Das habe ich schon lange vermiest! - Günter Leitenbauer - E-Book

Das habe ich schon lange vermiest! E-Book

Günter Leitenbauer

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Beschreibung

Dies ist der mittlerweile vierte Band der Geschichten für alle Lebenslagen. Wie auch in den bisher erschienenen Büchern dieser Reihe liegt das Hauptaugenmerk auf dem Humor. Ich lasse hier einfach mal die Leser der Vorgängerbände sprechen, ja? "Geschichten aus dem wahren Leben, verpackt in Wortwitz und Humor. Etwas zum Schmunzeln, Lächeln, Lachen. Von mir eine absolute Kaufempfehlung." Ch. H. "Immer wieder faszinierend was dem Leitenbauer einfällt! Genau wie die anderen Bücher mit den Geschichten, ist auch dieses ein Lachmuskelkatergarant. Danke für das lustige Lesevergnügen." D. R.

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Seitenzahl: 202

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Foto Titelseite: © Günter Leitenbauer

Das Nashorn am Umschlagfoto wurde vom Autor fotografiert.

Bisher erschienene Bücher dieser Reihe:

„GEGEN JEDEN WAS DABEI!“

Taschenbuch: 212 Seiten, Verlag: Books on Demand, 14.07.2016

ISBN-10: 3741242608, ISBN-13: 978-3741242601

„HÄNDE HOCH, ODER ICH SCHREIBE!“

Taschenbuch: 276 Seiten, Verlag: Books on Demand, 21.01.2017

ISBN-10: 3743192691, ISBN-13: 978-3743192690

„HART AN DER GRETZN!“

Taschenbuch: 184 Seiten, Verlag: Books on Demand, 15.10.2018

ISBN-10: 374814668X, ISBN-13: 978-3748146681

Vorwort des Autors

„Der Titel hat einen Rechtschreibfehler!“

Nein. Hat er nicht.

Er soll nur einen Hinweis darauf geben, dass es immer auf Standpunkt und Sichtweise ankommt. Daraus ergibt sich dann alles andere. Der „Standpunkt“ ist übrigens laut Einstein nichts anderes als ein auf null reduzierter Horizont. Umschreiben wir ihn also mit „Meinung“. Ich habe Meinungen gern. Darin (und auch in anderen Eigenschaften und Fähigkeiten) unterscheide ich mich von Peter Handke. Irgendwie könnte man das ja fast zum Programm machen: Man sagt das Gegenteil dieses Nobelpreisträgers, und schon wirkt man wie ein weltoffener, aufgeschlossener, netter Mensch.

Ich bin aber tatsächlich oft ein furchtbarer Miesmacher. Das Interessante dabei ist, dass ich mich dann selbst herrlich darüber amüsiere, wie die Menschen darauf reagieren. Dabei geht es uns ja so gut wie nie, wenn wir ehrlich sind. So ist das immer kurz vor dem totalen Zusammenbruch. Nur glaube ich nicht daran. Ich denke, wir haben es selbst in der Hand, was wir aus unserem Leben und aus unserer Welt machen. Ist das Glas nun halb voll oder halb leer? Unten voll, oben leer, sagt der Physiker. Und wenn ihr es austrinkt, dann ist es nicht leer, sondern bereit, nachgefüllt zu werden.

Dieses Buch gibt euch eine Möglichkeit in die Hand, sich über Dinge zu amüsieren, die oft nicht zum Lachen sind. Denn:

Wenn ihr in einem Nashorn einfach nur ein Einhorn mit einer Essstörung zu sehen gelernt habt, wird euch die Welt gleich ein bisschen weniger grau erscheinen.

(Auf dieses Beispiel bin ich unheimlich stolz. Also würdigt es! Bitte!)

Und nun noch etwas, das mir sehr am Herzen liegt:

Danke liebe Doris Rettenegger für das Korrekturlesen. Du sagst zwar immer: „Geh, das waren nur ein paar Tippfehler, die ich da gefunden habe!“ Die Wahrheit ist aber: Es waren viele Tippfehler – und auch andere Fehler. Ohne deine Mithilfe … ach, ich sage einfach „Danke!“, okay?

