Hände hoch, oder ich schreibe! - Günter Leitenbauer - E-Book

Hände hoch, oder ich schreibe! E-Book

Günter Leitenbauer

4,8

Beschreibung

Nach dem Erfolg von "Gegen jeden was dabei" kommt nun die lange erwartete Fortsetzung: "Hände hoch, oder ich schreibe!" Noch mehr Geschichten zum Schmunzeln und Lachen. Thematisch spannt sich der Reigen von der Psyche einer Hauskatze bis zu Star Wars, vom Männerstammtisch zur Duftölparty und vom Heimwerkerdesaster zum Handtuchkrieg am Urlaubsstrand. Meist lustig, manchmal ein wenig böse - aber ganz sicher nie langweilig!

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Foto Titelseite: © Günter Leitenbauer

Die Mamba am Umschlagfoto wurde im Reptilienzoo Nockalm mit freundlicher Unterstützung von Peter Zürcher (Inhaber) aufgenommen. Dieser Zoo in der Nähe von Bad Kleinkirchheim in Kärnten ist immer einen Besuch wert!

www.reptilienzoonockalm.at

Vorwort des Autors

„Günter, du bist so böse!“

Der Nachteil, wenn man mehrere Bücher schreibt, ist, dass einem irgendwann die Ideen für ein schlaues Vorwort ausgehen. Da kann man böse sein, wie man will, es fällt einem einfach nichts mehr ein! Haha, das habt ihr mir jetzt aber nicht wirklich abgenommen, oder?

Ich bin noch lange nicht am Ende! Ich bin immer noch böse (naja, eher sarkastisch) und es gibt noch so viel zu erzählen und zu sagen – es wäre eine Sünde an der Schöpfung, das der Welt vorzuenthalten! Ganz ohne Einbildung!

Somit habe ich also schon wieder ein Buch fertig. Wie das erste enthält es kurze Geschichten, Essays eher, in denen ich wieder mit dichterischer Freiheit und etwas Übertreibung versucht habe, einige Charaktermerkmale zu skizzieren, denen man im Laufe des Lebens da und dort begegnet. Eigentlich trifft es „Skizzieren“ ganz gut, wenngleich ich dafür keinen grauen Bleistift sondern eher den literarischen Buntstift verwende. Schön plakativ soll es sein, damit sich einerseits jeder mit dem Argument davonstehlen kann: „Also, so arg bin ich aber nicht!“ und damit aber andererseits die Charakterzüge doch deutlich erkennbar werden.

Und ja, ihr seid gemeint. Genau euch habe ich im Sinn, wenn ich meine Geschichten erzähle. Ob ich mich damit auch selbst meine? Das überlasse ich dann eurer Beurteilung. In meiner angeborenen, überheblichen Arroganz stehe ich über solch profanen Überlegungen!

Das letzte Buch enthielt 36 solcher Kurzgeschichten. Ich entwickle mich aber stetig weiter, also sind in diesem Werk hier 36+ Geschichten (Mathematik ist lange her) enthalten.

Nehmt also auch dieses Buch wieder als das, was es ist und als was es gedacht war: als Spaß und Zeitvertreib! Darum ist es auch weitgehend unpolitisch. Über Politik kann man ja heutzutage kaum noch lachen, höchstens über Politiker, aber das wäre zu einfach. Okay, Donald Trump bemüht sich redlich, aber der ist als Opfer einfach keine intellektuelle Herausforderung. Das ist auch der Grund, warum ich die österreichische Politik hier ausspare. Die sind auch ohne mich schon komisch genug. Außerdem wird immer wieder alles, was ich darüber schreibe, nach kurzer Zeit von der Realität getoppt, so schräg und skurril kann es gar nicht sein. Das ist einfach frustrierend, da lasse ich lieber die Finger davon.

Und zudem mag ich keine allzu einfachen Sachen. Ich habe es gern komplex. Ein wenig darf man seine Leserschaft schon fordern, finde ich!

An die Adresse meiner Leserinnen will ich auch noch was loswerden: Eine Frau, die so ein Buch kauft (oder gar liest), die hat Humor. Die ist emanzipiert. Die braucht daher auch sicher kein „Innen“, um das zu wissen. Sie ist sich auch so darüber im Klaren, dass die Dummen immer die Männer sind und die Cleveren die Frauen.

Dieses Werk wäre übrigens erstens viel weniger unterhaltsam aber dafür zweitens viel reicher an Fehlern, wenn mir nicht wieder, wie schon beim letzten Buch und auch bei den vier Dumpfling-Romanen, meine Lektorin Doris Rettenegger so viele wertvolle Hinweise und Anregungen zu den Geschichten gegeben hätte. Herzlichen Dank, Doris! Du hast die Leser um den Spaß gebracht, allzu viele Rechtschreibfehler zu finden, und das Wort „veritabel“ kommt auch nur noch einmal vor, nachdem du mich zu Recht darauf aufmerksam gemacht hast, dass ich das viel zu oft verwende (weil ich es halt so mag, das Wort).

Danke auch dieses Mal an alle jene, die mir absichtlich oder unabsichtlich Stoff für diese Geschichten geliefert haben. In den ganz wenigen Fällen, wo die Essays dann doch zu nahe an der Realität waren, habe ich ihre Namen natürlich geändert. In allen anderen auch.

Günter Leitenbauer, Jänner 2017

Inhalt

Vorwort des Autors

Pokemon Desaster

Pokemoneten

Provokation

Kindgerecht erklärt

Ganzkörperbadeanzug

Handtuchkrieg

Messebesuch

Die Party

Anbaggerhilfe

Ich wäre gern Dichter

Horsebackflying

Familienausflug mit Fotografen

Monokini

Rückenschmerzen

Fotografenleid

Halloween

Phantomschwangerschaft

Pechvogel

Ein Alptraum

Extrem-Bike

Wozu sind Freunde da?

Was ist Logik?

