Daseinsanalyse in der Psychotherapie - Hans-Peter Kolb - E-Book

Daseinsanalyse in der Psychotherapie E-Book

Hans-Peter Kolb

0,0

Beschreibung

Nachdem ich mich in früheren Arbeiten aus einer mehr philosophischen Perspektive dem Thema der Daseinsanalyse und der Entwicklung unserer Liebesfähigkeit genähert habe, möchte ich das Ganze nun aus psychotherapeutischer Sicht betrachten. Welche praktische Bedeutung hat die von mir betriebene Daseinsanalyse für die psycho-therapeutische Behandlung von Patienten und wie und wodurch kann die Liebesfähigkeit in der therapeutischen Situation bei Patient und Therapeut gefördert werden und sich immer weiterentwickeln?

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 247

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Die Entwicklung meines daseinsanalytischen Denkens

1.1. Heidegger

1.2. Die Kyôto-Schule

1.3. Stanley Cavells Anspruch der Vernunft

Philosophisches Menschenbild

2.1. Grundlagen meiner Daseinsanalyse

2.2. Die Utopie der vollkommenen Liebe

2.3. Das Gedächtnis und seine Funktionen

2.4. Verschiedene Arten der Gewinnung von Erkenntnis

Psychologische und psychoanalytische Begriffe und Theorien

3.1. Körper, Seele und Geist

3.2. Entwicklungsaspekte des Daseins

3.3. Die Rolle von Sprache und Denken

3.4. Die Liebesfähigkeit auf der Ebene des geschlechtlichen Selbst

3.5. Psychoanalytische Begriffe aus daseinsanalytischer Sicht

3.6. Erlebnis- und Sprachebenen aus daseinsanalytischer Sicht

Daseinsanalytische Erklärung psychischer Störungen

4.1. Der Begriff der psychischen Störung

4.2. Sinn und Bedeutung psychischer Störungen

Psychotherapeutische Konsequenzen

5.1. Patient oder Klient

5.2. Die Rolle und Haltung des Psychotherapeuten

5.3. Die Beziehung zwischen Patient und Therapeut

5.4. Deutung des Therapeuten und Ziel der Therapie

Anhang: Daseinsanalytische Strukturen

Literaturverzeichnis

Vorwort

Nachdem ich mich in früheren Arbeiten aus einer mehr philosophischen Perspektive dem Thema der Daseinsanalyse und der Entwicklung unserer Liebesfähigkeit genähert habe, möchte ich das Ganze nun aus psychotherapeutischer Sicht betrachten. Welche praktische Bedeutung hat die von mir betriebene Daseinsanalyse für die psychotherapeutische Behandlung von Patienten und wie und wodurch kann die Liebesfähigkeit in der therapeutischen Situation bei Patient1 und Therapeut gefördert werden und sich immer weiterentwickeln?

Zuerst werde ich skizzenhaft die Entwicklung meines eigenen philosophischen Denkens bezüglich der Analyse des Daseins beschreiben, sodann das in meiner Analyse entwickelte Menschenbild darlegen, beim Philosophischen dann immer mehr psychologische Aspekte mit einbeziehen, was dann in eine psychologische Theorie psychischer Störungen mündet, aus der dann therapeutische Konsequenzen gezogen werden sollen. Wie schon im ersten Abschnitt dieses Vorworts angedeutet, fasse ich eine psychotherapeutische Behandlung immer als einen wechselseitigen Prozess auf, der im Idealfall bei allen Beteiligten zu einer Weiterentwicklung ihrer Liebesfähigkeit führt.

Im Anhang habe ich die wichtigsten Strukturen meiner Daseinsanalyse skizzenhaft zusammengefasst und bin auf die psychotherapeutisch interessanten Phänomene Selbst, Ich und Person eingegangen, deren Struktur sich daseinsanalytisch mithilfe der drei Daseinsaspekte Psyche, Geist und Materie offenlegen lässt.

Nach Beendigung dieser Arbeit habe ich mich gefragt, warum ich erst jetzt die Psychotherapie in den Mittelpunkt meiner Analysen gestellt habe, obwohl ich hauptberuflich nicht Philosoph, sondern Psychotherapeut bin. Die einzige Erklärung, die ich mir geben kann, ist die, dass der Erkenntnisweg unseres Daseins immer erst über das uns Ferne zu uns selbst führt, so wie Heidegger sagt, dass wir uns zwar ontisch das Nächste, ontologisch aber das Fernste sind. Ich versuchte, mir erst philosophisch genügend Klarheit zu verschaffen, bevor ich mich meinem eigentlichen Betätigungsfeld, der Psychotherapie zugewandt habe.

1 Wenn ich hier nur die männliche Form verwende, so ist dies unseren Sprachgewohnheiten geschuldet und soll das Weibliche stets miteinschließen, falls nichts anderes aus dem Zusammenhang ersichtlich ist.

