Der dunkle Ritter - Lara Adrian - E-Book

Der dunkle Ritter E-Book

Lara Adrian

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Beschreibung

Verführt von einem Ritter ...

Seit dem Tod ihres gewalttätigen Mannes ist Lady Emmalyn of Fallonmour entschlossen, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Doch dann schickt der König den berüchtigten Ritter Sir Cabal auf ihre Burg, um sie zu beschützen. Auch wenn Emmalyn sich geschworen hat, nie wieder einen Mann in ihr Leben zu lassen, fühlt sie sich zu dem geheimnisvollen Cabal schon bald hingezogen.

Der zweite Band der Romantic History-Reihe von Bestseller-Autorin Lara Adrian alias Tina St. John

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Seitenzahl: 533

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LARA ADRIAN SCHREIBT ALS TINA ST. JOHN

DER DUNKLE RITTER

Roman

Ins Deutsche übertragen von

Susanne Kregeloh

Prolog

Im Heiligen Land, 1. September 1192

Reglos lag der Mann dort, wo er Augenblicke zuvor zusammengebrochen war. Aus der Wunde an seiner Flanke strömte Blut, tränkte seinen Waffenrock und sammelte sich unter ihm auf dem Sandboden des Zeltes in einer großen dunkelroten Lache. Der Tote hielt den linken Arm von sich gestreckt, und seine leblosen Finger krallten sich noch immer in den Sand, nur Zentimeter vom Stiefel des englischen Soldaten entfernt.

Cabal – in den mehr als zwei Jahren des Kreuzzugs war er unter dem Kriegsnamen Blackheart bekannt und berüchtigt geworden – stand im trüben Schein einer blakenden Kerze, die während des Kampfes umgefallen war, und betrachtete in nüchterner Überlegung diese krallengleiche Hand. Er fühlte sich wie jemand, der aus den Tiefen eines dunklen, schweren Traumes erwachte.

Vor dem Zelt hatte sich die Dunkelheit über die Wüste gelegt und das weite Meer aus sengend heißem Sand abgekühlt. Die Blutgier der Kreuzritter, die hier lagerten, hatte sie jedoch kaum gemindert. Das Freudenfeuer, das König Richards Armee vor Stunden entzündet hatte, würde noch bis lange in die Nacht hinein brennen, und ebenso lange würden auch die Stimmen der betrunkenen Männer zu hören sein, die laut den bescheidenen Sieg feierten, der an diesem Tag errungen worden war.

Die Soldaten, die schon seit mehr als vierzehn Tagen in diesem Lager ausharrten und darauf brannten, endlich wieder zu kämpfen, hatten am Nachmittag ein Dorf überfallen und viele Muslime getötet. Dabei hatte es nichts zur Sache getan, dass auch Frauen und Kinder zu den Toten zählten; in den Augen der Kirche waren sie alle seelenlose Heiden. Und weil das so war, hatte man ihnen beim Hinmetzeln weniger Beachtung geschenkt als dem niedersten Ungeziefer. Aber die Toten waren die Glücklichen. Denn ihnen blieb das Grauen jener erspart, die lebend in die Gefangenschaft der Ritter des Kreuzes geraten waren.

Cabal fuhr sich mit der Hand über das von dunklem Bartwuchs bedeckte Gesicht und seufzte müde, während er auf den toten Offizier hinuntersah. Verdammt. Zu was für Tieren waren sie nur im Namen Gottes geworden? Und was ihn noch mehr beschäftigte – konnte es wirklich sein, dass er anfing, sich zu fragen, ob das für ihn von Bedeutung war?

