Den Tieren ganz nahe - Dr. Margrit Herbst - E-Book

Den Tieren ganz nahe E-Book

Dr. Margrit Herbst

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Beschreibung

Eine Tierärztin beschreibt mit Humor, Präzision und Ehrlichkeit einige Stationen ihres Lebensweges, die immer mit Pferden und anderen Tieren verbunden waren. In den Erinnerungen an eine entbehrungsreiche Kindheit skizziert sie bruchstückhaft das Leben in einer Großfamilie und auf einem Bauernhof während der letzten Kriegsjahre und der ersten Nachkriegsjahre im Norden Schleswig-Holsteins. Anschaulich lässt sie Lausbubenstreiche und wichtige Ereignisse der Studentenzeit vorüberziehen. Instruktive Schilderungen aus dem tierärztlichen Klinikalltag und der Landpraxis werden ergänzt durch Patientenschicksale, Begegnungen mit Pferdepersönlichkeiten und Angaben zur artgerechten Pferdehaltung.

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I – Eine Kindheit auf dem Lande mit vielen Tieren

Alltagsgegebenheiten jenseits jeglichen Überflusses

Die geliebten Großeltern

Das Schaukelpferd - Mein erster Patient

Der Traber Moppi - Eine erste unglückliche Liebe

Die schlauen Meerschweinchen

Molli, die verwöhnte Mischlingshündin

Erwin - Der erste Jugendfreund

Ein Traum geht in Erfüllung - Der erste Reitunterricht

Ferien auf dem Bauernhof

II – Lehrjahre einer Tiermedizinstudentin

Das vorklinische Studium

Rennbahnerfahrungen

Unterassistentenzeit in der Klinik für Pferde

Horizonterweiterung in der Schweineklinik

Willi, das Revolverschwein

Kinderwagen statt Richtkranz

Klinikgeheimnisse

III – Das studentische Leben in der Wohnheimgemeinschaft

Mein neues Zuhause

Unsere Stammkneipe

Der Silversterkarpfen

Das hannoversche Schützenfest

Praxisvertretungen

Zwischen Angst und Zuversicht – Staatsexamensmonate

IV – Berufsalltag in der Großtierpraxis

Meine Begleiter im Alltag

Die fliegende Oma und die bestrafte Neugier

Natronlauge ist kein Pferdefutter

Der feuerrote Lipizzanerschimmel

Ein unerwarteter Behandlungserfolg

Eine Heilung durch eine riskante Behandlungsmethode

Auch Kutschpferde haben Gefühle!

Hengstkastrationen am stehenden Patienten - Nicht nur eine Werbemaßnahme

Vorübergehende Gefühlsverirrungen bei der Behandlung der eigenen Tiere

V – Begegnungen mit Pferdepersönlichkeiten

Dolly - Ein Militarypferd wird Damenpferd

Bogenschnur - Hubertusjagd im Renntrab

Anuschka - Ein pfeilschnelles Jagdpferd

Franzel und die unüberwindliche Abneigung gegen Cowboystiefel

Das explosive Vielseitigkeitspferd Julchen

Wasserspiele mit Nico

Gallant - Das Kinderpferd und der Zauberbesen

Blakkur - Vom Reitschulpferd zum Freizeitbegleiter

Ausreitversuche mit Sally

Granni - Ein dominanter Charmeur

VI - Artgerechte Pferdehaltung

Die natürlichen Bedürfnisse der Pferde

Das Pferd vom Nutztier zum Freund

I – Eine Kindheit auf dem Lande mit vielen Tieren

Alltagsgegebenheiten jenseits jeglichen Überflusses

Nachdem ich im Kriegsjahr 1940 geboren wurde, wohnte unsere Großfamilie viele Jahre in einem Wohn- und Geschäftshaus meines Großvaters in Sörup, einem Dorf in der Nähe von Flensburg, zusammen mit vielen Flüchtlingen. Die Versorgung der Bevölkerung war durch das Kriegsgeschehen stark eingeschränkt. Eine rationierte Abgabe von Lebensmitteln wurde über Bezugskarten und Lebensmittelmarken geregelt. In vielen Waschküchen kochte man aus Zuckerrüben Sirup als Zuckerersatz. Auf abgeernteten Kartoffelfeldern wurden im Boden verbliebene Kartoffeln sorgfältig „ nachgesammelt “, damit aus ihnen Kartoffelmehl gewonnen werden konnte. Äpfel wurden kleingeschnitten und zur Haltbarmachung getrocknet. Hunde und Katzen erhielten überwiegend Essenreste, sofern diese Reste nicht anderweitig verwertet werden konnten. Da es in der Kriegszeit noch keine Kühlschränke gab, mussten Lebensmittelvorräte überwiegend im Keller oder in einer Speisekammer gelagert werden.