1. Die Entwicklung meines daseinsanalytischen Denkens

Ausschlaggebend war sicherlich die Lektüre von Heidegger (Heidegger, Sein und Zeit, 2006a), der ja die moderne Daseinsanalyse begründet und dabei den Tod als Schwerpunkt gewählt hat, um uns mit dessen Verleugnung in unserer Kultur zu konfrontieren. Wenn er dabei immer wieder vor einer Überbewertung der Technik gewarnt hat, so deute ich dies als Warnung davor, dass wir sonst wie Sisyphos, der den Todesgott Thanatos überlistet und gefesselt hat, bestraft werden: Sisyphos musste immer wieder einen schweren Stein einen hohen Berg hinaufrollen, der am höchsten Punkt dann in die Tiefe fiel. Bei uns besteht heute schon ein gewisser Zwang, alles immer besser, schneller, höher, weiter usw. zu machen. Sich die Erde „untertan“ zu machen, kann man auch anders interpretieren, als sie rücksichtslos auszubeuten und Vergänglichkeit und Tod zu verleugnen.

Mehr oder weniger zufällig bin ich dann auf die japanischen Philosophen der Kyôto-Schule gekommen. Hier wird Heideggers „Wahrheit der Eigentlichkeit“ mit der „Wahrheit des Zen-Buddhismus“, dem absoluten Nichts verglichen. ImBuddhismus geht es um die vollkommene Überwindung aller Gegensätze, sodass Raumlosigkeit, also Nirwana (raumlose Wahrheit) entsteht und absolut nichts mehr räumlich da ist. Im Gegensatz dazu kennt unsere Erlösungsvorstellung nur die Zeitlosigkeit in der Ewigkeit, in der es noch Raum gibt, z.B. die offensichtlich räumliche Trennung von Himmel (zeitlose Eigentlichkeit) und Hölle (zeitlich anhaltende Verfallenheit, um jeweils Heideggers Ausdrucksweise zu verwenden).

Nishida, einer der Gründer der Kyôto-Schule, greift ein durch die Zeit vermitteltes Identitätsproblem auf, wie wir stets dieselben sein können, da wir uns doch stetig ändern (Nishida, 2011). Demgegenüber kritisiert Tanabe, der andere Gründer der Kyôto-Schule, an Nishida, dass er Gegensätze, insbesondere den zwischen dem Allgemeinen des Gemeinschaftlichen und dem Einzelnen, wenn wir als Individuen da sind, nur dann überwinden kann, wenn er die Tat mit einbezieht, die als einziges eine Wende herbeiführen kann (Tanabe, 2011). Daher betrachtet Tanabe unser Dasein auch als etwas Besonderes, als Spezies. Er zeigt dabei auf, dass zwischen den drei Modi des Individuums, des Genus (Gemeinschaftswesen) und der Spezies eine absolute dialektische Vermittlung besteht, d.h. eines der drei vermittelt zwischen den beiden anderen, die zusammen wiederum dieses vermitteln (ebenda), so dass kein Modus einen Vorrang besitzt.

Bevor ich endgültig meinen Ansatz einer Daseinsanalyse erstmalig formulierte, beschäftigte ich mich mit dem amerikanischen Philosophen Stanley Cavell bzw. mit seinem Hauptwerk „Der Anspruch der Vernunft“ (Cavell, 2006). Das Interessante bei Cavell ist, dass er sowohl Psychologie als auch Philosophie studiert hat und davor vor der Entscheidung stand, ob er Jazz-Pianist werden oder studieren wollte. Zum einen hat mir diese Lektüre Wittgenstein nähergebracht, mit dem Cavell sich ausgiebig befasst hat, zum anderen faszinierten mich seine Shakespeare-Interpretationen als kreativen Zugang zu philosophischen und psychologischen Fragen, die das Verhältnis von Körper, Geist und Seele betreffen.

1.1. Heidegger

Meine daseinsanalytischen Überlegungen sind im Wesentlichen von Heidegger geprägt. Den ersten Kontakt mit seiner Philosophie bekam ich im Herbst 2010 in der Schweiz in Isenthal im Kanton Uri bei einer Fortbildung über die Zollikoner Seminare, die Heidegger mit dem Schweizer Psychiater Medard Boss abgehalten hatte (Heidegger, Zollikoner Seminare, 2006b). Wahrscheinlich ging es mir ähnlich wie den damaligen Zuhörern in Zollikon, dass ich zuerst einige Verständnisschwierigkeiten hatte, worauf Heidegger eigentlich aus war und was er vermitteln wollte, aber dann hatte ich Blut geleckt und wollte mehr in sein Denken eintauchen. Daher kaufte ich mir „Sein und Zeit“ (Heidegger, 2006a) und begann, es durchzuarbeiten und meine Gedanken dazu aufzuschreiben (Kolb, Gedanken zu "Sein und Zeit", 2011), indem ich parallel dazu ein von Thomas Rentsch herausgegebenes Buch über „Sein und Zeit“ (Rentsch, 2007) durchlas.