Abgemahnt! Abgesahnt!

Stella Award auf österreichisch

Die Brillenträger sind schuld!

Chili mal, Alter!

Mein Mann und sein Auto

Das WLAN Kabel

Es LANgt!

Barbaras Rhabarberbar

Quotenfrau

Das neue Peckerl

Wechseljahre

Da haben wir das Theater!

Fleischbeschau

Spoiler

Handeln!

Wild getrieben

Die ungeschminkte Wahrheit

Cat People

Blacklist Hitman

Duftölparty

Die Wal-Kommission

Hot Line

Männerkrippe

Noch eine Männerkrippe!

Eine nachhaltige Weihnachtsfeier

Lockvogelangebote

Under Cover

Nachbarschaftliche Zusammenarbeit

Eine Meta-Geschichte

„Ein Mensch ohne Phantasie

ist wie ein Vogel ohne Flügel.“

Wilhelm Raabe (Jakob Corvinius)

(1831 – 1910)

Pokemon Desaster

Der Karli, mein Spezi, ist ja wieder single. Stellt euch vor, seine Esoterik-Liebste, die Sybille, hat ihn für ein Pokemon verlassen. Nein, nicht so, wie ihr vielleicht denkt, und ich will euch diese langweilige Geschichte auch gar nicht langatmig erzählen. Kurz gesagt: Sie spielte auch dieses Handyspiel und erwischte eine Pokemonfigur beim Friseur unter der Trockenhaube. Leider war die Figur eher IN der Trockenhaube als darunter oder darauf, worauf die Sybille den Karli anrief, panisch fast, und er sofort vorbeikommen und gegen den heftigen Widerstand und Protest der Friseuse das Trockenhaubengehäuse aufschrauben musste.

Sybille hat das Pokemon dann gefangen und einen elektrischen Schlag bekommen, der den weiteren Einsatz der Haartrocknung überflüssig und Karli wieder zum Single machte. Also nein, sie ist nicht gestorben, aber irgendwie hatte sie von Karli dann einfach die Nase voll. Und dem Karli gefiel sie mit den verbrannten Haaren auch gar nicht mehr.

Aber das ist eigentlich nur eine Nebenhandlung. Der Karli war natürlich fürchterlich zerknirscht, was einen sofortigen Noteinsatz aller seiner Freunde, also meiner Wenigkeit, nötig machte. In unserer Notfallambulanz beim Dorfwirtn, wo sonst? Die Ambulanzgebühr zahlte diesmal ich.

Wir sitzen nun so da, und der Karli erzählt mir die ganze Tragödie. Bei jedem Bier einmal. Also sehr oft. Irgendwann beim sechsten oder siebenten wird es mir zu blöd, und ich frage ihn, was das überhaupt für ein Spiel sei. Na, da müsste man sich am Handy was installieren und dann könnte man auf einem virtuellen Display der Umgebung, wo man halt gerade ist, sehen, ob sich da eine dieser hunderten Pocketmonster versteckt hält. Das kann man dann „käptschern“ und damit gegen andere Monster kämpfen. Oder so. Irgendwie halt. Prost!

„Geht’s noch blöder?“, fragte ich und tippte mir an die Stirn.

Nein, eigentlich sei das Spiel ja ganz lustig, meinte der Karli, aber Sybille habe es eben etwas übertrieben. Und außerdem verstecken sich diese heimtückischen Pokemons praktisch überall, sicher auch hier beim Wirtn! Das musste ich natürlich genau wissen, und installierte das Spiel mal schnell. Nur so zum Nachsehen. Dann gleich wieder löschen.

Tatsächlich – Pikachu hinter der Theke! Genau dort, wo die Maria stand, also die neue, üppige Kellnerin in ihrem knappen Dirndl. Okay, Kellnerinnendirndl sind irgendwie immer knapp. Ich wie ein geölter Blitz hin mit dem Handy und irrtümlich, weil ich nur auf das Display geschaut hab‘, der Maria unter den Rock gefahren. Nur mit Hand und Handy, im Wesentlichen somit eh harmlos. Naja, das Pokemon hab‘ ich dort gefangen, wo es schön warm ist, worauf mein Handy freudig vibriert hat, und von der Maria hab‘ ich auch eine gefangen. Aber nur so eine Alibi-Ohrfeige, ich hatte nicht den Eindruck, sie wäre ernsthaft irritiert. Schon gar nicht, als ich ihr den gefangenen Burschen gezeigt habe. Tja, geendet hat es damit, dass sie, nachdem der mittlerweile bewusstlose Karli ins Taxi verfrachtet worden war, meinen gefangenen Burschen befreit ... aber das gehört auch nicht hierher. Obwohl, ein Taschenmonster sei der auch, sagte die Maria.

Ein bisschen sauer war sie nur, als ich im Bett auf Pokemonjagd gegangen bin, weil da urplötzlich eines aufgetaucht war. War aber schnell gefangen, und ich habe sie dann eh getröstet. Weil ich es erwischte und nicht sie, meine ich. Die spielt nämlich das Spiel jetzt auch.

Am nächsten Tag bin ich ein wenig früher auf, es war aber kein Pokemon in der Nähe. Also zuerst Frühstück und dann ab in die Arbeit. Bin sogar den Umweg über den Fischteich vom Franklmüller Bertl gefahren, weil mir die Maria sagte, dass man Wasserpokemons am ehesten bei Flüssen und Teichen erwischt. Tatsächlich: Da war eines. Ich den Blick fest am Handy auf der Jagd und ... iPhones sind nicht wasserdicht. Ich habe jetzt ein neues Galaxy, mit dem ist das Wasserpokemon heute fällig! Wenn es noch da ist, weiß man ja nie. Mein Chef hat auch ein wenig blöd geschaut, als ich waschlnass in die Bank kam. „Naja“, sagte ich, „wird eh Zeit, dass da herinnen mal einer flüssig ist!“

Dann kam das Wochenende. Ich tu ja gerne Schlangen schauen, daher bin ich mit der Maria in den Reptilienzoo. Gefürchtet hat sich die! Dabei sind die eh alle hinter Glas, die Schlangerl. War wirklich ein netter Nachmittag, und es wäre alles perfekt gewesen, wenn sich nicht eines der tollsten Pokemons überhaupt gemeldet hätte. Blöderweise ausgerechnet aus dem Mambaterrarium. Die Maria und ich haben uns furchtbar gestritten, wer es da rausholt, aber dann habe ich ihr halt den Vortritt gelassen. Ob die Schlange giftig sei? Nein, meines Wissens sind grüne Schlangen nie giftig. Ganz sicher? Ja, klar! Weiß ich aus Facebook.