Günter Leitenbauer, Dezember 2019

Inhalt

Vorwort des Autors

Deeeeehhhhhnen!

Physik

Die Mentalitäten von Österreichern und Deutschen

Erweckung

Spontanknochenbruch

Die neue U-Bahn-Benutzungsverordnung

Champignonliga

Schleudersessel

Am AMS

"RM ASAP erb."

Tennisfiasko

Friseurbesuch

Eine neue Kultur

Fußballseelen

Downhill-Hometrainer

Von der Leichtigkeit des Seins

Psychotherapie

Kinderbücher 2.0

Ratgeber

TOP 6!

Am Würstelstand

Qualwahlkrampf

Momo

Bond 2020

Gleitschichtbrille

Heimwerkerprofis

Rainer Zufall

Krisenszenario

Konditionierung

Der Schneemann

Samsunghandy

Urlaub in Schottland

Mauerbau

Chrystal Mett

Austrias Next Top Dodel

Wörtlich genommen

Skilehrer

Gutscheine

Paris Urlaub

Chef auf Urlaub

Herdentrieb

Geschlechtsumwandlung

Dancing Stars 2020

Sprachprobleme

Arbeitssicherheit

Einbruch

Wählerg'schichten und Heiratssachen

Weihnachtsgeschichte

Über mich

Zugabe

Razzia

„Der Mensch ist gut, die Leut‘ sind schlecht!“

Johann Nepomuk Nestroy (1801 - 1862)

Deeeeehhhhhnen!

Mitleidig betrachtet sie mich, wie ich versuche, mir meine Winterstiefel an die Waden zu klemmen. Weil es draußen kalt ist, und ich mir gestern in den Halbschuhen beinahe meine Zehen abgefroren habe. Also raus mit den gepelzten! Die sind innen aus Schaffell und außen aus Schafleder, quasi ein von außen nach innen gestülptes Haus- und Nutztier.

"Kannst du bitte mal deinen Einkaufskorb vom Hocker nehmen, damit ich mich zum Bestiefeln setzen kann?", ersuche ich sie höflich, wie es nun einmal meine Art ist.

"Sag bloß, du kannst dir die Stiefel nicht im Stehen anziehen?", erwidert sie mir unter Vernachlässigung der eisernen Regel, dass man eine Frage nie mit einer Gegenfrage beantworten sollte. Zumindest nicht, wenn man zum Gegenüber nicht unhöflich sein möchte. Was wiederum gewisse Ausnahmen im ehelichen Umgang indiziert. Den Absatz hätte ich jetzt also auch weglassen dürfen.

Natürlich könne ich das, erwidere ich im Brustton der Überzeugung und bin mir dabei selbst nicht ganz sicher, aber wozu solle ich mich mühen, wenn der Tischler doch so ein wundervolles, stoffbezogenes Hockerchen gemacht hätte, dessen Hauptfunktion nun sicher nicht in einer Ablage für eheweibliche Einkaufskörbe zu sehen sei?

"Nein, du kannst es nicht! Mann, bist du unbeweglich! Heute nach dem Einkaufen werden wir Dehnungsübungen machen! Jeden Abend 30 Minuten, bis du wieder beweglich bist."

Da ist jeder Widerspruch zwecklos, der war es schon, als sie mich zum Einkaufen der Weihnachtsgeschenke eingeteilt hat. Vielleicht kann ich sie ja mit konziliantem Benehmen beim Einkaufen von diesem Gedanken abbringen, denke ich mir und ächze mir die Stiefel irgendwie an die Läufe, wobei ich mich wundere, wie lange man auch in meinem fortgeschrittenen Alter noch die Arme machen kann. Und dann bin ich den ganzen Einkaufsnachmittag, also von 10 bis 18 Uhr, ein Lamm, während ich in den übertemperierten Läden in meinem Schafspelzgeläuf schwitze wie ein übergewichtiger Widder beim Lämmermachen.

