Hart an der Gretzn! - Günter Leitenbauer - E-Book

Hart an der Gretzn! E-Book

Günter Leitenbauer

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Beschreibung

Nach "Gegen jeden was dabei" und "Hände hoch oder ich schreibe!" ist das vorliegende Buch der dritte und finale Band der lustigen Essays über Personen, die ihre Eigenheiten haben und auch ausleben. Dabei wird niemand geschont, vor allem aber auch nicht die Lachmuskeln des Lesers.

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Hart an der Gretzen!

Essays für alle Lebenslagen 3 von Günter Leitenbauer

Foto Titelseite: © Günter Leitenbauer

Die Schlange am Umschlagfoto wurde im Reptilienzoo Nockalm mit freundlicher Unterstützung von Peter Zürcher (Inhaber) aufgenommen. Dieser Zoo in der Nähe von Bad Kleinkirchheim in Kärnten ist immer einen Besuch wert!

www.reptilienzoonockalm.at

Vorwort des Autors

„Was bitte, lieber Günter, soll dieser Titel denn jetzt bedeuten?“

Ihr habt schon bemerkt, dass das eine erfundene Frage ist. Kein Mensch, der mich näher kennt, nennt mich „lieber Günter“, meine Mutter mal ausgenommen. Die meisten nennen mich eher „Oh mein Gott!“ oder „Pffffff!“ Und warum ist das so? Weil ich eine „Gretzn“ bin. Das ist ein österreichisches Dialektwort und bedeutet in etwa „unartiges Kind“, „Lausbub“, „lästige Wanze“, etc. – ihr wisst, was ich meine.

Ich bin aber nur fast eine Gretzn. Eben hart an der Grenze dazu, und jetzt sollte der Titel dieser Geschichtensammlung klar sein. Hoffe ich. Wenn nicht, dann müsst ihr euch die Frage gefallen lassen, ob ihr in intellektueller Hinsicht das richtige Zielpublikum für dieses Buch seid. Was schon wieder frech war, vielleicht bin ich also tatsächlich eine Gretzn. Ich werde da wirklich mal in mich gehen müssen. Davor fürchte ich mich immer. Aus Angst, mich in diesem Irrgarten zu verlaufen und dann nicht mehr herauszufinden aus mir.

Die Ängste eines Menschen können vielfältig sein (Ängste, hm, da könnte man eine Geschichte schreiben dazu … siehe gleich das erste Essay in diesem Buch).

Ja, genau so komme ich auf die Ideen zu meinen Geschichten. Ich quatsche vor mich hin, da fallen Begriffe, und auf einmal weiß ich: Zu diesem Begriff wird ein Essay fällig! Anders formuliert: Wäre ich stumm, gäbe es wohl auch keine Bücher von mir. Überlegt euch also genau, wenn ihr mir das nächste Mal ratet, ich solle mein Schandmaul halten. Das würde ich persönlich nehmen und übersetzen in: „Schreib bitte kein Buch mehr!“

Es ist jetzt aber nicht so, dass ich in meinem Leben je viel auf das gegeben hätte, was man mir riet. Ich war schon immer ein furchtbarer Sturkopf, bin gerne mit dem Kopf durch die Wand (das wäre auch eine Geschichte wert) und bin häufig angeeckt. Ich glaube – und das ist jetzt so ziemlich der einzige Satz in diesem Buch, den ihr wirklich ernst nehmen dürft – man kann im Leben nur glücklich sein und sich verwirklichen, wenn man nicht davor zurückscheut, auch mal anzuecken. Was jetzt nicht heißen soll, dass man grundsätzlich und immer dagegenreden soll, da wäre man ein Querulant, und ich kenne keinen wirklich zufriedenen und glücklichen Querulanten. Aber wo es nötig ist, sollte man Konflikten nicht ausweichen, sonst ist man einfach nur eine Luschn.

Auch Chauvinismus und Sexismus hat man mir schon unterstellt, genauso wie ein pseudointellektueller Feminist zu sein. Ich wurde als Rechter, als linksgrünversifft, als Kapitalist und als Kommunist und als neoliberal verunglimpft. Vermutlich liegt die Wahrheit da überall in der Mitte, und ich bin all das ein wenig und das meiste davon gar nicht.