Ein Kernpunkt dabei ist, dass ich das von Heidegger benannte „eigentliche befindliche Verstehen des Worumwillens“ bzw. das Streben danach als Streben nach vollkommener Liebe ausgelegt habe bzw. als Streben nach echtem und unmittelbarem Verstehen des Worumwillens eines anderen oder seiner selbst, was für mich eine Handlungsanweisung zur vollkommenen Fremd- oder Selbstliebe ist, um eine direkte Erfahrung von Liebe zu machen. Ähnlich wie Heidegger geht es mir dabei nicht um metaphysische Begriffsbestimmungen, sondern um antimetaphysische Anleitungen, um eine Erfahrung des betreffenden Phänomens machen zu können – Heidegger nennt dies häufig „aufzeigen“ und bedient sich dabei einer protreptischen (ermunternd-ermahnenden) Sprache, die seine Zuhörer in Zollikon genauso wie ich in Isenthal zuerst nicht verstanden haben. Heidegger zeigt beispielsweise auf, dass unser Selbst phänomenal in der Sorge enthalten ist und daher nur in der Praxis erfahrbar ist. Damit betont auch Heidegger den Daseinsmodus der Spezies wie Tanabe (Tanabe, 2011).

Einen wichtigen Kritikpunkt an Heidegger habe ich bei den §§ 61 – 66 gefunden: ich kann hier zeigen, dass die Zeitlichkeit nur eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung dafür ist, einen ausreichenden und damit vollständigen Rahmen zur Verfügung zu stellen, um das Sein des Daseins zu analysieren. Der Sinn des Seins, nach Heideggers Definition der Rahmen, in welchem Sein verständlich wird, ist nicht nur die Zeitlichkeit, sondern auch die Räumlichkeit. Die Kombination habe ich Prozesshaftigkeit genannt, die als vierte Ekstase neben denen der Zeitlichkeit (ich nenne sie Herkunft, Zukunft und Ankunft) noch die Ekstase der Auskunft besitzt. Dies stimmt auch damit überein, dass wir unser Dasein nicht nur durch das Woher, das Wohin bzw. Wozu, sowie das Woran-gerade, sondern notwendigerweise auch durch den Austausch und ein Auskommen (wortverwandt mit Auskunft) mit anderen über unser praktisches Handeln und der darin enthaltenen Auskunft über das Woher, Wohin und Woran verstehen können. Bildlich stelle ich mir diesen Rahmen so vor, dass die untere Rahmenlinie die Ekstase der Auskunft darstellt, die linke Seitenlinie repräsentiert die Herkunft, die rechte die Zukunft, und die beiden Seitenlinien tragen zusammen die obere Linie, die der Ankunft entspricht.

Beim Durcharbeiten von „Sein und Zeit“ habe ich folgende Ergänzungen und Nuancierungen mir ausgedacht: Heideggers Sorge habe ich differenziert in Ergriffenheit und Erwartung, wobei mir später auffiel, dass dies eine Parallele bei Aristoteles besitzt, der zwischen Begehren (orexis) und Denken unterscheidet (Aristoteles, 1985) und den Menschen als das Wesen sieht, bei dem sich denkendes Begehren und begehrendes Denken kreuzen. In seinen Vorlesungen über Aristoteles soll Heidegger orexis mit Sorge übersetzt haben (Rentsch, Martin Heidegger – Sein und Zeit, 2007, S. 40). Was Heidegger Verfallenheit nennt, habe ich als mangelnde Auseinandersetzung mit Täuschungen und Enttäuschungen bezeichnet, sodass in meiner Ausdrucksweise das Wesen des Daseins Ergriffenheit, Erwartung und Täuschung ist, wobei der Umgang mit Täuschungen und der daraus resultierenden Empfindung der Enttäuschung das kritische Moment ist, ob das Dasein sich von ihm selbst abkehrt und verfällt oder nicht.

Weiterhin habe ich das Schuldigseinkönnen als Unzulänglichkeit interpretiert, wofür das Dasein nicht nur derart die Verantwortung übernimmt, dass es sich angstbereit auf die Zukunft hin entwirft, sondern dass es auch bereit ist, mit der Wut anderer über seine Unzulänglichkeiten bereuend und mit der eigenen Wut über die Unzulänglichkeiten anderer verzeihlich bzw. barmherzig umzugehen, und auf diese Weise immer mehr seine eigene Geworfenheit in seiner befindlichen Reue und die der anderen versteht, indem es ihnen möglichst nichts persönlich übel nimmt, und dass es auch bereit ist, das Leid anderer und das eigene derart anzunehmen, dass es Fähigkeiten entwickelt, um gegebenenfalls Wiedergutmachung zu leisten und so Sinn und Richtung seines Daseins zu ändern im Sinne von Metanoia oder Buße. In der Buße wesentlich enthalten ist das Versprechen, seine Liebesfähigkeit weiterzuentwickeln. Überhaupt habe ich nicht nur die Angst, sondern auch andere grundlegende Empfindungen wie Freude, Wut und Leid in ihrer „eigentlichen“2 und „uneigentlichen“ Form analysiert. Etwas von verschiedenen „gleichursprünglichen“ Seiten zu betrachten, empfiehlt Heidegger selbst, wenn er auf die häufige Missachtung dieses Phänomens der Gleichursprünglichkeit hinweist (Heidegger, Sein und Zeit, 2006a, S. 131). Die Bereitschaft, seine Angst in der momentanen Situation anzunehmen, um zukünftig faktisch möglichst nicht schuldig zu werden, Reue darüber, woher gegenwärtiges Leid kommt bzw. seine Herkunft hat, und Buße (wie oben definiert) als neue entschlossene Ausrichtung in der gegenwärtigen Situation, in der man angekommen ist, sind gleichursprünglich und konstituieren als unterschiedliche Momente das Phänomen des Schuldigseins.

