Der Aufbau-Verlag - Bernd F. Lunkewitz - E-Book

Der Aufbau-Verlag E-Book

Bernd F. Lunkewitz

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Beschreibung

Die Geschichte des Aufbau Verlages – von der Gründung 1945 über seine Profilierung als bedeutendster Verlag der DDR und dem drohenden Untergang nach der Wende 1989 bis zu seinem rechtswidrigen Verkauf durch die Treuhandanstalt an eine vom Verleger Bernd F. Lunkewitz angeführte Investorengruppe. Was danach folgte, ist ein Wirtschaftskrimi ersten Ranges, bei dem sich die Treuhand als kriminelle Vereinigung entlarvte und die deutsche Justiz eine unrühmliche Rolle spielte. Nach wie vor kämpft Bernd F. Lunkewitz um sein Recht.

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BERND F. LUNKEWITZ

Der Aufbau-Verlag

und die kriminelle Vereinigung in der SED und der Treuhandanstalt

EUROPAVERLAG

2., überarbeitete E-Book-Ausgabe 2024

© 2021 Europa, ein Imprint der Europa Verlage GmbH, München, für Bernd F. Lunkewitz

Umschlaggestaltung und Motiv: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich, unter Verwendung eines Fotos

von © ullstein bild – imageBROKER/Lothar Steiner

Lektorat: Andreas Wang

Layout & Satz: Robert Gigler, München

Gesetzt aus der Stempel Garamond und der Cera Compact Pro

Konvertierung: Bookwire

ePub-ISBN: 978-3-95890-433-0

Das eBook einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Nutzer verpflichtet sich, die Urheberrechte anzuerkennen und einzuhalten.

Alle Rechte vorbehalten.

www.europa-verlag.com.

Inhalt

Vorwort von Norbert F. Pötzl

Der Aufbau-Verlag bis zur Gründung der DDR

OEB statt GmbH

Das Statut für den Aufbau-Verlag des Kulturbunds

Die Profilierung des Verlagswesens

Die Erfüllung des Kassenplans

Die Flucht ins Volkseigentum

Der Kulturbund in der Wende

Der Aufbau-Verlag nach der Wende

Verkauf durch die Treuhandanstalt

Die Raubdrucke

Die Risiken und die Chancen

Die Rechtsnachfolge

Die Eigentumsfrage

Pyrrhussieg

Die Nachtigall

Der Kampf ums Recht

Der Prozess

Anhang

Zeittafel

Personenregister

Abkürzungen

Quellenangaben

Das Schriftgut des Aufbau-Verlages, des Kulturbunds, der SED/PDS, der Regierung der DDR und der Bundesrepublik, der Treuhandanstalt, der Unabhängigen Kommission und der mit den Rechtsstreiten um den Aufbau-Verlag befassten Gerichte und anderen Behörden ist fast vollständig aufbewahrt. Die im Anhang abgebildeten Dokumente sind ein winziger Ausschnitt aus den bisher zugänglichen Akten. Auf der Website www.prozessbeobachter.net sind die Klagen aus den Schadensersatzprozessen, die Schriftsätze und die Anlagen dazu bereits öffentlich zugänglich.

Das Archiv des Aufbau-Verlages von 1945 bis 2008 wird in der Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Handschriftenabteilung, Nachlass 553 (Aufbau-Verlagsarchiv, Schenkung Lunkewitz) aufbewahrt. In diesem Buch ist die Signatur der zitierten Dokumente abgekürzt. Statt »SSB, Handschriftenabteilung, Nachl. 553, Mappe 000, Blatt 000«, werden »AVA« (Aufbau-Verlagsarchiv) und die Nummer der Mappe und des Blattes genannt.

Die Dokumente belegen die Wahrheit der hier erzählten Geschichte.

Vorwort

Aktenkundig

Von Norbert F. Pötzl

Zu den vielen Transaktionen der Treuhandanstalt, die in den frühen 1990er-Jahren Schlagzeilen machten, zählte der Verkauf des Aufbau-Verlags, des wichtigsten Literaturverlags der DDR. Öffentliche Aufmerksamkeit erregte der Vorgang zunächst durch einen der Käufer, der bis dahin nicht als Buchverleger in Erscheinung getreten war: Bernd F. Lunkewitz, Jahrgang 1947, galt als Paradiesvogel der Kulturszene in Frankfurt am Main. In seiner Studentenzeit hatte er neomarxistische Theorien propagiert, aber nach einem Praktikum bei einem englischen Immobilienunternehmen sein Studium abgebrochen und als Entwickler von Gewerbeimmobilien beträchtlichen Wohlstand erworben.

Sein Vermögen verwendete Lunkewitz zu einem Teil als Kulturmäzen und Kunstsammler. Als die Treuhand einen Käufer für den Aufbau-Verlag suchte, fragte der langjährige Frankfurter Kulturdezernent Hilmar Hoffmann bei Lunkewitz an, ob er nicht Lust hätte, für den bedeutendsten belletristischen Verlag der DDR »ein bisschen Geld zu geben«.1

In der Branche wollte der neue Verleger keinen Zweifel aufkommen lassen, dass der Aufbau-Verlag für ihn mehr war als ein Anlageobjekt. Er überließ das Verlagsgebäude in der Französischen Straße in Berlin der Treuhandanstalt und zog mit dem Betrieb in ein eigenes Haus am Hackeschen Markt. Der Literaturwissenschaftler Konstantin Ulmer, der im Sommer 2020 zum 75-jährigen Bestehen des Aufbau-Verlags eine Firmenchronik veröffentlicht hat, urteilt über den Einstieg des Marxisten und Multimillionärs ins Buchgeschäft: »Lunkewitz sorgte in der Branche zwar für manches Augenbrauenzucken, aber es war offensichtlich, dass er mit Herzblut und Kapital in den Verlag gekommen war.«2