Ich musste dann den Chef vom Zoo ablenken, während ihm die Maria die Schlüssel stibitzte. Hab‘ ihn also über die Schlangen ausgefragt, war echt interessant, und Maria hat derweil das Pokemon gefangen. Die Schlange hatte allerdings auch Fangzähne. Und die hat damit die Maria gefangen. Bevor sie abgehauen ist. Die Schlange, nicht die Maria. Die ist nicht abgehauen, die ist abgetreten. Schade, war eine gute Kellnerin, und ihr Dirndl war wirklich knapp.

Nachdem das mit der Polizei alles erledigt und die Mamba wieder eingefangen war, die hatte sich glücklicherweise nur unter dem Rock der Frau eines holländischen Neowitwers versteckt, hätte echt schlimmer kommen können, meinte der Zoobesitzer, bin ich dann heim und hab‘ den Karli angerufen und ihm gesagt, dass das ganze Pokemontheater für mich völlig unverständlich sei. Was daran die Leute reizt, werde ich nie verstehen.

Am nächsten Tag ... Moment, ich erzähle euch den Rest morgen. Hab‘ grad ein Pokemon am Balkon entdeckt. Etwa einen Meter außerhalb des Gelä....

Pokemoneten

Da habe ich euch gestern geschrieben, wie es dem Karli und mir mit den Pokemons gegangen ist, und heute gibt es schon wieder Neuigkeiten!

Erstmal habe ich das Balkon-Pokemon gefangen und den Absturz gut überstanden. Ich habe ja auf der Terrasse unter dem Balkon ein Planschbecken stehen. Glücklicherweise. Die dreißig Zentimeter Wasser haben meinen Sturz etwas abgefangen und nein, das Pokemon ist auch nicht ersoffen. Glück gehabt! Naja, mein Hintern tut halt etwas weh. Wirbel angeknackst, sagte der Arzt, bevor er sich schnell ein Pokemon im Schwesternzimmer geschnappt hat, kurz bevor die Stationsschwester überhaupt gemerkt hat, dass eines da ist.

Also liege ich jetzt blöderweise auf meinem Bauch im Bett und telefoniere aus Langeweile alle meine Freunde durch. Alphabetisch aufsteigend nach Vornamen, die ganze Freundesliste, ich bin da ein wenig pedantisch. Schon der erste hatte was Interessantes zu berichten:

Ich ruf also den Yannick an, da meldet sich seine Frau, die Bettina. Klang irgendwie ein wenig angepisst, als hätte er ihr gerade ein Pokemon vor der Nase weggeschnappt. Sie sagt ja immer, ihre Freunde dürften sie ruhig „Betty“ nennen. Sie ist eine resche Person, die weiß was sie will, das sag‘ ich euch!

„Hallo Bettina!“, sag ich. „Ist der Yannick da?“

„Wie man‘s nimmt!“, antwortet sie und erklärt mir dann, dass er im Moment leider etwas „indisponiert sei“. Auf meine Frage, ob sie ihm das Handy bringen könne, lacht sie. Dann höre ich ihre Schritte, einen Schlüssel im Schloss, eine sich öffnende Tür, kurze Pause, eine sich schließende Tür und wie jemand zusperrt.

Und dann meldet sich Yannick. Er klingt ein wenig wie wenn er gestern zu lange im Wirtshaus gewesen wäre, erklärt mir aber dann, dass das nur wegen seiner geschwollenen Unterlippe sei.

„Alter!“, sag ich, „Was ist los? Bist wieder besoffen mit dem Rad gefahren wie letztes Mal und in den Bach gefallen?“ Er erklärt mir, dass er stocknüchtern sei, aber wenn man so wolle, sei quasi im übertragenen Sinne das Kind in den Bach gefallen, ja.

Das muss ich jetzt genauer wissen und hake nach. Und er erzählt, was gestern vorgefallen ist. Also er würde ja jetzt mit seiner Frau auch Pokemons fangen, nicht wahr? So eine Art Gemeinschaftsspiel. Wo jeder sieht, was der andere erwischt hat. Stachelt die Konkurrenz ganz schön an, meinte er, und das wäre mit der Betty eigentlich fast lustiger als Sex. Nein, nicht eigentlich. Das wäre definitiv lustiger als Sex mit ihr!

Ich beschließe, ihm da nicht rechtzugeben, obwohl ich weiß, dass es stimmt. Besser er weiß nicht, dass ich das weiß. Was er nicht weiß, macht ihn nicht heiß, und mich machte Betty ja auch nicht heiß. Wobei der Yannick eher cool ist. Wenn das Bier warm ist, stelle ich es immer einfach drei Minuten neben ihn und fische dann die Eisbröckerl raus, so unterkühlt ist der.

