Das Titanic-Attentat - Gerhard Wisnewski - E-Book

Das Titanic-Attentat E-Book

Gerhard Wisnewski

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Beschreibung

Das Titanic-Attentat: starker Tobak ohne Filter!

Haben Sie Lust auf ein nervenzerfetzendes Sachbuch? Dann nehmen Sie Gerhard Wisnewskis Das Titanic-Attentat zur Hand. Pünktlich zum 111. Jahrestag des Untergangs der Titanic (15. April 1912) bringt der bekannte Enthüllungsautor dieses Buch wieder heraus, das die Titanic-Forschung revolutionierte - natürlich unter weitgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit. Vom Mainstream tapfer ignoriert, war es bald vergriffen.

Jetzt endlich ist es wieder lieferbar!

111 Jahre nach dem Untergang der Titanic ist damit jedoch Schluss! Auf vielfachen Wunsch hebt der Kopp Verlag diesen atemberaubenden Sachbuch-Schatz und legt ihn wieder neu auf! Denn schließlich ist der Untergang der Titanic brandaktuell: als ein Symbol für eine todgeweihte Gesellschaft, deren Mitglieder dennoch sehenden Auges in den Untergang fahren. Da wäre es doch interessant zu erfahren, ob dies damals wirklich nur eine Verkettung von unglücklichen Umständen war - oder aber Absicht.

Was gab und gibt es nach so langer Zeit noch zu entdecken? Antwort: alles. Denn ob nun Pearl Harbor, der Kennedy-Mord oder der 11. September 2001: Die Wahrheit wird uns bis heute wortreich verschwiegen. Warum sollte das bei der Titanic anders sein? Eben. Und tatsächlich: Beweismittel wurden unterdrückt, Zeugen wurden nicht gehört oder verschwanden. Die wichtigsten Befunde wurden ignoriert, wegerklärt und totgeschwiegen.

Zum Beispiel:

  • dass der Kapitän der Titanic 1912 den Untergang überlebte,
  • dass die Titanic vor dem Auslaufen zu einer tödlichen Falle für die reichen Passagiere umgebaut wurde,
  • dass die Titanic-Reederei bereits vor der Jungfernfahrt pleite war,
  • dass der Riesendampfer absichtlich und bewusst ins Eis gesteuert wurde,
  • dass Besatzung und Passagiere bei einem ausschweifenden Gelage betrunken gemacht wurden und vieles andere mehr.


Der Untergang der Titanic war kein Unglück, sondern ein Attentat.

Wie immer nimmt Gerhard Wisnewski, der Dauergast der Bestsellerlisten, sein scharfes analytisches Skalpell zur Hand und seziert den Titanic-Untergang nach allen Regeln der Kunst. Das Ergebnis ist beispiellos: Die Titanic sank nicht nach der Kollision mit einem Eisberg, sondern aufgrund von Sabotage.

Starker Tobak - und zwar ohne Filter.

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1. aktualisierte Auflage April 2023 2. aktualisierte Auflage Mai 2023

Copyright © 2023 bei Kopp Verlag, Bertha-Benz-Straße 10, D-72108 Rottenburg

Originalausgabe März 2012 Copyright © 2012 Knaur Taschenbuch

Alle Rechte vorbehalten

Covergestaltung: Nicole Lechner

ISBN E-Book 978-3-86445-934-4 eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

Gerne senden wir Ihnen unser Verlagsverzeichnis Kopp Verlag Bertha-Benz-Straße 10 D-72108 Rottenburg E-Mail: [email protected] Tel.: (07472) 98 06-10 Fax: (07472) 98 06-11

Unser Buchprogramm finden Sie auch im Internet unter:www.kopp-verlag.de

Widmung

Dieses Buch widme ich allen Opfern von Schiffskatastrophen, insbesondere jenen, deren Andenken immer wieder durch das Gedenken an die Opfer der Titanic verdrängt wird.

Vorwort zur Neuausgabe 2023

Vor 111 Jahren, in der Nacht vom 14. auf den 15. April 1912, sank das britische Passagierschiff Titanic. Und die Erinnerung an dieses Ereignis ist brandaktuell – wenn in diesen Zeiten vielleicht auch nicht ganz opportun. Denn der Untergang der Titanic 1912 ist eine Parabel auf das, was heutzutage mit unserer westlichen Zivilisation geschieht: Während die Passagiere in Sicherheit gewiegt wurden, steuerte der Kapitän das Schiff mitten in die Katastrophe. Weniger bekannt dürfte sein, dass er dies mit voller Absicht tat – so wie unsere Regierungen das deutsche Staatsschiff absichtlich versenken: die »Titanic Deutschland«. Wie das geht, habe ich ja schon des Öfteren beschrieben: im Rahmen eines hybriden Krieges. Dabei handelt es sich um einen Krieg, den die wenigsten als solchen wahrnehmen, bis es zu spät ist. Der »Unfall« in der Nacht vom 14. auf den 15. April 1912 war genauso wenig ein Unfall, wie der derzeitige Totalschaden des Abendlandes. Schon der weltberühmte Dramatiker George Bernard Shaw erregte sich über die wahre »Explosion an abscheulichen, romantischen Lügen« im Zusammenhang mit der Titanic-Katastrophe: »… das Einzige, was man wirklich über Kapitän Smith weiß«, bestehe darin, »dass er ein Schiff verlor, indem er absichtlich und bewusst mit der höchsten Geschwindigkeit, welche die Kohle hergab, in ein Eisfeld hineindampfte« (New York Times, 15. April 1912). Aber welcher Kapitän würde denn auf diese Art und Weise Selbstmord begehen? Antwort: Keiner. Auch Kapitän Smith nicht. Monate später wurde er quicklebendig angetroffen – an Land, versteht sich.

Das Titanic-Attentat war 10 Jahre lang restlos vergriffen. Mit der Neuausgabe kommen wir den dringenden Bitten zahlreicher Interessierter nach, das Werk wieder aufzulegen. Außerdem ist auch eine englischsprachige Ausgabe geplant.

Um das Buch möglichst preiswert zu gestalten, haben wir auf eine Überarbeitung verzichtet. Diese war auch nicht nötig. Bis auf eine einzige inhaltliche Korrektur veröffentlichen wir Das Titanic-Attentat daher wie bei seinem erstmaligen Erscheinen 2012. Bitte haben Sie deshalb Verständnis, dass im Text mit dem »100. Jahrestag« nunmehr der 111. gemeint ist …

Eine spannende Lektüre wünscht Ihnen Ihr

Gerhard Wisnewski

München, im Januar 2023

Vorwort

Ein Attentat auf die Titanic? So eine verrückte Idee! Muss da wirklich hundert Jahre nach dem Untergang dieses berühmtesten Schiffes aller Zeiten und Hunderttausenden von Artikeln, Büchern und Filmen so ein Autor daherkommen und behaupten, er habe nun das Rätsel gelöst – der Untergang der Titanic sei ein Attentat gewesen? Schließlich wissen wir doch genau, wodurch dieses damals größte Passagierschiff der Welt gesunken ist: durch den Zusammenprall mit einem Eisberg!

Vor genau hundert Jahren, am 14. April 1912, fuhr die Titanic auf dem Weg von Southampton nach New York bei Nacht (aber nicht bei Nebel) auf einen Eisberg und sank innerhalb von etwa zweieinhalb Stunden. Dabei kamen 1500 Menschen ums Leben, nur etwa 700 konnten gerettet werden. So haben Sie und ich das schon mit der Muttermilch eingesogen und unsere Mütter auch schon. Eine Katastrophe, ein tragisches Unglück – sicher. Aber ein Attentat? Blödsinn. Oder nein – sogar eine höhere Form des Blödsinns: eine Verschwörungstheorie.

Mit einer Verschwörungstheorie hat das, was ich auf den folgenden Seiten ausbreiten werde, jedoch nichts zu tun, denn eine Verschwörungstheorie ist eine Theorie ohne Fakten. Also genau das, was seit hundert Jahren trotz fehlender Zeugen und Beweise über den Untergang der Titanic verbreitet wird. Im vorliegenden Buch geht es dagegen um den Versuch, eine Theorie mit Fakten aufzustellen – solchen, die in den vergangenen hundert Jahren unterschlagen, nicht in Betracht gezogen oder schlicht verdrängt wurden. Also darum, die gängige Verschwörungstheorie vom »hinterhältigen« und völlig überraschenden Angriff eines Eisberges auf das Vorzeigeschiff kritisch zu betrachten und gleichzeitig ein plausibles Gegenmodell zu entwickeln. Also das Gegenteil einer »Verschwörungstheorie«. Die Grundfrage ist dabei ganz einfach: War wirklich alles Zufall? Oder etwa Absicht? Und so viel kann ich jetzt schon verraten: Am Ende dieses Buches wird der Titanic-Mythos nicht mehr derselbe sein.

Einleitung

Nordatlantik, 14. April 1912, 23 Uhr, etwa 1000 Kilometer vor der Küste von Neuschottland. Das Wasser ist glatt, ruhig und friedlich. Der Sternenhimmel strahlt hell, weist aber immer wieder seltsame Lücken auf, Stellen, an denen plötzlich die Sterne fehlen. Es sind Eisberge – viele Eisberge. In mondlosen und sternenklaren Nächten wie dieser erscheinen sie nicht weiß, sondern dunkel, ja schwarz. Erstens, weil kaum Licht auf sie fällt. Zweitens, weil viele davon schmutzig sind. Die Luft ist kalt, unter null Grad, das Wasser noch kälter – etwa minus zwei Grad.