Großes Medienecho fanden die Umstände, unter denen die Treuhandanstalt am 27. September 1991 die Geschäftsanteile einer »Aufbau-Verlag GmbH i. A.« (»im Aufbau«) an die BFL-Beteiligungsgesellschaft, vertreten durch deren Geschäftsführer Bernd F. Lunkewitz, und drei renommierte Investoren aus der Verlagsbranche verkaufte. Die Treuhand erzielte einen Kaufpreis von insgesamt vier Millionen Mark, obschon der Verlag zu dieser Zeit jeden Monat 500.000 Mark Verlust machte.3

Kaum war der Betrieb den Käufern übergeben worden, wurden diese mit Schadensersatzforderungen westdeutscher Verlage überzogen, weil der Aufbau-Verlag zu DDR-Zeiten durch euphemistisch »Plusauflagen« genannte Raubdrucke gegen Lizenzverträge verstoßen hatte: Er hatte mehr Exemplare vertrieben, als vereinbart worden war. Erst nachträglich stellte die Treuhandanstalt die Käufer von diesen Ansprüchen teilweise frei.

Die Treuhandanstalt wird oft geschmäht, sie habe in großem Stil die in der DDR als »Volkseigene Betriebe« (VEB) bezeichneten staatlichen Unternehmen unter Wert verschleudert und funktionstüchtige Betriebe liquidiert; westliche Investoren hätten sich an ostdeutschen Unternehmen bereichert und Glücksritter mit korrupten Treuhand-Mitarbeitern gekungelt. Solche Skandale hat es gegeben – aber weitaus seltener, als von Treuhandkritikern behauptet wird. Die meisten Vorwürfe sind aufgrund der seit ein paar Jahren im Bundesarchiv zugänglichen Treuhandakten leicht zu entkräften. Ich habe in meinem im Herbst 2019 erschienenen Buch »Der Treuhand-Komplex« – dem ersten, das sich maßgeblich auf Treuhandakten stützt – nachgewiesen, dass die angeblich skandalösen Fälle in der Regel ganz anders abgelaufen sind, als sie seinerzeit und bis heute immer wieder in den Medien dargestellt werden. Im Fall des Aufbau-Verlags belegen die Treuhandakten indes, dass die von Lunkewitz in diesem Buch erhobenen Anschuldigungen zutreffen.

Die Akten offenbaren, dass die mit dem Verkauf des Aufbau-Verlags befassten Treuhand-Mitarbeiter zunächst der Behauptung der SED-Nachfolgerin PDS vertrauten, das Unternehmen habe der ehemaligen Staatspartei gehört und sei von ihr im März 1990 rechtmäßig in »Volkseigentum« überführt worden. Mit diesem Schritt hatten führende PDS-Funktionäre geglaubt, das Überleben des nach der friedlichen Revolution finanziell angeschlagenen Aufbau-Verlags sichern zu können, der in der DDR eine wichtige kulturelle Institution darstellte. Von einer Privatisierung der volkseigenen Betriebe war zu diesem Zeitpunkt noch keine Rede.

Erst das am 17. Juni 1990 von der frei gewählten Volkskammer der untergehenden DDR beschlossene Treuhandgesetz schuf dafür die Voraussetzungen. Die neu gegründete Treuhandanstalt wurde Eigentümerin der rund 8.500 volkseigenen Betriebe mit der Maßgabe, sie, soweit möglich, an private Investoren zu veräußern.

Voraussetzung für die Privatisierung durch die Treuhandanstalt war, dass das Unternehmen vor dem 1. Juli 1990 zum volkseigenen Vermögen gehört hatte. Der Aufbau-Verlag war aber nie ein VEB gewesen. Vielmehr war er 1945 als Betrieb des kurz zuvor gegründeten DDR-Kulturbunds entstanden, der später bis zu 270.000 Mitglieder zählte. Der Verlag war, wie viele Betriebe der Parteien und Massenorganisationen der DDR, ein »organisationseigener Betrieb« (OEB), gehörte also den Mitgliedern des Kulturbunds.

Auch der OEB wurden von der Treuhandanstalt, und zwar von deren Direktorat Sondervermögen, treuhänderisch verwaltet, gemeinsam mit einer »Unabhängigen Kommission zur Überprüfung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der DDR«. Wenn die betroffenen Organisationen ihr Vermögen nachweislich nach rechtsstaatlichen Grundsätzen erworben hatten, wurde es ihnen gemäß dem Parteiengesetz der DDR zurückgegeben; wenn nicht, wurde es gemeinnützig für den Wiederaufbau in den neuen Bundesländern verwendet.

Die von der PDS behauptete »Überführung« des Aufbau-Verlags in Volkseigentum war deshalb unwirksam, folglich auch die Umwandlung in eine GmbH i. A. der Treuhandanstalt.

Diese Rechtsauffassung bestätigte der Bundesgerichtshof (BGH) am 3. März 2008 in letzter Instanz. Weil der Verlag nie »volkseigen« und deshalb die von der Treuhandanstalt verkaufte »Aufbau-Verlag GmbH i. A.« nie entstanden war, konnte der Kaufvertrag von der Treuhandanstalt nicht erfüllt und der jahrelang von den Käufern ohne Rechtsgrundlage finanzierte Aufbau-Verlag nicht ihr Eigentum werden. Der BGH gab Lunkewitz auch darin recht, dass er allein für sich persönlich im Dezember 1995 das Eigentum am Aufbau-Verlag rechtswirksam vom Kulturbund erworben hatte.