Auf Deutsch: Ich stehe in der politischen Mitte und bin deswegen ein Außenseiter. Heutzutage hat man einfach zu einem Lager zu gehören und alles vom anderen Lager böse und schlecht zu finden. Nachzudenken und sich zu einzelnen Themen mal mehr auf die eine oder mehr auf die andere Seite zu schlagen, das ist höchst suspekt. Und dann noch solche Geschichten zu schreiben, in denen man ohne große Mühe Argumente für jede der obigen Anschuldigungen (oder auch welche dagegen) finden kann …

Kurz: Ich fühle mich in meiner Haut pudelwohl.

Meine Lektorin nennt mich manchmal „Lästwanze“. Damit hat sie bedingt recht. Ganz Recht hätte sie mit „Lästerwanze“. Wenn ihr in diesem Buch noch Fehler finden solltet, trägt übrigens dafür nicht sie die Schuld, sondern ich. Aber dafür, dass ihr vermutlich nur wenige Fehler finden werdet, ist sie maßgeblich verantwortlich. Danke Doris!

Vorwörter sind ein wenig das Vorspiel zu einem Buch. Man liest sie, um sich darauf einzustimmen, aber zum Höhepunkt kommt man erst später. Und weil ich ein Mann bin, halte ich dieses Vorspiel jetzt kurz und wünsche euch viel Spaß!

Günter Leitenbauer, Oktober 2018

Inhalt

Hart an der Gretzn!

Vorwort des Autors

Ängste

Die Bewerbung ging in die Hose

Der letzte Weg des Johnny R.

Urlaubsplanung

Rudis Klimaerwärmung

Die Seufzerlücke

Solarium

Zeitumstellung

Veganismus ist sexistisch!

Es ist ein Witz!

Qualtag

Ein kalter, verregneter Sommer

Gepflegt ausgedrückt

Männerleiden

Stammtischgespräche

Vatertagsträume

Unendlich ist ziemlich viel …

Die Hohezeit der Laubbläser

Hotline

Ministerwahl

Reini ist entflohen!

Der ganz normale Dörrsinn

Hauptsätze

Elternfreuden

Drei Mehrchen

Das hässliche Entlein

Der Froschmann

Hänseln und granteln

Frauenlauf

Das Dilemma des Kommunismus

Wellnessurlaub

Nachruf auf Lukas

Autodafé

Das Wort des Jahres: "Quereinsteiger"

Mytho-Logisches

Pragmatismus

Kotzbühel

Eine Leiche im Zimmer

„Denn ich bin nichts, wenn ich nicht lästern darf.“

William Shakespeare (1564 – 1616)

Ängste

Ich bin müde, und mir schwirrt der Kopf. Mein Chef hat mich zu einem Gesprächstraining zwangsverpflichtet, nachdem ich ihm einen wichtigen Kunden vergrämt hatte. Ich war also die ganze Woche einkaserniert. Seminarhotel nannten sie das, aber das war ein Gefängnis. Am Montagmorgen mussten wir bei der Anreise die Mobiltelefone abgeben. Jeden Tag mittags durften wir sie für fünfzehn Minuten haben, um die wichtigsten Nachrichten zu lesen und zu beantworten, aber den Rest der Zeit waren wir vollkommen von der Außenwelt abgeschnitten. Kein Internet, kein TV, kein Radio, keine Zeitung. Wenn da draußen Kim Jong Un oder Donald Trump einen Atomkrieg entfacht hätten, wir hätten es in dieser Burg in den Alpen nicht mitbekommen.

Aber jetzt ist das überstanden, und im Prinzip war das sogar recht interessant. Ein wenig neurolinguistische Programmierung, ein wenig Verhandlungstraining und natürlich Unterweisung in der hohen Kunst, einen Gesprächspartner fertigzumachen. Ich zapfe mir gerade ein Bier aus der Flasche (es gab dort auch keinen Alkohol) und mache es mir auf meinem Lieblingsplatz auf meiner Lieblingscouch vor meinem Lieblingsfernseher bequem, als es an der Haustüre läutet. Man kann günstigere Momente finden, mich zu stören, aber ich mache trotzdem auf.