Das, so viel steht fest, ist die Bühne für die Titanic, das damals größte Schiff der Welt, in jener Nacht. Aber alles andere ist unsicher: Wird sie wirklich, von einem Rekord versessenen Kapitän getrieben, in voller Fahrt von einem Eisberg überrascht werden und ihn rammen? Ist es wirklich der Eisberg, der das Schiff der Länge nach aufreißt, so dass es in kürzester Zeit sinkt? Wird das Mammutschiff wirklich aus diesem Grund in kürzester Zeit untergehen? Oder hat da vielleicht jemand nachgeholfen? Wird sie wirklich ganz allein im kalten, schwarzen Meer versinken, oder ist sie gar nicht so allein? Wird ihr angeblich tragisch gescheiterter Kapitän mit in den Fluten versinken – oder vielmehr auf noch nicht durchschaute Weise überleben? Kurz: Wohnen wir bei allem, was jetzt kommt, wirklich einem »tragischen Unglück« bei, oder wird sich dieses Unglück vor unseren Augen in ein Attentat verwandeln?

Seltsame Fragen, wird mancher sagen. Denn wie die Titanic gesunken ist, das »wissen« wir doch alle: Wobei ich mir erlaube, dieses Wort in Anführungszeichen zu setzen. In Wirklichkeit glauben wir nur, es zu wissen. Denn woraus besteht dieses Wissen? Vieles davon sind Falschmeldungen, Irrtümer, Mythen, Widersprüche, aber auch bewusste Lügen. Im Grunde genommen ist es wie bei jedem Mythos: Es gibt einen kleinen wahren Kristallisationskern und eine große Kruste aus überlieferten Motiven, Erzählungen und Erfindungen. Es ist in etwa so, als müssten wir Homers Ilias auf ihren wahren Kern hin untersuchen. In etwa – denn natürlich sind die Geschehnisse rund um die Titanic nicht ganz so weit weg, daher ist die »fiktionale Kruste« nicht ganz so dick.

© Interfoto/Miller

Die Titanic am Tag ihrer Abreise aus Southampton, am 10. April 1912

Ihr Kapitän, so lautet die überlieferte Geschichte der Titanic, sei in blindem Vertrauen auf das »unsinkbare« Schiff mit Volldampf auf einen Eisberg gerauscht, der sich unglücklicherweise genau auf seinem Kurs befand. Ende der Geschichte. Aber in Wirklichkeit ist dieser »tragische Unfall« trotz zweier Untersuchungen direkt nach dem Unglück und Hunderten von Büchern und Filmen auch heute noch nicht aufgeklärt.

Je größer das Verbrechen, umso weniger wird es hinterfragt

Interessanterweise standen die Chancen, diese Katastrophe aufzuklären, nämlich denkbar schlecht:

Die wichtigsten Akteure der Katastrophe (allen voran natürlich der Kapitän und die oberste Schiffsführung) waren tot oder verschollen, andere wurden nicht von den danach gegründeten Untersuchungskommissionen gehört. Und wieder andere, die gehört wurden, verfügten über ein äußerst schwaches Erinnerungsvermögen oder ein gespanntes Verhältnis zur Wahrheit.

Beweismittel, die in der gesamten Titanic-Berichterstattung seltsamerweise nie auch nur mit einem Wort erwähnt werden, waren ebenfalls verschwunden oder beseitigt worden: nämlich das Logbuch und die Seekarten des Schiffes.

95 Prozent der Titanic-Berichterstattung folgten dem Motto, dass nicht sein kann, was nicht sein darf: nämlich, dass Reederei und Schiffsführung den Dampfer mit voller Absicht in die Katastrophe gesteuert und möglicherweise sogar versenkt haben. Nach dem Motto: Je größer das Verbrechen, umso weniger wird es hinterfragt.

Aus alldem ergibt sich, dass einerseits unglaublich viele Fakten fehlen und andere Fakten, die gegen die Version des Unfalls sprechen, ausgeblendet werden. Ferner ergibt sich bereits daraus, dass das heute verbreitete Bild dieses Schiffsuntergangs auf äußerst wackligen Beinen stehen muss.

Dieses Buch wird daher den Versuch unternehmen, die zum Teil hundert Jahre alte fiktionale Kruste aus Lügen, Mythen und Propaganda über den Untergang der Titanic wegzuräumen, die Plausibilität eines Unfalls zu untersuchen und – sollte Letztere verneint werden – sich auf die Suche nach Spuren und Beweisen für ein Attentat zu begeben.

Damit das gelingt, müssen wir uns komplett von allem vermeintlich »Bekannten« trennen: von allen Bildern, Filmen und Erzählungen. Zugegeben – leicht ist das nicht: Wie soll man hundert Jahre voll mythischer, propagandistischer und vor allem emotionaler Erzählungen aus seinem Gedächtnis streichen? Die Männer, die im Ausguck von dem Eisberg »überrascht« werden, der Kapitän, der wahlweise »nichtsahnend« oder »größenwahnsinnig« in sein Unglück fährt, das hochaufragende Titanic-Heck, an dem sich verzweifelte Menschen festklammern und das dann plötzlich »abbricht«.

Das Titanic-Unglück und sein vermeintlicher Ablauf gehören inzwischen zum vielzitierten »kollektiven Gedächtnis« der Menschheit und sind zu einer Geschichte geworden, die schon lange keiner Konfrontation mit Fakten und grundsätzlichen Fragen mehr ausgesetzt wurde. In etwa so wie die Bibel. Ja, genau genommen ist der Untergang der Titanic kein historisches Ereignis im eigentlichen Sinne, sondern eine mythische Erzählung wie der Untergang von Troja. Aber was ist Wahrheit und was Fiktion?

Die seltsame Welt der Titanic: die Verschwörungstheorie

Um das herauszufinden, müssen wir uns kurz die seit hundert Jahren verbreitete »offizielle Verschwörungstheorie« über den Untergang der Titanic anschauen und erkennen, dass es sich überhaupt um eine Verschwörungstheorie handelt. Warum nenne ich es eine »offizielle Verschwörungstheorie«? Die Antwort: Weil sie von unseren offiziellen Medien verbreitet wird, und weil es dabei einen roten Faden oder eine »Linie« gibt. Und die besteht darin, dass man nicht müde wird, uns immer neue »Beweise« zu liefern, warum und wieso der Untergang der Titanic »ein tragisches Unglück« gewesen sein muss. All die vielen Jahre, in denen wir uns Spielfilme und Dokumentationen über diesen Schiffsuntergang angesehen haben, haben wir vor uns hin geschlafen und gar nicht gemerkt, wie gewaltig wir eingeseift werden. Und daher muss ich Sie und mich erst einmal aus diesem Dornröschenschlaf wecken, bevor wir wieder einen ungetrübten Blick auf den Untergang der Titanic werfen können.

Die Frage lautet also: Was ist logisch und plausibel? Was ist unwahrscheinlich? Und was widerspricht dem gesunden Menschenverstand? Gerade in letztere Kategorie fällt in Sachen Titanic verblüffenderweise vieles. Wir werden erstaunt sein, wie viel uns bei näherem Hinsehen als geradezu absurd und grotesk erscheint. Aufgefallen ist uns das bisher unter anderem deshalb nicht, weil wir seit hundert Jahren daran gewöhnt sind und regelrecht eingelullt wurden.

Verschwörungstheorie oder Negativ?

Eine Ansammlung von Falschdarstellungen und offensichtlichen Absurditäten nenne ich ein »Negativ« – ein System aus Weglassungen, Verdrehungen, falschen Tatsachenbehauptungen und manchmal auch Lügen. Kurz: ein Bild, auf dem Weiß zu Schwarz und Schwarz zu Weiß wird. In etwa wie beim 11. September 2001, bei den Attentaten auf John

F. Kennedy und auf Robert Kennedy oder bei dem angeblich überraschenden Angriff der Japaner auf Pearl Harbor 1941. Und während dieses Buch ein Negativ in ein Positiv umkehren will, machen Medienund Propagandaapparate genau das Gegenteil: Sie sind andauernd damit beschäftigt, unsere Realität in Negative zu verwandeln. Der Krieg gegen Libyen war eine humanitäre Aktion, Deutschland wird am Hindukusch verteidigt, wir alle retten den Euro, um nur einige aktuelle Beispiele zu nennen.

Aber wir haben eine gute Chance: Positive (also die Wahrheit) sind meistens stabiler als Negative. Da Letztere künstlich erzeugt wurden, drohen Negative über kurz oder lang zu zerfallen. Daher benötigen sie eine aufwendige »Wartung«. Diese »Wartung« besorgen unsere Medien, indem sie die Negative immer wieder auffrischen, ausmalen und ausschmücken. Dazu bringen sie immer neue »Entdeckungen« und angebliche »Erkenntnisse« heraus, die das Negativ stabilisieren sollen. So wird beispielsweise das Kennedy-Attentat seit Jahrzehnten mit immer neuen »Dokumentationen« und »neuen Beweisen« für die Einzeltätertheorie (also das Negativ) »gewartet«, die Attentate des 11. September ebenso. Und auch der Untergang der Titanic ist ein solcher »gewarteter Mythos«.

Negativ1: Titanic, derFilm

Titanic – wer erinnert sich nicht an diesen Film (Regie und Drehbuch James Cameron, USA 1997)? Zum hundertelften Jahrestag der Titanic-Katastrophe wird er wieder aufgewärmt und dem Publikum mit einem großen Medienspektakel als 3-D-Version serviert: das ergreifende Liebesdrama zwischen dem hohen Töchterlein Rose, gespielt von Kate Winslet, und dem Dritte-Klasse-Passagier Jack, gespielt von Leonardo DiCaprio. Wer hat nicht manche Träne vergossen, als die beiden mit ausgebreiteten Armen am Bug des Riesenschiffes standen und der Nacht entgegenfuhren? Erst recht, als sie im eiskalten Nordatlantik lagen und Jack dabei erfror?