Mit dieser BGH-Entscheidung hätte der von Lunkewitz geführte Rechtsstreit sein Ende finden können. Der Richterspruch war eine Klatsche für die Berliner Privatisierungsbehörde und eine Genugtuung für Lunkewitz. Mit ausgebreiteten Armen, so schilderten es Augenzeugen, posierte der Verleger vor der Aufbau-Belegschaft im damaligen Verlagshaus am Hackeschen Markt in Berlin. »So sehen Sieger aus«, verkündete er und ließ sich feiern.4

Doch recht haben und recht bekommen sind zweierlei. Lunkewitz habe zwar »die Schlacht gewonnen«, prophezeite damals die Frankfurter Allgemeine Zeitung, »aber der Krieg ist noch nicht vorüber«5. In der Tat setzen Politik und Justiz alles daran, den BGH-Beschluss zu unterlaufen. Bis heute streitet Lunkewitz vergeblich um Schadensersatz für die Investitionen in ein Unternehmen, das den Käufern nach der Feststellung des BGH nie gehörte. Es geht um zwei-, wenn nicht sogar dreistellige Millionenbeträge.

Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Das seit 2009 anhängige und vom Landgericht Frankfurt erst 2017 ans Berliner Landgericht verwiesene Verfahren, in dem die BFL-Beteiligungsgesellschaft Schadensersatz fordert, schleppt sich hin.

Lunkewitz nutzte den langsamen Verfahrensgang zur gründlichen Recherche in Archiven und zur Befragung von Zeitzeugen. Er trug aus den im Bundesarchiv aufbewahrten Akten des Kulturbunds, der Treuhandanstalt und der Unabhängigen Kommission, aus den Archiven des Aufbau-Verlages, der SED/PDS, dem Landesarchiv Berlin und anderen Quellen ein überwältigendes Beweismaterial zusammen. Damit begründet er schlüssig sowohl das fortbestehende Eigentum des Kulturbunds am Aufbau-Verlag als auch die Täuschungshandlungen der Treuhandanstalt und des Sekretariats der Unabhängigen Kommission. Die von ihm beauftragten Anwälte legten das umfangreiche Beweismaterial dem Landgericht Berlin vor.

Ich begegnete Bernd F. Lunkewitz nur ein einziges Mal persönlich, und er hat mich mit Sicherheit gar nicht wahrgenommen. Das war am 8. Oktober 1997, als er während der Frankfurter Buchmesse 300 geladene Gäste in seiner prächtigen Villa empfing – und einer der Geladenen hatte mich einfach mitgenommen. Ich habe Lunkewitz seither nie wieder getroffen und bin ihm in keiner Weise verpflichtet. Aber sein Furor gegen die Treuhandanstalt und die deutsche Justiz machte mich neugierig. Ich hatte seine Schilderungen in Buchform und im Internet gelesen und wollte nun wissen, was in den Treuhandakten über diese Vorgänge steht. Im Unterschied zu vielen vermeintlichen Skandalen, die sich um die Treuhandanstalt ranken und doch nur Legenden sind, fand ich in den Akten zum Aufbau-Verlag bestätigt, was Lunkewitz behauptet:

Trotz der zahlreichen Hinweise des Kulturbunds auf dessen fortbestehendes Eigentum am Aufbau-Verlag, trotz Mahnungen des Treuhand-Direktorats Sondervermögen, die Eigentumsfrage zu klären, und trotz eindeutiger Stellungnahmen der Unabhängigen Kommission setzten sich die für die Privatisierung zuständigen Mitarbeiter der Treuhandanstalt über alle Warnungen hinweg und unternahmen vor dem Verkauf nichts, um den Käufern die tatsächlichen Eigentumsverhältnisse zu offenbaren – und danach alles, um sie zu vertuschen.

Das behördenintern längst erkannte Scheitern der Privatisierung des Aufbau-Verlags wäre womöglich nie ans Licht gekommen, wenn der Interessengegensatz, welcher Behörde der Kaufpreis zusteht und wer die Kosten für die Raubdrucke des Verlages tragen muss, nicht zum Streit untereinander geführt hätte.

Nach außen blieb die Treuhandanstalt lange bei ihrer Behauptung, die SED haben den Aufbau-Verlag wirksam in Volkseigentum übertragen. Erst als in einem beim Landgericht Hamburg anhängigen Rechtsstreit Ende 1993 die Richter Zweifel an der rechtmäßigen Umwandlung des Aufbau-Verlags gemäß Treuhandgesetz äußerten und die Geschäftsleitung des Verlages die Treuhandanstalt zu einer amtlichen Auskunft aufforderte, mussten sich die Behörden neu positionieren. Leitende Mitarbeiter der Treuhandanstalt trafen sich am 9. Februar 1994 zu einer Krisensitzung mit dem für den Kulturbund zuständigen Referenten der Unabhängigen Kommission. Sie waren sich einig, dass der Aufbau-Verlag »als organisationseigener Betrieb nicht im Eigentum der SED, sondern im Eigentum des Kulturbundes« war und dass »dies zur Folge hat, dass die Aufbau-Verlag GmbH, deren Geschäftsanteile veräußert wurden, eine vermögenslose Hülle darstellt, da sie nicht … Rechtsnachfolgerin in das Vermögen des OEB Aufbau-Verlag werden konnte«.6

Dem Aufbau-Verlag teilte die Treuhandanstalt am selben Tag das Gegenteil mit: »Die Tatsache, dass sich die PDS entgegen den tatsächlichen Rechtsverhältnissen als Eigentümerin des Aufbau-Verlages gerierte, ändert nichts daran, dass es sich bereits im März 1990 nicht um Partei-, sondern offensichtlich um Volkseigentum handelte.«7 Diese vorsätzlich falsche amtliche Auskunft hatten die Teilnehmer der Beratung wörtlich miteinander abgestimmt.