Bevor sein seit Langem vergessenes Gewissen sich melden und ihm weiter zu schaffen machen konnte, lauschte Cabal auf die Schritte, die sich schlurfend dem Zelt näherten. Die Eingangsplane wurde zurückgeschlagen, und ein lachender Soldat bückte sich, um das Zelt zu betreten. Seine Augen waren glasig, er stank nach Schweiß und zu viel Wein. »Sir Garrett, Ihr selbstsüchtiger Bastard! Habt Ihr etwa vor, die Kleine ganz für Euch zu behalten?« Der Söldner schnappte keuchend nach Luft und taumelte zurück. »Herrgott, was ist passiert –?«

Als er näher kommen wollte, hielt Cabal ihn mit einer abwehrenden Handbewegung davon ab. Dann ging er neben dem getöteten Edelmann in die Hocke und griff nach dem juwelenbesetzten Dolch, der neben dem Toten lag und rot von Blut war. »Ich bin zu spät gekommen«, sagte Cabal ausdruckslos. »Es gab keine Rettung für ihn.«

»Sie hat ihn umgebracht! Diese verdammte Sarazenen-Hure hat ihn umgebracht!«

»Sie war keine Hure, Rannulf. Sie war ein Kind.« Cabal gelang es kaum, sich seinen Abscheu nicht anhören zu lassen. »Sie kann nicht älter als zehn gewesen sein.«

»Ob Kind oder nicht, diese dreckige Hexe wird dafür büßen, dass sie –«

Rannulf führte seine hasserfüllte Drohung nicht weiter aus, als Cabal sich aufrichtete und sich vor ihn hinstellte. Seine Körpergröße zwang ihn, unter dem niedrigen Dach des Zeltes den Kopf zu beugen. »Das Mädchen ist fort.«

Der Söldner runzelte die Stirn und schaute an Cabal vorbei zu einem durchtrennten Stück Seil, das auf dem Sandboden lag. Sir Garrett von Fallonmour hatte der jungen Sarazenin das dicke Seil um den Hals geschlungen, nachdem er sie am Nachmittag aus einer Gruppe von wehklagenden Dorfbewohnern herausgeholt hatte, um sie für sein niederträchtiges Vergnügen zu benutzen. In Rannulfs Augen standen Ratlosigkeit und Misstrauen, doch er schien zu zögern, seine Zweifel hinsichtlich der Flucht der Gefangenen auszusprechen.

Cabal sagte unumwunden, was er getan hatte. »Ich habe sie freigelassen.«

»Sie freigelassen? Damit sie den nächsten Mann hinterrücks erstechen kann? Diese mörderische kleine Hexe sollte man jagen und ihr die Eingeweide herausreißen.«

»Jeder Mann, der das Mädchen verfolgt oder an einem der Bauern für diese Tat hier Vergeltung übt, wird mir Rede und Antwort stehen müssen.«

Rannulf starrte ihn ungläubig an. »Herrgott, Blackheart! Ihr habt fast zwei Jahre lang an der Seite von Sir Garrett gekämpft. Und jetzt muss ich von Euch hören, dass Euch das Leben dieses Bauernluders mehr bedeutet als seines!«

Cabal hielt seinem Blick stand, ohne darauf zu reagieren. Garrett von Fallonmour war ganz gewiss nicht sein Freund gewesen, aber schließlich gab Cabal auf niemandes Leben viel, nicht einmal auf sein eigenes. Er empfand eine gewisse Befriedigung, als er in den Augen seines Gegenübers sah, dass dieser begriff, was er getan hatte.

»Jesus«, flüsterte Rannulf, dem erst jetzt das Ausmaß seiner Dummheit bewusst geworden war. Nur wenige wagten es, den Mann herauszufordern, der den Ruf hatte, unter den gnadenlosen Gefolgsleuten König Richards der schlimmste zu sein. Rannulfs Gesicht wurde weiß und nahm dann eine ungesunde Farbe an, während er schwer schluckte. »Sir Cabal, bitte. Ich versichere Euch, dass ich Euch nicht beleidigen –«

Beiläufig wischte Cabal Garretts blutbefleckte Klinge mit dem Saum seines Waffenrockes ab. In nachdenklichem Schweigen ließ er sich Zeit, während Rannulf devot eine Reihe von Entschuldigungen hervorstammelte. Es war gut so, dass die große Sorge des Söldners um seinen eigenen Hals ihn blind machte für die verstörende Erkenntnis, die Cabals Handeln hinsichtlich der jungen unschuldigen Geisel Garretts bestimmt hatte. Eine Erkenntnis, die Cabal erst vor Kurzem bewusst geworden war …

Obwohl sein Herz durch und durch so finster war wie eine Wüstennacht, hatte es vor nicht allzu langer Zeit schließlich angefangen zu schlagen.