Natürlich haben wir das. Doch während wir damals dachten, einen besonders rührenden Liebesfilm zu sehen, wurden wir in Wirklichkeit Opfer einer ausgeklügelten Propaganda-Operation. Die Emotionen dienten dabei lediglich als Schluckhilfe oder besser: als Echtheitsstempel. Denn die Frage ist ja: Können so echte Gefühle einer völlig falschen Geschichte entstammen? Natürlich nicht: Echte Emotionen, so glaubt man unbewusst, können auch nur von echten Ereignissen ausgelöst werden.

Die Emotionen dienen jedoch nur dazu, den Geist zu öffnen, um ihm dabei eine ganz bestimmte Version des Titanic-Unglücks unterzujubeln. Oder wie Regisseur James Cameron diesen Mechanismus beschrieb: »Wenn wir als Zuschauer in der Lage sind, uns in Jack und Rose zu verlieben, so wie sie sich ineinander verlieben, dann gelingt es uns, ihnen nicht nur zuzuschauen, sondern ihnen auch über die Schulter zu blicken und schließlich durch ihre Augen eine der schrecklichsten Nächte des zwanzigsten Jahrhunderts zu überleben.« 1

Den Untergang der Titanic soll man in diesem Hollywood-Spektakel aus dem Jahr 1997 nicht logisch, sondern emotional begreifen: »Um die Tragödie der Titanic völlig verstehen zu können, muss man in der Lage sein, sie auf menschlicher Ebene zu verstehen«, erzählt Regisseur Cameron: »Also schien es notwendig, dem Publikum eine Art emotionalen Leitfaden zu geben, indem man ihm zwei Hauptcharaktere mit auf den Weg gibt, mit denen es sich identifizieren kann, um diese beiden dann anschließend durch die Hölle gehen zu lassen.«

Genau auf diese Weise werden Katastrophen immer wieder medial aufgearbeitet, zuletzt zum Beispiel die Attentate des 11. 9. 2001. Auch diese wurden immer wieder aus der emotionalen Perspektive von Betroffenen erklärt – und weniger aus der Perspektive von Wissenschaft und Logik. Während sich der menschliche Widerspruchsgeist gegenüber sachlichen Argumenten durchaus regt, erlahmt er im Angesicht des Leids von Opfern einer so schrecklichen Katastrophe. Die emotionale Betroffenheit von Katastrophenopfern macht den Betrachter wehr- und sprachlos.

Der Trick mit der Zeitzeugin

Die Story: Ein Forscher- bzw. Schatzsucherteam sucht an Bord des Titanic-Wracks einen sagenumwobenen blauen Diamanten. Doch statt des Edelsteins finden sie nur das Aktgemälde einer Frau mit dem Diamanten um den Hals. Im Fernsehen sieht eine alte Frau namens Rose einen Bericht über diese Forschungsarbeiten. Das Aktgemälde aus dem Titanic-Tresor erkennt sie als ihr eigenes Porträt wieder, das ihr damaliger Liebhaber an Bord der Titanic von ihr angefertigt hat. Sie ruft auf dem Forschungsschiff an und erklärt, dass sie die Frau auf dem Gemälde sei. Weil man sich von ihr Aufschluss über den Verbleib des Diamanten erhofft, den sie auf dem Bild um den Hals trägt, wird sie mit einem Hubschrauber an Bord geflogen.

Das hohe Alter und die Gebrechlichkeit der Rollstuhlfahrerin machen sie zu einer unangreifbaren (aber natürlich fiktiven) Zeitzeugin. Das Alter, die Gebrechlichkeit und ihre Erinnerungen erzeugen beim Zuschauer Respekt. Und natürlich der Opferstatus, den sie als Überlebende des Titanic-Desasters mit sich herumträgt. Ihr blasser Teint und ihre dünnen, weißen Haare geben ihr etwas Vergeistigtes. Die alte Frau ist in dem Film die unantastbare Quelle, aus der sich die Geschichte, die der Regisseur erzählen will, über uns ergießt. Niemand würde es wagen, der betagten, gebrechlichen Rose zu widersprechen – nicht im Film und auch nicht vor der Leinwand. Was sie nun der Besatzung des Forschungsschiffes (und natürlich auch den Zuschauern) erzählt, sind schließlich ihre persönlichsten, intimsten und zartesten Erinnerungen, und selbst wenn sie nicht genau sein sollten: Einer so alten Dame darf man ihre Erinnerungen ja schließlich nicht nehmen. Quasi mit dem Nimbus einer Holocaust-Überlebenden ausgestattet, werden ihre Erinnerungen praktisch unangreifbar. Damit ist der Zuschauer seiner wichtigsten Waffe beraubt – seines kritischen Verstands. Ab nun erhält alles, was in dem Film erzählt wird, den Segen von Rose, der altehrwürdigen überlebenden Zeitzeugin – die, wie gesagt, erfunden ist.

»Ziemlich cool, hä!?«

Sehr wichtig ist zunächst einmal, dass der Zuschauer die offizielle Version des Untergangs schluckt. Also spielt ein Crewmitglied des Forschungsschiffes mit dem Filmnamen Lewis Bodine Rose an einem Bildschirm eine Animation des Unterganges vor: »Sie rammt den Eisberg mit der Steuerbordseite, stimmt’s? Sie schrammt an ihm entlang und reist sich lauter Löcher in die Seite, wie Morsecode – piep, piep, piep! Das Ganze geschieht unterhalb der Wasserlinie. Die vorderen Abteilungen beginnen vollzulaufen. Jetzt, wo der Wasserstand weiter steigt, läuft das Wasser über die Schotten hinweg, die unglücklicherweise nur bis zum E-Deck reichen. Und damit beginnt der Bug zu sinken, und das Heck hebt sich. Am Anfang noch langsam und dann immer schneller und schneller, bis irgendwann der gesamte Arsch steil in die Luft ragt. Und das ist ein gewaltiger Arsch, wir reden hier von zwanzig-, dreißigtausend Tonnen. Okay: Der Rumpf kann einer so starken Belastung nicht standhalten. Also, was passiert: kkrk, sie bricht durch – runter bis zum Kiel. Das Heck fällt wieder zurück in seine alte Position. Dann, als der Bug sinkt, zieht er das Heck in die Vertikale und bricht dann schließlich weg. Das Heck treibt in dieser Position noch ein paar Minuten wie eine Art Korken, läuft dann voll und geht um etwa 2.20 Uhr unter – 2 Stunden und 40 Minuten nach der Kollision. Der Bug driftet davon und schlägt etwa eine halbe Meile entfernt mit einer Geschwindigkeit von 20 bis 30 Knoten auf den Grund. Bum. Ziemlich cool, hä?«

Der Ritterschlag einer Zeitzeugin

Ein riesiges Stahlschiff, das beim Untergang einfach auseinanderbricht, ist die erste dicke Kröte, die der Zuschauer zu schlucken hat. Entscheidend ist daher, wie die »heilige Zeugin« Rose auf diese Darstellung reagiert. Und siehe da: Von Rose bekommt das Trickfilmchen einen Gütestempel. Sie nennt es eine »präzise forensische Analyse«. Mit diesen Worten bedankt sie sich bei Lewis Bodine. Damit ist das schon mal als hundertprozentige Wahrheit abgehakt.

Anschließend erhebt sich Rose und bewegt sich auf einen Bildschirm zu, auf dem Videoaufnahmen des versunkenen Wracks zu sehen sind, die das Forscherteam aufgenommen hat. Die verfallenen Strukturen des Wracks werden dabei plötzlich mit den historischen intakten Räumen der Titanic überblendet und damit gleichgesetzt: Plötzlich wird man quasi von Rose in das Innere der Titanic geführt, wo einem zwei Diener die Türen öffnen. Wie der Zuschauer meint, um ihm eine anrührende Liebesgeschichte zu erzählen. In Wirklichkeit, um ihm in einem Zustand optimaler psychologischer Vorbereitung eine ganz bestimmte Version des Titanic-Untergangs zu verkaufen.

Die Entlastung des Kapitäns

Auf der Titanic trifft man Rose als wunderschönes junges Mädchen der High-Society wieder, und man sieht die Hauptakteure dieser Katastrophe mit ihren Augen. Die Hauptrollen werden gleich konsequent besetzt: Der Kapitän als lächelnder und sanftmütiger Seebär, der ebenfalls an Bord anwesende Titanic-Reeder und Chef der White Star Line Bruce Ismay als Bösewicht und geschniegelter, aalglatter Geschäftsmann, der den netten, sympathischen Seebären Smith nötigt, schneller zu fahren, als dieser eigentlich will.

Ismay wird damit schon über das Casting des Darstellers psychologisch beschuldigt, am Untergang der Titanic schuld zu sein. Die Presse habe nun die Größe der Titanic bewundert, lässt Regisseur Cameron Ismay sagen, nun müsse sie die Geschwindigkeit des Schiffes bewundern. Den Einwand des Kapitäns, die neuen Maschinen müssten erst eingefahren werden, ignoriert der Film-Ismay.

In Wirklichkeit trägt der Kapitän, so viel sei schon einmal gesagt, wie jeder andere Kapitän auch, die alleinige und volle Verantwortung an Bord des Schiffes und damit auch für den Untergang. Überspitzt formuliert ist niemand anderer als der Kapitän der »Killer« von 1500 Menschen.

Diese Entlastung des Kapitäns reicht Cameron daher noch nicht. Der Kapitän wird weiter aus der Schusslinie genommen, indem die Zahl der Eiswarnungen, die der Schiffsführer vor dem Unglück erhalten haben muss, heruntergespielt wird. Während in Wirklichkeit mindestens ein halbes Dutzend Eiswarnungen auf der Brücke ankamen, wird im Film gezeigt, wie Smith gerade mal eine Eiswarnung erhält. Auf diese Weise fällt es leichter, sie wegzuerklären.