18:45, zuhause: Meine Frau von einem Vorhaben abzubringen kannst du vergessen. Gedankennotiz: Nächstes Mal kannst du beim Einkauf ruhig wieder du selbst sein, also ein Miesepeter. Es ändert eh nichts! Sie besteht darauf, dass nun jeden Abend gedehnt wird, bis die Schwarten krachen.

Was genau drei Sekunden dauert. Nicht das Dehnen, das andere. Die restlichen 29 Minuten und 57 Sekunden sind pure Agonie.

Sie steht vor mir, mit dem Rücken zu mir und sieht mir doch direkt in die Augen. Indem sie in vorn übergebeugter Haltung zwischen ihren gestreckten Beinen durchblickt. Das kann doch nicht gesund sein!

"Na los. Schau nicht drein wie ein Autobus und stell dich nicht so an sondern hin, Beine bleiben gestreckt, und jetzt runter mit dem Oberkörper, bis die Fingerspitzen den Boden berühren!"

Mache ich. Nicht nur die Fingerspitzen berühren den Boden, mein ganzer Körper tut das, als das Schaffell, auf dem ich stehe, beschließt unter meinen Beinen nach hinten durchzugehen, als wäre der Wolf hinter der Herde her. Sie lacht nur. Ich hasse sie, zumindest in solchen Momenten! Nur im Unterschied zu ihr vergesse ich das immer schnell wieder. Frauen vergessen nie etwas.

"Zieh die Socken aus und stell dich auf den Boden, dann rutscht du nicht weg!"

Ich bemerke trocken, dass ich zum Sockenausziehen zuerst den Hocker holen ... ihr Blick belehrt mich, dass das nicht nötig sei.

Zweiter Versuch. Barfüßig wie ein Angehöriger eines indonesischen Urwaldstammes stehe ich am Parkett und beuge mich vor. Na, geht doch! Die Hände strecke ich dem Boden entgegen, doch dieser ist erbarmungslos und macht einen Dreiviertelmeter vor der beabsichtigten Vereinigung abrupt und unversöhnlich halt.

"Sag jetzt nicht, dass du nicht weiter runterkommst! Wie machst du das am Klo? So kriegst du ja nicht einmal deinen Schniedelwutz zu fassen!"

Ja, ich hasse sie. Und verkneife mir die Bemerkung, dass schließlich SIE es war, die durchgesetzt hat, dass ich mich zum Pinkeln hinsetzen muss. Wobei es in den Kniekehlen nie so zieht und schmerzt wie jetzt, bei dieser absolut unnatürlichen Malträtierung meines geschundenen Herrenkörpers.

"Du wirst sehen, morgen geht es schon ein Stück tiefer!", meint sie. Und ich bin davon überzeugt, dass sie das ernst meint. Ich sehe auf die Uhr: Noch 26 Minuten und 33 Sekunden.

"Jetzt machen wir eine andere Übung. Du stellst dich an die Wand und gehst mit gestreckten Beinen langsam zurück. Die Fersen bleiben am Boden!"

Wie man mit den Fersen am Boden und gestreckten Beinen gehen soll, möge sie mir doch bitte vorzeigen, erwidere ich im Brustton der Überzeugung, dass das anatomisch und kinematisch völlig unmöglich sei - und dass es, wenn es nicht unmöglich sein sollte, zumindest Zeit von der Uhr nimmt.

Es ist nicht unmöglich. Jedenfalls nicht für sie. Und die Uhr hält sie an, während sie es mir vorzeigt.

Zum Ziehen in den Kniekehlen gesellen sich nun in fröhlicher Kumpanei noch ein Ziehen in den Waden sowie ein Schwindelgefühl im Kopf. Aber sie ist gnadenlos. Als wir diese Übung fertig haben, sind noch 19:15 auf der Uhr. Dürfte jetzt in etwa auch mein Blutdruck sein.