„Guten Tag, darf ich Ihnen eine Frage stellen?“, wartet der ältere Herr gar nicht darauf, dass ich ihn frage, was er an einem Freitagnachmittag von mir will.

„Das haben Sie gerade getan, und eine Antwort wäre sinnlos, weil Sie die Frage ja schon gestellt haben.“, erinnere ich mich an das, was wir diese Woche gelernt haben: Genau zuhören und wörtlich nehmen, wenn man jemanden aus der Ruhe bringen will.

„Äh, wie bitte?“

„Sie wollten nur EINE Frage stellen, das war jetzt bereits die zweite. Sie sollten sich schon vorher überlegen, was Sie von mir möchten, ehe Sie mich stören!“

„Das war ja nur eine rhetorische Frage.“, fasst sich der Herr im abgetragenen Anzug schneller als ich gedacht habe.

„Warum haben Sie dann nicht gefragt, ob Sie mir eine rhetorische und eine faktische Frage stellen dürfen?“, kontere ich.

„Sie sind nicht sehr kooperativ, nicht wahr?“, wird er jetzt keck. Darauf habe ich nur gewartet.

„Das war jetzt eine Frage und eine Feststellung kombiniert. Nebenbei schon die dritte Frage. Dabei wollten Sie doch nur eine stellen!“

Er läuft schon rot an. Noch ist es zwar ein zartes Rosa, aber ich merke, dass er sich schon beherrschen muss.

„Die Frage, die ich Ihnen stellen wollte ist: Haben Sie Ängste?“

Ah, er versucht das langsam auf die emotionale Ebene abgleitende Gespräch wieder auf die Sachebene zu ziehen. Nicht mit mir, Freundchen! Die Kunst dabei ist, nicht selbst emotional oder ausfällig zu werden, sondern das ihn erledigen zu lassen. Und selbst keine Fragen zu stellen, wenn man nicht will, dass das Gespräch in Gang kommt.

„Eigentlich faszinierend, dass Sie vier Fragen brauchen, bis Sie mir die eine stellen, die Sie mir eigentlich stellen wollten. Nein, ich habe keine Ängste.“

„Jeder Mensch hat Ängste!“, stellt er im Brustton der Überzeugung fest, weil er jetzt endlich (und das erste Mal in diesem Gespräch) das Gefühl hat, sich wieder auf gewohntem Terrain zu bewegen. „Man muss sich dieser Ängste nur bewusstwerden und sich ihnen stellen.“

„Nun, dann gibt es genau zwei Möglichkeiten: Entweder bin ich kein Mensch oder Sie irren sich. Da ich ersteres ausschließe, trifft in meiner Wahrnehmung zweiteres zu und ich wünsche Ihnen noch einen erfolgreichen, von weiteren Irrtümern freien Tag!“

Tür zu, zurück zur Couch. Diese Heiligen der letzten Tage, Zeugen Jehovas oder von mir aus Scientologen sollen sich ein anderes Opfer suchen. Ich suche mir jetzt einen guten Film.

Ängste.

Habe ich wirklich keine? Jedenfalls keine, die mich belasten. Aber im TV läuft nichts Gescheites, normalerweise schau ich ja am Nachmittag nie, und beim Durchzappen weiß ich auch, warum. Nichts gegen Barbara Karlich, aber da kannst du Ängste bekommen um die Zukunft des Landes, wenn du siehst, wie dämlich sich ihre Gäste in aller Öffentlichkeit präsentieren. Vermutlich, weil sie tatsächlich so dämlich sind. Wer sonst würde schon freiwillig auf einem Stuhl vor einer Kamera Platz nehmen und in einer Mischung aus Favoritner Dialekt und gequälter Hochsprache voll von vergewaltigten Dativen darüber referieren, warum er seine Frau betrogen hat oder wieso sein Hund in seinem Bett schlafen darf?

Also google ich ein wenig am PC nach „Phobien“. Und traue meinen Augen nicht. Vor was man sich alles fürchten kann! Ich mache mich da jetzt keineswegs lustig, ich wundere mich nur.

