Das böse Wort - Gunter Stark - E-Book

Das böse Wort E-Book

Gunter Stark

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Beschreibung

Sich selbst, der Familie und auch Freunden gegenüber scheut man das „Böse Wort“ wie der Teufel das Weihwasser. Gunter Stark ist sechsundsechzig Jahre alt, als er nach einer Routineuntersuchung die Diagnose erhält, dass sich an seiner rechten Niere ein Karzinom befindet und dieses schnellstens entfernt werden muss. Nach anfänglicher Niedergeschlagenheit und Angst vor dem, was auf ihn zukommt, nimmt er die Herausforderung des Schicksals an und fügt sich dem, was getan werden muss, um sicherzustellen, überleben zu dürfen. Trotz aller Ernsthaftigkeit beschreibt er in seinem Buch die vielen Stationen seiner Krankengeschichte in einer unterhaltsamen und für jedermann verständlichen Art und Weise, leicht lesbar und Mut für das Leben machend.

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Seitenzahl: 104

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Zu diesem Buch

Im Grunde genommen hat man dann ein erfülltes Leben, wenn es in seiner ganzen Bandbreite mit allen möglichen Facetten gelebt wurde. Mit allen Höhen und Tiefen, mit all seinen Licht- und Schattenseiten.

Wenn man dir dann im Alter von sechsundsechzig Jahren die Diagnose einer lebensbedrohenden Erkrankung an einem deiner wichtigsten inneren Organe mitteilt, bist du wie vor den Kopf gestoßen und glaubst, dass jetzt erst einmal alles vorbei ist.

Dann, mit der Zeit, wirst du Realist und fügst dich dem, was getan werden muss, um sicherstellen überleben zu dürfen.

Schlägt eine solche Zäsur, wie ich sie erlebt habe ein, sind die Grundmauern des glücklichen und erfüllten Lebens massiv erschüttert. Diese oftmals aus heiterem Himmel kommende Krise ist eine Herausforderung des Schicksals welche, egal, in welcher Richtung und Intensität die Krankheit auch verläuft, nur gemeinsam mit der Familie bewältigt werden kann.

Ich bin auf die Achterbahnfahrt zwischen Hoffen und Bangen aufgesprungen und werde, bis sie irgendwo und irgendwann enden wird, mitfahren.

Dieses Buch widme ich meiner Frau und meinen Kindern, die mich in den vielen Jahren meiner Krankengeschichte unterstützt und immer wieder aufgebaut haben.

Sich selbst, der Familie und auch Freunden gegenüber meidet man das „Böse Wort“ wie der Teufel das Weihwasser!

Ich habe lange mit mir gerungen und viel darüber nachgedacht, ob ich dieses Buch schreiben soll. Da ich nicht weiß, was noch vor mir liegt und wie es einmal enden wird, bin ich nun doch dazu bereit mein Leben und Schicksal in Worte zu fassen und der Nachwelt zu hinterlassen. Auch soll es Leidensgenossen Mut machen nach vorne zu schauen und für das Leben zu kämpfen.

Begonnen hat mein Leidensweg schon im frühen Kindes-und Jugendalter. Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich mit meiner Mutter bei einem Orthopäden war und der mich wegen meiner etwas schiefen Oberkörperhaltung an den Beinen aufhängte. Er wollte damit erreichen, dass sich meine Wirbelsäule streckt und so die Körpersymmetrie wieder hergestellt, oder zumindest verbessert, wird. Gebracht hat das damals nichts. Meine Frau sagt noch heute, dass ich eine Schieflage nach rechts habe und ermahnt mich öfters, den Oberkörper gerade zu halten und mich bewusster zu bewegen.

Mit sechzehn entfernte man mir die Mandeln und mit achtzehn den Blinddarm.

Obwohl ich, was den Lebensstil anbelangt, nicht üppig und mir selbst gegenüber verantwortungslos gelebt habe, hat mich dann doch schon relativ früh die Volkskrankheit „zu hohe Blutfettwerte und Bluthochdruck“ eingeholt und in Beschlag genommen. Entsprechende Gegenmittel sind seit Jahren mein Begleiter, regelmäßige Untersuchungen bestätigen bis auf eine einmal aufgetretene Blutdruckattacke den Erfolg der Therapie.