Also, fuhr er fort, er wäre ... ähm bei einer Bekannten ... ähm ... gewesen, während seine Betty geglaubt hatte, er wäre im Außendienst. War eher ein Innendienst, meinte er mit seinem trockenen Humor, noch dazu ein recht kurzweiliger. Ich will natürlich sofort wissen, wer die Bekannte ist. Unter Männern ist sowas nie ein Problem, wir haben voreinander keine Geheimnisse, und nach dreißig Minuten verschärftem Telefonverhör rückt er sofort damit heraus, dass es die Corinna ist. Die Frau vom Polizisten. Der Bulle war in der Tat im Außendienst, und da hat der Yannick halt ein wenig bei ihr ermittelt. „Interne Ermittlungen!“, lacht er und dann höre ich einen gequälten Laut. Seine Unterlippe, meinte er. Die sähe aus wie ein Schlauch von einem Traktorreifen. Einem Hinterreifen wohlgemerkt.

Wie er also eindringlich bei Corinna ermittelt und den Tatort überprüft, piepst das Handy und er merkt, dass er nicht mit ihr allein im Raum ist. Da ist auch noch ein Pokemon im Zimmer. Ohne nachzudenken, fängt er es sofort. Corinna selbst spielt das Zeug ja nicht, also kein Problem.

Und danach hätte er mit ihr also noch ein wenig Räuber und Gendarm gespielt, meinte er, wobei sie dann der Gendarm war und er in Handschellen. Rollentausch quasi.

Das war der Moment, wo leider Corinnas Mann auftauchte und sich in die Ermittlungen einschaltete. Wie sich herausgestellt hat, weil Bettina auf ihrem Handy gesehen hat, wo ihr Mann gerade ein Pokemon gefangen hatte und den Zweimeterpolizisten daraufhin sofort anrief. Die Adresse kannte Bettina anscheinend noch vom letzten Mal, als Corinna drei Wochen auf Kur war und ihr Mann allein zuhause. Daher hatte sie wohl auch noch seine Telefonnummer. Die Welt ist eben schlecht! Das ist jetzt aber nur meine Vermutung, das sage ich dem armen Yannick besser nicht. Außerdem bin ich gerade dabei, den Techtelmechtelüberblick zu verlieren.

Nun ja, der Baum von einem Bullen ermittelte also mit. Wobei Corinna den Good Cop gab und er den Bad Cop, so wie es aussieht. Am Ende der Ermittlungen hat der Bulle den armen Yannick dann einfach über den Balkon geworfen. Hätte blöd ausgehen können, aber die wohnen eh im Erdgeschoß.

„Jössas, Alter, das klingt ja furchtbar! Und was sagte Bettina?“, wollte ich wissen.

Nun ja, die hätte ihn ins Kinderzimmer gesperrt, wo es nicht einmal einen Fernseher gäbe, sagt er. Außerdem würde sie seit einer Stunde mit ihrem Anwalt in der Küche sitzen. Da ginge es wohl um die Scheidung und die Moneten. Quasi Pokemoneten, meinte er.

„Furchtbar!“, bringe ich gerade noch heraus.

„Nein!“, sagt er, „Furchtbar war, dass sie mir das Handy weggenommen und alle Pokemons im Haus erwischt hat. Aber jetzt hab‘ ich es ja wieder, dank deines Anrufs!“

Just da höre ich es bei ihm piepsen. Ich kenne das Geräusch. Akku aus.

Er ist wirklich ein Pechvogel, der Yannick.

Provokation

Ihr kennt ja sicher alle meinen Freund, den Karli. Der hat sich mit mir schon viel mitgemacht. Also nicht mit mir, nein, was ich meine ist: Wir haben gemeinsam schon viel durchgemacht. So, jetzt stimmt es!

Eigentlich ist er ja ein ganz unheimlich nettes (mit der Betonung auf „nettes“, aber nicht immer!) Kerli, der Karli. Mit dem kannst du fast nicht streiten, außer darüber, wer das erste Bier zahlt. Er will immer das erste zahlen, ich aber auch, wir sind eben echte Freunde. Vor allem, weil ich mich immer durchsetze. In jeder Freundschaft braucht es eben einen, der den Ton angibt. Und wenn ich mich mal nicht durchsetze, dann bestellen wir halt einfach das zweite gleich mit.

Doch letztens ist was mit dem Karli passiert. „Es ist schon wieder was passiert!“, wie es in diesen Filmen mit dem Hader als Kommissar Brenner immer so schön heißt. Nein, eh nichts Schlimmes, aber es hatte respektable Konsequenzen. Wie eben alles im Leben. Der Karli hatte nämlich im Internet so ein zweitägiges Persönlichkeitsbildungsseminar gebucht, um geradezu läppische 998,- EUR. Weil er sich nie durchsetze, sagte er, nichtmal beim Bierzahlen. Du Trottel, sagte ich, um das Geld hättest mir mein Bier drei Wochen lang zahlen können! Nein, meinte er, das Seminar wäre schon eine feine Sache, am Donnerstag ginge es los, Freitag Abschlussprüfung, am Samstag gemma auf ein Bier, dann müsste ich mich warm anziehen, um mich durchzusetzen, klar?

„Und was lernst du da?“, wollte ich wissen, als ich gerade der Maria das Bier zahlte. Ja, die neue Kellnerin heißt wieder Maria, da muss irgendwo ein Nest sein. Und sie hat ebenfalls große ... Augen.

Naja, da ginge es wohl darum, das Selbstwertgefühl und das Selbstbewusstsein aufzumöbeln, erklärte er. Er wäre eh schon gespannt, wie die das machen wollten. Speziell nach der Sache mit der Sybille, die habe ihm schon einen ordentlichen Knacks verpasst, worauf ich mich fast am Bier verschluckte, weil ich kurz befürchtet hatte, er könnte das mit der Sybille und mir herausbekommen haben.

„Aha!“, nickte ich pseudowissend. „Das mit dem Selbstwertgefühl verstehe ich ja noch, aber Selbstbewusstsein hat doch eh jeder, oder? Wenn man sich nicht seiner selbst bewusst wäre, dann müsste man sich ja für jemand anderen halten. Also rein klugscheißermäßig jetzt.“ Was der Karli irgendwie nicht so richtig verstanden hatte, schien mir. Na, vielleicht wäre das Seminar doch gar keine so üble Sache.