Kurz danach eskalierte der behördeninterne Streit um die Zuordnung des rechtswidrig erzielten Kaufpreises für den Aufbau-Verlag und der Kosten für die Plusauflagenhonorare. Am 19. Juli 1994 beschloss der Gesamtvorstand der Treuhandanstalt, den geschädigten westdeutschen Verlagen für die Raubdrucke des Aufbau-Verlags und anderer DDR-Verlage rund zehn Millionen Mark aus dem Vermögen der SED zu zahlen. Dazu musste das Einvernehmen der Unabhängigen Kommission eingeholt werden.8

Die Kommission verweigerte jedoch am 12. September 1994 offiziell das Einvernehmen und begründete ihren Beschluss damit, dass »der Aufbau-Verlag nach den der Unabhängigen Kommission vorliegenden Erkenntnissen als organisationseigener Betrieb des Kulturbunds der DDR geführt wurde.«9

Ohne Kenntnis dieser Hintergründe rief Lunkewitz am 28. September 1994 bei der Unabhängigen Kommission an und fragte, warum die Regresszahlungen für die Raubdrucke nicht aus dem Vermögen der SED gezahlt würden. Bei diesem Telefonat erfuhr Lunkewitz erstmals, dass der Verlag niemals Eigentum der SED oder gar Volkseigentum gewesen war, sondern noch immer dem Kulturbund der DDR gehörte. Die Aufbau-Verlag GmbH sei deshalb nichts weiter als eine »vermögenslose Hülle«.

Damit wurde die Prozesslawine ausgelöst, die entgegen der Hoffnung von Lunkewitz mit der Entscheidung des BGH nicht beendet war. Die Prozessführung und die bisherigen Entscheidungen der speziell für Schadensersatzforderungen gegen den Staat zuständigen Gerichte erscheinen auch mir als Beobachter angesichts der doch eindeutigen Aktenlage mindestens fragwürdig. Ich kann verstehen, wenn Lunkewitz die bei Gericht vorgetragenen Einlassungen der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben, der Nachfolgerin der Treuhandanstalt, mit »Methoden der organisierten Kriminalität« vergleicht.

Lunkewitz spart in diesem Buch nicht mit Verbalinjurien gegen die Treuhandanstalt (»in Teilen eine kriminelle Vereinigung«) und gegen manche Richter (»korrumpiert von politischem Druck der Obrigkeit«). Einige Treuhand-Mitarbeiter stellten zwar Anfang 1998 gegen ihn Strafanzeigen wegen Verleumdung, zogen diese aber zurück, als seine Anwälte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens umfassend Beweismittel für seine Vorwürfe vorlegten.

Klein beigeben will Lunkewitz nicht. Seit ein paar Jahren lebt er mit seiner Familie in Kalifornien. Von dort grollt er weiter. In seinem Buch legt er, mit zahlreichen Dokumenten unterfüttert, seine Sicht auf die nicht enden wollende Auseinandersetzung dar. Ich habe bei der Überprüfung der Dokumente keinen Fehler gefunden.

Er sei »kein Kohlhaas-Typ«, hat mir Lunkewitz versichert. Sein »Kampf gegen den Missbrauch staatlicher Macht« sei für ihn vielmehr »moralische Pflicht« und diene »der Allgemeinheit«. Allerdings werde sein »Rechtsgefühl« durch »das Verhalten der Justiz« noch schwerer verletzt als durch die »Betrügereien der Treuhandanstalt«.

1 Konstantin Ulmer: »Man muss sein Herz an etwas hängen, das es verlohnt. Die Geschichte des Aufbau Verlages 1945-2020«, Berlin 2020, S. 271

2 Ulmer, S. 275 f.

3 Ulmer, S. 271; Schreiben der Treuhandanstalt, Abt. U 4 DL, an die Unabhängige Kommission, 9.10.1991

4 »Das Herz der vermögenslosen Hülle«, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.6.2008

5 »Ein Verleger unter Räubern«, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2.4.2008

6 LG Hamburg Az. 324 O 624/93

7 Vermerk vom 11.2.1994, Ablichtung im Anhang

8 BA B 412/2839, Bl. 19, Bl. 239-241

9 BA B 412/22748, Bl. 237-240; BA B 441/1129

Viele Akten der Treuhandanstalt sind noch geheim.Irgendwann werden sie allgemein zugänglich sein und belegen, dass alles noch viel schlimmer war.

Bernd F. Lunkewitz

Der Aufbau-Verlag bis zur Gründung der DDR

Am 4.7.1945 versammelten sich mehr als 1.500 »Kulturschaffende und Intellektuelle« zu einer Kundgebung im Haus des Rundfunks in der Berliner Masurenallee. Sie riefen zu einer geistigen und kulturellen Erneuerung Deutschlands auf und forderten in ihrer Resolution die Gründung eines demokratischen überparteilichen Bundes, der zur geistigen Gesundung des deutschen Volkes und zur Überwindung der Naziideologie beitragen sollte.