Die Milch wurde von einem Milchhändler mit einem Pferdefuhrwerk angeliefert. Aus einem Metalltank wurde über einen kleinen Hahn Milch in die mitgebrachten Metallkannen oder Krüge der Dorfbewohner abgefüllt. Private Schweinehaltungen wurden nicht den Behörden gemeldet, weil Fleisch Mangelware war und somit wurden die gemästeten Schweine in Nacht- und Nebel-Aktionen heimlich geschlachtet.

Aus der Wolle abgetragener Strickwaren wurden erneut Stricksachen angefertigt und aus Stoffen alter Kleider neue Kleidungsstücke genäht. Zu klein gewordene Kleidung konnte man an andere Menschen weiterreichen. Abgetragene Schuhe wurden vom Dorfschuster neu besohlt oder mit Flicken versehen. Ansonsten blühte der private Tauschhandel. Von der  heutigen Konsum- und Wegwerfgesellschaft war man damals weit entfernt, weil man den Wert und Besitz vieler einfacher Dinge zu schätzen gelernt hatte.

In der Schule, eine kleine graue Holzbaracke mit Ofenheizung, wurde anfangs auf einer kleinen Schiefertafel mit einem Kreidestift geschrieben. Gelöscht wurde die Schrift mit einem kleinen gewässerten Schwamm. Später, als Papier zur Verfügung stand, hatte jedes Kind ein Tintenfass auf der Schulbank, weil nun mit einer Metallschreibfeder oder einer angespitzten Gänsefeder geschrieben wurde. Schreibgeräte hatte jedes Schulkind mitzubringen. Schönschrift wurde damals auch gelehrt.

Vor dem Lehrer hatten wir damals viel Respekt. Wenn er die Klasse betrat, mussten wir aufstehen und uns auf Geheiß hinsetzen. Bestrafungen durch den Lehrer, wie z. B. „ In der Ecke stehen “, Strafarbeiten, Ohrfeigen oder Schläge mit einem Lineal auf die Finger, waren damals üblich. Oft wurden wegen des Raum- und Lehrermangels mehrere Klassen in einem Raum von einem Lehrer unterrichtet. Lesen und Schreiben haben wir trotzdem gelernt!

Wegen des akuten Mangels an Lebensmitteln gab es täglich in der Schule in den ersten Nachkriegsjahren eine sogenannte Schulspeisung. Diese bestand meistens aus einem Teller Suppe oder Brotscheiben mit Margarine und Rübensirup. Zusätzlich gab es einen Löffel Dorschlebertran. Obgleich die meisten Schüler den Lebertran wegen des intensiven Fischgeruchs höchst ungern zu sich nahmen, hätte ich ihn ohne weiteres flaschenweise trinken können.

Abends mussten die Fenster wegen möglicher Fliegerangriffe mit Bordwaffen verdunkelt werden. Trotzdem wurde ein Projektil in unser Wohnzimmer geschossen und streifte einen Schrank. Verletzt wurde niemand. Wenn die Motoren von Flugzeugen zu hören waren, liefen wir schleunigst in dem Keller, wo wir viele Stunden und Nächte, mehr oder weniger verängstigt, im Halbdunkel verbracht haben. Obwohl unser Dorf selten im Visier angreifendender Militärmaschinen war, haben die von uns Kindern hautnah erlebten Ängste der Erwachsenen möglicherweise bis heute viele unbewusste und uneingestandene Angstgefühle hinterlassen.