Damals stellten sich am Morgen nach der Heimkehr von einer Herrentour in den Bayrischen Bergen starke Schmerzen in der Magengegend ein, welche in Rücken und Brust sowie in den Kieferbereich ausstrahlten. Obwohl das die Symptome eines Herzinfarkts waren und hier eigentlich der Einsatz eines Notarztes nötig gewesen wäre, ließ ich mich von meiner Frau zu meinem in der Nachbargemeinde ansässigen Hausarzt fahren. Das sofort eingeleitete EKG bestätigte die Annahme des Infarkts zunächst nicht. Besorgniserregend jedoch waren ein sehr hoher Puls und ein Blutdruck, welcher mit 220/160 die Gefahr eines Schlaganfalls aufkommen ließ.

Selbst der mehrmalige Einsatz von Nitro-Spray brachte keine Reduktion und so wurde ich, weil in unserer städtischen Klinik kein Bett auf der Intensivstation frei war, in ein zwanzig Kilometer entfernt gelegenes Tochter-Klinikum gebracht.

Während der Fahrt in dem alten klapprigen Rettungswagen wurde weiter gemessen und gesprayt, jedoch ohne den bedrohlich hohen Blutdruck reduzieren zu können.

Obwohl die Fahrt über eine Schnellstraße mit noch einigermaßen guter Fahrbahndecke verlief, war der Transport für mich eine einzigartige Tortur. Es rappelte und schepperte in allen Ecken und auf der Trage liegend, wurde man richtig durchgerüttelt. Es hatte den Anschein, dass jede kleinste Unebenheit oder jedes Splitt-Körnchen sich noch oben hin x-fach potenzierte und den Wageninnenraum zum Beben brachte. Nach Aussage des mich betreuenden Notarztes war der Sanka schon zweimal der Verschrottung entgangen und aus Budgetgründen immer noch im Einsatz. Ich bin heute noch der Meinung, dass wenn ein Unfallopfer einen Unfall überlebt hat und schwer verletzt in einem solchen Wagen transportiert wird, große Chancen hat, doch noch in die ewigen Jagdgründe einzuziehen.

In der Klinik angekommen wurde als Erstes ein Herz-Ultraschall gemacht, welches ebenfalls keinen eindeutigen Hinweis auf einen Infarkt erbrachte.

Auf der Intensivstation wurde ich mit einer Schmerzmittel-Pumpe verheiratet und die gleichmäßige Injektion einer Nitro-Lösung eingeleitet. Nach fünf Stunden war es dann geschafft, die Blutdruckwerte befanden sich wieder nahezu im Normalbereich. Ich verbrachte die Nacht auf der Intensivstation und kam am nächsten Morgen auf ein Dreibettzimmer der Abteilung Innere Medizin.

Nach einem dreitägigen Untersuchungs-Marathon stand dann endlich fest, dass wohl eine massive Magenschleimhautentzündung die Ursache für die Attacke gewesen sein müsse und ich herzkreislaufmäßig völlig in Ordnung sei.

Eine Überraschung gab es dann doch noch am Morgen des Entlassungstages. Ein Pfleger teilte mir mit, dass ich in einer halben Stunde abgeholt und zu einer Herzkatheter-Untersuchung in die Haupt-Klinik gefahren werde. Bass erstaunt, und bezogen auf die bisherigen Untersuchungs-Ergebnisse ungläubig, lag ich da und wartete darauf, dass die Tür aufging und man mich abholte.

Was war das denn jetzt?

Hatte man doch etwas übersehen und wollte sich jetzt mit einer solch intensiven Untersuchung Gewissheit verschaffen? Ich hatte schon eine Menge über Herzkatheter-Untersuchungen gehört und auch, dass es zu Komplikationen, wie auch zu einem Herzinfarkt, kommen kann.

Während ich noch aufgeregt darüber nachdachte, was jetzt alles passieren könnte, kam der Pfleger abermals herein und melde freudestrahlend Entwarnung. Ich sei gar nicht gemeint gewesen, nämlich ein anderer Patient, der zufällig meinen Namen, allerdings Gunter mit „h“, trug und zwei Zimmer weiter Quartier bezogen hatte.

Nach Operationen, in der Aufzählung am unteren Körperende beginnend, wie Korrektur von Krähenzehen und Hallux an beiden Füßen, dem Ersatz der beiden inneren Kniegelenke durch Titankappen und Kunststoffscheiben sowie eines Karpaltunnel-Syndroms an der rechten Hand, erhielt ich dann vor vier Jahren nach mehreren Arztbesuchen die Diagnose „Gicht“.