Verdammt, er brauchte endlich wieder Schlachtengetümmel um sich! Zu viel müßige Zeit verweichlichte ihn. Schwächte ihn. Es zuckte ihn in den Füßen, weiterzumarschieren; seine Muskeln sehnten sich danach zu kämpfen. Sollten Richard und der Anführer der Sarazenen die bestehende Pattsituation nicht bald beenden und den Krieg fortsetzen, würde Cabal vermutlich vor lauter Warten verrückt werden. Zumindest glaubte er das.

»Macht diesen verdammten Mist hier sauber«, knurrte er Rannulf an. Der harsche Befehl veranlasste den Soldaten, sich sofort hinzuknien. Er hob die noch glimmende Kerze auf und richtete den umgestoßenen Tisch wieder auf. »Sorg dafür, dass die Leiche weggeschafft wird. Zweifellos hat der König nicht den Wunsch, einen seiner Edelleute zur Ergötzung der Ungläubigen zurückzulassen. Nicht einmal diesen.«

Cabal warf Garretts Dolch auf den Boden, dann wandte er sich ab und verließ das Zelt. Draußen war die rauchgeschwängerte Luft von Stimmen und dem Gelächter von Betrunkenen erfüllt. Die Flammen der Lagerfeuer schlugen hoch in den mondlosen Himmel, und ihr Schein fiel auf Hunderte von Gesichtern, die verstohlen hochblickten, als der meistgefürchtete Krieger des Königs durch ihre Mitte zum königlichen Zelt am Ende der Zeltgasse ging.

Vier Waffenknechte standen vor dem großen Zelt aus gestreifter Seide, das König Richard Schutz gewährte, Englands vornehmstem Sohn. Obwohl der König den größten Teil des Tages mit ungestörtem Nachdenken und Besprechungen mit seinen Offizieren beschäftigt gewesen war, gewährten seine Wachen Cabal – wie sie es bei jedem hochrangigen Vasallen tun würden – ohne Zögern Einlass. Einer von ihnen schlug die Zeltplane zurück, die als Eingang diente, und ließ Cabal hindurchgehen. Dass er sich diese Ehrerweisung eher aus Angst vor ihm als aufgrund seines Status erworben hatte, ärgerte ihn zwar in den hintersten Winkeln seines Bewusstseins, aber Cabal verdrängte das Gefühl, als er das Zelt betrat und sich vor Richard Löwenherz verneigte.

»Ah, Cabal. Ich dachte, es sei vielleicht Fallonmour, der endlich kommt, um sich zu uns zu gesellen. Sein spätes Erscheinen zu dieser Unterredung beginnt meine Geduld zu strapazieren.« Der König hatte fünf seiner Offiziere um sich versammelt, die Adligen saßen vor ihm an einem großen reich geschnitzten Tisch, der mit zahllosen Landkarten und Papieren bedeckt war. Sein legendäres königliches Temperament begann jetzt aufzulodern, und er brüllte: »Geht endlich jemand und holt diesen unverschämten Bastard, oder muss ich es selbst tun?«

Nur Cabal wagte es, in das angsterfüllte Schweigen hinein, das dem Ausbruch folgte, etwas zu sagen. »Ihn zu holen wird nicht möglich sein, Mylord.« Er hielt Richards verblüfftem Blick stand, und seine unverblümten Worte erlangten auch die Aufmerksamkeit der beiden Diener, die sich zum Ausgang des Zeltes begeben hatten, um Sir Garrett zu holen. »Vor Kurzem gab es im Lager einen Zwischenfall mit einer der Gefangenen«, erklärte Cabal. »Fallonmour wurde dabei getötet.«