Die geliebten Großeltern

Oft habe ich mich bei Oma und Opa aufgehalten, die mir die Liebe, Geborgenheit und Zuwendung gegeben haben, die ich bei meinem Vater vermissen musste. Immer hatten die Großeltern Verständnis und Zeit für mich. Sie verwöhnten mich und gaben mir Aufmerksamkeit und Anerkennung. Sie halfen mir nicht nur bei den Schularbeiten, sondern trösteten mich, wenn ich traurig war. Als mein Großvater mir an einem Weihnachtsabend bei unserer Familienfeier ein fast naturgetreues, schwarzes Pferd mit weißer, wallender Mähne schenkte, hat mein Vater mir das Pferd vor den entsetzten Augen aller Anwesenden weggenommen und im Wohnzimmerschrank eingeschlossen. Wohingegen meinem Bruder von meinem Vater ein blauer Stahlroller geschenkt wurde, von dem ich bisher nur träumen konnte. Da ich angeblich zu schwer für diesen stabilen Roller war, wurde mir verboten, mit ihm zu fahren. Fasste ich ihn in Anwesenheit meines Bruders nur an, wurde ich verpetzt. Dieses fadenscheinige Verbot hat mich tief getroffen und erneut vor Augen geführt, dass ich für meinen Vater immer das ungeliebte Kind bleiben würde.

Bei meinen Großeltern habe ich nicht nur beim Gewitter Schutz gesucht, sondern auch, wenn mein Vater mir Ohrfeigen wegen Nichtigkeiten verpasst hatte. Vielfach hat der Vater meine Kinderseele verletzt, indem er mich herabgewürdigt hat. Dabei habe ich mir sehnsüchtig gewünscht, dass er mich endlich als liebenswerten Menschen wahrnimmt und achtet. Viele Jahre habe ich gebraucht, um die damals entstandenen Minderwertigkeitsgefühle zu neutralisieren. Aus einer Art Selbstschutz bin ich zu einer „ Rebellin “ geworden, die durch die extreme Bevorzugung meines Bruders ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl entwickelt hat.

Mein Großvater war Kaufmann und Inhaber eines Gemischtwarenladens. Besonders erwachsen und stolz fühlte ich mich auch, wenn ich meinen Großvater zu seinem Kneipenstammtisch am Sonntagvormittag begleiten durfte. Pferde besaß Opa nicht, war aber Ehrenvorsitzender in unserem Reiterverein. Von einem Landwirt im Nachbarort wurde ihm vielfach ein Kutschwagen mit Wagenlenker zur Verfügung gestellt. Die vielen Kaffeefahrten mit den Großeltern an den nahegelegen Ostseestrand waren für mich immer ein traumhaftes Erlebnis. Ständig war mein Großvater von Tieren umgeben. Häufig waren es Kanarienvögel oder Wellensittiche, die sich meistens frei in der Stube bewegen durften. Später umsorgte er liebevoll Zierfische.

Meine Großmutter mütterlicherseits ist auf einem kleinen Bauernhof kurz hinter der dänischen Grenze aufgewachsen. Kochen und Backen hatte sie in einem königlichen Hotel in Apenrade gelernt. U. a. backte sie ständig leckeres Brot für unsere Großfamilie, das in einem Schrank in der Küche aufbewahrt wurde. Oft, wenn ich zum Naschen in der Küche war, ging die Küchentür auf und unsere Hauskatze marschierte herein, nachdem sie mit einem gezielten Sprung die Tür von außen geöffnet hatte. Dann ging die Katze zu den unteren Küchenschranktüren, öffnete sie mit einem kleinen Sprung und suchte  im Schrank nach Mäusen und anderem Essbaren. Danach machte der Minitiger mir durch Miauen deutlich, dass ich die Küchentür öffnen solle, damit er wieder auf Wanderschaft gehen konnte.

Wegen des hohen Eierverbrauches wurde eines Tages in der Waschküche eine kleiner Bereich für die Hühnerhaltung mit Auslauf im Garten eingerichtet. Auf diese Weise war eine ausreichende Versorgung mit Hühnerfleisch und Eiern gesichert. Im Gegensatz zur Schweinehaltung musste die Zahl der Hühner nicht bei den Behörden gemeldet werden. Wegen der Nachzucht wurde auch ein brauner Hahn angeschafft. Trotz vieler vergeblicher Versuche meinerseits, mit dem Hahn Freundschaft zu schließen, hatte er mich als Feind auserkoren, an dem er seine Aggressionen ausleben konnte. Der Grund dafür ist mir bis heute noch nicht bekannt. Oft, wenn ich unser Haus betreten wollte, stand der Hahn wachend vor der Haustür. Kam ich dann in die Nähe der Tür, startete er einen Angriff. Verletzt hat er mich aber nicht. Also blieb mir nichts anderes übrig, als mich vor dem Betreten des Hauses aus der Ferne zu vergewissern, ob die Luft rein war. Wenn nicht, musste ich häufig den Weg durch einen Ladeneingang nehmen. Sehr erleichtert war ich, als dieses aggressive Tier schließlich im Kochtopf landete.

