Dennis Hopper - Tom Folsom - E-Book

Dennis Hopper E-Book

Tom Folsom

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Beschreibung

Die Biografie des letzten wahren Hollywood-Rebellen.

2010 verstarb Dennis Hopper, bevor der maßgebliche Rebell Hollywoods eines seiner letzten Projekte inszenieren konnte: seine Autobiografie. Dank Bestsellerautor Tom Folsom liegt dieses große Werk nun vor: die außergewöhnliche Geschichte eines kleinen Jungen aus dem tiefsten Kansas, der – immer seine eigenen Bilder vom American Dream vor Augen – zu einem der größten Schauspieler, Regisseure und Künstler des 20. Jahrhunderts wurde. James Dean, Elvis Presley und John Wayne, Andy Warhol, Jack Nicholson und Charles Manson – die Liste der Persönlichkeiten, die Hopper prägte und die ihn prägten, ist lang. Dabei blieb Hopper immer nur den Regeln treu, die er sich selbst geschaffen hat. Wegbegleiter, Widersacher und Freunde Hoppers – wie Easy-Rider- Kollege Peter Fonda und Kult-Regisseur David Lynch – gaben Tom Folsom ihre Erfahrungen mit diesem manischen Perfektionisten, hochsensiblen Denker und ikonoklastischen Genie zu Protokoll. Dennis Hopper – Die Biografie ist eine wilde Fahrt durch die prägenden Epochen amerikanischer Kino- und Kunstgeschichte.

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Seitenzahl: 395

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Tom Folsom

DENNIS

HOPPER

Die Biografie

Aus dem Amerikanischen

von Teja Schwaner

Karl Blessing Verlag

Titel der Originalausgabe: Hopper – A Journey Into The American Dream

Originalverlag: itbooks, an imprint of HarperCollins Publishers

1. Auflage

Copyright © 2013 by Mad Ones Corp.

Copyright © 2013 der deutschsprachigen Ausgabe

by Karl Blessing Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Umschlaggestaltung: Hauptmann und Kompanie Werbeagentur, Zürich,

unter Verwendung zweier Fotos von © Getty Images Contour/Nicolas Guerin

(Frontcover) und © Mary Ellen Mark (Backcover)

Satz: Leingärtner, Nabburg

ePub-ISBN: 978-3-641-10273-9

www.blessing-verlag.de

Für Dean

He’s a walking contradiction,

partly truth and partly fiction

– »The Pilgrim, Chapter 33«, Kris Kristofferson

Er ist ein wandelnder Widerspruch,

teils wahr und teils erfunden

INHALT

TEIL I

DER GELBE GUMMIZIEGELSTEINWEG

TEIL II

THE LAST MOVIE

TEIL III

DER FILM IM FILM

TEIL IV

DIE WÜSTE REISE

TEIL V

DER AMERIKANISCHE TRAUM

DANKSAGUNGEN

REGISTER

Wie ein Flammenschwert hing die Sonne über der Wüste von Taos. Während der nächsten Stunden würde sie die zerklüfteten Flanken der Sangre-de-Cristo-Gebirgskette im Namen des Erlösers in Brand setzen. Jetzt senkte sie sich unversöhnlich über die staubtrockene Erde New Mexicos und brannte auf das dürre Gräberfeld nieder, das in der Hitze immer weiter aufbrach. Keine Brise streichelte die Plastikblumensträuße, die zwischen den Steinbrocken sprossen, die über den Gräbern aufgehäuft lagen. Unter diesen Steinen ruhten viele. Ungeduldig der Apokalypse harrend und dürstend nach einem Wassertropfen, bereiteten sich die ruhelosen Seelen darauf vor, dass eine weitere von ihnen eintraf. Und dann, begleitet vom frenetischen Dröhnen der Motoren, aufheulend, als sei sie umzüngelt vom Höllenfeuer, schoss aus dem Tal des Todes eine Harley-Davidson, gleißendes Chrom mit roten Flammen, die auf dem orangefarbenen Teardrop-Tank loderten. Die wütende Wespe stürzte sich geradewegs ins grelle Licht.

Der Fahrtwind ließ die Fransen seiner Wildlederjacke flattern, und Dennis Hopper grinste. In versifften Hosen und mit einem lappigen Cowboyhut, der ihm auf dem Rücken baumelte, stemmte er sich in seine ausgelatschten Stiefel und schraubte sich in die Höhe wie ein leibhaftiger Zyklon. Keine Macht der Erde hätte ihn von dem Stahlross werfen können, das zwischen seinen Beinen glühte. Als Junge hatte er sich an einen rasenden Zug von Dodge City nach Hollywood geklammert, nur um schneller als das Licht auf einer Waschbrettpiste zu den Höhen des Monument Valley zu eilen. Nach einem kurzen Abstecher, um die Nase unter die geschürzten Rüschenröcke von New Orleans, der Königin des Mardi Gras, zu stecken, saß er wieder im Sattel, verschlang auf dem offenen rot getünchten Highway heißhungrig schwarzen Asphalt mit über hundert Meilen die Stunde. Diesmal würde er es ganz sicher schaffen.