Zwischendurch treten wieder die Figuren aus dem Forschungsschiff auf. Die Filmfigur Lewis Bodine, der Rose zuvor die Animation vom Untergang der Titanic gezeigt hatte, spielt den Advocatus Diaboli, indem er Smith beschuldigt: »Dieser Smith steht einfach da und hat ’ne Eisbergwarnung in seiner Scheißhand – entschuldigen Sie bitte –, in seiner Hand, und er ordnet eine noch höhere Geschwindigkeit an!«

Erfahrung trübt den Blick

Dieses Problem wird aufgegriffen, weil sich diese Frage jeder vernünftige Mensch stellt. Der Film-Expeditionsleiter Lovett antwortet darauf mit einer geradezu abenteuerlichen Entschuldigung. Demnach ist die große Erfahrung des Kapitäns nicht etwa von Vorteil gewesen und ein Widerspruch zu seinem unverantwortlichen Verhalten. Vielmehr hätten seine »26 Jahre Erfahrung … seinen Blick getrübt«.

Das ist natürlich merkwürdig. Dachten wir nicht bisher, dass Erfahrung den Blick schärft, statt ihn zu trüben? Genau deshalb werden verantwortungsvolle Aufgaben ja auch nicht Anfängern, sondern erfahrenen Menschen anvertraut. Aber Erfahrung scheint in amerikanischen Spielfilmen eher etwas Hinderliches zu sein.

Wobei das noch nicht alles ist. Absurditäten, und das ist ein weiteres Gesetz, das für alle Negative zutrifft, lassen sich nun mal nur mit Absurditäten wegerklären. Deshalb heißt es weiter: Smith »dachte, dass man alles, was groß genug wäre, das Schiff zu versenken, rechtzeitig sehen würde«. Was sich ganz so anhört, als hätte Smith jeder andere Unfall gar nicht gekümmert. Autofahrer aller Länder, vereinigt Euch: Unfälle, Blechschäden, Verletzte – alles egal, solange das Auto nur keinen Totalschaden erleidet! Einfach draufhalten, solange das Schiff nur nicht sinkt, ist jedoch eine äußerst gewöhnungsbedürftige Berufsauffassung, die wahrscheinlich nur im Zusammenhang mit der Titanic zu beobachten war – denn sonst gäbe es schließlich reihenweise Schiffsunfälle auf unseren Meeren, Passagiere würden verletzt und Schiffe schwer beschädigt, und die gesamte Schifffahrt würde zu einem einzigen Draufgängertum und Verlustunternehmen werden. Natürlich war das in Wirklichkeit nicht so. Wie wir noch sehen werden, hatten andere Schiffe in der Nähe der Titanic über Nacht sogar angehalten.

Hier sehen wir also bereits ein schönes Beispiel einer »Negativlogik«, wie man sie immer wieder im Zusammenhang mit dem Untergang der Titanic antrifft. In Wirklichkeit hat ein Schiffsführer natürlich jeden Schaden zu vermeiden, nicht nur solche, die das Schiff zum Sinken bringen. Aber in dem Lernprogramm des Films geht es auf diese Weise munter weiter. Schließlich gilt es, dem Publikum noch jede Menge Kröten zu verabreichen: »Für die Größe des Schiffes war das Ruder viel zu klein«, sagt Expeditionsboss Lovett als Nächstes: »Damit konnte man keine Kurve nehmen.« Klar: Und dies wurde nicht nur einmal übersehen, sondern gleich dreimal, denn schließlich hatte die Titanic ja noch zwei nahezu baugleiche Schwesterschiffe. Fragt sich nur, wie die Titanic mit einem Ruder, »mit dem man keine Kurven nehmen konnte«, aus den Häfen auslaufen konnte.

Ausreden, die Verdacht erregen

Das sind Ausreden, die Verdacht erregen: Warum hat der Untergang der Titanic diese Art von Faktenpfuscherei nötig?

Ein entscheidendes Lernprogramm ist auch der Zusammenprall der Titanic mit dem Eisberg. Dabei sieht man hoch oben in ihrem »Krähennest« zwei frierende Ausguckwachen mit bloßen Augen in die Dunkelheit starren, bis sie plötzlich einen völlig einsamen Eisberg vor sich auftauchen sehen. Das Meer rundherum ist vollkommen leer und glatt. Das Problem ist nur: Ein Eisberg kommt selten allein. Denn warum sollte sich ein einzelner Eisberg ganz allein so weit südlich befinden? Was war an diesem Eisberg so besonders? War das Eis etwa anders zusammengesetzt als das der anderen Eisberge? Wenn dieser Eisberg so weit nach Süden treiben konnte, warum dann nicht auch andere?

Und tatsächlich ist auch dies schon wieder eine in den Film eingebaute Legende – denn in Wirklichkeit fanden sich die Überlebenden bei Tagesanbruch in ihren Rettungsbooten in einem riesigen Eisfeld aus zahlreichen Eisbergen wieder – eine Geschichte, die der Film nicht erzählt. Die Legende vom einsamen Eisberg soll dafür das einmalige Pech illustrieren, das die Titanic in jener Nacht angeblich hatte.

In einem kurzen Dialog der Wachen im Ausguck wird eine weitere Ungereimtheit aufgegriffen, die darin besteht, dass Eisberge zwar oft weithin riechbar sind, von den Leuten auf der Titanic seltsamerweise aber nicht wahrgenommen wurden: »Und du willst Eis riechen können?«, sagt die eine Wache zur anderen. »Meine Güte!« Womit die Vorstellung, dass man Eisberge nicht nur sehen, sondern möglicherweise auch riechen kann, als vollkommen absurd hingestellt wird. Was sie aber nicht ist. Denn da Eisberge oft auftauendes organisches Material mit sich führen, können sie einen recht auffälligen Geruch verbreiten.

Geisterfahrer auf der Brücke

Bei dem folgenden Zusammenstoß geht, was die meisten Zeitzeugen an Bord der Titanic wirklich so erlebt haben, lediglich ein Zittern durch das Schiff. Auf den Tischen wackeln die Gläser. Ob der Rumpf unter Wasser dabei aber wirklich der Länge nach aufgerissen wird, ist bereits fraglich. Denn gesehen hat das freilich niemand. Auch am Wrack kann man es heute nicht sehen. Und sollte sich das so abgespielt haben, war der Zusammenstoß nur die logische Quittung für das Verhalten der Geisterfahrer auf der Brücke, die stundenlang sämtlichen Warnungen zum Trotz auf das Eisfeld zurasten. Aber so wird dies natürlich nicht dargestellt. Vielmehr legt der Film, wie bereits angedeutet, größten Wert auf die Entlastung des Kapitäns, des in Wirklichkeit allein Verantwortlichen an Bord.

Nach der Kollision erklärt der ebenfalls an Bord anwesende Titanic-Konstrukteur Thomas Andrews dem Film-Kapitän anhand einer Zeichnung die Folgen des Zusammenstoßes mit dem Eisberg. Er setzt damit die Erklärung fort, die zu Beginn des Streifens Lewis Bodine anhand einer Animation Rose gegeben hatte. Der Unterschied ist: Nun ist der Zuschauer selbst auf der Titanic »dabei«. Er hört »selbst« die Erklärungen des Chefkonstrukteurs der Titanic gegenüber dem Kapitän und kann sich mit seinen eigenen Ohren überzeugen, dass die vorhin gegebene Analyse des Untergangs richtig war.

»Das sind fünf Abteilungen!«, sagt Andrews: »Wenn vier Abteilungen vollgelaufen sind, hält sie sich noch über Wasser. Aber nicht bei fünf! Nicht fünf! Wenn der Bug absinkt, dann läuft das Wasser über die Schotten im E-Deck von einer Abteilung zur nächsten. Immer weiter und weiter. Es ist nicht aufzuhalten.« Ob diese Geschichte authentisch ist, ist fraglich. Denn die Beteiligten waren nach dem Unglück entweder tot oder verschollen oder hatten ein gespanntes Verhältnis zur Wahrheit, wie beispielsweise der Titanic-Reeder Bruce Ismay.

Der Kapitän hatte ja keine Ahnung!

Interessant daran ist aber, dass die Szene, woher auch immer sie stammen mag, nicht nur zur Bestätigung des anfangs dargestellten Untergangsszenarios dient – sondern eben auch der weiteren Entschuldigung des Kapitäns. Denn der lauscht den Worten des Chefkonstrukteurs so schockiert, als würde er zum ersten Mal etwas über die Konstruktion seines Schiffes hören. Was natürlich Unsinn ist. Denn obwohl es sich um die Jungfernfahrt handelt, ist das Schiff für ihn keineswegs neu. Zuvor befehligte er bereits ein Dreivierteljahr das Schwesterschiff Olympic, das dabei interessanterweise ebenfalls gerammt und leck geschlagen wurde. Die überraschten Blicke des Film-Kapitäns bei den Darlegungen des Schiffskonstrukteurs erscheinen also als eine schlechte Apologetik. Die Botschaft an das Massenpublikum lautet: »Smith hatte ja keine Ahnung!«

»Von diesem Augenblick an ist es ganz egal, was wir tun, die Titanic wird untergehen«, sagt der Film-Chefkonstrukteur bei der Besprechung zu dem Kapitän und dem Reeder Ismay. Eine wichtige Botschaft: Sie konnten nichts mehr tun.

Zwar war am Untergang der Titanic ab einem bestimmten Punkt vielleicht wirklich nichts mehr zu ändern. Sehr wohl aber an der Geschwindigkeit und den Folgen des Untergangs: Zum Beispiel hätte man die Lecks bekämpfen können. Oder man hätte die Rettungsboote ordnungsgemäß beladen können.