Als Oma einmal einen Tag vor Weihnachten einen großen Kopenhagener Kranz gebacken hatte, war der Küchentisch zu klein, um ihn dort bis zum nächsten Tag aufzubewahren. Also wurde der Kuchen mit Unterlage auf dem Fußboden ihres Wohnzimmers abgelegt. Als meine Großmutter am nächsten Morgen das Zimmer betrat, hatte der Kuchen ein etwa rattengroßes Loch. Dieses konnte nur von einer Ratte stammen, die den Weg vom Hühnerstall in den ersten Stock des Wohnhauses, von unserer Hauskatze unbemerkt, gefunden hatte. Möglicherweise auch über den Toilettenschacht. Also wurde nach einem gemeinsamen Beschluss das fehlende Kuchenstück großzügig umschnitten und der Restkuchen Weihnachten verzehrt. Ein Wegwerfen kam nicht in Betracht, da das Lebensmittelangebot damals sehr begrenzt war.

Eine schöne Gewohnheit war die Tatsache, dass mir jeden Abend vor dem Schlafengehen von Oma eine Tasse Kakao als Schlaftrunk in wunderschönen Sammeltassen bereitet wurde. Die sogenannte „ Gute Stube “ war für mich immer eine gemütliche sichere Höhle, die mit roten weichen Samtmöbeln, einer alten Stehuhr aus Eiche und einem großen Wandteppich mit Pferdemotiven ausgestattet war. Noch heute denke ich oft mit Wehmut an diese Abende zurück. Als Erinnerung an diese gemütlichen friedvollen Mußestunden steht noch heute ein kleines Holzpferd, von meinem Großvater geschenkt, auf meinem Schreibtisch. Die Vorliebe für Süßigkeiten habe ich anscheinend von meiner Großmutter geerbt, aber leider nicht ihre Kochkünste.

Das Schaukelpferd - Mein erster Patient

Von meinen Großvätern habe ich anscheinend die Liebe zu den Pferden geerbt. Als Kind wollte ich nie mit Puppen spielen, sehr zum Ärger meines Vaters, der Angst vor Pferden hatte. Als Kinder hatten wir oft wenige oder nur einfache Spielsachen, wie z. B. Holzabfall vom Tischler, Kastanien, Eicheln oder Streichholzschachteln. Aber unsere Familie besaß einen Puppenwagen mit großen Metallrädern und eine wertvolle, alte Puppe. Da ich aber nie mit der Puppe spielen wollte, wurde diese schließlich in einem Nachbarort gegen ein Schaukelpferd mit Sattel, Trense und einem Kunsthaarschwanz eingetauscht. Dieses Pferd war ein Apfelschimmel mit vielen blauweißen Flecken. Deponiert wurde das Tier im Flur auf dem Absatz einer Treppe, die zum Boden führte.

Als es im Winter im ungeheizten Flur kalt wurde und bei unseren Flüchtlingen, die in kleinen Kammern auf dem Dachgeschoß untergebracht waren, u. a. Typhuserkrankungen auftraten, wurde mein Schaukelpferd vorsorglich in das elterliche Schlafzimmer gestellt. Zum Ärger meiner Mutter habe ich dann mehrfach die Schmutzwäschetruhe ausgeräumt, ein Brett als Sitzfläche über die Truhe gelegt, mein Pferd mit Fahrleinen versehen und es vor den Wäschekorb als Kutschpferd gespannt. So konnte ich nicht nur reiten, sondern auch Kutsche fahren. Viele Stunden habe ich mit dem Pferd gespielt. Den Versuch, mit einen Küchenmesser den Bauch des Tieres aufzuschneiden, um zu sehen, welche Eingeweide sich hinter der Hülle befanden, überstand der Schimmel unbeschadet und hat mir viele Jahre Freude bereitet.