Der König blieb stumm, als um ihn herum die überraschten Ausrufe seiner Offiziere laut wurden. Seine Reaktion auf diese Mitteilung bestand darin, dass er nur leicht seine lohfarbenen Augenbrauen hochzog. »Nun denn«, sagte er zu Cabal, »dass Fallonmour seine Ankunft in Palästina länger als eine Woche überlebt hat, ist ohnehin mehr Eurem Können als seinem Wert für mich als Soldat zu verdanken. Ich wette, er wäre schon längst vorher umgekommen, wäret Ihr nicht stets dagewesen, um ihm Deckung zu geben.«

Cabal sah den König an, legte aber keinen Wert auf ein Lob, das lediglich eine Tatsache darstellte. Obwohl er Garrett für dessen Nachlässigkeit in der Schlacht und die mangelhafte Führung seines Regiments verachtet hatte, hatte Cabal ihn, wie es seine Pflicht gewesen war, bei mehr als einer Gelegenheit vor der todbringenden Spitze einer Sarazenenklinge bewahrt. Aber heute Abend war es anders gewesen, und er musste erneut daran denken.

»Dann kommt herein«, gebot der König ihm jetzt und wies auf einen leeren Faltstuhl neben den Adligen. »Es wird Euch gefallen zu erfahren, dass ich zu einer Entscheidung hinsichtlich des von den Ungläubigen vorgeschlagenen Abkommens gekommen bin.«

Cabal setzte sich zu den anderen an den Tisch, unbeeindruckt von den kühlen Blicken der Offiziere, weil er, ein Söldner von niederem Stand, seinen Platz zwischen ihren blaublütigen Titeln einnahm. Er nahm den Becher Wein entgegen, der ihm von einem der Diener des Königs gereicht wurde, dann beobachtete er über den Becherrand hinweg, wie Richard Löwenherz sich von seinem Stuhl erhob und begann, langsam hinter seinem Tisch auf und ab zu gehen.

»Ich habe beschlossen, die Bedingungen zu akzeptieren, die Saladin vorgeschlagen hat«, verkündete er ohne Umschweife. Wie sehr er dieses Abkommen verabscheute, wurde durch seine angespannt klingende Stimme deutlich. »Ich werde mich morgen früh mit ihm treffen.«

Die Vasallen taten nichts, um ihre Erleichterung zu verbergen. Jeder von ihnen eilte mit Glückwünschen zum König, bot Worte der Unterstützung für diese Entscheidung an, den Streit zu beenden. Nur daran interessiert, bei der nächsten Schlacht wieder an der Seite des Königs zu kämpfen, blieb Cabal stumm und trank ungerührt seinen Wein, während Richard die Details des Vertrages darlegte und dann den Offizieren befahl, ihre Regimenter über den Fortgang zu informieren.

»Bereitet die Schiffe vor, um in den kommenden Wochen nach England zu segeln«, wies er sie an. »Ich werde auf einem anderen Weg als ihr nach Hause reisen. Meine Ratgeber scheinen zu befürchten, ich könnte gefangen gesetzt werden, wenn ich nicht inkognito reise. Ich sage Euch, es ist verdammt unangenehm, wenn man Feinde hat, die innerhalb und außerhalb des Königreichs im Hinterhalt liegen. Ganz zu schweigen von denen in der eigenen Verwandtschaft.« Als Richard mit diesen Worten auf die Machenschaften und den bekannt gewordenen Verrat seines jüngeren Bruders Prinz John anspielte, tat er dies ohne seinen gewohnten trockenen Humor.