Lärmend und rasend durchstürmte Hopper auf seinem Höhenflug den Kosmos, das ohrenbetäubende Donnern seines Choppers zerriss das Gefüge aus Raum und Zeit. Er folgte den glitzernden Sternen, die ihm vom Firmament zuzwinkerten. Seine Leitsterne waren James Dean, der noch immer hell leuchtete, und in seiner ureigenen Umlaufbahn ein funkelnder Andy Warhol. Da war auch der Gigant John Wayne, heller noch als ein Riese, wenngleich auch mächtig cool. Weit draußen blitzte Elvis auf, gefolgt vom fernen Glimmen des genialen Wunderknaben Orson Welles. Hopper gab Gas.

Er kam jetzt immer näher. Vor ihm ragte ein schneebedeckter blauer Berg auf, so groß, wie er sich ihn erdacht hatte. Eine Haarnadelkurve des trügerischen steinigen Pfades, auf dem die Ruinen einer vergessenen Zivilisation verstreut lagen, machte den Blick frei auf ein verborgenes Plateau, das feucht war und üppig bewachsen und das grünlich glomm im halluzinatorischen Licht, das, gefiltert von der dünnen alpinen Luft, die gesamte Umgebung in Technicolor tünchte. Ein endloses Feld strahlend gelber Blumen ließ das letzte Wegstück schimmern.

Wie eine verlorene Stätte der Inka tauchte eine falsche Wildweststadt im Bergnebel auf. Falsche Cowboys streunten hier umher, breitkrempige Hüte auf dem Kopf. Blitzende, mit Platzpatronen geladene Revolver an der Hüfte, paradierten sie polternd vorbei an den Fassaden eines falschen Telegrafenbüros, eines falschen Büchsenmachers, eines falschen Longhorn-Saloons. Ein falscher Kirchturm überragte die jahrhundertealte spanische Plaza, die von der goldenen Statue eines Konquistadoren bewacht wurde, der stramm im Staub stand und darauf wartete, dass wilde Hunde ihn im Mondlicht anpissten. In gekritzelten Kreidebuchstaben zitierte das verwitterte Schild der falschen weißen Kirche die Gnostischen Evangelien:

Zeigt mir den Stein, den die Bauleute verworfen haben. Er ist der Eckstein.

Gesetzlose und Sonderlinge waren willkommen.

Der erschöpfte Reisende, der mit gestiefelten Füßen die absonderliche und bizarre Welt betrat, die er sich selbst erschaffen hatte, sog alles auf. Endlich hatte er sich seinen ureigenen Amerikanischen Traum erfüllt, maßgeschneidert für einen Kerl unter Strom.

»Oh, Mann«, rief Hopper. »Alles ist echt.« Und das war erst der Anfang.

TEIL I

DER GELBE GUMMIZIEGELSTEINWEG

Abb. 1: Porträt vor Jimmy’s Place, aufgenommen von Cecil Beaton am Set von The Last Movie, Peru 1970

KANSAS

Ein prächtiger peruanischer Abend. Dennis Hopper steckte sich eine Zigarette an. Schick, drahtig und reichlich verrufen, ein gut aussehender Gentleman mit Stetson, der auf der Rückseite der lichtgrünen Anden zu Tal preschte und dabei mit viel Geschick seinen schlammverschmutzten roten Ford Pick-up um die steil abfallenden Haarnadelkurven manövrierte. Auf der Seite des Wagens prangte sein persönliches Motto: KANSAS – HOLLYWOOD, CAL. BROKEN BONES BUT RARIN’ TO GO! Sein Beifahrer, ein Journalist von LIFE, gierte nach dem Exklusivknüller für die groß anlegte Titelgeschichte über das, was dieser manische Schauspieler – über Nacht weltweit berühmt geworden als der Chopper lenkende, rebellische LSD-Freak, der für den phänomenal erfolgreichen Film Easy Rider verantwortlich war – am Arsch der Welt trieb, zugekokst wie ein Irrer und umringt von einer Horde bulliger psychedelischer Cowboys, die ihn für ein Genie hielten oder gar für eine Art Messias.

Als trachtete er danach, das neue Jahrzehnt, die Siebziger, einzuläuten, hatte Hopper im beseelten Alter von dreiunddreißig Jahren auf dem Berg eine sonderbare Welt erbaut, deren wahre Bedeutung allein er zu kennen schien. Sie befand sich viertausend Meter über dem Meeresspiegel in dem uralten Dorf Chinceros, das von eingeborenen Indios bewohnt war, die sich genauso wenig vorstellen konnten, was in seinem Kopf vorging. Jahrhunderte zuvor waren sie von den Konquistadoren überrannt worden. Und jetzt kam Hopper, der ihr Dorf praktisch über Nacht in eine Grenzstadt des Wilden Westens verwandelte. Er ließ Pferde – ganze Herden – und Sättel den Berg hinaufschaffen. Er flog vierschrötige Männer ein und kleidete sie in verschiedenste Cowboyklamotten. Er ließ Kulissen aus B-Western den Bergpfad hinaufschleppen, darunter eine Art spiritualistischen Tempel namens Jimmy’s Place, auf dessen Fensterscheibe der Ausspruch REMINDS YOU OF YOUR DESTINY (Gemahnt dich an dein Schicksal) gepinselt war. Was zum Teufel sollte das alles?