Die Entlastung der eigentlich Verantwortlichen ist, wie gesagt, jedoch ein Hauptanliegen des Films. Und damit wird es immer interessanter. So wurde dem Reederei-Chef Ismay zwar früher unterstellt, Smith zur Eile angetrieben zu haben. In der Szene mit der Lagebesprechung wird Ismay jedoch von einem viel schlimmeren Verdacht reingewaschen, nämlich, die Katastrophe auf irgendeine Weise sogar bewusst herbeigeführt zu haben und über deren Ausmaß von Anfang an im Bilde gewesen zu sein.

Vermutlich hat das etwas damit zu tun, dass die Schifffahrtsgesellschaft der Titanic, die White Star Line, 1995 in einem Buch beschuldigt worden war, mit dem Untergang einen Versicherungsbetrug begangen zu haben. Und tatsächlich könnte der 1997 erschienene Film Titanic darauf die Antwort gewesen sein. Denn genau wie jemand, der nicht die leiseste Ahnung von dem Umfang der Katastrophe hat, fragt der Film-Ismay nun energisch in die Runde: »Wann können wir weiterfahren!?« Ganz so, als habe er vom wirklichen Ausmaß des Schadens keine Ahnung.

Ein Konstrukteur bekennt sich schuldig

Schuldig gesprochen wird Ismay nur eines menschlicheren Verbrechens, nämlich der Eitelkeit, das Schiff möglichst schnell und öffentlichkeitswirksam über den Atlantik bringen zu wollen. Wenn, dann ging es ihm nur um Publicity: »Ich vermute, Sie werden Ihre Schlagzeilen kriegen, Mr. Ismay!«, sagt der Film-Kapitän, um dieses Motiv noch einmal festzuklopfen. Dabei ist das schon wieder eine irreführende Darstellung. Denn natürlich trägt an Bord eines Schiffes allein der Kapitän die Verantwortung, und zwar auch dann, wenn Gott persönlich ihm befehlen würde, schneller zu fahren.

Die Zielstrebigkeit und Systematik, mit der der Kapitän entlastet werden soll, erregt Verdacht. Entweder werden andere beschuldigt, oder sie nehmen die Schuld von sich aus auf sich: »Es tut mir leid, dass ich Ihnen kein stabileres Schiff gebaut habe, kleine Rose«, verabschiedet sich Film-Chefkonstrukteur Thomas Andrews auf dem sinkenden Schiff von der Hauptperson Rose. Was heißt hier »stabileres Schiff«? Hat der Konstrukteur den Eisberg gerammt oder der Kapitän? Das wäre so, als würde sich VW für einen Totalschaden an einem Auto entschuldigen, das jemand mit voller Wucht gegen einen Baum gefahren hat. Aber Rose, das Opfer, das beim Untergang der Titanic ihren Geliebten verlor, segnet diese Logik ab, indem sie Andrews inniglich umarmt und ihm Absolution erteilt. Die Botschaft: Sie alle sind schließlich irgendwie tragisch gescheitert: Der eine an seiner Eitelkeit, der andere an seiner Erfahrung, der Dritte vielleicht an seiner technischen Befangenheit.

© Mary Evans Picture Library, ONSLOW AUCTIONS LIMITED

Edward John Smith: Der Kapitän,derdie Titanic aufdenGrunddesMeeresfuhr

Danach geht es in dem Film zum ersten Mal um Navigation, als der Kapitän für den Funker die Position der Titanic auf ein Blatt Papier schreibt (»41 46’ N 50 14’ W«). Ein bisschen spät, denn eigentlich hätte es in dem Film statt um Liebesspiele, Eifersuchtsdramen und Bankette schon viel früher um Navigation gehen müssen. Ja, eigentlich hätte die Navigation das Hauptthema des Films sein müssen. Denn das ist der eigentliche Schlüssel zum Verständnis des Titanic-Dramas, ohne den man dieses Ereignis nicht nachvollziehen kann. Verstehen ist daher auch nicht das Anliegen des Streifens, sondern Verschleierung. Die Navigation wird fein säuberlich aus dem Film herausgehalten: An Bord der Film-Titanic sieht man den Kapitän alles Mögliche tun – eine Messe besuchen oder Tee trinken –, aber sich niemals auch nur über eine einzige Seekarte beugen. Denn würde man das sehen, würde die Geschichte vom unglücklichen Zusammenprall mit einem Eisberg sofort in sich zusammenbrechen.

Alles dumme Zufälle?

Während die Film-Titanic sinkt, werden nun die halb leeren Rettungsboote thematisiert. Auch hier gibt es selbstverständlich jede Menge wegzuerklären: Warum hatte die Titanic nur so wenige Rettungsboote an Bord? Und warum wurden sie nicht wenigstens bis zum letzten Platz gefüllt?

Schon früher gab es eine Szene, in der Film-Konstrukteur Andrews der weiblichen Hauptfigur Rose bei einem Spaziergang an Deck beiläufig erklärt, warum nur so wenige Rettungsboote an Bord seien – nämlich, weil man die Deckpromenade nicht zustellen wollte. Ein berühmter (echter) Überlebender der Titanic, Lawrence Beesley, der nach der Katastrophe ein Buch über den Untergang der Titanic schrieb, war da anderer Meinung: »Es gab Platz auf dem Deck der Titanic, um mehr Boote und Flöße aufzubewahren …« 2 Und auch der echte Konstrukteur der Titanic sah keine Probleme, jede Menge Boote an Deck unterzubringen, wie wir noch sehen werden.

Vielleicht ist es einer der wenigen ehrlichen Augenblicke des Films, als Konstrukteur Andrews den Zweiten Offizier Lightoller während des Untergangs zur Rede stellt, warum die Boote nur halb voll seien. Dabei fängt der Zweite Offizier an, sich zu winden. Erstmals ist auch in diesem Film eine faule Ausrede als faule Ausrede erkennbar, als Lightoller herausstammelt, man habe geglaubt, die Boote würden beim Hinunterlassen (Abfieren) mit voller Beladung (65 Personen) das Gewicht der Insassen nicht tragen. Eine geradezu groteske Idee. Denn selbstverständlich wurden die Boote samt den Auslegern (Davits), an denen sie hingen, ausschließlich für den Zweck konstruiert, das Schiff möglichst schnell zu räumen – was natürlich nur mit voll beladenen Booten ging. Die andere Möglichkeit, nach dem Wassern Passagiere an Bord zu nehmen, war weder sinnvoll noch sicher oder vorgesehen. Deshalb entgegnet selbst der Film-Andrews auf diese Ausrede, man habe die Boote sehr wohl mit siebzig Personen getestet, was auch tatsächlich den historischen Tatsachen entspricht.

Die Opfer sind selbst schuld

Die Umverteilung von Schuld und Verantwortung ist, wie gesagt, jedoch ein Hauptanliegen des Films. Auch die Schuld am Tod berühmter Passagiere vom Schlage eines Benjamin Guggenheim (einer der reichsten Männer an Bord, der angeblich gelassen in den Tod ging) wird den Opfern selbst zugeschoben.

Das funktioniert so: Ein Besatzungsmitglied bietet Guggenheim und seiner Begleitung Schwimmwesten an, aber der lehnt mit den Worten ab: »Wir sind angemessen gekleidet und bereit, wie Gentlemen unterzugehen. Aber wir hätten gerne einen Brandy.« Botschaft: Man habe den Mann ja retten wollen, aber der habe es selber abgelehnt. Stattdessen habe er es regelrecht genossen, sich als unerschrockenen Gentleman zu inszenieren und sich zu diesem Zweck gekleidet wie für einen festlichen Empfang.

Später sieht man Guggenheim mit einem Glas Brandy im Treppenhaus sitzen und auf den Tod warten. Des Menschen Wille ist eben sein Himmelreich, so die Botschaft. Mit ein wenig Recherche hätte Titanic-Regisseur Cameron herausfinden können, dass es sich bei dieser Geschichte nur um eine schlecht belegte Legende handelt.

Ein physikalisch unmögliches Phänomen

Schließlich beschäftigt sich der Film gegen Ende mit dem bereits erwähnten merkwürdigen Umstand, dass die hochstabile Stahlkonstruktion der Titanic in der Mitte auseinanderbrach und das Schiff so ab einem bestimmten Punkt nahezu schlagartig unterging. Dabei wird man plötzlich mit einem physikalisch unmöglichen Phänomen konfrontiert. Und zwar sieht man zwei Drittel bis drei Viertel des Schiffes (nämlich das Heck) steil aus dem Wasser ragen. Das heißt also, dass das Schiff vorne nur noch mit einem Viertel bis einem Drittel quasi im Wasser »steckt« wie in festem Beton. So soll in dem hochaufragenden Heck ein gewaltiger Hebel entstanden sein, der erklären soll, warum das Schiff in der Mitte durchgebrochen ist. Nur leider ist Wasser nun mal kein Beton und der Vorgang daher physikalisch so nicht möglich. Ein so großer Teil des Schiffes kann nicht steil aus dem Wasser ragen. Wenn überhaupt, dann könnte vielleicht ein Viertel des Schiffes aus dem Wasser schauen. Das heißt, das Auseinanderbrechen des Schiffes funktioniert hier nur durch einen optischen Trick, der mit der Realität nichts zu tun hat.