Besonders nachts hatte ich wahnsinnige Schübe in den Fingergelenken und oftmals auch in der ganzen Hand.

Meine Harnstoffwerte lagen im Grenzbereich und somit konnte es nach Meinung der Ärztin in der Handsprechstunde eigentlich nur Gicht sein. Ich solle um Gottes willen keinen Alkohol trinken und morgens eine Tablette namens „Allopurinol“ zu mir nehmen. Auf meine Frage hin, ob das mit dem Alkohol endgültig sei, bekam ich die Antwort, dass ich schon mal jeden dritten, vierten Tag ein Bierchen oder ein Glas Wein trinken dürfe. Spaßeshalber habe ich daraufhin gesagt, dass ich an den genannten Tagen wahrscheinlich gar keinen Durst auf Alkohol haben werde.

Die Ärztin hat mich verächtlich angesehen und bemerkt, dass man auch ohne Alkohol sehr gut leben könne. Sie selbst habe seit ihrem achtzehnten Geburtstag keinen Tropfen mehr angerührt. Ich dachte noch, dass sie wahrscheinlich an diesem Abend so betrunken war, dass es für den Rest ihres Lebens gereicht hat.

Ich nahm die Tabletten, googelte im Internet und fand in verschieden Foren diverse Aussagen zu diesem Thema sowie die speziellen Behandlungsmethoden vieler Leidensgenossen.

Da es rund vierhundert verschiedene Rheuma-Arten gibt und nahelag, dass ich eine davon eingefangen hatte, bin ich dem Hinweis eines Bekannten gefolgt und vereinbarte einen Termin bei einem allseits anerkannten Rheumatologen in einem der Universitätsklinik Gießen angeschlossenen Balserschen Stift. Nach weiteren Blut/Röntgen-und MRT-Untersuchungen und der Diagnose „Rheumatoide Arthritis“ stand fest, dass ich diesbezüglich unheilbar krank sei und mein zukünftiges Leben nur durch Einnahme von massiven Schmerzhämmern einigermaßen zu ertragen wäre.

Die Schmerzursache sind winzige Kristalle, welche sich in den Gelenken absetzen und unter wahnsinnigen Schmerzen langsam aber stetig eine Deformation und Zersetzung bewirken. Die infolgedessen angezeigte Verabreichung von harten und entzündungshemmenden Rheumamitteln bewirkt bei länger dauernder Therapie einen Teufelskreis mit Magenschleimhaut-Problemen und führt mit großer Wahrscheinlichkeit auch zu massiven Nierenproblemen, bis hin zu Insuffizienz mit Endstation Dialyse.

Ich ließ nicht locker und suchte im Internet nach Alternativen, jetzt vorrangig aus dem Bereich der Naturheilkunde. Gute Ergebnisse schilderten Patienten mit einer über Monate andauernden Trinkkur von Wasser, Apfelessig und Bienenhonig. Dreimal täglich ein Glas Wasser, mit zwei bis drei Teelöffeln Apfelessig angereichert und einem Teelöffel Bienenhonig gesüßt, über Monate getrunken, wurde als wahres Wundermittel beschrieben.

Auch wenn man den Angaben der Menschen im Internetforum Glauben schenkt und die Entscheidung für diese Kur gefällt hat, bedarf es einer konsequenten, sehr lange dauernden Zeit der Selbstdisziplin und einer großen Portion Hoffnung darauf, dass irgendwann eine Schmerzlinderung zu verspüren sein wird.

Nach vielen bei Tag und Nacht auftretenden Schüben und entsprechend schlaflosen Nachtstunden konnte ich nach etwa vier bis fünf Monaten schon tagsüber eine Schmerzlinderung verspüren und bald danach, auch nachts. Es war ein Gefühl großer Erleichterung, eine noch vor wenigen Monaten nicht geahnte neue Lebensqualität mit einem zumindest auszuhaltenden Schmerzpegel begann.

Ich führte die Kur noch etwa drei Monate fort. Danach und auch heute nur noch, wenn das Schmerzniveau wieder anzusteigen scheint. Bis auf wenige Ausnahmen, wie zum Beispiel massiver Wetterumschwung oder wenn mal ein Gläschen Alkohol getrunken wird, bin ich heute so gut wie schmerzfrei.