Der Journalist klammerte sich todesmutig im Pick-up fest, als Hopper mit seiner Story loslegte, einer seltsamen und verzwickten Geschichte über superheldenhafte Höhen und dekadente Tiefen. Sie nahm ihren ziemlich unschuldigen Anfang in Kansas, ungefähr zu der Zeit, als die Sandstürme der Dust Bowl es sich dort bequem eingerichtet hatten. Während ihrer fulminanten Blütezeit erklärten billige Schmöker in aller Welt Dodge City zur »verworfensten Stadt in Amerika«, Endstation der Viehtriebe für Horden von Cowboys, die darauf erpicht waren, es krachen zu lassen, nachdem sie die Longhorn-Rinder aus Texas hergebracht hatten – und eine ganze Menge Ärger gleich mit. Es bedurfte der schnellsten Revolver des Westens, für Frieden zu sorgen, der legendären Helden der Schießerei am O. K. Corral in Tombstone, Arizona – Wyatt Earp und sein schwindsüchtiger Kumpan Doc Holliday. Wen das Gesetz nicht vertrieb, den vertrieb damals, als Hoppers Story begann, ganz bestimmt der Staub.

An einem sonnigen Samstagmorgen im April 1939 holte die alte Rinderstadt mit Stolz ihre Stiefel hervor und tat ihr Bestes, so wüst auszusehen, wie es wüster nicht ging. Die Handelskammer forderte »Keep Your Whiskers« (Erhaltet eure Bärte) und lobte einen Zweihundert-Dollar-Preis für den schönsten Bart aus, einen, der an die haarigen Tage im alten Dodge gemahnte.

Abb. 2: Premiere von Dodge City, Kansas, 1939

Alle kamen sie aus ihren Häusern, darunter auch die Familie Hopper mit dem kaum dreijährigen Dennis, der die wilden Typen in Büffelleder bestaunte, die den geschniegelten Herren mit ihren Zwirbelbärten die Aufmerksamkeit stahlen. Wie Statisten nahmen sie allesamt ihre Positionen am Bahnhof ein, umgeben von Zehntausenden Gesichtern aus allen Ecken des Landes, die nach jahrelangem Leiden unter den sonnenverfinsternden Staubstürmen endlich ein bisschen Bräune zu ergattern suchten. Unaufhaltsam verrannen die Sekunden bis zur Ankunft der Schauspieler. Für immer und ewig würde sich die Stadt an Dodge City, den Film, als das Großartigste erinnern, das in Dodge jemals geschehen war und selbst die geschichtsträchtigen alten Tage in den Schatten gestellt hatte.

Kurz nach zehn stürmten dreißig Kunstflieger der Wichita Aeronautic Society über den Himmel. Die Band stimmte »Oh! Susanna« an, als der stahlblaue »Warner Bros. Special« auf den Schienen der Santa Fe Railroad herandampfte. Aus dem extravaganten Zug mit seinen siebzehn Wagen, darunter acht luxuriös ausgestattete Pullmans, stieg eine bizarre Auswahl von gefragten Hollywood-Größen wie Humphrey Bogart – und manchen nicht so gefragten wie der exotischen Lya Lys, die in L’Age d’Or, einem Meisterwerk des surrealistischen Films, an der Alabasterzehe einer Venusstatue gesaugt hatte. Der volltrunkene ehemalige Weltmeister im Halbschwergewicht, »Slapsie« Maxie Rosenbloom, torkelte aus dem Gepäckwagen, den man so herausgeputzt hatte, dass er wie der Lady Gay Saloon aussah, die berüchtigte Schenke im »trunksüchtigen Babylon der Westgrenze«, als das Dodge City bekannt war, bevor es knochentrocken wurde. Eine Auswahl bekannter Scharfschützen aus B-Movies drängte sich ans Tageslicht, Hoot Gibson und Buck Jones mit seinem weißen »Zehn-Gallonen-Hut«. Bucks treues Ross Silver tänzelte aus dem Tierwaggon. Zwischen Oma und Mama erhob sich die getuschelte Frage, ob er wohl tatsächlich aus Kalifornien käme, um sie zu besuchen.

Und schließlich erschien er, der Star mit dem bleistiftdünnen Schnurrbart, im Beifallssturm seiner Fans auf dem Bahnsteig.

»Ich weiß noch, wie Errol Flynn nach Dodge City kam«, sagte Hopper, und sein Leben lang erzählte er Freunden und Journalisten die Geschichte. »War ’ne ganz große Sache.«

Als Star in Hoppers frühesten Erinnerungen brachte der verwegene Hollywood-Libertin mit seinem strahlenden Lächeln Scharen junger Mädchen zum Schmelzen, die ohnehin schon vor Aufregung glühten, wie von Sinnen winkten und sich kreischend um seine Aufmerksamkeit rissen. Nur mit größter Mühe waren sie von sechs Kompanien der Nationalgarde an den Absperrungen in Schach zu halten. Eines Tages, wenn Dennis erwachsen war, würde auch er vielleicht in einer Wildlederjacke in die Stadt einziehen, hoch zu Pferde.

Auf einem Schimmel und einem 25 000-Dollar-Sattel, handgefertigt in Schwarz und Silber, in Auftrag gegeben von der Santa Fe Railroad, führte Errol Flynn die Parade an, gefolgt von einer Planwagenprozession, von fünfundzwanzig drallen Bauernkindern auf Shetlandponys, Einradfahrern, mit Melonen behütet, und Würdenträgern – darunter drei Gouverneure, Franklin D. Roosevelt Jr. und Miss Mary Jean Frankenberger, eben erst am Junior College von Dodge City zur »Cowgirl-Königin« gekrönt. Sie trug ihre weißen Stiefel.