»Was geschieht jetzt mit Fallonmours Ländereien, Euer Gnaden?«, fragte einer der Männer. Sein besorgter Tonfall verhüllte kaum das habgierige Funkeln in seinen Augen. »Es ist ein viel zu wertvoller Besitz, um ihn den Händen von Sir Garretts Witwe zu überlassen – oder seinem Bruder, Hugh de Wardeaux.«

»In der Tat.« Die breite Stirn des Königs furchte sich, während er überlegte. »Ich weiß nichts über die Einstellung der Witwe Fallonmours, aber Hugh hat aus seiner Loyalität für John keinen Hehl gemacht. Ich kann es mir nicht leisten, diese Allianz einfach abzutun.« Richard sah Cabal dabei an, der bestätigend nickte. Dann nahm er eine Feder und einen Bogen Papier von seinem Tisch und begann zu schreiben. »Bis ich wieder in London sein und Muße dazu haben werde, darüber zu entscheiden, welchen ehrenvollen Vasallen ich zum Lord ernenne, ist es das Beste, Fallonmour jemandem zu unterstellen, dem ich vertrauen kann.«

Cabal lehnte sich lässig auf seinem Stuhl zurück und beobachtete mit leichtem Interesse, wie fünf Augenpaare sich erwartungsvoll auf den König richteten. Fünf Edelmänner warteten wie die Geier auf eine Chance, ihr Vermögen durch den plötzlichen Tod eines der ihren zu mehren. Müßig fragte er sich, wem die Wohltat zuteilwerden würde, und empfand Dankbarkeit, dass sein Schwur, der Krone zu dienen, ihn von derart bedeutungslosen Angelegenheiten ausschloss.

Wie aus eigenem Antrieb stahl sich seine Hand hin zur Mitte seiner Brust, wo das Gewicht einer Verpflichtung heimtückisch ruhte. Eine kalte Erinnerung daran, wer er war und was er niemals sein würde.

Der König hörte unvermittelt auf zu schreiben, sah seine Offiziere an und schien einen nach dem anderen abzuschätzen. Sein kühler, aufmerksamer Blick glitt über ihre erwartungsvollen Gesichter, als wollte er ihre Ehrenhaftigkeit ermessen, sie abwägen. »Es gibt hier nur einen Mann, dem ich zutraue, meine Interessen in Fallonmour selbstlos zu vertreten«, sagte er. »Einen Mann, den ich mit dieser Aufgabe betrauen kann, ohne zu befürchten, er könnte seine eigenen Pläne für dieses Lehen verfolgen.« Richard Löwenherz’ befehlender Blick richtete sich durchdringend auf Cabal. »Und ihn werde ich schicken.«

1

England, Juni 1193

Dieser Tag begann, wie Hunderte vor ihm begonnen hatten, und dennoch fühlte Lady Emmalyn von Fallonmour ein merkwürdiges Prickeln in ihren Adern – es war das wundersame Gefühl hoffnungsvoller Erwartung, das sie geweckt hatte, noch bevor der erste Sonnenstrahl ihre Kammer erhellte. Irgendetwas lag in der Luft; sie konnte es spüren.

Ob heute der große Tag war?

Sie war aufgeregt und neugierig, es herauszufinden, und so wusch sie sich rasch und kleidete sich an. Dann verließ sie ihr Zimmer und stieg die Treppe hinab, die sich spiralförmig durch das Herz der Burg wand. Sie ging schnell und leichtfüßig, weil sie wusste, dass sie nur diese kurze Zeitspanne hatte, die ihr ganz allein gehörte. Es würde nicht mehr lange dauern, bis die Burg zum Leben erwachte und ihre täglichen Pflichten als Burgherrin sie in Anspruch nehmen würden.

Zu den Ersten, die Emmalyn an diesem Morgen aufsuchen wollte, würde ganz sicher der Seneschall gehören, dem seit drei Jahren, seit der Abreise Garretts, die Aufgabe anvertraut war, Fallonmour zu verwalten. Der mürrische Alte hatte ihr gestern Abend seine Absicht mitgeteilt, beim ersten Tageslicht hinunter ins Dorf zu gehen, um die frisch geschorene Wolle zu wiegen und den Ertrag der Felder einer Überprüfung zu unterziehen. Emmalyn hatte durchaus die Absicht, beim Zählen mitzuwirken, zumal sie das rüde Vorgehen des Mannes missbilligte, insbesondere die barsche Art, mit der er ihre Leute behandelte.