Während des letzten Gesprächs mit dem Rheumatologen erkundigte er sich nach anderen bei mir vorhandenen Krankheiten oder Beschwerden. Ich erzählte ihm, dass ich seit Jahren an Divertikeln leide, zwei Darmpolypen habe und mich somit alle drei Jahre in einem Magen/Darmzentrum einer Darmspiegelung unterziehen müsse. Die Polypen seien noch so klein, dass man sie nicht Fassen und operativ entfernen könne.

Er meinte, dass man damit nicht warten soll, und gab mir den Rat, bei dem im gleichen Haus praktizierenden Facharzt-Kollegen für Darmprobleme einen Termin zu vereinbaren und mit ihm das Thema Polypen sowie die Möglichkeit einer zeitnahen operativen Beseitigung zu besprechen.

Obwohl ich nicht privat versichert bin, bekam ich den Termin schon in der Folgewoche. Der etwa fünfundvierzig Jahre alte Arzt war Professor der Gastroenterologie an der Universitätsklinik Gießen und Mitglied des im Stift ansässigen Praxiszentrums.

Er erklärte mir den Ablauf der Darmspiegelung mit Polypen-Entnahme und setzte mich, nachdem ich mein Einverständnis erklärt hatte, schon für nächsten Freitag auf den Terminplan.

An der Rezeption erhielt ich noch das mir schon von früheren Untersuchungen her bekannte Abführmittel samt Anweisung für den Vortag, und falls notwendig, auch noch für den Behandlungstag.

Die Abführerei ist das eigentlich Unangenehme an einer Darmspiegelung. Da der Termin gleich morgens war, musste ich wie schon so oft, am vorherigen Nachmittag mit der Einnahme der Abführflüssigkeit beginnen. Die Wirkung zeigte sich alsbald durch mehrere Entleerungen, welche sich, wenn auch nur in geringem Umfang, bis in die Morgenstunden hinzogen.

Die früheren Untersuchungen im Magen/ Darmzentrum hatte ich ohne Kurznarkose über mich ergehen lassen. Schon deswegen, weil mein Darm auf Höhe des Magens einen ziemlich starken Knick aufweist. Es war immer vorteilhaft, dass ich, wenn der Untersuchungsschlauch dort um die Ecke wollte, durch hin und her drücken der Bauchdecke mitgelenkt habe. Hierdurch konnten die Schmerzen weitestgehend unterbunden und auch Verletzungen der Darmwand vermieden werden.

Wegen der bevorstehenden Entnahme der beiden Polypen legte mir der Professor jedoch nahe, mittels Schlafspritze eine leichte Betäubung einzuleiten. Während des Eingriffs sollten unerwünschte Bewegungen oder Reflexe vermieden werden und so die Operation ohne Komplikationen ablaufen können.

Bis auf die vor Jahren bei mir durchgeführte allererste Magenspiegelung hatte ich alle späteren Untersuchungen immer mit Kurzbetäubung machen lassen und damit allerbeste Erfahrung gemacht. Bei dieser ersten Magenspiegelung hatte ich mich fast übergeben müssen und meine Halsmuskulatur war anschließend drei Tage lang verkrampft und angespannt. Die Betäubung hielt mich von alledem frei.

Nach dem Eingriff erklärte mir der Professor, dass bis auf die vielen Divertikel und drei entfernte Polypen alles in Ordnung sei. Man werde die abgetragenen Gewebe zwar noch untersuchen, vom ersten Anschein her sei jedoch nichts zu befürchten.

Wieso jetzt auf einmal drei Polypen?

Im Darmzentrum war bisher immer nur von zwei die Rede gewesen!

Der dritte saß siebzig Zentimeter tief ganz am Ende des Dickdarms, dort wo er im Bereich des Blinddarms in den Dünndarm übergeht. Wäre dieser Polyp irgendwann entartet, hätten einige aus der Familie oder dem Bekanntenkreis gesagt: „Über Jahre hinweg ist er zur Darmspiegelung gegangen – jetzt hat es ihn doch erwischt!“

Weil Wochenende war und die dann üblichen Arbeiten rund um das Haus anstanden, agierte ich auf Anraten des Arztes hin bei Tätigkeiten in gebückter Stellung etwas vorsichtig und zurückhaltend. Anfangs der kommenden Woche konnte ich ja, wenn der Heilungsprozess etwas weiter fortgeschritten war, den Rest und dann eben gründlicher erledigen. Das machte ich dann auch so und erlebte dennoch am Donnerstagmorgen eine böse Überraschung.