Westlich von Chicago

Gab es kein Gesetz!

Westlich von Dodge City

GAB ES KEINEN GOTT!

Im Dodge Theater, dem prunkvollen Filmpalast der Stadt, dessen Fassade im Lichterglanz erstrahlte, stellte Errol Flynn in derselben fransigen Wildlederjacke, die er auch als Darsteller getragen hatte, den Film Dodge City (Herr des wilden Westens) vor. In Bildern wurde darin erzählt, wie die Santa Fe Railroad bis an die Grenze vorstieß und dort einen Tummelplatz für Horden von bösen Buben schuf, die geradezu darum bettelten, vom einsamen Cowboyhelden Flynn niedergeschossen zu werden. Die ganze Nacht lang folgte Vorstellung auf Vorstellung, und wieder und wieder ritt Flynn als Speerspitze in die untergehende Sonne, flankiert von seinem Mädchen, der lieblichen Olivia de Havilland. Nachdem er die lange vergessenen Ruhmestage von Dodge auf so triumphale Weise hatte wiederauferstehen lassen, zockelte der wahre Errol Flynn bei Sonnenuntergang aus dem Bahnhof, den Ehrenschlüssel zur Stadt in Händen; mit ihm reisten Hoot und Buck sowie der treue Silver in seinem Tierwaggon.

»Jedenfalls sind sie hergekommen«, sagte Hopper von jenen Kinocowboys und deutete damit an, warum er zu dem wurde, was er ist. »Sie hatten wahrscheinlich viel damit zu tun, dass ich Schauspieler werden wollte.«

Kein einziger Cowboy war am Montagmorgen auf den einsamen staubigen Straßen zu finden, als Dodge City, Einwohnerzahl neuntausend, wieder zum Leben erwachte – der gestrige Tag, an dem es von Zehn-Gallonen-Hüten wimmelte, hatte hinterlassen, was einem verwaisten Drehort glich.

Mit silbernen Zündplättchenpistolen lieferte sich der kleine Dennis mit dem älteren Jungen, der gegenüber von Opa Hopper wohnte, Pistolenduelle zwischen Cowboy und Indianer. Bei dem Gedanken an seinen frenetischen Spielgefährten auf dem Dreirad und mit dem Mini-Cowboyhut auf dem Kopf erinnerte sich Leonard Fowler: »Meistens wollte Dennis der Cowboy sein.«

~

»Also, als ich klein war, wohnte ich auf einer Farm in der Nähe von Dodge City, Kansas«, fuhr Hopper in seinem typischen hohen und näselnden Tonfall fort, während es mit lautem Röhren den Berg hinunterging. In seiner Geschichte für den Journalisten von Life machte er einen Zeitsprung. »Rundherum Felder, so weit man sehen konnte. Keine Nachbarn, keine anderen Kinder. Nur der Zug, der einmal am Tag durchkam.«

Der Knirps von der Farm hockte auf dem Land seiner Großeltern in einem Graben; der Wind rauschte, und der Himmel von Kansas wölbte sich über ihm. Bei ihm lag sein treuer Hund mit dem Fleck über dem Auge. Die Gleise der Santa Fe Railroad trennten das verwitterte Farmhaus von den Weizenfeldern, die sich nach Westen erstreckten, so weit er blicken konnte. Wild schnaufend ratterte der Zug vorüber, und danach blieb Dennis nichts, als sich aus dem Graben aufzuraffen und mit dem Stock im Sand zu rühren. Er füllte seine einsame Welt aus mit Sammlungen von Schmetterlingen und Briefmarken von fernen Orten – »Manchmal mistete ich den Hühnerstall aus. Aber meistens beobachtete ich nur« – und verbrachte die meiste Zeit damit, sich vorzustellen, woher der Zug kam und wohin er fuhr. Wohin hatte der Zug all die Cowboys gebracht?

Diese verstörende Frage musste noch von seiner Großmutter Nellie beantwortet werden, die ihn ins Bett brachte, während das Glimmen der Glühwürmchen im Weckglas langsam erlosch. In der Ferne zuckten die Blitze wie blaue Venen an der Schläfe eines Riesen.

Dennis war kurz vor seinem sechsten Geburtstag auf die Hühnerfarm gebracht worden, nachdem der Zweite Weltkrieg wie ein böser Südwestwind aufgekommen war und seinen Vater aus Dodge fortgerissen hatte. Da seine Mutter »im Schwimmbad beschäftigt« war, wie es ohne weiteren Kommentar hieß, nahm Nellie ihn bei sich auf. In einem weißen Schindelhaus wie dem von Tante Em im Zauberer von Oz richtete sie das Mittagessen und behielt dabei Dennis im Auge, der auf einem Shetlandpony, das sein Großvater ihm geschenkt hatte, durch das kleine Alfalfa-Feld streifte, das sich bis zu den Schienen ausdehnte. Lonnie brachte für seinen Enkel einen Hütehund von der Clutter-Familie mit (deren Schicksal es war, von Herumtreibern brutal ermordet zu werden, wie in Truman Capotes Kaltblütig geschildert wird). In seinen Latzhosen schuftete er auf einem Weizenfeld sechzig Meilen entfernt in Garden City und überließ es Nellie, Dennis und dessen Babybruder David aufzuziehen sowie sich um die Hühner zu kümmern. Die Familie fand, es sei zu viel für die alte Frau, aber Nellie war aus hartem Holz geschnitzt.