Wir tranken also noch ein paar Halbe, dann verabschiedeten wir uns und gingen nach Hause, wo mir die Sybille schon das Steak vorbereitet hatte. In die Pfanne legt sie es jetzt immer erst, wenn ich bei der Tür reingehe, ich hasse es, wenn ein Steak nicht auf den Punkt genau medium gebraten ist. Das hat sie bei mir schnell gelernt. Und weil Sybille und auch das Steak gut war, schön rosa und saftig, wie ich das mag, vergaß ich das mit Karlis Kurs gleich wieder.

Bis er mich am nächsten Samstag anrief und für den Abend absagte.

Er könne leider nicht kommen heute, weil er im Krankenhaus liege, meinte er mit schwer verständlicher Stimme.

„Alter, isst du gerade etwas? Ich verstehe dich ja kaum!“

Nein, das wäre nicht der Fall. Und ich sollte bloß nicht auf die Idee kommen, ihn im Krankenhaus, Unfallstation, 2. Stock Zimmer 203 zu besuchen, klar? „Wird schon wieder!“, seufzte er und legte auf.

Eine halbe Stunde später sitze ich neben ihm am Bett. Er schaut furchtbar aus, als wäre er zuerst unter eine Straßenwalze geraten und dann das so entstandene, flache Etwas zerknittert, zerrissen und von einem blinden Schneider wieder zusammengenäht worden. Einem einhändigen, blinden Schneider ohne Lehrabschlussprüfung. Natürlich will ich wissen, was passiert ist.

Naja, ich wüsste ja noch, dass er Donnerstag diesen Selbstbewusstseinskurs gehabt hätte, oder? (Ja, jetzt, wo er es sagt, fällt es mir wieder ein). Das wäre auch ein toller Kurs gewesen, die Kursleiterin war eine hübsche, israelische Ex-Soldatin, die strotzte vor Selbstbewusstsein. Schon bei der Begrüßung hätte sie ihm beinahe den kleinen Finger gebrochen, als sie ihm die Hand schüttelte. Ein Mordsweib!

„Alter, sag bloß du hast mit der ...“

Nein, nein, das jetzt nicht, nein, ich solle jetzt einfach die Klappe halten und ihn erzählen lassen, es tue auch so genug weh, mit der aufgeplatzten Lippe! Zuerst der Yannick, dann er. Das wuchs sich langsam zu einer Seuche aus.

Also, die Dame hätte den Teilnehmern – zehn Leute, sämtlich Männer – am Donnerstag derartig das Gehirn gewaschen, dass sie allesamt am Freitag von Selbstbewusstsein nur so gestrotzt hätten. Man stelle sich vor, beim Mittagessen am Freitag, hätten sich alle ohne Widerrede von ihm die Getränke zahlen lassen. Da schaust, was?

„Klingt ja gut!“, werfe ich ein, „aber ...“

„Klappe!“, stöhnt er mich herrisch so laut an, dass ich mich fast fürchte. Also dann wäre die Abschlussprüfung gekommen. Die Kursleiterin wollte von ihnen wissen, wovor sie sich derzeit am meisten fürchteten. Er hätte gesagt, vermutlich vor einem Jobverlust, aber irgendwie wäre das Gespräch dann auf den islamischen Terror gekommen, und dann hätte sie ihm seine Prüfungsaufgabe gegeben. Und deswegen schaue er jetzt so aus und liege hier im Krankenhaus.

„Musstest du sie anbaggern?“, lache ich.

Ich solle den Teufel nicht an die Wand malen, meint er, da würde ich jetzt wohl eher Blumen in sein offenes Grab werfen, nein, die Prüfungsaufgabe sei etwas ganz Anderes gewesen.

„Und was?“, will ich wissen. Ich bin jetzt echt gespannt.

Naja, die Kursleiterin wäre ja, wie bereits erwähnt, eine Israeli gewesen, mit einem furchtbaren Hass auf alle Moslems. Und vielleicht deshalb, ach was wüsste man schon.

„Deshalb, WAS? Jetzt spann mich nicht so auf die Folter!“

Tja, also, die Aufgabe sei gewesen, nackt in die Moschee der Stadt zu gehen, während des türkischen Freitagsgebets und laut „Halleluja!“ zu sagen.

„Und deshalb haben die Moslems dich gleich so verprügelt?“, bin ich jetzt doch etwas überrascht. Auch über sein Selbstbewusstsein, ich weiß ja, wie er nackt aussieht, vom Saunieren.

Das wüsste er nicht, erklärt mir der Karli. Vielleicht wäre es auch wegen seiner Begleitung passiert.

„Begleitung? Wer?“ Er spricht in Rätseln.

„Ich hatte eine Ziege an der Leine mit, auf der war am Rücken ein Pfeil aufgemalt, in Richtung ... ähm ... Ende des Rückens. Und über dem Pfeil stand in roten Buchstaben: ERDO-GANG!“

Ich beschließe, das Selbstbewusstsein Karlis im Gegensatz zu seinem Verstand nie wieder anzuzweifeln.

Kindgerecht erklärt

Meine Jungs fragen mich immer wieder so Sachen. Papa, wie funktioniert das? Papa, was ist das? Papa, gibt es Menschen, die ...? Gerade die „Gibt es Menschen, die ...“ - Frage konnte schon ganz schön nerven, aber das hat sich irgendwann aufgehört, als sie etwa elf waren, wohl weil sie gemerkt haben, dass die Antwort immer „Ja“ lautet, egal welche schrägen Eigenschaften die fraglichen Menschen haben sollten. „Papa, gibt es Menschen, die fliegen können wie Superman?“ – „Ja, klar gibt es die. Aber die meisten schaffen nur einen Flug, und der ist ziemlich kurz und geht nur nach unten.“

Also normalerweise bringen mich ihre Fragen schon lange nicht mehr aus dem Konzept, aber letztens fuhr ich auf eine Frage von ihnen tatsächlich mit dem Auto rechts ran (wie passend), um ihnen ihre Frage beantworten zu können. Weil das bei dieser Frage nicht in einem oder zwei Sätzen ging.