Sie werde ihn auf die Felder begleiten, hatte sie dem Seneschall entschlossen mitgeteilt, aber sie würden erst aufbrechen, wenn sie dazu bereit war. Im Moment hatte sie sich um andere, drängendere Dinge zu kümmern, die nichts mit der Verwaltung der Burg zu tun hatten.

Fallonmour erwartete einen Neuankömmling.

Emmalyn überquerte den Burghof und war nervös vor Erwartung, als sie die Ställe erreichte. Der Stallmeister, ein großer, allmählich grau werdender Bär von Mann, war bereits an der Arbeit und hielt Werkzeug in der Hand. Er begrüßte Emmalyn mit einem breiten Lächeln, als sie den Stall betrat.

»Wie geht es ihr heute Morgen, Thomas?«

»Gut, Mylady. Ich schätze, es ist jetzt nur noch eine Sache von ein oder zwei Tagen.«

»Ein oder zwei Tage?« Emmalyn seufzte enttäuscht. »Das ist genau die Antwort, die du mir schon letzte Woche gegeben hast, Thomas. Wird sie denn dieses Fohlen nie bekommen?«

Der alte Stallmeister lachte in sich hinein. »Das erste kommt meist mit etwas Verspätung, Mylady. Kein Grund, sich jetzt schon Sorgen zu machen. Minerva wird uns schon wissen lassen, wann ihre Zeit gekommen ist.«

Emmalyn schaute in die sanften braunen Augen ihrer Stute und lächelte. »Hast du das gehört, Minnie? Du wirst bald Mutter sein.« Die kastanienbraune Stute blinzelte durch ihre palmenwedelgleichen schwarzen Wimpern und schnüffelte an Emmalyns ausgestreckter Hand. Dann knabberte sie daran. Sanft, aber energisch genug, um Emmalyn vor Überraschung einen Schrei ausstoßen zu lassen.

»Es ist alles in Ordnung«, versicherte sie Thomas, als dieser seine Arbeitsgeräte fallen ließ und zu ihr eilte.

Er beugte sich vor, nahm etwas aus einem Eimer und räusperte sich. In seiner Hand hielt er einen Apfel und ein kleines Messer. Verlegen hielt er beides Emmalyn hin. »Verzeihung, Mylady, aber ich fürchte, ich habe das Biest in letzter Zeit ein wenig verwöhnt. Sie wartet jetzt jeden Morgen auf einen Leckerbissen – ist richtiggehend eingeschnappt, wenn er ihr zu lange vorenthalten wird. Ich bitte um Verzeihung, wenn Euch das missfällt.«

»Du hast ein freundliches, großzügiges Herz, Thomas. Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Außerdem«, gestand sie mit einem leisen Lachen ein, »scheint es, dass ich an Minnies schlechtem Benehmen genauso schuld bin. Während du sie am Morgen mit Äpfeln verwöhnst, habe ich das Gleiche jeden Nachmittag nach der Abendmahlzeit getan. Es ist ein Wunder, dass sie inzwischen nicht genug davon hat.«

Emmalyn hatte kaum den ersten Apfelschnitz abgeschnitten, als die Stute sie auch schon anstupste und ihn ihr aus den Fingern stahl. Während Minerva zufrieden kaute, streichelte Emmalyn die raue Seide des Kopfes und Nackens des Pferdes. »Ich glaube, sie hat eine kleine Sonderbehandlung verdient, nicht wahr? Schließlich kommt auf Fallonmour nicht jeden Tag ein königliches Fohlen auf die Welt.«

Sie konnte ihren Stolz darüber kaum verbergen. Minervas Fohlen stammte von Königin Eleanors bestem Hengst ab. Bei ihrem letzten Besuch auf Fallonmour hatte die verwitwete Königinmutter Emmalyn dieses Geschenk gemacht, das ihr sehr viel bedeutete. Thomas, der neben ihr stand, strahlte ebenfalls, als er jetzt sein Werkzeug wieder aufhob und an seine Arbeit mit den anderen Pferden zurückkehrte.