Vor langer Zeit war eine Mattie Mac Masters McInteer in einem Planwagen nach Kansas geholpert. Jeden Sonntag las sie in der Bibel und betete, ihre Tochter möge mehr kennenlernen als nur Entbehrungen. Sie gab ihr sogar den Namen der berühmten Journalistin und Weltreisenden Nellie Bly, die den Rekord brach, der in Jules Vernes Reise um die Erde in achtzig Tagen aufgestellt worden war. Die kleine Nellie Bly McInteer sah zwar keine Krokodile in Port Said und keine gepflegten Tennisplätze in Hongkong, erlebte aber die Heuschreckenplage. Und die Kanincheninvasion, die das Stadtvolk zwang, Treibjagden zu veranstalten und die sich zügellos vermehrenden Langohren mit Knüppeln totzuschlagen, um Munition zu sparen. Und den Black Blizzard von ’35, als das apokalyptische Antlitz von Jesus Christus in einer Staubwolke über dem Baseballfeld erschien wie zum Jüngsten Gericht.

Ja, Nellie sah so einiges durch die Winde, die mit zwanzig Meilen die Stunde bliesen und den Staub von den zerfurchten Feldern saugten, um damit die Hühnerfarm zu malträtieren. Man hätte meinen können, die Sonne werde sich nie wieder blicken lassen. Als sie es dann doch tat, erschien im mattgrauen Licht ein verwittertes altes Farmhaus ohne Farbe.

Eines Tages im Mai 1936 tauchte aus der Ferne lärmend der Super Chief auf, donnerte tosend vorüber und tauchte die Hühnerfarm kurz in die roten und gelben Farbtöne seiner Kriegsbemalung. In rasender Fahrt durch den Südwesten, manchmal mit fast einhundertacht Meilen die Stunde und damit schneller als jeder Zug zuvor, setzte der brandneue transkontinentale Express seine Jungfernfahrt bis zum Pazifik fort. Dieser »Train of the Stars«, wie ihn die Besitzer der Santa Fe Railroad tauften, bediente die Bosse aus Hollywood, die darauf aus waren, das nächste große Ding zu entdecken. Die Hühnerfarm war nichts als ein kurzes Echozeichen auf ihrer Tour mit dem Ungetüm, aber eines Tages würden diese Bosse Dennis Hopper zu Gesicht bekommen. Er wusste nichts davon, was in ihren luxuriösen Schlafwagen mit Namen Taos vor sich ging und nichts von den schmutzigen Deals, mit denen sie auf Navajo-Teppichen hoffungsvolle Errol Flynns und Olivia de Havillands übers Ohr hauten. Zu Höherem ausersehen, konnte ihn nichts davon abhalten, mit seinem Hund im Graben zu liegen und auf den Zug zu warten. Nellie war so arm, dass sie seine Kleidung aus dem Gingham-Stoff der Futtersäcke für die Hühner schneidern musste, aber sie sammelte im Stall genügend Eier, damit sie Geld fürs Kino zusammenbekamen.

~

Samstags in den Matinees der singenden Cowboys im Dodge Theater jodelte Gene Autry zum Entzücken der Großmütter und ließ sie dahinschmelzen. Vor der Kulisse aus Wandbildern mit leuchtend blauem Himmel und künstlichen Kakteen lieferte er sich Revolvergefechte, die den verwaisten Knirps, ausgestattet mit einem Beutel Schokoladennaschwerk aus dem Billigladen Duckwalls, auf dem Balkon vor Begeisterung johlen ließen. Nachdem er sich zu The Singing Vagabond, Guns and Guitars und Public Cowboy No. 1 geöffnet hatte, rauschte der rote Samtvorhang mit dem Versprechen zu, anschließend niemals endende Abenteuer mit dem Helden zu präsentieren, der auf Champion, seinem Pferd, davonreitet, gefolgt von seinem Partner mit dem Schlapphut. Gebannt von dem Licht, das den Staub und die Dunkelheit durchbrach, um die Filmbilder auf die Leinwand zu werfen, kam Dennis die ausgefallenste Idee, die je ein Junge hatte – und die ließ ihn auf die Höhen des Ruhms gelangen und auf die ausschweifendsten Seelenreisen gehen.

»Ich war ungefähr fünf«, sagte Hopper zu dem Journalisten, als sie ein besonders riskantes peruanisches Straßenstück bergab rasten. »Meine Großmutter bündelte ein paar Eier in ihre Schürzentasche und wir gingen fünf Meilen in die Stadt und sie verkaufte die Eier und nahm mich mit zu meiner ersten Kinovorstellung. Ich war sofort hin und weg. Die Orte, die ich auf der Leinwand sah, waren diejenigen, von denen der Zug kam und zu denen er fuhr. Die Welt auf der Leinwand war die wirkliche Welt, und ich hatte das Gefühl, mir würde das Herz zerspringen, so sehr wünschte ich mir, ein Teil dieser Welt zu sein.«

Trotz seiner Panik machte sich der Journalist Notizen. Es ließ sich nur schwer auf den Punkt bringen, wie viel Hopper dieser ganze Wahnwitz auf dem Berg bedeutete, aber es hatte den Anschein, als ginge es um die ultimative Inkarnation seiner lebenslangen Suche nach dem Amerikanischen Traum. Doch es hatte nichts vom Horatio-Alger-Mythos, den Aufstieg zum Erfolg aus eigener Kraft schaffen zu können, wie man es ihm an der mistigen Lincoln Elementary weiszumachen versucht hatte. Es war etwas Fantastischeres, und er hatte es gejagt wie den Schweif eines Kometen, seit er auf einer Fünf-Hektar-Hühnerfarm auf der anderen Seite der Eisenbahnschienen groß geworden war. Er würde ihm nah wie fern nachjagen – selbst wenn es ihn auf die fernsten Gipfel der peruanischen Anden trieb.

