikation gelernt.

„Ich erinnere mich noch sehr gut an unsere Zeit an Bord der KLONDIKE. Die letzte Nacht!“

Erschrocken zog ich schnell meine Hand von Sha’hons Hand zurück und löste damit den Kontakt. Es wäre mir mehr als unangenehm gewesen, hätte sie jetzt Carolins Gedanken mithören können.

„Es waren schon seltsame Abenteuer, die wir zusammen erlebt haben, Tarik. Im Nachhinein und mit dem jetzigen Wissen, war mein Verhalten damals gegenüber dir nicht gerade fair, das muss ich zugeben.“

„Schaut euch das an“, hörte ich plötzlich Chloe laut sagen. Sie deutete auf den Zentralschirm. Dort war am Fuß der nahen Gebirgszüge ein riesiges, goldschimmerndes Tor zu erkennen.

Es glühte regelrecht auf und das Felsgestein, dass die Toranlage bis dato verdeckt gehalten hatte, schmolz regelrecht in dichten Strömen davon. „ELLIU öffnet seine Pforten. Commander Tarik Connar und seine Begleiter sind willkommen und erhalten freien Zugang. Das Raumschiff KLONDIKE wurde soeben erfolgreich transferiert“, hallte die mentale Stimme von Quaoarie jählings in meinem Kopf nach.

Ich war aufgestanden, um einen bessere Sicht auch den Zentralschirm zu bekommen.

Sha’hon stand neben mir. Auch Carolin, Chloe und Haakon waren aufgestanden. Ratsmitglied Selec’t wandte sich von Commander Rak’les ab und kam auf uns zu.

Die Aufnahme zoomte etwas näher auf die sich jetzt langsam öffnende Toranlage zu.

Eine starke, mit kaltem Licht ausgeleuchtete Halle wurde erkennbar. Dann entstand im Innern nur wenige Meter hinter der Toröffnung plötzlich ein Schatten.

Dort schien jemand zu stehen. Etwas Genaues konnte man aus der Perspektive der Schiffskameras nicht erkennen.

„Der Zugang ist geöffnet worden. Der Rat bittet die Planetenbotschafter Carolin und Haakon Commander Connar zu begleiten. Ich werde an Bord der OMALLA bleiben und als Bewahrer der Interessen des Rates und damit des Volkes der Tongva den Kontakt mit ihnen aufrechthalten.“ Selec’t drückte als Zeichen seiner Ehrerbietung die Faust der rechten gegen die Handfläche der linken Hand.

Ich nickte ihm unwillkürlich zu, obwohl er diese Geste wohl nicht verstehen konnte. Carolin und Haakon schauten mich an.

„Es ist dein Schiff. Wir folgen dir“, vernahm ich Chloes Gedanken. Sie stand dicht neben ihrer Mutter und grinste.

Felix, der Eichkater auf Carolins Schulter wechselte nervös mehrmals seinen Platz und schwang sich hinter ihrem Kopf von der rechten Schulterseite zur linken und wieder zurück.

Commander Rak’les begleitete uns zur Schiffsschleuse.

Als wir den Planetenboden betraten, wehte uns eine leichte Brise entgegen. Es roch nach Asche und merkwürdigerweise auch nach hochprozentigem Alkohol.

Jedenfalls interpretierte ich den Geruch so. Es waren keine fünfzig Meter in gerader Linie zu dem mit siebeneckigen, sehr dünnen Basaltsäulen umgebenen, goldenen Tor der Festungsanlage der Kshatriyas.

Jetzt war ich nur noch gespannt darauf, in welches Abenteuer ich wieder hineinstolperte. 

Das Band des Schicksals

Die KLONDIKE beförderte einen Blinden Passagier. Niemand an Bord hatte ihn bisher bemerkt. Die Bord-Positronik kannte ihn bereits und akzeptierte ohne weiteres seine Anwesenheit.

Connar hatte ihn in der Vergangenheit als Gast an Bord geholt und somit als berechtigt ausgewiesen. Marlon hatte sich an Bord der KLONDIKE aufgehalten, als diese so unverhofft transferiert worden war.

Nachdem er und Fah’tel, Prinzessin Sha’hons engste Vertraute, Connar und Sha’hon in den Höhlen der neu endeckten Katakomben, aus den Augen verloren hatten, war ihm spontan die Idee gekommen, dass in Connars Raumschiff womöglich mehr Informationen über ihren genauen Verbleib zu finden sein könnte.

Er hatte problemlos Zugang erhalten, worüber er sich im Nachhinein noch gewundert hatte. Dann, als er unverrichteter Dinge das Schiff wieder verlassen wollte, fand er das Ausgangsschott verschossen vor.

Ihm wurde plötzlich schlecht und dann musste er das Bewusstsein verloren haben.

Als er wieder zu sich kam, vernahm er Stimmen, welche aus Richtung Schleusenschott kamen.

Sofort schob er sich hinter einer Trägersäule in Deckung, als auch schon mehrere Personen den Korridor betraten, unter denen er auch Sha’hon erkennen konnte.

Neben ihr ging Connar gefolgt von zwei Frauen und einem anderen Mann. Marlon erkannte dann auch Chloe als einer der beiden Frauen.

Auf der Schulter der zweiten Frau saß ein kleines, bepelztes Tier.

Bei genaueren Hinsehen konnte er eine gewisse Ähnlichkeit zu Connars Tochter feststellen.

Das recht merkwürdig wirkende Gespann ging nur weniger Meter an ihm vorbei, ohne ihn zu bemerken.

Marlon fragte sich zum wiederholten Mal, warum er sich vor ihnen versteckt hielt. Schließlich hatte er doch Zugangsberechtigung zum Schiff.

Seine Anwesenheit hier war deshalb nicht unbedingt zweifelhaft.

Aber irgendetwas hielt ihn auf merkwürdiger Art und Weise davon ab, sich bemerkbar zu machen. Verstohlen blickte er sich um und beschloss, das Schiff umgehend wieder zu verlassen.

Das Außenschott öffnete sich vor ihm und ein matter Lichtschein kam ihm entgegen.

Verwundert blinzelte er in den düster wirkenden Himmel, der gräulich lila auf ihn herunterblickte. Das Raumschiff stand nicht mehr auf einer Lichtung, umringt von großen Laubbäumen.

Ganz im Gegenteil. Vor der Luftschleuse erstreckte sich ein riesiges Areal einer kargen, sanddurchsetzten Oberfläche.

Sie erstreckte sich bis zum Rand eines Gebirges, dessen Ausläufer in etwa zehn Kilometern Entfernung zu erkennen waren. Endmoränen eines ehemals riesigen Gletschers bedeckten fast die gesamte weitere Umgebung.

Marlon begann unvermittelt zu fröstelten. Tatsächlich war es jetzt viel kälter als zu dem Zeitpunkt, als er das Schiff betreten hatte.

Hier außen kam er nicht weiter, das war ihm sofort klar. Das Schiff musste einen Ortswechsel vollzogen haben, während er im Inneren ohne Bewusstsein gewesen war.

Es blieb ihm wohl nichts weitere übrig, als sich Tarik und Sha’hon erkennen zu geben.

Mit gemischten Gefühlen ging er zurück ins Schiff. Er befand sich gerade auf dem Weg zur Schiffszentrale, wo er vermutete, dass sie sich aufhielten, als er unvermittelt stehenblieb.

Was würde Sha’hon sagen, wenn er so einfach hier und jetzt auftauchen würde. Sie würde wohl richtigerweise annehmen, dass er ihr nachspionierte. Natürlich tat er das.