Was ich bisher spürte waren allerdings Kinkerlitzchen im Vergleich zu dem, was jetzt noch kommt. Dass sie mir befiehlt, meine Socken wieder anzuziehen, halte ich für den Hinweis, dass sie aus Mitgefühl die Lektion beendet habe. Mitgefühl? Bei einer Ehefrau? Nein, nein, das mit den Socken ist reine Berechnung.

"So mein Schatz. Jetzt gehst du mit gestreckten Beinen in die Grätsche. So weit, wie die Beine auseinandergehen."

Sagt es und sitzt im Herrenspagat vor mir, wobei sie mich angrinst wie ein Honigkuchenpferd. Was bleibt mir übrig? Ich grätsche. Jetzt zieht es in einer Gegend, wo mir das überhaupt nicht gefällt. Und sie? Schüttelt den Kopf.

"Ist das alles? Damit würdest du nicht einmal mehr auf einen Barhocker kommen!"

(Hast du eine Ahnung, liebes Eheweib! Die Bargrätsche schaffe ich noch locker. Und eine Blutgrätsche bei dir auch, wenn du so weitermachst!)

Während ich noch an das kühle Blonde an der Bar denke, springt die eiskalte Brünette auf und hinter mich, fährt mit ihren Füßen an meine Knöchel und drückt sie auseinander. Die Socken sind rutschig auf dem Parkett, und ehe ich es mich versehe, bin ich zwanzig Zentimeter tiefer in der Grätsche – und 120 Dezibel lauter geworden. Irgendetwas ist da gerissen in meinem Schritt, und ich hoffe in schmerzhafter Verzweiflung, dass es nur meine Hose ist!

War es nicht. Nein schon, auch, aber nicht nur. Na, zumindest ist das Krankenhausbett schön weich, das Essen gut und die Schwestern sind nett. Und wenn ich hier rauskomme, ist es draußen vielleicht auch schon wieder zu warm für die gepelzten.

Physik

"Papa, warum bist du eigentlich Physiker geworden? Das ist so ein Scheißfach!", hält Sohn Numero Uno nicht hinter dem Berg.

"Erkläre ich dir gleich, aber zuerst eine Gegenfrage: Warum magst du das Fach nicht?"

"Weil der Lehrer ... na, es ist halt furchtbar fad. Nur Formeln und so Scheiß halt."

Damit hat er, ohne sich dessen bewusst zu sein, einen sehr wunden Punkt berührt. In der Tat bin ich seit langem davon überzeugt, dass die Unbeliebtheit des Fachs "Physik" in erster Linie von unfähigen Lehrern herrührt, die sich selbst der Schönheit dieser Prinzessin aller Naturwissenschaften nicht bewusst sind. Wer dann der Prinz ist? Na, die Mathematik natürlich. Die beiden könnten ohne die jeweils andere Disziplin gar nichts erreichen, aber miteinander sind sie unbezwingbar, wenn sie sich das Ja-Wort in Form einer binären 1 geben, um sich dann ins sadomasochistische Spielzimmer der Differentialgleichungen zu begeben, bis dass das Gleichheitszeichen sie scheide. Laut aber sage ich:

"Zur Beantwortung deiner Frage: Physik ist einfach geil wie guter Sex, nur dauert der Orgasmus länger. Hirnwichsen at its best! Und je schneller du bist, desto länger dauert es."

"Papa, bist du jetzt komplett durchgeknallt?"

"Ja, von der Physik!"

Ich erlebe ihn ja eher selten sprachlos.

"Pass auf, Bub! Ich tu jetzt mal so, als hättest du mir folgende Frage gestellt: Papa, wird Licht auf seinem langen Weg von einem Stern zum anderen nie müde?"

"Ich würde nie sowas fragen!", entrüstet er sich.

"Und warum nicht?", hake ich ein. "Alles und jedes wird doch irgendwann müde, oder es geht einfach der Saft aus. Warum nicht auch das Licht?"