Auf der Titelseite des Life-Magazins vom Juni 1970 präsentierte sich Hopper Amerika mit sardonischem Grienen, einen schwarzen Cowboyhut auf dem Kopf, ein Bolo-Tie um den Hals, einen Football in der Armbeuge und einen Löwenzahnstängel zwischen den Fingern. Auf den Seiten des Artikels war die Rede von einem wild gewordenen Irren, der in seiner drogenverseuchten Privatwelt im dunkelsten Peru umherritt, einer Welt, zu der »Auspeitschpartys« und eine unerklärliche Episode gehörten, bei der eine Frau in Johanna-von-Orléans-Manier an einen Verandapfosten gefesselt worden war, flackerndes Feuer zu Füßen. Die Geschichte klang viel zu verrückt, als dass sich die Leser nur auf ein nostalgisches Detail aus seiner Kindheit einschießen konnten. Dennoch beeilte sich eine Ruth Baker, immer noch in Dodge City, nachdem ihr berühmter Cousin zweiten Grades schon längst aus dem Nest geflüchtet war, darauf hinzuweisen, dass die Story einen Schwachpunkt aufwies. »Stimmt, Nellie verkaufte Eier«, stellte Cousine Ruth klar. »Aber die Behauptung, dass sie die Eier in ihrer Schürzentasche zu Fuß nach Dodge gebracht haben soll, hört sich nicht nach Tante Nellie an. Sie hätte alles Mögliche fertiggebracht, aber das bestimmt niemals. Das ist nämlich ein ganz schönes Stück zu Fuß.«

Vielleicht hatte Dennis die Eröffnungsszene des Zauberers von Oz für sich reklamiert, in der Tante Em sich nach dreimaligem Gebrüll von MGMs Löwen Leo im sepiagetönten Kansas die Schürzentasche mit Eiern füllt. Irgendwann schien es bedeutungslos, ob es sich um echte Erinnerung handelte oder um Filmerinnerung. Die konnte Hopper wahrscheinlich eh nicht mehr auseinanderhalten, wenn er auf den Jungen zurückblickte, der den Kopf voller Visionen hatte, die mit goldenen Eiern erkauft worden waren.

Mit der bevorzugten Waffe seines Lieblingscowboys Red Ryder, gespielt von Wild Bill Elliott – »Er sang nicht und trug auch keine Glitzerklamotten«, sagte Hopper, »er war einfach nur ein Cowboy« –, zielte und schoss das Bürschchen mit Luftpistolenmunition auf die schwarz gekleideten Desperados, die in den Weizenfeldern lauerten. Wenn er im Graben lag und über diese Felder hinwegblickte, hatte er nicht mehr den leeren Himmel von Kansas vor Augen. Stattdessen projizierte er ein Bergpanorama in Technicolor auf den Himmel – eines von denen, die man in King of Dodge Cityoder Vigilantes of Dodge City eingebaut hatte, obwohl sie in der flachen Wirklichkeit dieser Stadt nirgends zu finden sind. Nichts wünschte er sich mehr, als dieses Fantasieland des Kinos zu bereisen, in dem ihn singende Cowboys ins Abenteuer lockten. Aber ihn entführte kein Tornado nach Oz. Der Super Chief ließ ihn zusammen mit seinem Hund im Graben zurück. Auf dem Weg zu seinem Amerikanischen Traum.

DAS SCHWIMMBAD

In jenem Sommer, als die Premiere von Dodge City über die Stadt kam, brauchte Marjorie, die Mutter von Dennis, dringend einen Tapetenwechsel. Sie verlegte sich darauf, den einheimischen Kindern das Schwimmen beizubringen, und ein »Exklusivvertrag« mit der Stadt erhob sie in den Stand einer Schwimmbadleiterin, was laut Dodge City Daily Globe »bei den Besuchern des Bads sehr gut ankam«. Mit von der Partie war Jay Hopper. Er arbeitete bei Busley’s, dem lokalen Lebensmittelhändler, wo er die Fünf-Cent-Stücke für eiskalte Coca-Cola kassierte, die in einem Kühlschrank standen. »Bedienen Sie sich selbst. Bitte bezahlen Sie beim Verkäufer.«, forderte ein Schild auf. So geschickt stapelte er extra große Konservendosen mit grellen Etiketten, die Tendersweet Sweet Corn, handsortierte Tomaten und Bar-B-Q Prunes anpriesen, dass er sich bei den Busley Bros. als wertvoller Mitarbeiter erwies. Genau wie sein Vater war J. C. ein wohl geöltes Rädchen im Getriebe der Western Light and Telephone als Zählerableser für Dodge. Wenn er die Runde im Versorgungsnetz der Kleinstadt machte, wäre es dem alten J. C. niemals in den Sinn gekommen, mit seinem Pick-up wegzufahren, bevor die Arbeit getan war. Als Angehöriger der Good Samaritan Society kam er immer rechtzeitig nach Hause, um mit seiner Ehefrau Bertie Bell aus Kansas City zu Abend zu essen. Sie war eine Ehrwürdige Großmeisterin der Rebekah Loge und führte die einheimischen Ladys auf den Weg der gerechten Frauen aus der Bibel. Bertie empfand es als Segen, dass ihr Sohn das milde und ausgeglichene Temperament J. C.s geerbt hatte. Jays einzige Extravaganz war die Vorliebe für grell bunte Krawatten.