Arachibutyrophobie. Da steigt sogar Winwords Rechtschreibprüfung aus. Die Angst, dass Erdnussbutter im Gaumen kleben bleibt. Mir wird ein wenig klarer, warum ein Volk Donald Trump wählen kann. Wenn man schon vor dem Frühstück Angst hat …

Zur Koumpounophobie (ich habe KEINE Ahnung, wie man das ausspricht) gibt es sogar eine Website. Was das ist, da würde ich bei der Millionenshow das Geld nehmen und mich nicht einmal trauen zu raten. Angst vor Knöpfen. Nein, nicht die Buttons in Windowsanwendungen, das verstünde ich ja noch, damit habe ich meine Studenten gequält, bis sie geweint und um Gnade gewinselt haben. Es geht um Angst vor Knöpfen an der Kleidung. Ich habe mir mal beim Pinkeln den Schniedelwutz im Reißverschluss eingeklemmt und kann euch versichern, das wäre bei Knöpfen nicht passiert. Also die Angst verstehe ich nicht.

Hingegen verstehe ich Trypanophobie völlig. Die Angst vor Spritzen. Schließlich ist das (und nicht das Buch „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“) der Grund, warum ich kein Junkie geworden bin. Plötzlich reißt es mir eine Erinnerung aus längst vergangenen Zeiten in die CPU. Zivildienst am AKH Wien. Wir wurden geimpft gegen alles Mögliche, aber das ging ja noch. Viel schlimmer waren die Krankenschwestern (so sagte man früher zum Pflegepersonal). Wenn denen fad war, übten sie das Blutabnehmen. Nein, nicht an sich, dafür waren wir Zivis da. In der Disco bei uns war am Donnerstag immer „Krankenschwesternabend“. Meine Freunde sagten, dass man da gar nicht so hässlich oder blöd sein konnte, keine abzubekommen. Ich bin aus lauter Angst nach dem Zivildienst trotzdem an Donnerstagen nie mehr tanzen gegangen. Gänsehaut, schnell weiterscrollen!

Johnny Depp soll angeblich an Coulrophobie leiden. Das ist die Angst vor Clowns. Kann ich auch verstehen, ich habe „ES“ von Stephen King mehrmals in Deutsch und im Original gelesen. Aber Johnny Depp? Der ist doch selbst ein Clown. Das wäre ja glatt, als hätte ich Angst vor dem Schreiben. Hm! Kam auch schon vor, okay.

Und auch Emetophobie verstehe ich vollkommen. Das kennt sogar die Rechtschreibprüfung von Word. Wundert mich jetzt nicht, was der alles unterkommt, da würde ich auch kotzen. Das ist nämlich die Angst, sich erbrechen zu müssen oder auch jemandem dabei zuzusehen. Auch ein Mitgrund, warum ich die örtliche Disco nicht so häufig besucht habe. Jetzt holt es mich aber wieder ein, meine Söhne sind sechzehn und ich muss sie und ihre Eroberungen manchmal nachts abholen und heimbringen. Meine Jungs wissen meist, wann sie aufhören müssen, aber die Mädels heutzutage! Ich schlage jetzt schon immer vorher das Auto mit Folie aus, bevor ich fahre.

Podophobie ist im Sommer eine weit verbreitete Angst, wobei es eher ein Ekel ist, schreibt Dr. Google. Die Angst oder der Ekel vor unbekleideten Füßen. Für Podophobiker sind Flipflops oder Sandalen die Hölle. Für mich ja auch, aber eher, wenn sie mit weißen Tennissocken kombiniert werden. Gibt’s eigentlich auch eine Angst vor Leggins?

Bambakomallophobie ist aber mein absoluter Liebling. Die Angst vor Watte. Einfach nur geil. Ein Abschminkpad als Angstmacher. Ich muss unwillkürlich an den Navy Seal Soldaten denken, der nach einem Einsatz im Irak, bei dem er mit dem Hubschrauber abgeschossen und verwundet wurde, was er alles knallhart hingenommen hat, ins Krankenhaus eingeliefert wird und dort an einem angstinduzierten Herzinfarkt stirbt, als die Schwester seine Wunden mit einem Wattepad abtupfen will.