Er denkt nach. Ich kann es regelrecht klicken hören.

"Weiß nicht. Erkläre es mir!", flüchtet er sich schließlich in eine Ecke, aus der er mir so schnell nicht entkommen kann.

"Bevor ich das tue, eine Frage an dich: Proxima Centauri, unser nächster Nachbarstern, ist 4,25 Lichtjahre von uns entfernt. Wie lange braucht also das Licht von dort zu uns?"

"Na, 4,25 Jahre, eh klar!", wittert er Morgenluft, und jetzt zünde ich die Sprengfalle:

"Für wen?"

"Hä?"

"Für wen? Für dich hier auf der Erde? Für ein zwischen dem Stern und uns herumfliegendes Raumschiff? Für das Licht selbst? Für wen?"

"4,25 Jahre sind 4,25 Jahre, oder? Wurscht für wen."

"Nein, eben nicht. Es kommt darauf an, wie schnell sich der Beobachter bewegt. Für uns hier auf der Erde sind es ziemlich genau 4,25 Jahre, weil wir uns relativ zu Proxima Centauri nicht allzu schnell bewegen, und weil die Sonne kein schwarzes Loch ist. Aber - und jetzt wird es richtig geil - das Licht, das von dort zu uns reist, bewegt sich mit Lichtgeschwindigkeit. Also vergeht laut Einstein für das Lichtteilchen auf der Reise gar keine Zeit. Anders formuliert: Kaum fliegt es weg, ist's auch schon da. Es hat also keine Möglichkeit, MÜDE zu werden, selbst wenn es das könnte. Und es ist vollkommen egal, von WO es zu uns fliegt. Selbst vom anderen Ende des Universums ist es in Nullkommanix da - auch wenn für uns da 14 Milliarden Jahre vergehen."

"Papa, was habe ich jetzt davon, wenn du mir wieder einen Knopf in meine Synapsen machst?"

"Du wolltest wissen, warum ich Physik mag, oder? Ich bin eh noch nicht fertig. Angenommen, ein Mensch startet von der Erde in Richtung Zentrum der Milchstraße. Das sind etwa 25.000 Lichtjahre. Sein Raumschiff beschleunigt und beschleunigt und beschleunigt, bis es nach einiger Zeit fast Lichtgeschwindigkeit erreicht. Wann kommt er dort an?"

Er ist so schlau, jetzt nicht 25.000 Jahre zu sagen. Er sagt gar nichts. Mein Sohn lernt eben schnell.

"Je nach Beschleunigung, und aus Sicht seiner auf der Erde zurückgelassenen Frau, in vielleicht 200.000 Jahren. Aber für ihn vergehen vielleicht nur 3 Jahre. Weil die Physik, beziehungsweise das schnelle Fliegen, die Zeit dehnt. Dann fliegt er zurück, seine Frau ist seit 400.000 Jahren tot, aber er nur um sechs Jahre gealtert. Frauen altern generell schneller als Männer, weißt?"

Jetzt grinst er. Er weiß, was ich meine.

"Verstehst du jetzt, was ich an der Physik mag?"

"Langsam komme ich dahinter.", nickt er.

"Und so ganz nebenbei hast du jetzt auch verstanden, warum man nicht schneller als das Licht fliegen kann, nicht wahr?"

Seine Augen glänzen stolz. "Ja, Papa, weil sonst würde er sogar JÜN-GER werden, wenn er herumfliegt, und DAS vertragen Frauen noch schlechter!"

Vielleicht mache ich doch noch einen Physiker aus ihm.

Die Mentalitäten von Österreichern und Deutschen

Da kommt also Sohn Numero due zu mir und stellt wieder eine seiner Fragen.

Als er noch klein war, fingen die immer mit "Papa, gibt es Menschen, die ..." an, und trieben mich manchmal an die Grenzen meiner Erkenntnisfähigkeit. Nun, mittlerweile hat er sich sprachlich weiterentwickelt. Trotz Schule, nicht wegen.