Am 31.7.1945 erteilte die Sowjetische Militärverwaltung die Erlaubnis zur Gründung des Vereins mit dem Namen »Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands e. V.«10 Die offizielle Gründungsversammlung des Kulturbunds fand am 8.8.1945 in der Schlüterstraße 45 in den Räumen der ehemaligen Reichsfilmkammer statt. Johannes R. Becher wurde einstimmig zum ersten Präsidenten des Kulturbunds gewählt. Der Dramatiker und Schriftsteller Gerhart Hauptmann wurde Ehrenpräsident.

Den einflussreichen Posten des Generalsekretärs übernahm der Journalist Heinz Willmann, ein aus dem Moskauer Exil zurückgekehrter hoher Funktionär der KPD, der sich mit Johannes R. Becher schon seit Langem über die Gründung eines Verlages verständigt hatte.

Sowohl der Dichter Johannes R. Becher als auch der Journalist Heinz Willmann hatten zur Unterstützung der gesellschaftlichen und kulturellen Tätigkeit des soeben gegründeten Vereins bereits weitreichende Pläne für die Verbreitung ihrer kulturpolitischen Vorstellungen entwickelt und dafür zahlreiche druckfertige Texte auf ihren Schreibtischen liegen. Zunächst war die dringendste der geplanten Veröffentlichungen das Manifest des Kulturbunds.

Das Interesse der vielen nach dem Krieg eine neue Orientierung suchenden Deutschen an Informationen über die zukünftige Gestaltung ihres besiegten Landes war enorm. Sie wünschten sich aber auch neue Bücher mit schöner Literatur. Doch die Zeitungs- und Buchverlage in Berlin und Leipzig waren stillgelegt. Die Besatzungsmächte hatten die Verbreitung der bisherigen Zeitungen und Zeitschriften und die Herausgabe von Büchern verboten. Für jedes Druckerzeugnis war in jeder Zone eine ausdrückliche Genehmigung oder Lizenz der jeweiligen Besatzungsmacht und die Zustimmung ihrer Zensurstellen erforderlich.

Mit dem Befehl Nr. 19 vom 2.8.1945 »Zur Verbesserung der Arbeit der Verlage und Druckereien und der Regelung der Kontrolle ihrer Tätigkeit« hatte die Sowjetische Militärverwaltung in Deutschland (SMAD) Vorschriften erlassen, mit denen die »Herausgabe von Zeitungen, Büchern, Zeitschriften, Plakaten, verschiedenartigen Flugblättern, Aufrufen und Parteiliteratur nur in solchen Verlagen und Druckereien« gestattet wurden, »für die eine spezielle Genehmigung durch die Sowjetische Militärverwaltung erteilt wurde.«11 Geregelt wurde die Zensur für das sowjetische Besatzungsgebiet durch den Befehl Nr. 29 vom 18.8.1945 »Über die Tätigkeit der Sektion für Propaganda und Zensur der politischen Abteilung der SMAD in Deutschland«, der die Ernennung von Zensoren und den Zensurstempel »Genehmigt durch die Zensur der Sow. Mil. Adm.« in russischer und deutscher Sprache festlegte und »alle Druckereierzeugnisse, Zeitungen, Bücher, Broschüren, Plakate, Flugblätter etc.« der Vorzensur unterwarf.12

Die Lizenzen, aber auch die Druckkapazitäten oder das knappe Papier und erst recht die Deutungshoheit über Politik und Kultur in der Öffentlichkeit waren damit in der sowjetischen Zone ganz selbstverständlich den wenigen mit Unterstützung oder wenigstens Zustimmung der Sowjetischen Militäradministration neu gegründeten politischen Organisationen vorbehalten.

Der Verlagskaufmann Otto Schiele und der Verlagsbuchhändler Kurt Wilhelm wandten sich an den Kulturbund und boten ihre Mitarbeit an, als sie erfuhren, dass der einen Verlag gründen wollte. Da die beiden Fachleute politisch unbelastet waren und auch nie der NSDAP angehört hatten, zeigten die Funktionäre des Kulturbunds sich an einer Zusammenarbeit interessiert.

Konkrete Vorstellungen eines Verlagsprogramms hatten auch die Schriftsteller unter den aktiven Mitgliedern des Kulturbunds, die so schnell wie möglich ihre ausgearbeiteten Schriften und Manuskripte veröffentlichen wollten, am besten in einem eigenen Verlag. Dessen Gründung aber stieß auf bürokratische Schwierigkeiten, denn der eben gegründete Verein war noch nicht rechtsfähig und konnte juristisch nicht selber auftreten oder eine Kapitalgesellschaft gründen.

Weil die Zeit drängte, entschloss sich der Kulturbund zu einer provisorischen Lösung. Am 16.8.1945 gründeten in Berlin vier private Gesellschafter vor dem Notar Dr. jur. Wilhelm Hünnebeck einen Buch- und Zeitschriftenverlag unter der Firmierung »Aufbau-Verlag GmbH«.13

Zwei der Gesellschafter waren die Fachleute aus der Verlagsbranche Otto Schiele und Kurt Wilhelm.

Die beiden anderen Gesellschafter der Aufbau-Verlag GmbH waren führende Mitglieder des Kulturbunds: der hohe KPD-Funktionär und eben erst gewählte Generalsekretär des Vereins Heinz Willmann und der Volkswirt und Publizist Klaus Gysi, der seit 1931 Mitglied der KPD war und den Krieg versteckt in Berlin überlebt hatte.