Endlich finde ich eine Angst, an der ich auch leide: Meleagrisphobie, die Angst vor Truthähnen. Seit dem letzten Weihnachten, als mein Truthahn zusammenfiel wie ein Kartenhaus, als ich ihn vor versammelter Verwandtschaft aus dem Rohr nahm und ich dann zehn Pizzen bestellen musste, darf ich an diese Vögel nicht einmal mehr denken. Das war ein Alptraum.

Nomophobie ist zu guter Letzt eine zweifelhafte Errungenschaft unserer Tage. Angeblich haben schon zwei von drei Europäern Angst, ohne ihr Handy zu sein. No Mobile Phobie. Ich neige eher dazu zu sagen, es haben vier von drei Probleme mit Mathematik, aber dazu fand ich keine passende Phobie. Schulbildung ist aber auch kein so wichtiges Thema dieser Tage.

Die Bewerbung ging in die Hose

Erinnert ihr euch noch an den Karli, meinen Spezi? Der ist immer für eine Geschichte gut. Diesmal für eine für ihn nicht so erfreuliche. Normalerweise ist ja der Yannick der Pechvogel, aber der Karli kann das auch. Und wie!

Wir sitzen letztens mit zwei Weißen Spritzern bei unserem freitäglichen Wochenrück- und Minirocknachblick im Gastgarten - endlich ist es wieder warm genug dafür - und mir fällt auf, dass der Karli dauernd auf seinem Sessel herumrutscht, als würde ihn etwas drücken. Das ist bei ihm total unüblich, weil den nie was in der Hose drückt. Vor allem keine Brieftasche, in letzter Zeit ist der so pleite, dass ihm die Bettler vorm Hofer schon aus lauter Mitleid heimlich ihre Tageseinnahmen in die Jackentasche stecken.

"Was ist los?", frage ich. "Warum rutscht dauernd herum, als hättest Hummeln im Arsch?" Ich nippe an meinem Spritzwein. Die Maria wird nie lernen, wie man einen Sommerspritzer mischt. Entweder zu viel Wasser oder zu viel Wein. Diesmal zu viel Wasser, was deutlich blöder ist als die Alternative.

"Ich war ja bei dem Bewer...", fängt Karli an. Ich fürchte, das wird ein längerer Monolog. Da braucht es ...

... "Maria! Lass uns die Luft noch einmal aus den Glasln. Aber diesmal mit a bissl mehr Wein! - Was sagtest, Karli? Ach ja, ich hab' dir ja ein Bewerbungsgespräch als Portier bei der Metallfirma organisiert. Wie lief es?"

Karli lässt den Kopf sinken. Au weh! Hat der Dodel sicher wieder verbockt, das Gespräch. Dabei habe ich ihm eh gesagt, er soll sich stumm stellen, die Personalchefin habe ein weiches Herz, sagte ich ihm.

"WIE LIEF ES? - Maria, verflucht noch einmal, wo bleibt der Spritzer?" Ah, endlich!

"Na ja. Lief eigentlich eh ganz gut. Am Anfang.", murmelt der Karli. "Ich war pünktlich dort, sogar eine Viertelstunde zu früh. Die Mama hat mich hingebracht, weißt eh, wegen Führerschein und so."

Mir schwant Fürchterliches.

"Ich sagte dir, du sollst pünktlich sein, aber nicht zu früh, oder? Und allein hingehen. Und nicht zu viel reden!", rufe ich ihm in Erinnerung.

"Ja, eh. Weil wir so bald da waren, und nervös war ich auch, musste ich halt nochmal pinkeln. Wollte aber nicht fragen, ob ich dort das Klo benutzen darf. Ich meine - wie schaut das aus, wenn das Erste, was man bei einer neuen Firma tut, ..."

"Neiiiiin! Sag jetzt bitte nicht, du hast ..."

"... im Garten hinter die Hecke gepischt. Ja, das war dumm. Vor allem, weil es, wie ich später erfuhr, genau unter dem offenen Fenster der Personalchefin war. Das war aber nicht das Schlimmste."