Titanic – ein didaktisches Projekt

Na und? Das ist doch nur ein Spielfilm! Phantasie! Keineswegs, vielmehr stellen die Macher den Film selbst als historisch genaue Erzählung dar, und daher muss man sie auch daran messen: »Ich habe es zum obersten Ziel dieser Produktion gemacht«, heißt es in Camerons Buch zum Film, »die Fakten kompromisslos so wiederzugeben, wie sie sich abgespielt haben«. 3 «Endlose Nachforschungen, auch während der Produktion« seien »der Schlüssel zu historischer Genauigkeit« gewesen. »Ich wollte dem Zuschauer ohne Schuldgefühle sagen können: Das ist echt. So hat es sich abgespielt. Genau so.« 4

»Die Kombination aus Miniaturen, lebensgroßen Modellen und Computeranimationen erweckt das Prachtschiff buchstäblich wieder zum Leben – und lässt es ebenso authentisch sterben«, bliesen die Medien in dasselbe Horn (hier die Website der Zeitschrift Cinema). Der Film sei eine »spannende Geschichtsstunde« und ein »Lehrstück« über die irrige Annahme des Menschen, die unverwundbare Krone der Schöpfung zu sein. Regisseur James Cameron erzähle »das Märchen einer tragischen Liebe vor dem realen Hintergrund der Titanic-Katastrophe«, heißt es auch in der Filmbeschreibung auf amazon.de, ganz als wäre die Katastrophe genauso passiert wie im Film erzählt. Camerons größte Leistung bestehe dabei »nicht darin, dass er den Untergang des weltberühmten Schiffes mit allen Mitteln der Technik absolut detailgetreu [!] wiedergibt, sondern dass Gefühle in seinem Meisterwerk zu jeder Zeit über die makellosen Effekte triumphieren«, heißt es auf kino.de.

Doch das ist nicht der eigentliche Punkt. Denn in Wirklichkeit triumphieren die Gefühle jederzeit über den Verstand – und das ist auch der Sinn der Sache. Ich sage nur: »Liebe macht blind.« Und um einen Liebesfilm handelte es sich ja auch.

Negativ2:»DerUntergangderTitanic«

Aber Mythen, Negative oder offizielle Verschwörungstheorien werden nicht nur emotional gewartet, sondern auch pseudowissenschaftlich. Und diese »Wartung« ist auch bitter nötig, denn bei näherem Hinsehen ist die Geschichte der Titanic ja voll von Absurditäten. Dass hier erheblicher »Wartungsbedarf« besteht, ist keine Frage. Und deshalb kommen wir nun zu einer weiteren Wartungsoperation, die auch das bedenklich leckende »logische Schiff« der Titanic wieder flottmachen soll.

Ein Kerl wie Samt und Seide

Nehmen wir als zweites kurzes Beispiel noch die Dokumentation »Der Untergang der Titanic« von National Geographic aus dem Jahr 2006 (Regie: Alex Dunlop), regelmäßig abgespielt von dem Sender N24 (Sie finden den Film auch auf meinem YouTube-Kanal). Zwar, so heißt es in der Dokumentation zunächst korrekt, gab es nach der Katastrophe zwei Untersuchungen, bei denen 41000 Fragen gestellt wurden, »doch man kommt zu keinem definitiven Ergebnis, was das tragische Unglück verursacht haben könnte«. Mit anderen Worten – und das räumt demnach auch die offizielle Berichterstattung ein – ist die eigentliche Ursache für den Untergang der Titanic bis heute ungeklärt.

Aber prompt verspricht die Sendung: »Heute können wir durch hochmoderne kriminalwissenschaftliche Untersuchungen und ein bahnbrechendes Experiment die versteckten Schwächen des berühmtesten Schiffes der Geschichte aufdecken.« Denn siehe da: Genau wie das World Trade Center, das über dreißig Jahre lang mitten in New York stand, verfügte auch die Titanic über bis dahin unerkannte, geheimnisvolle Schwächen, die sie für eine Begegnung mit einem Eisberg so schrecklich anfällig machten. Genauso anfällig wie das World Trade Center für plötzlich einschlagende Flugzeuge. Und diese bis dahin völlig unbekannten, geheimnisvollen Schwächen wird nun der US-Militärapparat aufdecken, und zwar in Gestalt von Commander Brian Penoyer, einem Unfallermittler der US-Küstenwache, der sich in der Dokumentation auf Spurensuche begibt.

Dieser strahlende Supermann im gestärkten Zwirn »hat nahezu 400 Vorfälle auf See untersucht«, heißt es da. Dabei sieht man den schnieken Uniformträger behende die Treppe zu einer riesigen Bibliothek erklimmen: »Ein Kerl wie Samt und Seide«, der dem verstörten Publikum nun endlich erklären wird, warum die Titanic wirklich gesunken ist. In Zeitlupe schreitet Penoyer mit ernster Miene durch die Kongressbibliothek in Washington wie weiland der Terminator Arnold Schwarzenegger, um das entsetzliche Titanic-Chaos aufzuräumen.

Die Männer im Ausguck der Titanic, greift die Dokumentation direkt in das Panoptikum der Titanic-Absurditäten, arbeiteten »ohne Ferngläser«: »Durch ein Missverständnis in Southampton wurden sie von einem Offizier weggeschlossen, der samt dem Schlüssel das Schiff verließ.« Dazu sieht man in einer Spielszene, wie ein Matrose ein großes Fernglas in ein Holzschränkchen stellt und es abschließt.

Tja, da kann man freilich nichts machen: Zu gerne hätten die beiden Männer im Ausguck des damals teuersten und größten Ozeanliners aller Zeiten ihre Umgebung genauer untersucht. Wäre da nicht diese blöde Sache mit den Ferngläsern gewesen. Da hatte der von Bord gegangene Offizier also tatsächlich die Ferngläser in einem Schränkchen weggeschlossen, zu dem es auch keinen Zweitschlüssel gab. Und kein Schlosser und kein Schiffszimmermann, von denen es an Bord mehrere gab, wurde gerufen, um die lebenswichtigen Werkzeuge aus ihrem Versteck zu befreien. Und geliehen bekam der Ausguck Ferngläser auch nicht. Da war die Schiffsführung offenbar bockig.

Diesen Irrsinn an Bord der Titanic nimmt die Dokumentation einfach so hin, und deswegen erscheint er einem ganz selbstverständlich. Die sich nun aufdrängende nächste Frage wird gleich geklärt: Wenn es an Bord der Titanic aus irgendeinem unbekannten Grund unmöglich war, dem Ausguck ein Fernglas zu geben, hätte man dann nicht wenigstens die Geschwindigkeit des Schiffes drosseln können?

Rasen ist relativ

War Kapitän Smith also ein »skrupelloser Raser«? Hat Smith etwa einen schweren Fehler begangen? Nicht doch: Smith war genauso wenig ein Raser wie ein Porschefahrer, der mit 180 durch eine geschlossene Ortschaft fährt. Denn schließlich hätte er ja noch viel schneller fahren können – zwei Kessel seien nämlich gar nicht in Betrieb gewesen. Was »Rasen« ist, definiert sich also nicht im Verhältnis zur Umgebung, sondern an den Möglichkeiten des Vehikels – eine interessante Auffassung, die man bei der nächsten Verkehrskontrolle unbedingt ins Feld führen sollte.

Die Besatzung der Titanic wird auch hier mit Ausreden entschuldigt, bei denen es normalen Menschen die Schamesröte ins Gesicht treibt. Aber zum Rotwerden bleibt noch Zeit genug. Denn es kommt noch dicker.

Außerdem können Sie der Polizei bei Ihrer nächsten Geschwindigkeitsübertretung erklären, dass hier schließlich alle rasen! Denn die Raserei der Titanic in dem Eisfeld, erklärt die Dokumentation, sei damals ganz normal gewesen und habe den üblichen Gepflogenheiten entsprochen.

Ja, ja, die gute alte Zeit! Da gingen die Uhren wirklich anders. Besonders schnell raste man nicht etwa bei freier Strecke, sondern gerade dann, wenn sich die Eisberge stapelten. »Damals«, so »Unfallermittler« Penoyer, »dachte man, das Schiff sei nur dann in Gefahr, wenn es sich im Eisfeld befand. Also hieß es, so schnell wie möglich hindurchzufahren.« Klar – das macht man in jeder Innenstadt genauso: Kaum stauen sich dort die Autos, sprich: Hindernisse, gibt man erst richtig Gas, um möglichst schnell wieder herauszukommen! Das wird schließlich auch jeder bestätigen, der sich schon mal so in einem Stau verhalten hat – jedenfalls, wenn er es überlebt hat.

Hilfe: Negativ-Alarm!

Aber schon kommt die nächste Merkwürdigkeit: Eiswarnungen hatte die Titanic am Tag der Kollision, dem 14. April 1912, zwar bereits mehrere erhalten, aber gegen 22.55 Uhr (eine Dreiviertelstunde vor dem »Unfall«) kam eine besonders wichtige, nämlich von der nahe gelegenen SSCalifornian. Doch wie es der Teufel so wollte, passierte nun das nächste Missgeschick. Das laute Funksignal der Californian störte den armen Funker der Titanic nämlich bei der Übermittlung von Telegrammen für die Passagiere. Also befahl er dem Kollegen, aus der Frequenz zu gehen, und aus war’s mit der schönen Eiswarnung. Denn der Funker der Californian probierte es nicht etwa noch einmal, seine lebenswichtige Warnung an den Mann zu bringen, sondern begab sich zur Ruhe – weshalb er übrigens auch die späteren Hilferufe der Titanic nicht hören konnte.

Auch diese Geschichte wird regelmäßig wie selbstverständlich nacherzählt, ohne sie zu hinterfragen, als handle es sich um das Normalste der Welt, eine lebenswichtige Eiswarnung zu ignorieren.

Das seltsame Universum der Titanic

»Es ist Wahnsinn, wieso sollte er das tun?«, fragt unser Unfallermittler jedoch ganz richtig: Warum sollte der Titanic-Funker Phillips eine solche Eiswarnung ignorieren? Penoyer nimmt Kontakt zu einem »Funkhistoriker« namens Parks Stephenson auf, der ihm sein Erstaunen umgehend wieder ausredet – und natürlich auch dem Publikum. Denn Stephenson erklärt ihm, dass die Signale der nahe gelegenen Californian so laut waren, dass Phillips’ Trommelfell hätte platzen können.