Die wichtigste Voraussetzung für den Beginn der Verlagstätigkeit war jedoch die entsprechende Lizenz der sowjetischen Besatzungsmacht. Nachdem am 31.7.1945 bereits vor dessen Gründung die Tätigkeit des »Kulturbunds zur demokratischen Erneuerung Deutschlands« für die gesamte sowjetisch besetzte Zone in Deutschland erlaubt worden war, erhielt der Kulturbund auch die Genehmigung zur Verlagstätigkeit:

»Durch Verfügung des militärischen Rates der Sowjetischen Militärverwaltung in Deutschland vom 18. August 1945 ist die Tätigkeit des Kulturbundverlages unter der Bezeichnung ›Aufbau-Verlag GmbH‹ und die Verbreitung der von diesem herausgegebenen Druckschriften erlaubt worden.«14

Damit war klar, wer Herr im Hause des Aufbau-Verlags sein würde.

Ein Bankgebäude in der Französischen Straße 32, aus dessen Fenstern der Blick an der Staatsoper vorbei auf die Neue Wache fällt, war im Zweiten Weltkrieg kaum beschädigt worden und wurde zum Sitz des Verlages. Der Verlag organisierte die Renovierung der Büros selber und expandierte in dem Gebäude schnell. 1949 wurden die Grundstücke Französische Straße 32 und 33 entschädigungslos zugunsten des »Volkes« enteignet und der Kulturbund als Rechtsträger im Grundbuch eingetragen, was die Nutzung für den Verlag wesentlich einfacher machte. Der Kulturbund war da schon lange alleiniger Eigentümer des Aufbau-Verlages.

Die vier Gründungsgesellschafter hatten im September und Oktober 1945 ihre Geschäftsanteile dem Kulturbund angeboten. Nachdem am 16.1.1946 der Kulturbund e. V. im Vereinsregister eingetragen war, erklärte er am 1.3.1946 formal durch Urkunde Nr. 31/46 des Notars Dr. Harald Graser in Berlin die Annahme des von allen Gesellschaftern vorliegenden notariellen Angebots auf Abtretung ihrer Geschäftsanteile.15 Damit wurde der Kulturbund alleiniger Gesellschafter der Aufbau-Verlag GmbH, die am 18.3.1946 die Gewerbeerlaubnis erhielt.

Die frühe Gründung des Kulturbunds und seines Verlages mit der Unterstützung und Genehmigung der Sowjetischen Militäradministration machte in der DDR das Eigentum des Kulturbunds am Aufbau-Verlag unangreifbar. Es war in der DDR selbstverständlich und wurde bis nach der Wende von niemandem jemals bestritten oder angezweifelt, dass der Aufbau-Verlag dem Kulturbund gehörte.

Im Jahr 1946 war der Aufbau-Verlag der bei den Lesern erfolgreichste Buchverlag in Deutschland. Anna Seghers Roman »Das siebte Kreuz«16 erschien zum ersten Mal in Deutschland und wurde einer der wichtigsten Longseller des Verlages. Der Buchhandel und die Leser in allen Besatzungszonen, aber auch die Autoren reagierten sehr positiv auf das vorgelegte Programm, das nicht nur in der Belletristik mit Büchern z. B. von Heinrich Mann, Bernhard Kellermann oder Willi Bredel, sondern auch im Sachbuch mit Titeln von Georg Lukács und Ernst Bloch einen hohen literarischen Anspruch hatte.

In der Bilanz zum 31.12.1946 ist der Nettoumsatz des Buchverlags im ersten vollen Geschäftsjahr mit 3,2 Millionen RM verbucht, und obwohl der Kulturbund rund 750.000 RM »Lizenzgebühren« erhielt, erzielte der Verlag im Bereich des Vertriebs von Büchern einen Nettogewinn von mehr als 1,6 Millionen RM und zahlte 335.000 RM Gewerbe- und Körperschaftssteuern.

Der extrem kalte Winter 1946/47 markiert das Ende der spektakulär erfolgreichen Anfangsphase des Aufbau-Verlags, der in der unmittelbaren Nachkriegszeit lange vermisste oder begehrte neue Titel und Themen fast konkurrenzlos auf den Markt bringen konnte. Unter der Leitung der beiden Geschäftsführer Wilhelm und Schiele war das Unternehmen trotz der ungewöhnlichen Verhältnisse nach den üblichen Methoden und Zielen der am Buchmarkt orientierten traditionellen Verlagswirtschaft geführt worden. Die Verlagsleitung antizipierte mit Hilfe führender Mitglieder des Kulturbunds die Erwartungen von Lesern und Buchhandel nach Titeln, die mit dem Nationalsozialismus und dem Krieg abrechnen und eine Orientierung für die ungewisse Zukunft bieten.

Im Januar 1947 dirigierte der Kulturbund noch weitgehend selber den Betrieb des Aufbau-Verlages. Aber Kurt Wilhelm fühlte sich von dessen Funktionären immer mehr bei der Geschäftsführung behindert und hatte in grotesker Verkennung der wahren Machtverhältnisse im Kulturbund am 26.11.1946 an Johannes R. Becher ein Exposé übergeben, in dem er eine Veränderung der Lizenz und vor allem der Gesellschafterstruktur der Aufbau-Verlag GmbH vorschlug. Am 30.12.1946 schrieb er:

Sehr geehrter Herr Becher!

Sie baten mich heute darum, zur Klärung der Verlagsfragen nochmals meine endgültigen Vorschläge zu konkretisieren. Ihrem Wunsche komme ich hiermit nach:

Umschreibung der Verlagslizenz auf den Aufbau-Verlag (Lizenzträger): Johannes R. Becher und Kurt Wilhelm.) Ideologisch verantwortlich: Johannes R. Becher. Uneingeschränkte verantwortliche Verlagsleitung: Kurt Wilhelm.