„Papa, wie funktioniert Populismus?“

„Ich habe euch doch gebeten, keine hässlichen Wörter zu verwenden, oder?“

Sie lachten nur. „Nein, im Ernst. Was ist das und wie wird man ein Populist? Weil immer, wenn du einen ‚Populist‘ schimpfst, ist der berühmt oder reich und im Fernsehen. Ich will auch berühmt, reich und im Fernsehen sein!“, meinte einer der beiden.

Nun gut, Folks! Ihr wollt es nicht anders! Papa begann zu dozieren. Erfahrungsgemäß würden sie in etwa zwei Minuten das Interesse verlieren und sich mit ihren Handies beschäftigen – Papa ist ein langweiliger Dozent – dann konnte die Reise ja weitergehen. Es ist ja sowieso wahrscheinlicher, dass dich an einem wolkenlosen Tag in der Wüste Gobi ein Krokodil frisst, als dass ein Handy von Teenagern während eines Gesprächs mit ihrem Vater versehentlich in den Powersafemodus geht, nicht wahr?

Ihre Frage, was „Folks“ bedeute, ignorierte ich. Ich bin anscheinend mit meinen Ausdrücken nicht mehr ganz up to date mit der heutigen Jugend. Letztens dauerte es ewig, bis ich verstand, was sie mit: „Oida, schau dir den Tintling mit der Idiotenantenne an! Voi der Spast!“

Nachforschungen ergaben, dass sie sich nicht über einen eigenartig gewachsenen, essbaren Pilz sondern über einen intensiv tätowierten Mann mit einem Selfiestick lustig machten.

Zurück zum Thema. Ich begann also zu erklären.

„Also, Populisten sind oft Politiker. Und wie ihr wisst, liebe Kinder, sagen Politiker oft das, was die Leute hören wollen. Aber eben nicht immer, vor allem nicht NACH der Wahl. Weil da müssen sie ja dann halbwegs vernünftig arbeiten, also Steuern erhöhen, Förderungen senken, ihre Freunde auf diversen, gut bezahlten Posten unterbringen und somit auch mal unbequeme Sachen sagen und machen. Bei Populisten ist das anders, die sagen immer, was die Mehrheit der Leute hören will, auch wenn sie dann etwas ganz anderes tun.“

„Aber Papa – kommen da die Leute nicht irgendwann drauf?“

„Nein, so einfach ist das nicht, Jungs. Und dafür gibt es einige Gründe:

Erstens sind gute Populisten immer einigermaßen attraktive Menschen mit kurzen Namen. Okay, es gibt auch Ausnahmen wie die Storch bei der AfD („Papa, was ist die AfD?“ – „Das ist die Abkürzung für Alte Naive für Deutschland, Jungs.“ – „Ah, okay.“), aber die lassen sie eh nicht mehr vor die Kamera.

Aber meistens kommen die Populisten hübsch, jung, schlank und immer lächelnd daher, da haben die Zahntechniker und Zahnärzte ein gutes Einkommen. Oder sie bringen die Zahntechniker überhaupt gleich mit. Nennen wir unseren erfundenen Populisten einfach mal STEINER, damit das Kind einen Namen hat.

Zweitens, haben die eine tolle Taktik, wenn man sie was Unbequemes fragt: Sie beantworten deine Frage nicht, sondern lenken ab. Wenn sie es gut machen, merken das die meisten Leute gar nicht, weil sie auf ein Thema ablenken, wo alle nicken und zustimmen können. ‚Genau, daran liegt es. Der Steiner hat vollkommen Recht. Der ist eh der einzige, der das deutlich sagt!‘ sagen sie dann. Und wenn der Populist es gut macht, dann klopfen sie sich auf die Schenkel, weil er einen Witz daraus gemacht hat. Man kann nämlich Schuldzuweisungen und Beleidigungen viel besser an den Mann bringen, wenn man sie in einen Witz verpackt, das wisst ihr sicherlich von eurem Deutschlehrer, oder?“

„Oh ja, der Professor Aichberger macht einen auch immer vor der Klasse lächerlich, wenn man was macht, was ihm nicht gefällt. Dann lachen alle, das tut weh, und dann ist man ruhig und will nicht mehr auffallen!“

„Eben. Das ist EINE Methode des Populismus. Ihr lernt ja doch etwas in der Schule! Der Aichberger ist ein guter Lehrer, das sehe ich schon.

Aber das alleine wäre natürlich zu wenig. Gute Populisten bieten noch etwas ganz wichtiges an: Sie geben den Leuten jemanden, auf den sie zornig sein können. Man nennt das ein Feindbild.“

„So wie die Juden beim Hitler? Das haben wir in Geschichte gelernt. In Mauthausen waren wir auch. War ätzend langweilig. Und ein bisschen gruselig. Vor allem die Lampen aus Menschenhaut.“

„Ja, genau wie damals die Juden. Nur heutzutage gibt es andere Feindbilder. Die Juden waren damals ein super Feindbild, weil es einige sehr reiche Juden gab und die meisten Leute arm waren. Und weil die Juden oft ein wenig anders aussahen und lebten als die nichtjüdischen Deutschen. Heute aber geht es den meisten ja halbwegs gut, und ein Hut und eine Haarlocke erschrecken keinen mehr. Nein, da muss man sich was anderes suchen. Wie geht es euch eigentlich, wenn ihr auf der Straße voll verschleierte Frauen seht?“

„Papa, die sind irgendwie komisch. Die verstehen wir nicht. Reden tun sie auch alle so eigenartig.“

„Genau. Die sind uns fremd, da bleibt man besser auf Abstand, oder? Ganz eigenartige Leute! Man hat fast ein wenig Angst, nicht wahr“

„Ja, schon.“

„Seht ihr? Es ist ganz natürlich, dass wir Menschen alles, was uns fremd ist, mit Vorsicht betrachten. Das kommt noch aus der Steinzeit, als alles Fremde fast immer auch eine Gefahr war. Das steckt in uns drinnen: Was wir nicht kennen, was wir nicht verstehen, da heißt es AUFPASSEN!