Zwar werfe der Vorfall dennoch ein schlechtes Licht auf Phillips, weil er die Eiswarnung nicht an die Brücke weitergegeben habe, heißt es dazu ganz richtig. Aber schuld daran ist nicht der Funker der Titanic, sondern der Kollege von der Californian, denn der habe vergessen, dem Funkspruch die Buchstabenfolge »MSG« (»Master Service Gram«) voranzustellen – den Code für Nachrichten an die Brücke. Deshalb konnte Phillips den Funkspruch »also ignorieren«.

Nur weil die lebenswichtige Eiswarnung also angeblich nicht ordnungsgemäß an die Brücke adressiert gewesen sein soll, soll Phillips nicht auf die Idee gekommen sein, das Papier, das auch sein Leben hätte retten können, an die Schiffsführung weiterzugeben. Denn ob mit oder ohne den geheimnisvollen Code »MSG«: Eine Eiswarnung war eine Eiswarnung, und der einzige Ort, wo diese sofort hingehörte, war natürlich die Brücke und nicht die Küche oder der Maschinenraum.

Das Schiff ist an allem schuld

Schuld ist auch daran freilich niemand: »Brian Penoyer kann weder Smith, Phillips, noch Evans [den Funker der Californian] … für das Desaster verantwortlich machen«. Juhuu! Niemand ist an dem Unglück der Titanic schuld! Und weil dem Film ganz viel an dieser Feststellung liegt, macht er sich nun flugs auf die Suche nach einem unpersönlichen Gegenstand, dem man die Schuld an dem Desaster anhängen könnte. Und dieser Gegenstand ist natürlich das Schiff.

Zunächst, so heißt es da, sei man davon ausgegangen, dass auf der Steuerbordseite ein 90 Meter langer, riesiger Riss aufgetreten sei, der fünf Abteilungen des Schiffes betroffen habe, also eine Abteilung mehr, als das Schiff hätte verkraften können. Und weil der Riss eben so riesig war, strömte die See wie ein großer Wasserfall ins Schiff, und aus war’s mit der Titanic. Das ist schließlich auch das Klischee, das jedermann über den Untergang der Titanic im Kopf hat.

Doch ab 1985, als das Wrack entdeckt wurde, brach diese bequeme Erklärung in sich zusammen. Denn die Außenseite der Titanic zeigte kaum Schäden. Erst unter dem Schlamm sollen mit Hilfe eines Sonars winzig kleine Löcher oder Risse im Rumpf festgestellt worden sein: »Deshalb scheint es eher so, dass das Schiff nur leicht beschädigt war«, heißt es in der Dokumentation.

Ein Experiment und Milchmädchenrechnungen

Eine dumme Sache – die schöne, alte Wasserfallgeschichte war damit kaputt. Selbst der Stahl der Titanic, der 1998 am National Institute for Standards and Technology (NIST, eine Art US-TÜV) ausführlich untersucht worden war, »hatte für damalige Verhältnisse eine gute Qualität und war nicht ungewöhnlich brüchig, auch nicht bei niedrigen Temperaturen.« Ja, was machen wir denn da:

Die Besatzung der Titanic – ohne ihr Zutun mit Blindheit geschlagen.

Der Kapitän – unschuldig wie ein neugeborenes Lamm.

Der Stahl – von guter Qualität.

Wohin jetzt bloß mit der Schuld an dem Titanic-Unglück? Und siehe da: Penoyer findet eine Lösung. Die Nahtstellen zwischen den Stahlplatten der Titanic waren es! Wofür gibt es schließlich Experimente. Flugs wird ein Teil der Schiffshaut (angeblich) nach der Originalkonstruktion der Titanic nachgebaut und ein astronomisch hoher Druck genannt, den die Vernietung laut NIST angeblich hätte aushalten müssen, nämlich 965 bar. Anschließend werden zwei durch Stahlnieten verbundene Stahlplatten in eine Presse gespannt, um zu sehen, bei welchem Druck die Nieten versagen. Gespannt starrt unser »Ermittler« auf die Druckanzeige der Presse – und siehe da: Die Nieten versagen bereits bei einem Druck von 690 bar! Quod erat demonstrandum! »Das Experiment war erfolgreich«, konstatiert die Dokumentation zu Bildern des in Zeitlupe daherschreitenden Ermittlers Penoyer. Bleiben nur noch zwei Fragen:

Wie kam das NIST eigentlich auf die enorm hohe Stabilitätsanforderung von 965 bar? Das sind knapp zehn Millionen Kilogramm auf jedem einzelnen Quadratmeter, also 10000 Tonnen!

Welchem Druck waren die Seitenwände der Titanic im Moment des Ereignisses überhaupt ausgesetzt, und woher will man das wissen? Das hing schließlich von vielen Faktoren ab, u. a. der Geschwindigkeit von Titanic und Eisberg, dem Aufprallwinkel und der Aufprallfläche (je geringer die Fläche, desto höher der Druck). Das heißt: In Wirklichkeit kennt diesen Druck kein Mensch.

Beweiskraft: null Komma null

Nach dieser Simulation sei die Ursache für den Untergang der Titanic nun jedoch klar, behauptet die Dokumentation. Ja, mehr noch: Jetzt könnten die letzten Minuten vor der Katastrophe gar »rekonstruiert« werden: Als auf der Titanic-Beplankung bei der Kollision ein Druck von 965 bar entstanden sei, seien die Nieten gebrochen und fünf Abteilungen des Schiffes voll Wasser gelaufen. Nach dem Motto: Nicht derjenige, der mit 100 km/h über eine Kreuzung rast, hat Schuld, sondern das dumme Auto, dessen Struktur bei einem Aufprall versagt.

In Wirklichkeit ist die Beweiskraft dieses beeindruckenden Experiments null Komma null – und zwar, weil fast sämtliche Daten fehlen, die man bräuchte, um diesen Vorfall vernünftig zu berechnen. Das Experiment und die Milchmädchenrechnungen sollen beim unbedarften Zuschauer lediglich Eindruck schinden. Dabei stellt sich jedoch nach wie vor die Frage: Warum hat es der Untergang der Titanic nötig, auf diese plumpe Weise erklärt zu werden?

DiezehndümmstenAusreden fürdenUntergangderTitanic

Zusammenfassend habe ich hier einmal die zehn dümmsten Ausreden für den Untergang der Titanic zusammengestellt, die mir begegnet sind:

Der Ausguck hatte keine Ferngläser, weil diese in einem Schränkchen weggeschlossen waren und den Schlüssel jemand mitgenommen hatte.

Die Leute im Ausguck konnten nichts sehen, weil ihnen die Augen tränten (ein Problem, das sicher leicht zu vermeiden gewesen wäre).

Es ist einfach sicherer, in ein Eisfeld hineinzusteuern, als außen herumzufahren.

Man fährt immer mit Volldampf durch ein Eisfeld, um schneller wieder herauszukommen.

Man kümmerte sich damals nur um Hindernisse, die groß genug waren, ein Schiff zu versenken, alle anderen Schäden waren egal.

Der Kapitän hielt die Titanic für unsinkbar (und sich selbst wohl für unsterblich), deshalb achtete er nicht weiter auf die Eisberge (siehe auch Nr. 5).

Der Funker der Titanic kümmerte sich nicht um Eiswarnungen, wenn sie nicht ausdrücklich an die Brücke adressiert waren (»MSG«), und glaubte demnach wohl, dass »nicht korrekt adressierte« Eisberge unschädlich seien.

Obwohl er seine Eiswarnung noch nicht richtig an den Mann gebracht hatte (auf der Titanic), legte sich der Funker der nahe gelegenen Californian in die Koje und verschlief den Untergang der Titanic.

Der Kapitän hatte nicht etwa zu wenig, sondern zu viel Erfahrung, und das ist ganz schlecht.

Das Ruder der Titanic war viel zu klein.

Wenn Sie mich fragen: eine Zumutung. Und da bin ich in bester Gesellschaft. Schon der weltberühmte Dramatiker George Bernard Shaw erregte sich über die wahre »Explosion an abscheulichen, romantischen Lügen« im Zusammenhang mit der Titanic-Katastrophe: »Mr. Shaw kritisiert die Geschichten über ›Frauen und Kinder zuerst‹ und die Ehrbezeugungen an Kapitän Smith, über den, wie er sagt, in den Zeitungen geschrieben wird, ›als sei er ein Nelson‹. Während das Einzige, was man wirklich über Kapitän Smith weiß, darin besteht, dass er ein Schiff verlor, indem er absichtlich und bewusst mit der höchsten Geschwindigkeit, welche die Kohle hergab, in ein Eisfeld hineindampfte.« 5

Der gebürtige Ire Shaw stand dem Gegenstand näher, als man denkt, kam er doch an derselben irischen Ostküste zur Welt wie die Titanic. Das Riesenschiff wurde nur etwa 100 Kilometer von seinem Geburtsort Dublin entfernt in Belfast gebaut. Es hat Shaw sicherlich geschmerzt, dass dieser Gegenstand des irischen Nationalstolzes offenbar mutwillig zu Schrott gefahren worden war.

Fazit: In Wirklichkeit werden wir im Hinblick auf den Untergang der Titanic seit hundert Jahren für dumm verkauft. Wir können davon ausgehen, dass so gut wie nichts an der offiziellen (Medien-)Version der Wahrheit entspricht. Und wie bei jedem anderen »Negativ« hilft auch hier bekanntlich nur die Verwandlung in ein Positiv.