"Papa, wie unterscheiden sich eigentlich Österreicher und Deutsche? Also abgesehen von ihrer Sprache, meine ich."

Papa denkt kurz nach und entscheidet sich, nach gutem altem, katholischem Vorbild mit einem Gleichnis zu antworten.

"Sohn!", beginne ich mit sonorer Stimme, die meinen nun folgenden Ausführungen unantastbare Souveränität und Glaubwürdigkeit verleihen soll, "Sohn! Du Spross meiner Lenden! Du Reinkarnation meiner besten Eigenschaften! Lass es mich dir mit einem Gleichnis erklären, auf dass du etwas fürs Leben lernest!"

"Papa, reden musst du deswegen jetzt nicht gleich wie der Sträter. Erklär's einfach!"

"Nun denn!", fahre ich fort, der Klang meiner Stimme immer noch auf höchste Seriosität getrimmt, "Du musst wissen, 'den Deutschen' gibt es nicht. Obgleich es viele Temperamente in unserem Nachbarland gibt, aber zwei davon sind archetypisch. So lass uns also unterscheiden zwischen einem Norddeutschen und einem Schwaben, damit du es besser begreifest. "

"Und einem Österreicher.", unterbricht er mich brüsk.

"Und einem Österreicher!", nicke ich gnädig lächelnd und fahre fort.

"Stell dir vor, die betreffende Person, also der Österreicher, der Norddeutsche oder der Schwabe, betreten kurz vor 18 Uhr, die Verkäuferin hat schon fast die Schlüssel in der Hand, eine österreichische Bäckerei und möchte neun Semmeln kaufen. Just an diesem Tage hat der alte Bäckermeister aber in einem Anflug von Generosität beschlossen, seinen treuen Kunden ein Angebot zu unterbreiten: 'Kauf zehn, zahl acht!' Soweit klar, Sohn?"

"Ja."

"Fein. Also spielt sich folgender Dialog, der einem Drama schon verdächtig nahe kommt, ab:

Kunde: 'Ich hätte gerne zehn Semmeln.'

Verkäuferin: 'Wir hätten (Merkst du den typisch österreichischen Konjunktiv, Sohn? Wir machen nur sehr ungern definitive Aussagen.) heute ein Angebot. Sie nehmen zehn und zahlen nur acht.'

Kunde: 'Ja super, dann also zehn bitte!'

Die Verkäuferin zählt die Semmeln in ein Papiersackerl und merkt, dass sie nur noch neun hat: 'Au weh, ich habe nur noch neun. Wissen'S was? Ich verrechne Ihnen trotzdem die zehn, dann zahlen Sie für die neun nur acht statt neun, ja?'"

Jetzt mache ich eine dramaturgische Pause, deren Sinn sich meinem Sohn offenbar nicht erschließt, weil er sofort mit einem "Und weiter?" den ganzen Effekt zunichtemacht.

"Also, nunmehr ist der Punkt erreicht, wo wir zwischen den verschiedenen Mentalitäten differenzieren müssen, Sohn. Auf Deutsch: Ab jetzt spaltet sich dieses Drama in drei mögliche, temperamentabhängige Handlungsstränge auf. Sehen wir uns zuerst den Österreicher an:

Österreichischer Kunde: 'Okay, passt. Was bekommen Sie?'

Verkäuferin gibt ihm die Semmeln: 'Zweiachtzig bitte!'

Der Österreicher zahlt, geht und isst mit seiner Familie zu Abend. Eine Semmel bleibt übrig, die bäckt er sich am nächsten Morgen auf, wobei die Energie für das Aufheizen des Backrohrs mehr kostet als eine einzelne Semmel."

"Hahaha, Papa, du bäckst ja auch immer alles auf!"

"Schweig, Missratener, und unterbrich mich nicht!", werfe ich meine ganze Autorität in die Waagschale und fahre fort:

"Nun der Norddeutsche: 'Das verstehe ich jetzt nicht. Ich will nur neun Brötchen, zahle zehn, bekomme nur neun und zahle doch nur acht, oder wie?'