Der Traber Moppi - Eine erste unglückliche Liebe

Als mein einziger Bruder fünf Jahre nach mir geboren wurde, fühlte ich mich zunehmend zurückgesetzt und von meinen Eltern ungerecht behandelt. Zu der Zeit waren Bus, Bahn, Pferdewagen und Pferdeschlitten übliche Verkehrsmittel. In einem Nachbardorf, etwa drei Kilometer von unserer Wohnung entfernt, waren wir häufig bei einer Bauernfamilie zu Gast, die einen wunderschönen braunen Traber namens „ Moppi “ besaß. Da mich dieses Pferd sehr faszinierte, bot mir der Pferdebesitzer Moppi zum Tausch gegen meinen Bruder an. Als der Kinderwagen mit meinem schlafenden Bruder eines Tages unbeaufsichtigt war, ergriff ich das Gefährt und fuhr zu Moppis Besitzer, um den Handel  perfekt zu machen. Leider kam der ersehnte Tausch nicht zustande. Mein Bruder und ich wurden nach Benachrichtigung meiner Mutter abgeholt und ich empfing wieder die obligatorischen Prügel.

Die schlauen Meerschweinchen

Weil ich unbedingt eigene Tiere haben wollte, bekam ich eines Tages zwei kleine Meerschweinchen geschenkt. Die Tierchen wurden in einer großen Pappkiste in der Küche untergebracht. Versorgt wurden sie von mir mit Heu, Wasser, Küchenabfällen und Löwenzahn. Dass meine Abneigung gegen meinen Bruder berechtigt war, beweist die Tatsache, dass er mir als Gegenleistung für die Versorgung meiner Tiere während eines Ferienaufenthaltes in Dänemark, meine geliebte Briefmarkensammlung abgehandelt hatte. Aus Sorge um meine Tiere habe ich mich notgedrungen auf den Handel einlassen müssen.

Immer noch kein eigenes Pferd besitzend, wurden die Meerschweinchen schließlich zu Springpferden umfunktioniert. Wenn ich alleine war, wurde von mir in der Wohnstube um den Wohnzimmertisch mit Bauklötzen ein Springparcours aufgebaut. Nach einigen Anfangsschwierigkeiten hüpften die Meerschweinchen fast freiwillig über die aufgestellten Hindernisse. Die zusätzliche Bewegung schien den Tieren Freude zu bereiten.

Eines Tages wurden zu unserer Überraschung drei niedliche kleine Meerschweinchenbabys geboren. Um den Tieren einen größeren Auslauf und frische Luft zu ermöglichen, habe ich die Meerschweinchenfamilie hin und wieder auf unserer offenen Dachterrasse laufen lassen. Diese Terrasse war eigentlich nur zum wöchentlichen Kinderbaden in einer kleinen Zinkwanne und zum Wäschetrocknen vorgesehen. An einem Waschtag hatte meine Mutter ihre langen Abendkleider, der Reihe nach geordnet, auf einer Wäscheleine zum Trocknen aufgehängt. Weil ich leichtsinnigerweise die Meerschweinchen auf der Terrasse ohne Aufsicht freigelassen hatte, kam es zur Katastrophe. Als ich einige Stunden später meine Lieben wieder hereinholen wollte, saßen einige von ihnen auf den Hinterbeinen und mümmelten an den Säumen der langen Abendkleider. Die Festtagskleider hatten somit das Zeitliche gesegnet. Es folgte der übliche Familienkrach mit der Konsequenz, dass meine geliebten Tiere weggegeben wurden.

Molli - Die verwöhnte Mischlingshündin

Gegen Ende des Krieges zog eine ältere Dame mit ihrer Tochter in das Haus meines Großvaters, weil deren Wohnhaus in Hannover den Bomben zum Opfer gefallen war. Im Dachgeschoß unseres Hauses wurde ein Abstellraum mit einem großen Fenster zu einer Wohnung mit Heizung und Waschbecken umfunktioniert. Der Schlafbereich wurde durch zwei Schränke und einer Wolldecke abgeteilt. Da keine Kochgelegenheit vorhanden war, gingen die beiden Damen mittags zu einer befreundeten Familie in unserem Dorf.

Eines Tages bekam die Tochter eine kleine, hochbeinige, braunweiße Mischlingshündin namens „ Molli “ geschenkt. Dieses pfiffige Tierchen wurde von uns allen nach „ Strich und Faden “ verwöhnt und nutzte diese Sonderbehandlung auch schnell aus. Bald hatte ich mit Molli Freundschaft geschlossen, zumal ich die Hündin fast täglich zu langen Spaziergängen abholte.