Die Untersuchungen: eine extrem verwischte Spur

Ungeklärt? Sagte ich vorhin etwa wirklich, der Untergang der Titanic sei »ungeklärt«? Ist das nicht kompletter Blödsinn? Denn schließlich wurde doch schon damals nichts so ausführlich untersucht wie der Untergang der Titanic.

Gleich zwei Untersuchungskommissionen beschäftigten sich mit der Katastrophe:

Die erste war eine Untersuchung des amerikanischen Kongresses, der dafür einen eigenen Ausschuss bildete. Sie dauerte über fünf Wochen und begann am 19. April 1912, einen Tag nach der Landung der Überlebenden in New York (18. April). Bis zum 28. Mai 1912 wurden knapp 90 Zeugen befragt. Das 1912 veröffentlichte Protokoll der Untersuchung ist etwa 1200 Seiten stark.

Die zweite Untersuchung wurde von dem britischen Unfalluntersucher und Havariekommissar Lord John Charles Bigham Mersey im Auftrag des Board of Trade (Handelsministerium) durchgeführt. Sie dauerte zwei Monate und fand vom 2. Mai bis 3. Juli 1912 in London, Großbritannien, statt. Dabei wurden knapp hundert Zeugen befragt, die Protokolle umfassen knapp tausend Seiten.

AngeklagteundRichterineinem

Allerdings darf man sich auch darunter keine strafrechtlichen Untersuchungen vorstellen, sondern eine technische Unfalluntersuchung, wie sie heute zum Beispiel bei Seeunfällen in Deutschland von der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung durchgeführt wird. Ausdrücklich heißt es da zu Beginn eines Unfallberichts, dass das »alleinige Ziel der Untersuchung die Verhütung künftiger Unfälle und Störungen« sei: »Die Untersuchung dient nicht der Feststellung des Verschuldens, der Haftung oder von Ansprüchen.« Es geht dabei also nicht um strafrechtliche Fragen, sondern diese müssten in einer gesonderten staatsanwaltschaftlichen Untersuchung abgehandelt werden.

Genau so muss man sich auch die britischen und amerikanischen Untersuchungen des Titanic-Desasters vorstellen. Auch dabei ging es nicht um strafrechtliche Relevanz, sondern darum, Empfehlungen zur Verhütung ähnlicher Vorkommnisse in der Zukunft auszusprechen. Wenn, dann hätten die strafrechtlichen Fragen in einem gesonderten Verfahren von einer Staatsanwaltschaft geklärt werden müssen. Dazu kam es aber nicht.

Aber auch bei den Untersuchungen selbst standen mächtige Interessen einer schonungslosen Aufklärung der Katastrophe entgegen. Während es in den USA um den mächtigsten Bankier und Unternehmer des Landes ging, nämlich den Titanic-Eigentümer J. P. Morgan, waren im Fall der britischen Untersuchung »Gericht« und »Angeklagter« sogar ein und derselbe. Auftraggeber der Untersuchung war das britische Board of Trade, Gegenstand der Untersuchung war unter anderem die Frage, welche Rolle die Sicherheitsvorschriften des Board of Trade bei dem Unglück gespielt hatten:

»Wer erwartet hatte, dass der in Großbritannien eingerichtete Untersuchungsausschuss diese Fragen aufklären würde [warum es so viele Opfer gab etc.], wurde enttäuscht. Dieser Ausschuss unternahm nicht einmal ernsthaft den Versuch, den fraglichen Vorgängen auf die Spur zu kommen, sondern war vielmehr bemüht, die Geschehnisse zu verharmlosen und ihnen das Anrüchige zu nehmen. Die Untersuchung wurde im Übrigen von jenen Wirtschafts- und Finanzkreisen geführt, die von einer echten Aufklärung am meisten zu befürchten hatten. Sie stand unter der Leitung des britischen Handelsministeriums (BOT), ebenjener Behörde, die für die veralteten britischen Schiffssicherheitsbestimmungen verantwortlich zeichnete und somit auch für jene Vorschrift, der zufolge die Titanic sogar mehr Rettungsboote mit sich führte als erforderlich. Abgesehen davon, dass sich das BOT selbst vor Kritik schützen musste, hatte das Ministerium keinerlei Interesse daran, der White Star Line mangelhafte Sicherheitsvorkehrungen nachzuweisen.« 6 Denn ein Vertrauensverlust wäre auf die gesamte britische Seefahrt zurückgefallen.

DieVorsitzenden

Die amerikanische Untersuchung wurde auf Antrag des republikanischen Senators William Alden Smith ins Leben gerufen. Und weil es nun schon mal seine Initiative war, bekam er auch den Vorsitz übertragen. William Alden Smith war sowohl im Eisenbahn- als auch im Dampfschiffgeschäft tätig und daher gewissermaßen ein Kollege des Großbankiers, Unternehmers und Titanic-Eigentümers J. P. Morgan – wenn auch in kleinerem Maßstab, da Smith’ Dampfschiffe zwischen Chicago und dem Lake Michigan verkehrten.

Viele Quellen behaupten, Smith habe sich J. P. Morgan durch seine Antikartellgesetzgebung zum Feind gemacht. Auf der anderen Seite wurde Smith, wie die ganze republikanische Partei auch, finanziell von Morgan unterstützt. 7 1904 hatte Morgan auch Geld für den Wahlkampf des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Theodore Roosevelt gespendet, mit dessen Vater Morgan das American Museum of Natural History gegründet hatte.

Das Ganze muss man sich etwa so vorstellen, als würde heute ein Untersuchungsausschuss des Bundestags, dessen Vorsitzender samt seiner Partei von Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing gesponsert wird, einen verdächtigen Vorfall bei der Deutschen Bank untersuchen wollen. Was würde dabei wohl herauskommen?

Smith’ Titanic-Untersuchung lässt denn auch keine besondere Strenge gegenüber Morgan und der Schiffsbesatzung der Titanic erkennen. Ganz im Gegenteil ging die Untersuchung äußerst schonend mit »Gottvater Morgan« um – auf die schonendste Weise, die man sich überhaupt vorstellen kann, nämlich, indem J. P. Morgan komplett außen vor gelassen wurde. Der Titanic-Eigentümer und Schiffsstratege J. P. Morgan wurde erst gar nicht vorgeladen, obwohl die Hintergründe der Titanic-Katastrophe eindeutig in einem Wirtschafts- und Schifffahrtskrieg zwischen den USA und Großbritannien zu suchen waren (siehe unten). Nach Meinung Gardiners wurde Morgans Rolle bei dem Schiffsuntergang regelrecht »vertuscht«. 8 Wenn überhaupt, wurde Morgan während der Untersuchungen nur selten und beiläufig erwähnt.

Auch weigerte sich Smith’ Ausschuss standhaft, zu wesentlichen Punkten vorzustoßen. Von Seefahrt schien er nicht die geringste Ahnung zu haben. Teilweise erschienen Smith’ Fragen unbeholfen und dilettantisch; stundenlang hielt man sich mit nebensächlichen Details auf. Kurz und gut: Die amerikanische Untersuchung ging meistens an den wesentlichen Punkten vorbei.

Wie schon angedeutet, hatte auch die britische Untersuchung kein großes Interesse an der Aufdeckung unbequemer Wahrheiten, war doch das veranstaltende Board of Trade selbst für einige der Gesetze verantwortlich, die möglicherweise Hunderten von Menschen das Leben gekostet hatten – zum Beispiel die zu geringe Zahl an Rettungsbooten auf der Titanic. Auch hier wurde Morgan nicht vorgeladen.

Der britische Havariekommissar und Untersuchungsführer Lord Mersey fiel später auch durch seine politisch genehme Untersuchung des Untergangs der Lusitania (1915) auf, für den er allein die Deutschen und ihr U-Boot verantwortlich machte, das einen Torpedo auf die Lusitania abgeschossen hatte. Die Wahrheit war jedoch, dass die Lusitania erstens nicht – wie behauptet – ein ausschließlich ziviles Schiff war und dass es nach dem Torpedotreffer zweitens eine schwere sekundäre Explosion an Bord gegeben hatte, über die sich selbst der deutsche U-Boot-Kapitän gewundert hatte. 9

KeinestrafrechtlicheAufarbeitung

Während die insgesamt über drei Monate andauernden Untersuchungen und über 2000 Seiten starken Protokolle den Eindruck einer sorgfältigen Aufarbeitung erweckten, ist also genau das Gegenteil richtig. Die wichtigste Form der Aufarbeitung nach der zumindest verdächtigen Tötung von 1500 Menschen fand wie bereits angedeutet gar nicht statt: und zwar eine strafrechtliche Untersuchung vor einem Gericht, zum Beispiel einem Seegericht.

Tatsächlich wurde wegen des Untergangs der Titanic kein Mensch angeklagt – nicht ein einziger. Passiert heute irgendwo ein Schiffsunfall, eine Seilbahnkatastrophe oder ein Flugzeugunglück, ermittelt die Staatsanwaltschaft routinemäßig. Und das ist nicht etwa eine neue oder deutsche Erfindung, sondern liegt bei Katastrophen auf der Hand, bei denen offensichtlich jemand etwas falsch gemacht hat und damit Verantwortung für diese Katastrophe trägt.

Dass im Fall der Titanic jegliche strafrechtliche Ermittlungen unterblieben, sagt bereits alles, nämlich, dass niemand daran interessiert war, die wirklichen Verantwortlichen dingfest zu machen. Obwohl Figuren der Strafrechtspflege beteiligt waren, wie etwa der Generalstaatsanwalt der Krone, war eine kriminalistische Untersuchung weder der Auftrag der amerikanischen noch der britischen Untersuchung. Wegen des Untergangs der Titanic und des Todes von etwa 1500 Menschen gab es daher im rechtlichen Sinne weder einen Schuld- noch einen Freispruch, ganz einfach weil kein Mensch jemals angeklagt wurde.