1.2. Die Kyôto-Schule

Auf der Suche nach weiteren Autoren, die sich mit Heidegger auseinandersetzen, stieß ich auf ein Buch über die Kyôto-Schule (Ohashi, 2011), in dem ein Kapitel auch über das Nichts bei Heidegger ging. In Japan hatte sich aufgrund der häufigen Naturkatastrophen ein viel radikaleres Denken über den Tod und die Nichtigkeit des menschlichen Daseins entwickelt als bei uns, sodass das absolute Nichts (zettai mu) eine gottähnliche Stellung bekam als der Urgrund von Sein und Nichts. Ich deutete es bald als Äquivalent zu meiner Auffassung der vollkommenen Liebe, die als Utopie ebenfalls absolut nichts ist, weil sie niemals sein kann. Auch diese Gedanken habe ich aufgeschrieben (Kolb, Die Philosophie der Kyôto-Schule, 2012).

Im ersten Kapitel von Ohashis Buch beschäftigt sich Nishida (Nishida, 2011) mit dem durch die Zeit gegebenen Identitätsproblem, wie wir dieselben sein können, obwohl wir uns mit der Zeit doch stetig ändern. Dabei kommt er auf die Antwort, dass wir zur Lösung dieses Problems die fünf Gegensätze aktiv-passiv, objektivsubjektiv, kontinuierlich-diskontinuierlich, linear-zirkulär und räumlich-zeitlich immer mehr überwinden müssen. Mir fiel dabei auf, dass dies mit der von Fonagy et al. dargestellten Entwicklung des Selbst (Fonagy, Gergely, Jurist, & Target, 2008) in Übereinstimmung gebracht werden kann. Später, als ich mich mit der Nikomachischen Ethik (Aristoteles, 1985) auseinandersetzte, sah ich darin auch die Entwicklung der fünf dianoietischen Tugenden Verstand, Wissenschaft, Kunstfertigkeit, Klugheit und Weisheit, sowie unsere so genannten fünf Sinne, wie wir sie von ihrer emotionalen Bedeutung her sprachlich gebrauchen. Die fünf Arten des Lernens sind dann die durch Einsicht, Rücksicht, Vorsicht, Aussicht und Umsicht.

Wenn wir Geschmack an etwas gefunden haben, freuen wir uns, werden aktiv und verstehen als physisches Selbst einsichtig und mit Verstand immer mehr grundlegende Zusammenhänge und Prinzipien; je nachdem, ob wir unser Gegenüber riechen können oder nicht, stinkt es uns, sind wir wütend oder ekeln uns als Subjekte gegenüber einem Objekt und versuchen als soziales Selbst mit Rücksicht auf andere und uns selbst über Wenn-Dann-Regeln – gewissermaßen wissenschaftlich – Ordnung in unsere zwischenmenschlichen Beziehungen zu bringen; sich vorsichtig oder gar ängstlich an etwas heranzutasten, wenn wir nicht wissen, ob wir es mit etwas Kontinuierlichem oder Diskontinuierlich-Unberechenbarem zu tun haben, erfordert unsere ganze Kunstfertigkeit als teleologisches Selbst, um eine aufeinander aufbauende Reihe von Tätigkeiten zu einem Abschluss zu bringen; wenn wir von einer Attraktion gehört haben und teilweise leidvoll Sehnsucht danach empfinden, weil wir noch getrennt davon sind, streben wir auf kluge Weise als intentionales Selbst nach dem in Aussicht Gestellten, und manchmal erreichen wir geradlinig, also linear unser Ziel, manchmal aber drehen wir uns zirkulär im Kreis und müssen immer wieder von vorne anfangen; wenn wir dann u.U. schamhaft das betrachten, was wir alles getan haben, und uns darüber befragen oder von anderen entsprechend gefragt werden, ob wir umsichtig genug waren und mit Weisheit gehandelt haben, dann stellen wir oft fest, dass wir etwas zur falschen Zeit oder am falschen Ort getan haben, als repräsentationales Selbst haben wir vielleicht nach einem Wertesystem gehandelt, das unsere Welt repräsentiert, welches zeitlich gut angepasst, aber räumlich ziemlich unflexibel ist, sodass wir uns z.B. in anderen Kulturen schwer zurecht finden, oder wir entwerfen überall ein entsprechendes Wertesystem, wissen dann aber irgendwann nicht mehr, wann welche Werte wirklich gelten, d.h. unsere zeitliche Orientierung ist dahin.