»Mylady!«

Das laute Rufen eines Jungen klang vom Burghof herüber. Die Stute zuckte zusammen, warf den Kopf zurück und wieherte mit weit aufgerissenen Augen. Der Ruf hatte auch Emmalyn erschreckt. Sie wandte sich um, als sie hörte, dass jemand mit schnellen ungestümen Schritten zu den Ställen gelaufen kam. Es war einer der Pagen, der bei ihr zur Ausbildung war und der jetzt atemlos an der Tür stehen blieb.

»Mylady, kommt schnell!«

»Was ist los, Jason? Du hast die arme Minerva fast zu Tode erschreckt!«, tadelte sie ihn.

»Arlo schickt mich, Mylady! Ihr müsst sofort kommen – er ist auf dem Südacker! Schnell!«

Als Emmalyn den Namen des Seneschalls hörte, sträubten sich ihr die Haare. Es überraschte sie nicht, dass Arlo keine Zeit verschwendete, sich ihren Anordnungen zu widersetzen, aber was sie weitaus stärker beunruhigte, war die Panik in Jasons Stimme. Zweifellos hatte Arlo dem Jungen Schläge angedroht, wenn er nicht sofort seinen Befehl befolgte. Oder vielleicht hatte der Seneschall bereits begonnen, die Dörfler im Namen von Vorteil und Profit zu terrorisieren. »Ich habe genug von Arlo und seinen tyrannischen Methoden. Wo ist er jetzt, Jason? Auf dem Südacker, hast du gesagt?«

Der Page schüttelte heftig den Kopf. »Nein, Mylady, Arlo ist nicht auf dem Südacker, aber ein Reiter! Er kommt auf Fallonmour zu, während wir hier reden!«

»Ein Reiter?«

»Ein Ritter, Mylady, und er trägt das weiße Kreuz eines Kreuzritters!«

Bei diesen Worten fühlte Emmalyn ihr Selbstvertrauen in sich zusammenfallen. Sie holte tief Luft, um sich zu stärken, und sorgte dafür, dass ihre Stimme fest klang, auch wenn sie kaum mehr als ein Flüstern war. »Ein Kreuzritter? Bist du sicher?«

»Aye! Er reitet auf einem großen schwarzen Pferd und kommt auf die Burg zu! Mylady, denkt Ihr, es ist Lord Garrett, der endlich zurückkommt?«

Garrett.

Konnte das sein? War er nach drei Jahren ohne ein einziges Wort von sich hören zu lassen jetzt nach Hause gekommen? Obwohl König Richard von einem seiner Feinde gefangen genommen worden war, als er das Heilige Land verlassen hatte, kursierten jetzt schon seit Monaten Gerüchte über die Rückkehr der Armee. Insofern hatte Emmalyn schon damit gerechnet, Garrett durch das Tor von Fallonmour reiten zu sehen, hatte sich auf die Möglichkeit der Heimkehr ihres Mannes vorbereitet und auf die Frage, wie sie sich auf das Leben auswirken würde, das sie während seiner Abwesenheit begonnen hatte zu führen. Aber sie war eigentlich ganz und gar nicht darauf vorbereitet. Das wusste sie jetzt, als sie spürte, wie ihr Magen sich immer mehr zusammenzog, mit jedem Augenblick, der verging. Sie kämpfte darum, ruhig zu wirken. »Sag Arlo, er soll die Leute in der Halle zusammenrufen, Jason. Ich komme gleich dorthin.«

Emmalyn wandte sich wieder Minervas seelenvollem Blick zu und kraulte der Stute nachdenklich die Mähne. Ihre Hände hatten zu zittern begonnen. Um Himmels willen, sie musste ihre Gedanken ordnen. Ihre Nerven beruhigen. Vielleicht hatte der Krieg ihren Mann verändert. Ihn umgänglicher gemacht. Vielleicht würden die Dinge zwischen ihnen jetzt anders sein.