Als Gesellschafter der Aufbau-Verlag GmbH schlage ich vor: Johannes R. Becher, Kurt Wilhelm, Heinz Willmann und einen 4. Gesellschafter, den ich noch benennen werde.

Die Gesellschaftsanteile werden so festgelegt, daß 55 % auf die beiden Interessenvertreter des Kulturbundes und 45 % auf die Verlagsseite entfallen.

Der Aufbau-Verlag wird sich durch ein separat abzuschließendes Abkommen dem Kulturbund gegenüber verpflichten, bei Beibehaltung der gegenwärtigen Umsatz- und Gewinnlage wie bisher RM 50.000.- monatlich für die als gemeinnützig anerkannten Zwecke des Kulturbundes auszuwerfen. Sollte eine Gewinnsteigerung ab Januar 1947 zu verzeichnen sein, wird diese an den Kulturbund abzuführende Summe entsprechend der Gewinnsteigerung erhöht.

Die in der letzten Zeit verschiedentlich zwischen uns geführten Besprechungen haben uns die Notwendigkeit einer sofortigen Verwirklichung der vorstehend genannten 4 Punkte bewiesen. Da nun hierin auf beiden Seiten Einigkeit besteht, muß ich Sie nochmals bitten, die Entscheidung unter gar keinen Umständen später als zum 15. Januar 1947 zu erwirken. Präzise Begründungen der einzelnen Punkte sind in meinem Ihnen am 26.11.1946 zugestellte Exposé enthalten.

Mit bester Empfehlung K. Wilhelm«17

Am 14.1.1947 schrieb Heinz Willmann, der Generalsekretär des Kulturbunds, an Kurt Wilhelm:

»Sehr geehrter Herr Wilhelm,

die Zentralleitung des Kulturbundes – als Gesellschafter und Lizenzträger des ›Aufbau-Verlages‹ – bittet Sie, in Ihrer Eigenschaft als Geschäftsführer der ›Aufbau‹ GmbH zu einer Besprechung, die am Freitag den 17. Januar 1947 um 14 Uhr in den Räumen des Kulturbundes, Schlüterstraße, II. Stock, stattfindet.

Gegenstand dieser Besprechung sind Anträge, die Sie dem Kulturbund unterbreitet haben, sowie eine Reihe von Fragen, die sich aus der Zusammenarbeit des Verlages mit seinem Lizenzträger ergeben.«

Am folgenden Tag verfasste Heinz Willmann eine »Aktennotiz zum Brief vom 30.12.1946 des Herrn Wilhelm«. Darin legt er das Selbstverständnis des Kulturbunds und dessen Verhältnis zu seinem Verlag dar, wie es auch später und bis zum Ende der DDR verstanden und praktiziert worden ist:

»Zu diesem Brief nimmt die Leitung des Kulturbundes in folgender Weise Stellung:

Es bleibt zu prüfen, ob die Umschreibung der Verlagslizenz auf den ›Aufbau‹-Verlag notwendig und zweckmäßig ist. Sollte das bejaht werden, so wäre vom Kulturbund ein besonderer Treuhänder (aus einer oder mehreren Personen bestehend) ausschließlich zu dem Zweck als Lizenzträger zu bestimmen, und dieser Treuhänder würde keinerlei wirtschaftliche Beteiligung oder irgendwelche geschäftlichen Funktionen innerhalb des Verlages haben können. Der Treuhänder müßte von der Geschäftsführung verschieden und von dieser unabhängig sein.

Die Genehmigung zur Gründung des ›Aufbau‹-Verlages wurde von der Leitung des Kulturbundes bei der Besatzungsmacht erwirkt, um mit den Publikationen dieses Verlages die Ideen und Bestrebungen zu fördern, die in den Leitsätzen des Kulturbundes, in seinem Manifest und in den offiziellen Erklärungen seiner Vertreter niedergelegt sind. Daraus ergibt sich auch, daß im ›Aufbau‹-Verlag keine selbständige von den Bestrebungen des Kulturbundes losgelöste, anderen Interessen dienende ›Verlagspolitik‹ betrieben werden darf. […]

Eine Übertragung der Geschäftsanteile an Dritte erscheint rechtlich unzulässig. Kein Vertreter des Kulturbundes kann über dessen Vermögenswerte – und dazu gehört der ›Aufbau‹-Verlag – gegen Entgelt oder unentgeltlich verfügen.

Ist durch die Bemerkungen zu 2.) erledigt.

Da der ›Aufbau‹-Verlag ein Bestandteil des Kulturbundes ist, sind alle Erträgnisse des ›Aufbau‹-Verlages dem Kulturbund für seine gemeinnützigen Zwecke zuzuführen, soweit sie nicht zur Aufrechterhaltung und Erweiterung des Verlages notwendig sind.

Der Kulturbund ist, wie er immer wieder betont hat, bereit, mit den beiden Geschäftsführern des Verlages Verträge abzuschließen, die ihren berechtigten Interessen in jeder Hinsicht entsprechen, dabei soll als Vergütung für die Leistungen der Geschäftsführer nicht nur ein festes monatliches Gehalt, sondern auch eine Beteiligung am Umsatz erfolgen, auch jede andere vertretbare Gestaltung der Vergütung wird diesseits wohlwollend geprüft werden.