Die Mädchen auf der Dodge City Senior High fanden, Jay sei ein »Schmuckstück«, attraktiv hinter dem Tresen in seiner makellos weißen Schürze, aber dunkel und stürmisch auf seinem Porträt im Sou’Wester-Jahrbuch. In weniger wohlwollenden Momenten fragten sie sich, wie Marjorie Mae Davis es geschafft haben mochte, überhaupt bei ihm zu landen.

»Ich würde sagen perfekt«, bemerkte eine von Jays Bewunderinnen angesichts des Rätsels. »Er war ein perfekter Mann. Warum hätte er sie heiraten sollen? Sie war noch nicht mal hübsch. Sie war eine durchschnittliche Person.«

Die Mädchen waren nur eifersüchtig. Cheerleader und Mitglied des Schülerrats, Redaktionsmitglied der Schülerzeitschrift Dodger und Darstellerin in der Minstrelshow, die dem blütenweißen Dodge mit schwarz bemalten Gesichtern Unterhaltung bot – das enthusiastische Mädchen vom Lande kam von ihrer Hühnerfarm angerauscht und wirbelte den Jahrgang ’35 kräftig durcheinander. Bei ihrem großen Interesse an Geschichte und besonders an Erbfragen war es nicht verwunderlich, dass sie schließlich Präsidentin der Genealogischen Gesellschaft wurde. Marjorie war dazu geboren, Wege zu bahnen wie eine ihrer Urgroßmütter, die leibliche Schwester von Daniel Boone. Wenn sie nur nicht schon im Sommer gleich nach dem Schulabschluss geheiratet hätte und sofort schwanger geworden wäre.

Als sie auf der Entbindungsstation von St. Anthony’s auf dem Rücken lag, kam ihr Virginias Lieblingssohn mit seinem weißen Vollbart und der makellosen grauen Uniform in den Sinn. Sie hatte irgendwie das Gefühl, Robert E. Lee sei mit ihrem Neugeborenen verwandt. Vielleicht würde die Unerschrockenheit des Generals der Konföderierten ihr kleines Bündel, Dennis Lee Hopper, dazu veranlassen, gegen die dumpfe Tyrannei seines Vaters zu rebellieren.

~

»Da sich unser Land im Krieg befindet«, erklärte der U. S. Postmaster General, »ist es von zwingender Notwendigkeit, dass der Postdienst prompt, zuverlässig und ohne Unterbrechung aufrechterhalten bleibt.«

Beordert, sich in Kansas City, Missouri, zu einer zweijährigen Dienstzeit als Postangestellter im Eisenbahndienst zu melden, machte sich Jay auf, Post in seinem Heimatland zuzustellen. Auf ein und derselben flachen Schienenstrecke zwischen Newton, Kansas, und La Junta, Colorado, fuhr er hin und her und sortierte auf dem No. 7 nach Westen die Briefe. So ungefähr 150 Meilen nach Dienstbeginn ratterte er an der Farm seiner Schwiegereltern vorüber, wo der kleine Dennis Ausschau nach dem Zug hielt, während Marjorie sich um das Schwimmbad kümmerte.

Dennis’ Mutter sonnte sich in der Rolle der führenden Dame der Stadt und bot einen von der Kritik durchaus anerkannten Auftritt. Dunkelbraun gebrannt vom tagtäglichen Aufenthalt in der Sonne und in einem hinreißenden Einteiler, der auf perfekte Weise ihre vom Schwimmen wohlgeformten Muskeln, die honigbraunen Schenkel und das glitzernde Paar Butterfly-Schultern betonte, sorgte sie für die beste Show in Dodge. Erschöpft, sobald sie abends endlich das Schwimmbad schloss, übernachtete sie in der Stadt, während Jay in Newton schlief und ihr Dennis wohlbehütet bei ihren Eltern schlummerte.

Nachdem er ein Jahr lang mit der Bahn unterwegs gewesen war, durfte Jay schließlich auf halber Strecke Kurzurlaub machen und in Dodge aussteigen, um täglich drei Stunden mit Marjorie zu verbringen, kaum genug Zeit, um sie wieder zu schwängern. An manchem Nachmittag gestand sie sich ein, dass ihr Los so viel besser war als das der Mädchen, deren Ehemänner irgendwo in Europa gegen die Nazis kämpften – mit Maschinenpistolen und nicht mit schlaffen Postsäcken.

~

Mit wachsam coolem Blick durch die dunkle Sonnenbrille absolvierte Marjorie auch ihre fünfte Saison als Regentin des Schwimmbads. Sie wurde an diesem Arbeitsplatz achtundzwanzig Jahre alt und näherte sich immer mehr dem Tag, an dem ein Spiegelbild sie grau und aus der Form geraten zeigen würde wie ihre Mutter, die von der Familie wie eine Heilige verehrt wurde, weil sie sich der Jungen angenommen hatte. Das frustrierte Marjorie derart, dass sie keifte: »Ich will davon nichts hören!« Ein andermal forderte Marjorie ihre eigene Mutter auf: »Verschwinde in dein Zimmer!« Es war ein Albtraum.