Bei Tanabe (Tanabe, 2011) hat mich vor allem seine Dialektik angesprochen, dass die Daseinsmodi des Individuums als Einzelnes, der Spezies als Besonderes und des Genus, der Gemeinschaftlichkeit als Allgemeines sich im Verhältnis einer absoluten Dialektik befinden, d.h. dass jeweils eines der drei zwischen den beiden anderen vermittelt und diese beiden gemeinsam das erste vermitteln. Damit hat keines der drei Modi einen Vorrang vor den anderen. Des Weiteren zeigt er den Geist als den Aspekt der Rückkehr zum absoluten Nichts und die Materie als den Aspekt der Entfremdung davon auf. Ich habe dann noch als dritten Aspekt die Psyche als den dynamischen Aspekt des absoluten Nichts hinzugefügt, sodass wir hier ebenfalls eine absolute Vermittlung zwischen Psyche, Geist und Materie haben, und keiner dieser drei Aspekte einen Vorrang gegenüber den anderen besitzt. Damit sind die einseitigen Positionen von Freud, Hegel und Marx bezüglich dieser drei Aspekte destruiert. Freud stellte das Psychisch-Motivationale in den Vordergrund seiner Analyse, indem er den Ursprung von allem auf die Dynamik unserer Ergriffenheit von unseren Triebwünschen reduzierte, Hegel beschränkte sich auf das Geistig-Ideale, also unsere Ideen und Erwartungen, und Marx sah den Grund von allem in der Entfremdung bzw. im materiellen Aspekt, dass der Ausbeuter den Ausgebeuteten hinsichtlich bestimmter Gegensätzlichkeiten täuschte. Aber, wie sich aus meiner Umformulierung der Sorge bei Heidegger ergibt, ist das Wesen unseres Daseins sowohl Ergriffenheit, Erwartung als auch Täuschung, und keines davon besitzt aufgrund ihrer gegenseitigen absoluten Vermittlung einen Vorrang. Später hat mich Tanabes absolute Dialektik dazu inspiriert, dieses Verhältnis auch bei den Wahrnehmungsstrukturen Raum, Zeit und Rhythmik und bei den dazugehörigen Daseinsstrukturen Räumlichkeit, Zeitlichkeit und Lebenswirklichkeit bzw. Weltzugehörigkeit zu erkennen.

Wenn wir derartige Begriffe jeweils so gruppieren, dass sie in einem absolut dialektischen Verhältnis zueinander stehen, zeigt sich, dass es keine echten Gegensätze dabei gibt, dass sie also nicht materiell sind (materiell bedeutet wahrnehmbar, wahrnehmen heißt unterscheiden, und nur dort, wo es echte Gegensätze gibt, kann man unterscheiden) und daher nicht verdinglicht bzw. hypostasiert werden dürfen.

1.3. Stanley Cavells Anspruch der Vernunft

Als ich Cavells Hauptwerk (Cavell, 2006) durcharbeitete, welches sich über weite Strecken damit beschäftigt, wie vernünftig die Haltung des Skeptikers ist, wobei er annimmt, dass dieser eine Enttäuschung erlebt haben muss, kam ich auf die Interpretation von Cavell, dass es sich bei der Enttäuschung um ein Missbrauchserlebnis in der eigenen Familie handeln könnte (Kolb, Gedanken zu Stanley Cavells "Der Anspruch der Vernunft", 2012). Damit wird der Skeptizismus des Erkenntnistheoretikers (E.T.) zum Anspruch oder sogar zum Schrei nach Liebe („E.T. nach Hause telefonieren“). Insofern es bei meiner Daseinsanalyse um den Umgang mit Ergriffenheit, Erwartung und insbesondere der Täuschung geht, war die Beschäftigung mit Cavell für mich sehr wichtig.