Berlin, den 15. Januar 1947

W/Moe«18

Am darauffolgenden Tag kam es zu einer Konfrontation zwischen Wilhelm und Willmann. Der Generalsekretär des Kulturbunds warf dem Geschäftsführer vor, mit der vorgeschlagenen Neuregelung private Gewinninteressen zu verfolgen. Wilhelm erklärte umgehend durch ein Schreiben vom selben Tag: »Im Interesse völliger Klarheit und um diesen ausgesprochenen und ähnlichen Unterstellungen aber auch jeden Nährboden zu entziehen, verzichte ich für meine Person hiermit voll und ganz auf den Erwerb von Gesellschafter-Anteilen.«19

Im März 1947 begann der aus der Emigration in New York zurückgekehrte Max Schröder seine Arbeit als Cheflektor des Aufbau-Verlages. Kurt Wilhelm, der noch bis dahin die Hoffnung gehegt hatte, wieder Miteigentümer des Verlages werden zu können, versuchte mehrmals Johannes R. Becher umzustimmen, aber als er merkte, dass dieser niemals der Partei widersprechen würde, kündigte er und verließ am 2.4.1947 zornig und im Streit den Aufbau-Verlag, dessen erstaunlicher Erfolg bis dahin ganz wesentlich auch sein Verdienst gewesen war.

Das Ausscheiden der bisherigen »bürgerlichen« Geschäftsführer und die zunehmende Konkurrenz neu lizenzierter Verlage in den Westzonen wirkten sich kaum auf das Ansehen des Aufbau-Verlages in der literarischen Öffentlichkeit aus. Günther Weisenborn, Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus und Autor des Aufbau-Verlages, initiierte den ersten Deutschen Schriftstellerkongress, den der Kulturbund gemeinsam mit dem Schutzverband deutscher Schriftsteller vom 4. bis 8.10.1947 in Berlin organisierte. Die Eröffnungsrede hielt Ricarda Huch als Ehrenpräsidentin des Kongresses. Fast alle führenden Mitarbeiter des Verlages und dessen in Deutschland anwesende Autoren nahmen daran teil. Die Veranstaltung sollte »Deutschland und der Welt zeigen, dass jetzt bei uns Kräfte am Werk sind, die für eine Erneuerung der deutschen Literatur in einem weltoffenen Geist eintreten«. Allgemeiner Konsens war, dass Literatur antifaschistisch zu sein habe, und eine Resolution gegen den Antisemitismus wurde beschlossen.

Bei dem zweiten Deutschen Schriftstellerkongress, der vom 18. bis 19.5.1948 in Frankfurt am Main stattfand, traten nach den einseitig angekündigten politischen Veränderungen in den Westzonen die Differenzen zwischen Ost und West klar hervor. Die Verlage und Autoren der Ostzone blieben dem Kongress fern. Nicht nur das Land, auch die deutsche Verlagslandschaft war jetzt in zwei Hälften geteilt. Für viele Autoren bedeutete die Veröffentlichung ihrer Texte in dem einen Staat, dass sie in dem anderen Staat keinen Verlag fanden. Der Aufbau-Verlag verlor aus diesem Grunde einige wichtige Autoren, darunter seinen ersten Bestsellerautor Theodor Plievier, der im Herbst 1947 in die Bizone umgezogen war. In seiner Rede mit dem Titel »Einige Bemerkungen zur Bedeutung der Freiheit« in der Frankfurter Paulskirche während des zweiten Deutschen Schriftstellerkongresses stellte er die für ihn charakteristische Frage: »Kann man sich denn nicht vorstellen, daß einer aus dem Osten weggeht, ohne sich deshalb dem Westen zu verschreiben«?

Dies geschah zu einer Zeit, in der sich die politischen Verhältnisse in Deutschland dramatisch veränderten. Schon seit dem Sommer 1947 war zwischen den Alliierten unter Beteiligung deutscher Stellen über die Notwendigkeit einer Währungsreform in Deutschland diskutiert worden. Die Sowjetunion verweigerte ihre Zustimmung. Die Westmächte entschlossen sich zum Alleingang und begannen insgeheim mit konkreten Vorbereitungen für eine neue deutsche Währung. Auf der Londoner Sechs-Mächte-Konferenz, die ohne Beteiligung der Sowjetunion vom Februar bis Juni 1948 stattfand, beschlossen die drei Westmächte gemeinsam mit den Benelux-Staaten die Gründung eines westdeutschen Staates und forderten die deutschen Länder auf, dafür einen Parlamentarischen Rat einzuberufen.

Diese einseitig von den Westmächten initiierte Gründung eines westdeutschen Separatstaats bezeichnete die Sowjetunion als Verstoß gegen das Potsdamer Abkommen, das die Einheit Deutschlands bestimmt hatte. Am 20.3.1948 »vertagte« sie aus Protest gegen die Ergebnisse dieser Londoner Konferenz die Beschlussfassung des Alliierten Kontrollrats. Dessen Tätigkeit »ruhte« dann für Jahrzehnte, bis die vier Mächte kurz nach der Wende in der DDR wieder zusammentraten und durch die Verträge zur Wiedervereinigung Deutschlands der Alliierte Kontrollrat schließlich aufgelöst wurde.

10 AVA 0537-0005

11 Bundesarchiv: BArch, DX 1, Sammlung SMAD-Befehle, Nr. 19/2.8.1945

12 BArch, DX 1, Nr. 29/1945

13 AVA 0502-0251. BFL/BvS, Anlage K 012

14 AVA 0537-0005. BFL/BvS K 014

15 AVA 0520-0249. Ablichtung im Anhang. BFL/BvS K 015, K 016

16 Berlin, Aufbau-Verlag, 1946

17 AVA, Mappe 3211

18 AVA ebd.

19 AVA ebd.