Und das machen sich Populisten zunutze.“

„Papa, gab es im letzten Jahrtausend, als du noch jung warst, auch Feindbilder?“

Günter, bewahre Ruhe. Die machen das absichtlich. Wenigstens fragen sie nicht mehr, ob ich als Kind im Zoo noch Mammuts gesehen habe, bevor die ausstarben.

„Ja klar. Damals waren alle mit langen Haaren suspekt, das heißt verdächtig. Und natürlich alle Tätowierten. Und alle langhaarigen Tätowierten waren sowieso drogensüchtige Kinderschänder und Verbrecher.“

„Waren die das wirklich?“

„Nein. Jedenfalls bin ich nie einem begegnet. Die meisten dürften vollkommen harmlos gewesen sein. Aber WENN einmal einer etwas angestellt hat, dann war das natürlich ein Beweis dafür, dass man mit der Einschätzung Recht hatte, dass eh ALLE so sind.“

„Aber heute haben viele lange Haare und sind tätowiert, vor allem Mädels.“

„Daran seht ihr schon, wie brandgefährlich die Frauen sind. Haltet euch bloß von ihnen fern!“

1:0 für mich.

„Also: Populisten wie unser Steiner bieten uns eine Gruppe Menschen an, auf die wir die ganze Schuld schieben können, klar? Wenn unser Auto einen Patschen am Vorderreifen hat, dann hat sicher ein Moslem oder ein Asylant einen Nagel unter dem Reifen platziert.“

„Papa, das ist doch Blödsinn.“

„Klar, aber damit kann man verdrängen, dass man selbst daran Schuld hat, weil man kurz vorher auf den Randstein gefahren ist. Und selbst wenn man das weiß, dann sagt sicher ein Populist, dass man nur auf den Randstein gefahren ist, weil diese Scheißasylantin mit dem Kopftuch so blöd über die Straße gegangen ist und man ausweichen musste. Die Leute flüchten sich eben gern in den Glauben, selbst an nichts schuld zu sein, versteht ihr? Das ist so, wie wenn ihr eure Aufgabe nicht macht und dann sagt, die Mama hätte euch nicht daran erinnert.“

2:0 Das mit dem „letzten Jahrtausend“ werden sie mir büßen. Aber sie ignorieren das wie ein guter Populist.

„Und so funktioniert Populismus?“

„Unter anderem. Aber da gibt es noch einiges, was dazu gehört. Vor allem eine wichtige Sache. Das mit dem Lügen und dem Hetzen.“

„Politiker lügen doch alle, oder?“

„Stimmt, aber es gibt eine goldene Regel: Lass dich dabei nicht erwischen!

Nur: Populisten sind dagegen gefeit. Die kannst du so oft erwischen, wie du willst, denen macht das nichts, da bleibt nichts hängen. Die sind wie eine gute Teflonpfanne. Die haben da nämlich ein eingebautes Immunsystem.“

„Häh?“

„Na, wenn ich euch zum Beispiel frage, ob ihr die Aufgabe gemacht habt und ihr bejaht, und ich kontrolliere dann und merke, dass ihr sie nicht gemacht habt, das hat dann Konsequenzen für euch, oder?“

„Ja, dann schaltest du wieder einen Tag das WLAN ab und schimpfst.“

„Eben. Für gute Populisten hat das Erwischtwerden fast nie Konsequenzen. Und das kommt daher, weil es keinen interessiert, ob sie lügen. Weil sie nämlich, wenn du sie wieder einmal bei einer Lüge ertappst, sofort eine der folgenden Strategien anwenden:

Entweder sie gehen gar nicht darauf ein und lenken ab, indem sie irgend einen Skandal auspacken oder erfinden, wo angeblich ein Asylant am Zeltfest einer Kellnerin unter den Rock gegriffen hat, worauf ihre Fans wegen des immer funktionierenden Feindbildprinzips sofort zornig werden und die Lüge vergessen.

Oder sie stellen sich als Opfer hin, dass der böse Reporter seine ganze Energie darauf verwendet in seiner Lügenpresse Lügen über angebliche Lügen des guten, volksnahen Herrn Steiner zu verbreiten, anstatt sich gefälligst um den bösen Asylanten zu kümmern, der die Kellnerin begrapscht hat. Sie stellen sich nämlich gerne als unschuldige Opfer hin, weil ihre Wähler sich ja auch gerne als Opfer sehen. Das vereinfacht es zu akzeptieren, dass man selbst in seinem Leben das meiste verbockt hat, nicht wahr?

Oder sie streiten es einfach stur ab. Bei einer Fernsehdiskussion hat kaum jemand dann die Möglichkeit, seine Behauptung zweifelsfrei zu beweisen, und am nächsten Tag interessiert es eh keinen mehr.

Oder sie haben die Lüge nie selbst formuliert sondern nur angestoßen und die Drecksarbeit von irgendeinem ihrer Helfer machen lassen, der dann ein paar Wochen untertaucht.

Oder – und das ist das Totschlagargument – sie unterstellen dir, dass du ihnen unterstellst, ein Nazi oder ein Radikaler zu sein und verklagen dich dann vielleicht auch noch. Die Klage verlieren sie dann nach einigen Monaten zwar, aber das interessiert mal wieder keinen.