Indem der Skeptiker tragischerweise in der Isolation endet, ist er mit der Frage „Wer bin ich?“ konfrontiert, auf die er die beiden widersprüchlichen Antworten hat »Ich bin Ich« und »Ich bin Nicht-Ich«. „Dass ich ich bin, besagt daher, dass ich nicht einmal ich bin – ein heiteres oder vielmehr ekstatisches Aufscheinen der Möglichkeit, dass alle Definitionen und Beschreibungen, die mir die Welt von mir gibt, mich nicht erschöpfen.“ (Cavell, 2006, S. 619) Das erinnerte mich an den Aufsatz von Ueda (Ueda, 2011): Wenn ich bei dem »Ich bin Ich« stehen bleibe, dann kann sich „Hass gegen Andere, Grundblindheit über sich selbst und Habgier“ (ebenda, Seite 442) entwickeln, die „dreifache Selbstvergiftung [...] als die Grundverkehrtheit und der Unheilsgrund des Menschen“ (ebenda). In der gegensätzlichen Antwort liegt „eine Grundwendung und völlige Umkehr wie in »Stirb und Werde« oder in »Tod und Auferstehung«“ (ebenda, Seite 443). Damit ist also die Ekstase der Zukunft angesprochen („ekstatisches Aufscheinen der Möglichkeit“, s. o. Cavell).

Entsprechend führt uns die Frage „Was ist Leben?“ zu den beiden Antworten »Leben fließt und blüht von sich selbst, Leben lebt aus sich selbst heraus, Leben ist Leben« und »Leben ist Nicht-Leben« mit der Ekstase der Herkunft bzw. der Gewesenheit nach Heidegger, nämlich wo alles Leben herkommt, denn die „Natur [...] ist der erste Auferstehungsleib des selbstlosen Selbst aus dem Nichts“ (ebenda, Seite 443).

Die Frage „Wer oder was ist ein anderer?“ hat zur Antwort »ein anderer ist anders« und »ein anderer ist nicht anders« und kann uns in die Ekstase der Ankunft bzw. der Gegenwart nach Heidegger versetzen, der Gegenwart des anderen, mit der wir konfrontiert sind. „Die communio des gemeinsamen Lebens ist der zweite Auferstehungsleib des selbst-losen Selbst“ (ebenda, Seite 445).

Dabei geht es „um die Überlieferung des Selbst, von Selbst zu Selbst“ (ebenda, Seite 446) und damit um die die vorangegangenen Fragen umfassende Frage „Was ist Lieben?“ mit den beiden Antworten »Verstehen ist Verstehen, Akzeptieren ist akzeptieren, Lieben ist Lieben« und »Lieben ist Nicht-Lieben«: Wenn ich bei dem »Lieben ist Lieben« stehen bleibe, dann kann sich ein Selbstbewusstsein etablieren, andere geliebt und womöglich dadurch gerettet zu haben, was alles verderben würde, und es kann sich wie oben ebenfalls „Hass gegen Andere (, die sich womöglich von mir nicht lieben lassen wollen), Grundblindheit über sich selbst und Habgier“ (ebenda, Seite 442) entwickeln, die „dreifache Selbstvergiftung [...] als die Grundverkehrtheit und der Unheilsgrund des Menschen“ (ebenda). Diese Erfahrung vom Lieben „bewährt sich darin, einen anderen erwachen zu lassen, und zwar so, dass dieser selber erwacht“ (ebenda, Seite 445). Wer einen anderen erwachen lassen will, der „predigt nicht, belehrt nicht, sondern stellt in der Begegnung wie auch beim Zusammensein einfache Fragen: »Woher bist du?« »Was ist dein Name?« »Wie geht's dir?« »Hast du schon gegessen?« »Siehst du diese Blumen?«“ (ebenda, Seite 445 f.). Er bittet also nur um ganz einfache Auskünfte wie Sokrates, „und bei dem Anderen wird die Frage nach sich selbst, nach dem wahren Selbst erweckt: »Wer bin ich eigentlich?«“ (ebenda, Seite 446) Damit ist also die Ekstase der Auskunft angesprochen. Beim absoluten Nichts bzw. bei der Liebe geht es „um die Überlieferung des Selbst, von Selbst zu Selbst“ (ebenda). Die Überlieferung von Selbst zu Selbst ist meines Erachtens der dritte Auferstehungsleib des selbst-losen Selbst. Damit ist die ganze Prozesshaftigkeit umfasst (s.o. 1.1) und daher der ganze Sinn des Seins, d.h. die Frage nach dem Sinn des Seins ist äquivalent mit der Frage nach dem Lieben.

In der zweiten Hälfte von Cavells „Der Anspruch der Vernunft“ geht es immer stärker um den körperlichen Aspekt und sein Verhältnis zu Seele und Geist, wobei Seele und Geist hier nicht klar getrennt sind. Einerseits wird Wittgensteins These behandelt, dass der „menschliche Körper [...] das beste Bild der menschlichen Seele“ (Wittgenstein, 2001, S. 1002, PU 496) sei, andererseits kann der Körper auch ein Hindernis sein, um die Seele zu erkennen. Für letztere Ansicht bringt Cavell einen Mythos vor (Cavell, 2006, S. 603 ff.), der meines Erachtens symbolisch die Situation eines Menschen beschreibt, der in seiner Kindheit missbraucht wurde.