Verkäuferin: 'Ja, so in etwa.' (Merkst du die typisch österreichischen Weichmacher in der Sprache, um sich möglichst nie festlegen zu müssen? Diese Weichmacher sind die Geschwister des Konjunktivs.)

Norddeutscher: 'Ihr seid ja ein eigenartiges Völkchen. Na egal, ich bin im Urlaub. Was kostet das?'

Verkäuferin: 'Macht dreifünfzig bitte!'

Der Norddeutsche zahlt, nimmt die Semmeln und geht. Am nächsten Tag wird er eine halbe Stunde früher zum Bäcker gehen, um solchen Komplikationen zu entkommen."

"Papa, zuerst kosteten sie aber noch zweiachtzig!", passt mein Sohn genau auf.

"Ja, Sohn, die SEMMELN kosten zweiachtzig. BRÖTCHEN haben einen dialektbezogenen Aufpreis."

"Und wie ist das nun beim Schwaben?", akzeptiert er meine Erklärung widerspruchslos.

"Der Schwabe ... nun, das läuft dann folgendermaßen ab:

Schwäbischer Kunde: 'Wenn ich aber zehn zahle, dann will ich nicht neun, dann will ich auch zehn!'

Verkäuferin: 'Wenn ich aber nur noch neun habe. Sie können aber die neun auch ganz regulär zahlen.'

Schwabe: 'Nein, jetzt haben Sie mir ja schon angeboten, dass ich zehn zum Preis für acht bekomme, das ist rechtlich ein verbindliches Angebot, an das Sie sich halten müssen! Und da hinten liegen ja noch Semmeln, oder wie Sie das hier nennen.'

Verkäuferin: 'Die sind von gestern, halber Preis.' Sie bereut sofort diesen ergänzenden Nebensatz. 'Ich gebe Ihnen gerne eine davon dazu, ja?'

Schwabe: 'Die kosten ja nur die Hälfte! Geben Sie mir zwei von denen dazu, dann passt das!'

Verkäuferin: 'Na gut. Macht dann dreineunzig bitte!'

Der Schwabe beginnt zu handeln, man einigt sich auf Dreieurofünfzig, denn die Verkäuferin will nur noch heim. Der Schwabe geht also mit elf Semmeln nach Hause, wobei er nur acht gezahlt hatte, und eigentlich nur neun braucht. Aber was man hat, das hat man! Auf der Straße reißt ihm dann das übervolle Papiersackerl, und die Semmeln kullern auf die Fahrbahn, wo die eben mit ihrem Wagen wegfahrende Verkäuferin exakt zwei davon auf ihre Reifen klebt. Der Schwabe hat vom Rest des Urlaubs nichts mehr, er kann nur noch an die verschwendeten Semmeln denken."

"Und die Moral von diesem Gleichnis, Papa?"

Ich denke nach. Hat die Geschichte eine Moral, oder muss ich eine erfinden? Ich entscheide mich, meine erzieherische Autorität unterstützend, zu folgendem Fazit:

"Wer allzu sehr aufs Geld schaut, zahlt drauf oder kommt unter die Räder!"

Erweckung

Ich muss im zarten Alter von sieben oder acht Jahren gewesen sein, als es sich zutrug. Das weiß ich, weil ich damals schon Ministrant war, obschon meine ersten sexuellen Erfahrungen noch Jahre in der Zukunft liegen würden. Und weil mein Opa, der mein bester Freund war, starb als ich neun war. Und der war da noch am Leben, denn ich sollte für den passionierten Heger und Pfleger Kastanien sammeln, die er in klirrend kalten Wintertagen dann dem darbenden Rotwild in die Krippe zu legen gedachte, nachdem wir sie in gemeinsamer Arbeit aufgeschlagen und entkernt haben würden.