Diese Ankündigung sorgt dafür, dass mein weißer Spritzer allzu schnell wieder leer ist. "MARIA!"

"Ja, das dachte ich auch. So ein Pech aber auch!"

"Hat sie dich gehört?"

Er senkt den Blick und die Stimme.

"Das war nicht zu überhören, wie ich gebrüllt hab' dabei!"

"Warum gebrüllt?", will ich wissen. Okay, im Alter tut das Wasserabschlagen manchmal weh, aber gleich laut brüllen? Na, wenigstens hat er nicht gesungen dabei. Wenn Karli singt, verlassen sogar die Rapid-Ultras ihren Sektor, so spannend kann das Match gar nicht sein.

"Pinkel du mal direkt in ein Erdwespennest! Die aggressive Sorte! Dann schauen wir mal, ob du nicht auch brüllst! Jedenfalls war die Nummer mit dem Stummstellen damit gegessen. Elf Stiche, davon drei dorthin, wo man sie überhaupt nicht will. Das Ding ist angeschwollen, sowas kannst du dir nicht vorstellen!"

Will ich eigentlich auch gar nicht. Trotz der Tragik der ganzen Geschichte kann ich mir ein Grinsen kaum verbeißen.

"Und die anderen acht Stiche?", plagt mich die Neugier.

"Fünf auf den Armen, einer am Hals und zwei auf der Nase. Die schwoll auch an, und wie!"

Das mit dem Verbeißen ist jetzt endgültig vorbei. Ich lache lauthals, während Maria uns ansieht, als wären wir irgendwie verrückt, während sie die Getränke hinstellt.

"Geh leck! Naja, man sagt ja: An der Nase eines Mannes erkennt man die Größe des Johannes! Hahahaha!"

Wenn Blicke töten könnten, würdet ihr diese Geschichte jetzt nicht mehr lesen. Mühsam würge ich mein Lachen ab. Jedenfalls nach außen. Jetzt lache ich nur noch nach innen und will wissen, wie es dann weiterging.

"Ich ging dann also mit der Mama zur Personalchefin. Mama hat sich gleich schnaufend in den Sessel der Dame gesetzt. Die sah minutenlang nur auf meinen Schritt. Das sah aus, als wäre ich furchtbar geil auf sie. Naja, fesch war sie ja eh. Geredet hat die Mama, ich war ja stumm. Wusste ja nicht, dass sie am Fenster alles beobachtet hatte."

"Oh, oh!" Ich kenne seine Mutter. Die Personalchefin kam mit Sicherheit eine Stunde lang nicht zu Wort.

"Meine Mutter erzählte ihr, was ich nicht für ein braver Bub sei. Und still, sehr still. Und dass ich immer brav helfe im Haushalt. Und dass ich zwar kein recht guter Schüler war, aber nicht, weil ich nicht intelligent gewesen wäre, nein daran war das Haschisch schuld. Man kenne das ja bei den jungen Leuten. Alter! Ich bin 49! Und Gras rauche ich seit dreißig Jahren keines mehr, seit der Geschichte mit dem Polizisten, den ich damals um Feuer gefragt habe!"

"Ohhhh, ohhhh, ohhhh!" Bin schon neugierig, was die Personalchefin nächstes Mal im Fitnesscenter zu mir sagt, welchen Trottel ich ihr da geschickt habe! "Kam die überhaupt mal zu Wort?"

"Ja, als mein Handy geläutet hat, hielt Mama kurz inne. Die Dame fragte uns dann, ob wir etwas trinken möchten. Einen Irish Coffee oder wenigstens einen Spritzer hatte sie aber nicht, es gab nur Kaffee, Wasser und Saft. Lahmer Laden!"

"Ohhhhhhh, ohhhhhhh, ohhhhhhh!" Mir geht langsam die Luft für die "Oh’s“ aus!

"Was denn?", kennt Karli sich Nüsse aus. Richtig verzweifelt schaut er jetzt drein, der arme.

"Alkohol bei einem Vorstellungsgespräch ist ein absolutes No Go! Und läutende Handys erst recht!"