Die Familie zerriss sich die Mäuler über Marjories endlosen Sommer, den Sumpf, in dem sie vier lange Jahre gesteckt hatte. Welchen Grund mochte Marjorie nur gehabt haben, ihre beiden Jungen zu verlassen und sich im Schwimmbad zu verlustieren? Furchtbar, wie sie ihre Mutter mit den Kindern belastete und dazu noch mit der Wäsche und dem Kochen.

»Nellie war es, die ihre Jungs großgezogen hat«, sagte Nellies Bruder mehr als einmal. »Marjorie war ja lieber im Schwimmbad, als sich mit ihren kleinen Jungs abzumühen.« In einer Hitze bratend, wie sie einst im Grenzkrieg »Bleeding Kansas« Sklavenaufstände und Gewalttaten geschürt hatte, hielt die Regentin des Schwimmbads von der Höhe ihres weißen Holzturms Wache, seit Highschool-Tagen wie einbalsamiert in ihrem straffen braunen Körper, in dem das hitzige Blut Daniel Boones zirkulierte.

Im Winter hatte Jay aus Miami angerufen, um der Familie fröhliche Weihnachten zu wünschen und sie darüber zu informieren, dass unterwegs war, auf dem asiatischen Kriegsschauplatz zu kämpfen. Er hatte in Fort Leavenworth den Armeedienst angetreten und sah in seiner Uniform sehr schick aus.

Marjorie war jetzt allein, und der Sommer in Dodge war so heiß, dass man nur ins Kino oder ins Schwimmbad flüchten konnte.

Die Kids, die sie früher mit viel Überredungskunst dazu gebracht hatte, auf den Turm zu klettern und durch einen Sprung zum Mann zu werden, traten jetzt hinter der Duschwand hervor, alt genug, um einander nach Footballspielen am Drive-In-Imbiss zu verprügeln, anschließend in ihre spritfressenden Todesfallen zu springen und sturzbetrunken um die Wette zu rasen – eine Horde randalierender Rabauken.

Dennis wurde dem Bild seines Vaters in The Sou’Wester immer ähnlicher und blickte ihr mit angeklatschtem Haar und den gemeißelten Gesichtszügen eines Filmstars ins Gesicht. Er schien Marjorie beinahe ganz entglitten zu sein und Nellie zu lieben wie seine Mutter. Wie also sollte sie ihn nur dazu bringen, seine wahre Mami wieder so zu lieben, wie er es als Baby getan hatte? Marjorie hatte ihm etwas Wichtiges zu erzählen, das vielleicht ausschlaggebend sein konnte. Manchmal schien einem im verdammten Kansas nichts übrig zu bleiben, als zu schwitzen und zu verfaulen oder etwas Verrücktes zu tun: Sie erzählte dem jungen Dennis, dass sein Vater im Krieg gefallen sei.

Die wahren Reisen, Abenteuer und Beobachtungen des wilden DENNIS HOPPER & seine Begegnung mit der Schwimmbadregentin

Der kleine Cowboy war willens, sich der gebrochenen Kriegerwitwe mit einer tapferen Tat wert zu erweisen und dabei praktisch die gesamte Stadt Zeugin werden zu lassen. Also stieg er die Leitersprossen hinauf bis zum höchsten Sprungbrett und ging nach vorn, bis seine Zehen sich um die federnde Kante krallten. In seiner Badehose so gut wie nackt und mit der harschen Realität konfrontiert, die sich auf der Wasseroberfläche spiegelte, atmete er den Chlorgeruch ein und die kollektive Nervosität seiner Klassenkameraden an der mistigen Lincoln Elementary – Männer, die den Sprung gewagt hatten, und Jungen, die zu verzagt waren, um zu springen.

Die maisgemästeten Sportskanonen, die einander mit Begeisterung am Drive-In verprügelten, blickten hinauf zu dem kleinen Angsthasen, der die Pipeline zum Arschbombenruhm blockierte. Marjorie rief von unten, wenn Dennis kein großer Junge sein wollte und nicht sprang, müsse er eben den ganzen Tag dort oben ausharren, bis sie Feierabend machte.

So begann in Dodge City der Showdown zwischen dem kleinen Feigling und der Schwimmbadregentin – so wie Wild Bill Elliott ihn mit dem Messerkämpfer in Cheyenne Wildcat ausgefochten hatte. Er dauerte bis Sonnenuntergang. Als Marjorie das Bad schloss, ließ sie ihren hysterischen Dennis die Leitersprossen endlich hinunterklettern.

Der Gastauftritt passte ganz und gar nicht ins Bild. Schnitt auf Weihnachten 1945. Wie der Vatergeist, von dem Dennis in Hamlet gelesen hatte, tauchte Jay Hopper plötzlich wieder in Dodge City auf. Jay war nicht von den Toten auferstanden, sondern nur aus der Mandschurei angereist, wo der Postmann als Sanitäter beim OSS gedient hatte, dem geheimen Nachrichtendienst des Kriegsministeriums. Der fallende Vorhang beendete dieses Kapitel in Dennis’ Leben, und er würde nie so ganz verstehen, warum seine Mutter ihm erzählt hatte, dass sein Vater gefallen sei.

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