Ob der menschliche Körper nun Seele und Geist zeigt oder nicht, diese Frage wandelt Cavell um: „Ist die skeptische Verdeckung – die Verwandlung der metaphysischen Endlichkeit in einen intellektuellen Mangel – eine Verleugnung des Menschlichen oder dessen Ausdruck?“ (ebenda, S. 781) Es ist offensichtlich ein Ausdruck des Menschlichen, das Menschliche zu verleugnen. Dies, zeigt Cavell, wird z.B. in den Tragödien und Komödien von Shakespeare häufig zum Thema:

Da in Tragödien der Tod immer eine große Rolle spielt, kommt Cavell immer wieder zurück „auf die Vorstellung vom menschlichen Körper und welches Los ihm in diesen Geschichten zufällt“ (ebenda, S. 757). Im „Kaufmann von Venedig“ von Shakespeare macht sich Shylock zum Advocatus Diaboli, indem er fordert, Antonio solle ihm ein Pfund seines Fleisches als Entschädigung für die seelischen Verletzungen geben, die er Shylock zugefügt habe. Damit will er demonstrieren, in welcher Weise Antonio und die anderen Christen die Analogie zwischen Körper und Seele missbrauchen, dass sie nämlich, wenn sie sich von einem Juden seelisch verletzt fühlen, ihn dafür töteten. Shylock, der Jude, und Antonio und seine Freunde, die Christen, verleugnen in ihrer Grausamkeit das Menschliche, drücken dadurch aber gleichzeitig etwas sehr Menschliches aus, nämlich das Bedürfnis nach Wiedergutmachung. Ontologisch-wesenhaft zeigt sich hier die Wut über die Geworfenheit des Daseins, dass ihm immer wieder Situationen, in die es geworfen wird, zugemutet werden.

Mit Shakespeares „Das Wintermärchen“ und seinem „Othello, der Mohr von Venedig“ wählt Cavell eine „zweite, [...] abschließende Illustration, [...] welches Schicksal dem menschlichen Körper unter dem Skeptizismus [nach meiner Interpretation also bei Missbrauch oder Misshandlung] beschieden ist“ (ebenda, S. 761). Der Zusammenhang beider Stücke „ist eine Geschichte von nagender Eifersucht, dann der Anklage wegen Ehebruchs, einer Anklage, von welcher jeder Außenstehende, jeder andere als der Ankläger weiß, dass sie völlig gegenstandslos ist“ (ebenda, S. 762). Die nagende Eifersucht ist „die Pein in dem Vermögen, um die Existenz eines anderen (als keusch, unberührt, wie der Wissende von seinem anderen weiß, dass der es ist) zu wissen. Leontes weigert sich einem wahren Orakel Glauben zu schenken, Othello besteht darauf, einem falschen zu glauben“ (ebenda, S. 762). Außerdem „führt in beiden Dramen die Weigerung des Mannes, seinen anderen zu kennen, zur Phantasie von etwas Steinernem“ (ebenda). Hermione erscheint als Statue und wird von Leontes als solche anerkannt, und Othello beschreibt Desdemonas Haut „wie eines Denkmals Alabaster“ (ebenda). Anscheinend wird jemand erst dann als Mensch anerkannt, wenn er oder sie gestorben ist, aber tot und versteinert ist der Körper kein Mensch mehr. Ontologischwesenhaft zeigt sich hier einerseits im Grauen die Angst vor dem Tod, andererseits aber auch in der Pein das Leid über das Getrennt-Sein von seinem eigentlichen Selbst, also von der vollkommenen Liebe, welches sich in der Unzulänglichkeit zeigt, um die Existenz eines anderen zu wissen. Der Affekt des Schmerzes, nicht liebenswert zu sein, war für Othello stärker als die Furcht vor dem Tod, die er total verdrängt hatte, so dass er sich selbst in diesem Affekt umbrachte. Die Spannung (lat. intentio), ob er es wert sei, von Desdemona geliebt zu werden, war zerrissen, und der Schmerz darüber zerriss Othello. Als tragischer Held kann er uns so wieder liebenswert erscheinen. Konkret-ontisch kann sich mir das Leid über das Getrennt-Sein von meinem Ideal-Selbst darin zeigen, dass ich mich nicht für liebenswert erachte. Therapeutisch kann hier manchmal die Affirmation helfen: „Ich bin nicht perfekt, sondern liebenswert.“

Es geht beim Leid nicht nur um meine Existenz, sondern auch um meine Integrität als Mensch. Wegen meiner Unzulänglichkeiten, meiner Unvollkommenheit, muss für meine Integrität, von der ich scheinbar abhängig bin, der andere in seiner Existenz von mir als vollkommen angesehen werden, eine Existenz, „die mich »in gewissem Sinne nach ihrem Bild« schafft“ (ebenda, S. 765). Für ein kleines Kind ist dies typischerweise die Mutter oder der Vater, bei Othello war es Desdemona, und mit ihrem Tod war die Integrität von Othello zerstört, so dass er, nachdem er dies erkannt hatte, auch seine eigene Existenz im Selbstmord vernichtete.