"Ach, darum hat die Tante nur Wasser getrunken! Naja, Mama hatte Gott sei Dank den Flachmann mit."

Ich gebe das mit den "Oh’s“ jetzt auf und schüttle nur noch den Kopf. "MARIA!"

"Und wie lief es weiter?" Ich kann es mir zwar denken ...

"Naja, sie wollte dann meine Bewerbungsunterlagen sehen. Die hatte ich aber beim Pinkeln unter die Achsel geklemmt gehabt und fallengelassen, als mich die Wespen attackierten. Waren halt ein wenig mitgenommen. Naja, schaute so aus, als würde ich mich fleißig und oft bewerben, dachte ich!"

Die schiere Verzweiflung steht mir zu diesem Zeitpunkt wohl ins Gesicht geschrieben (obwohl ich das längst in den Händen vergraben habe), weil Karli meint: "Wäre aber eh nichts gewesen, der Job. Hab' dann auch mal was gesagt, damit nicht nur Mama redet. Hab' gefragt, mit wieviel Kohle sie rüber rücken. Und ob ein Vorschuss ... naja, bin ziemlich blank, weißt du?"

"Puhhhh! Was sagte sie drauf?"

"Welche Erfahrung ich als Portier habe, hat sie gefragt. Naja, sagte ich, ich hab' oft den Mundl geschaut, weißt eh, den 'echten Wiener', da war der Plahowetz ja Portier, ich tät mich also schon auskennen!"

"Gibt es eigentlich irgendeinen Bewerbungsgesprächsfehler, den du nicht gemacht hast?", schüttle ich den Kopf.

"Hä?"

"Na hast wenigstens nicht über deine frühere Firma geschimpft oder zum Politisieren angefangen oder bist über eine Religion hergezogen?"

"Ich bin ja nicht blöd!", meint der Karli fast vorwurfsvoll. "Ich hab' ihr nur gesagt, weil sie mich fragte, wo ich vorher gearbeitet habe, dass ich bei so einem muslimischen Kümmeltürken in einer Schlosserei war. Und du weißt ja, wenn's nach mir ginge, ich tät' die alle in den nächsten Güterzug stecken und ab zum Bosporussen!"

"Oh Gott! Ihr Mann ist Türke, du Idiot!"

"Ah, darum sagte sie dann, sie wüsste nun, woran sie sei und würde sich sicher nicht melden. Worauf ihr die Mama gesagt hat, dass solche Weibsbilder mit ihren Guccischuhen von der Arbeit eh keine Ahnung hätten. Und dass ein Personalchef ein g'standener Mann sein sollte."

"Was sagte sie darauf?"

Er schweigt und senkt den Blick.

"WAS SAGTE SIE DARAUF?"

"Wir suchen hier einen verlässlichen Portier, der auch ohne Mama zur Arbeit findet, zum Wasserlassen die Errungenschaften der modernen Technik nutzt, die Grundregeln der Höflichkeit kennt, nicht säuft, nicht völlig verblödet ist, eine Ahnung von seiner Tätigkeit hat und kein Rassist ist. Und die Schuhe sind von Manolo und nicht von Gucci. Guten Tag!"

"Autsch!"

"Ja, ich fand auch, dass ich eigentlich der perfekte Bewerber gewesen wäre! Aber ich glaube, in Wahrheit steht sie auf mich. In welchem Fitnessclub sagtest du, hast du sie kennengelernt?"

„In meinem ehemaligen Fitnessclub.“

Der letzte Weg des Johnny R.

Letztens war ich auf einer Leich. Das hat jetzt keinerlei nekrophile Bedeutung, liebe deutsche Freunde, so sagt man bei uns in Österreich, wenn man zu einer Beerdigung geht. Normalerweise ist sowas eine traurige Sache. Zuerst geht es zum Friedhof, also in die Leichenhalle, da stehen die Verwandten am Sarg, man defiliert vorbei, erweist dem Verstorbenen die letzte Ehre samt Verbeugung und Segnung mit Weihwasser und reicht dann den Trauernden die Hand um ein kaum hörbares "Mein Beileid