Er gab mir pro Kilogramm des wertvollen braunen Guts einen Schilling, dessen es aber gar nicht bedurft hätte, denn ich liebte es, mit meinem Opa Zeit zu verbringen. Jedenfalls mehr als ich das Ministrieren liebte, obgleich ich auch über unseren Herrn Pfarrer nichts Negatives zu berichten wüsste. Ein honoriger, älterer Ehrenmann, der uns für eine Woche Ministrantendienst mit sechs Schilling zu entlohnen pflegte, einem Betrag, den ich an guten Tagen kastanienklaubend in einer halben Stunde verdiente. In der Nachbargemeinde hatten sie da ein ganz anderes Kaliber eines Geistlichen. Ein junger Pfarrer, der einmal vom Blitz getroffen worden war. Er zeigte gerne die Narben im Hinterkopf, wo der Blitz hineingefahren sei, und an der Ferse, wo er beschlossen hatte, den Körper wieder zu verlassen, vermutlich, weil da nicht viel zu holen war. Jedenfalls hatte der junge Mann daraufhin beschlossen, hinfort sein Leben Gott zu widmen, was ihn nicht davon abhielt, am Jungscharlager zu fluchen wie ein Rohrspatz, wenn mal wieder jemand bei der Latrine aufs Brett statt ins Loch geschissen hatte. Aber das ist eine andere Geschichte.

Dieser Sonntag versprach ein guter Tag zu werden. Frühmorgens hatte es ein gewaltiges Gewitter gegeben, etwas, das man normalerweise eher am Abend erlebte, und ich gedachte, die durch den Sturm mit Sicherheit aus ihrer trauten Ruhe vom Baum gerissenen Früchte zu ernten, als sich das Unwetter verzogen hatte.

"Zuerst gehst du in die Kirche! Du musst heute ministrieren!", erinnerte mich meine Mutter an meine Pflichten.

"Mama, ich bin eh wieder nur der linke Ministrant!"

Das bedarf einer kleinen Erläuterung. Es gab einen Ministranten, der rechts vom Pfarrer die Kirche betrat. Und eben einen, der links vom Pfarrer ging. Der "rechte Ministrant" hatte, der Bezeichnung folgend, alle wichtigen Rechte: Er läutete die Glocke beim Betreten der Kirche, er assistierte dem Pfarrer mit dem Kelch, reichte ihm am Ende der Kommunion, die bei uns nur "Abspeisen" hieß, die Reinigungsutensilien, und so weiter. Der linke Ministrant durfte außer hie und da mit dem Glöckchen zu bimmeln nur hübsch aussehen. Wenn man meine Mutter gefragt hätte, wäre das der Grund gewesen, dass ich "linker Ministrant" war. Wenn man es realistisch betrachtete, war es so, dass das Faustrecht herrschte. Wer den anderen zu Boden werfen und mit purer Körperkraft dort fixieren konnte, der bestimmte, wer rechts und links ministrierte. Und da war ich aufgrund meiner physischen Spätentwicklertalente sofort der Höchstqualifizierte gewesen. Aber meine Mutter gab nicht nach. Wenn man sich zu etwas gemeldet habe, müsse man auch verlässlich sein.

Was auch auf Opa und die Kastanien zutreffe, warf ich ein.

"Die laufen dir nicht davon!" Diesem Argument hatte ich nichts entgegenzusetzen, und so ging ich also zum Messdienerdienst.

Die Messe war an diesem Sonntag interessant. Es ging um die Auferweckung der Tochter des Jairus, Lukasevangelium, glaube ich. Oder Johannes. Oder auch beide. Jedenfalls erzählt es von Jesus, und ich stelle ihn mir da mit sonorer, dunkler Stimme vor, wie er deutlich und laut artikulierend "Steh auf!" sagt, worauf sich die Tote vom Lager erhebt und herumläuft. Coole Sache, fand ich, einfach Tote wieder zum Laufen bringen zu können, würde den Sargträgern eine Menge Arbeit sparen, wenn die selbst zum Friedhof gingen.