2 Was Heidegger „eigentlich“ nennt, z.B. die Angst, ist bei mir eine dem Modus des Individuums zugeordnete Empfindung oder Befindlichkeit unter dem Aspekt des Psychisch-Motivationalen, während „uneigentlich“ bei mir ein spezifisches Gefühl, z.B. die Furcht, bezeichnet, wenn es um Entscheidungen unter dem Aspekt des Geistig-Idealen geht.

2. Philosophisches Menschenbild

An dieser Stelle will ich die wichtigsten Punkte skizzieren, die mein philosophisches Menschenbild charakterisieren, die ich wesentlich ausführlicher in meinen drei Büchern „Dasein, um zu lieben“ (Kolb, 2017a), „Rhythmus, Intuition und Liebe“ (Kolb, 2017b) und „Liebe, Macht und Sexualität“ (Kolb, 2017c) dargestellt und ausgearbeitet habe.

2.1. Grundlagen meiner Daseinsanalyse

Wie schon in „Dasein, um zu lieben“ ausgeführt (Kolb, 2017a) hat unser Dasein als Mensch zum einen den Modus als Gemeinschaftswesen, den ich Genus nennen will in Anlehnung an Tanabe (Tanabe, 2011), zum anderen den Modus als Individuum und schließlich noch den Modus als Spezies (ebenda), wenn wir uns in bestimmten Positionen befinden und bestimmte Funktionen ausüben, also in bestimmten Beziehungen zu anderen und als Teil bestimmter Strukturen innerhalb der Gemeinschaft handeln. Als Gemeinschaftswesen begreifen wir, was wir wahrgenommen bzw. unterschieden haben (Differenzierung) – dazu brauchen wir prinzipiell andere Menschen, am Anfang unseres Daseins unsere Mutter als die primäre Bezugsperson –, wo es herkommt, d.h. wir werden in die Ekstase der Herkunft (Gewesenheit bei Heidegger (Heidegger, Sein und Zeit, 2006a)) versetzt bzw. versetzen uns später auch selbst dort hinein, um die Bedingungen der Situation zu begreifen und zu einem Gesamteindruck zu integrieren; als Individuum verstehen wir uns theoretisch auf das, was wir begriffen haben und wovon wir dadurch ergriffen sind – dabei sind wir prinzipiell vereinzelt, müssen selbst überlegen und planen, können höchstens Vorschläge von anderen übernehmen, anfänglich von unserer Mutter –, d.h. wir werden aufgrund entsprechender Erwartungen in die Ekstase der Zukunft versetzt bzw. versetzen uns später auch selbst dort hinein, um uns für eine Handlung zu entscheiden, die regulierend wirken soll; als Spezies führen wir erwartungsvoll aus, was wir überlegt, geplant und entschieden haben, wir verstehen uns praktisch darauf – dabei sind wir prinzipiell uns selbst entfremdet, müssen selbst handeln, können höchstens praktische Tipps und vorbildhaftes Handeln von anderen übernehmen bzw. uns abschauen, anfänglich von unserer Mutter –d.h. wir werden aufgrund entsprechender Handlungen und deren Ergebnis in die Ekstase der Ankunft (oder Gegenwart bei Heidegger) versetzt bzw. versetzen uns später auch selbst dort hinein, um uns mit den Konsequenzen unserer Handlungen auseinanderzusetzen. Über die Ekstase der Auskunft, was herauskommt, wenn wir ein bestimmtes Auskommen mit der Welt haben, – dies ist das wichtige Bindeglied, das Heidegger übersehen hat – kommen wir wieder in den Modus des Genus, und die Entwicklungsspirale geht weiter.

Ferner gibt es die Daseinsaspekte des Körperlich-Materiellen, gekennzeichnet durch Affekte, Gegensätzlichkeiten, Übereinstimmungen und Täuschungen, des Psychisch-Motivationalen, gekennzeichnet durch Empfindungen und die Dynamik der Ergriffenheit, und des Geistig-Idealen, gekennzeichnet durch Gefühle und Ideal- und Katastrophenvorstellungen bzw. Erwartungen. Im Modus des Genus sind wir wahrnehmende, unterscheidende Objekte des Körperlich-Materiellen und psychisch-motivierte Subjekte, die zusammen mit anderen begreifen und meinen, Bescheid zu wissen, im Modus des Individuums empfindende Objekte unserer Ergriffenheit, also des Psychisch-Motivationalen, und geistige Subjekte, die überlegen, planen und entscheiden, und im Modus der Spezies sind wir vorfühlende Objekte unserer Erwartungen, also des Geistig-Idealen, und körperlich-materielle Subjekte, die sich aktiv mit den Gegensätzlichkeiten der Materie auseinandersetzen. Insgesamt ergibt sich hier ein Kreis, der in zwei Richtungen durchlaufen werden kann, worauf ich weiter unten noch zurückkommen werde, wenn ich mich mit den verschiedenen Gedächtnisprozessen beschäftige.