Und nach zwei Wochen kommt dann sowieso heraus, dass die Kellnerin das erfunden hat, weil sie Aufmerksamkeit wollte. Aber das ...“

„... interessiert dann keinen mehr, Papa. Kapiert. War das alles, was einen Populisten ausmacht?“

„Fast. Der letzte wichtige Punkt – es gäbe noch viele andere, weniger wichtige – ist folgender:

Viele Politiker sagen ihren Wählern oft indirekt, was in diesem Land falsch läuft. Damit sagen sie ihnen aber auch oft, was die Leute ihrer Meinung nach falsch machen. Keiner macht sich beliebt, wenn er dir sagt, was du falsch machst, oder?

„Wie die Frau Professor Mühlsteiner! Die sagt es uns immer, wenn wir in Mathe was falsch gemacht haben. Noch dazu vor der ganzen Klasse!“

„Genau. Populisten müssen das nicht. Weil sie in Wahrheit ja nichts verbessern wollen. Die wollen einfach nur gewählt werden, um an die Macht zu kommen. Also sagen sie ihren Wählern lieber, wie gut die sind. ‚Ihr seid eh gut, schuld sind die Asylanten und die Moslems! hört man dann. Und wer findet nicht den Steiner sympathisch, wenn der ihm sagt, wie gut man nicht ist? Also zumindest trifft das auf Leute zu, die nicht gerne über sich selbst und die eigenen Fehler nachdenken.“

„Puh, Papa, das klingt alles so, als könne man gegen einen Populisten wie den Steiner nicht viel machen, oder?“

„Da habt ihr nicht ganz Unrecht. Wenn den Steiner nicht irgendwann einer in flagranti beim Kokainschnupfen erwischt, oder noch besser: filmt, dann kann ihm nicht viel passieren. Und selbst dann werden seine hartgesottenen Fans das als Lügenpressepropaganda bezeichnen und den Film als manipuliert und der Steiner wird den Reporter verklagen – und verlieren, was dann wieder keinen interessiert.“

„Und was kann man dann dagegen tun?“

„Den eigenen Kindern das alles erklären. Damit die nicht auch einmal darauf reinfallen. Weil Bildung die einzige scharfe Waffe gegen Populismus ist.“

Ich sah auf ihre Handies. Sie waren in den Powersafemodus gegangen.

Ganzkörperbadeanzug

Mann oh Mann! Da wird also in Frankreich eine Frau am Strand zwangsentkleidet, weil sie einen Ganzkörperbadeanzug trägt. Ihr könnt euch schon denken, dass das nach einer Aktion schreit, oder? Gesagt, getan! Ich nehme mir einen Kartoffelsack, nähe eine Kapuze mit Sichtfenster aus einem Haarnetz drüber, packe noch ein paar Sachen ein - und ab an die Cote d'Azur! Mit dem Karli im Gepäck. Und mit seiner Kamera.

Nach einer abenteuerlichen Reise, von der ich euch ein anderes Mal berichten werde, kommen wir in Nizza an. Bist du deppert, sind die Hotels da teuer! Der Karli und ich nehmen uns ein Doppelzimmer. Na macht nichts, ist eh nur für eine Nacht, und die Aktion ist es wert, da bin ich sicher. Nach dem Check in geht es sofort an den Strand. Ein wenig komisch schauen mich die Leute schon an, mit meiner selbstgebastelten Burka, aber was soll‘s? Einen Vorteil habe ich gleich mal bemerkt. Die vergessene Sonnencreme macht rein gar nichts und die Beine muss man sich auch nicht rasieren. Ich schnappe mir also meine Decke mit dem IS Symbol, das ich aus dem Internet heruntergeladen und auf Leinen ausgedruckt und auf die Decke genäht habe und lege mich mitten auf den Strand. Der Karli liegt mit seiner Kamera etwas abseits. Ich warte. Der Karli auch.

Es ist heiß und windig hier, ein Augusttag am Meer eben. Die Brise lässt den Sand zeitweise fliegen, und ich habe schon Angst, dass ich hier wohl keine große Aufmerksamkeit bekommen werde. Doch kurz vor dem Hitzschlag, also nach etwa fünfzehn Minuten, stehen zwei französische Polizisten vor mir und fordern mich auf, mir korrekte Badekleidung anzuziehen, weil die Burka hier am Strand verboten sei. Einen Strafzettel bekomme ich auch. Ich weigere mich natürlich in meinem holprigen Französisch, das sie sicher gleich vermuten lässt, dass ich wohl ein böser, illegaler, weiblicher Flüchtling oder Terrorist sein müsse, und weise darauf hin, dass sie ja auch nicht in Badekleidung seien, und sie wären hier definitiv am Strand oder?

Kurz schauen sie ein wenig verblüfft, dann machen sie mich darauf aufmerksam, dass sie berechtigt wären, mir die Burka mit Gewalt auszuziehen, wenn ich mich nicht fügen sollte. Ich sage ihnen, dass ich das keinesfalls tun würde, und sie legen los und Hand an. Was sie nicht wissen ist, dass ich darunter NICHTS anhabe. Ich hoffe, sie werden nicht neidisch, die armen Kerle! Nicht jeder ist von der Natur so gut ausgestattet worden wie ich!

Als sie beginnen, mich auszuziehen, beginne ich zu schreien. "Vergewaltigung! Hilfe!", und das ganze Zeugs. Ein Seitenblick auf den Karli überzeugt mich, dass er alles filmt. Braver Karli, also wirklich, wozu hat man Freunde? Nach einem kurzen Moment der Unsicherheit machen die beiden Büffel von Polizisten weiter. Plötzlich liege ich splitternackt da. Das ist der Moment, wo der Karli eingreift, den kleineren der beiden Polizisten an der Schulter rüttelt und ihm auf Englisch (Karli spricht kein Französisch. Das sei nur etwas für Weiber, sagt er.) klarzumachen versucht, dass das ja nun gar nicht gehe, dass hier am Strand jemand splitternackt herumliege. Noch dazu, dass die Polizei ihn sogar eigenhändig ausgezogen hätte. Er würde dafür sorgen, dass das in alle Zeitungen käme und anzeigen tät' er es auch. Jawohl!