Sie war anders geworden. Sie war nicht mehr das Kind, das er geheiratet hatte, sondern eine Frau von zwanzig Jahren. Sie hatte Fallonmour und seine Ländereien verwaltet während der mehr als drei Jahre, in denen er fort gewesen war, hatte als Kastellanin gehandelt und mit Kaufleuten gefeilscht, hatte im vergangenen Herbst sogar einen Überfall auf das Dorf abgewehrt. Also warum sollte der Gedanke, einem Mann gegenüberzutreten – ihrem Mann –, sie noch immer so entsetzen?

Neben sich hörte sie Thomas’ Stimme, sie klang wie ein tiefes, beruhigendes Brummen. »Mut, Mylady.«

Emmalyn nickte, aber ihr Lächeln wirkte verloren. Wenn der Stallmeister nur wüsste, wie sehr sie seine freundlichen Worte brauchte. Wenn er doch nur wüsste, welche Kraft es sie kostete, Garrett wieder gegenüberzutreten, wieder zurückzukehren in ihre Rolle als seine Frau. Niemand hatte je davon erfahren; Garrett war vorsichtig gewesen. Er hatte darauf geachtet, dass die Narben nicht zu sehen waren, denn sie trug sie in ihrem Inneren. Nicht dass diese Narben weniger hässlich waren, und ganz gewiss waren sie nicht weniger schmerzvoll.

Trotz der drückenden Last ihrer Angst straffte Emmalyn die Schultern. Sie verließ den Stall und ging über den Hof auf den Wohnturm zu. Die Bewohner der Burg, die dort ihrer Arbeit nachgingen, sahen ihr nach, als sie vorüberging. Jeder wusste von dem heranreitenden Kreuzritter und beobachtete, wie Emmalyn darauf reagierte. Aber sie trug den Kopf hoch erhoben, und ihre Schritte wirkten entschlossen.

Um ihre innere Unruhe zu verbergen, rief sie im Gehen einer Gruppe von Leuten, die müßig auf dem Burghof stand, einige Anweisungen zu. »Nell, scheuch die Hühner zurück in den Stall. Alfred, sorg dafür, dass Stroh und frisches Wasser in die Ställe gebracht wird. Und du, Jane, geh zum Koch. Sag ihm, er soll das Wildbret und den Fisch von gestern Abend aufwärmen und die frischen Bohnen zubereiten, die ich ihm gestern aus dem Garten gebracht habe. Bring auch Brot, aber nicht das dunkle – bring das feinste Weizenbrot, das wir haben. Sorge dafür, dass Wein auf der Estrade steht, aber er darf keine Korkenstückchen enthalten, also seihe ihn zweimal durch, ehe du ihn bringst.«

Emmalyn ging erst langsamer, als sie den Torbogen zum überdachten Außengang erreichte, der vom Hof zum Wohnturm führte. In seinem kühlen Schatten blieb sie einen Moment stehen, atmete tief durch und war dankbar, den wachsamen Blicken entkommen zu sein.

Mon Dieu, wie schnell ihr Garretts Erwartungen wieder gegenwärtig waren, sogar nach dieser langen Zeit. Die Forderungen, die er an sie gestellt hatte, angefangen von der Art, wie er seine Mahlzeiten zubereitet haben wollte, bis hin zu seinen Vorschriften, wie sie in seiner Gegenwart gekleidet zu sein hatte. Sie hatte drei Jahre lang Zeit gehabt, ihr eigenes Leben zu führen und aus dem Schatten zu treten, den Garrett über sie geworfen hatte. Drei Jahre der Freiheit, und doch fühlte sie ihr hart errungenes Selbstvertrauen langsam dahinschwinden, und zwar schon bevor er Fallonmours Türschwelle mit seinem Erscheinen wieder verdunkelte.

War es so leicht möglich, in jenes alte Leben wieder zurückzukehren? Würde er sie wieder so mühelos beherrschen können? Nein! Sie würde niemandem erlauben, noch einmal so mit ihr umzugehen. Heute nicht. Niemals mehr.

Emmalyn wusste, dass Garrett von ihr erwartete, dass sie ihn in ihrem besten Gewand empfing, ihr widerspenstiges Haar zu Zöpfen geflochten und züchtig bedeckt. Während sie die Treppe des Turmes hinaufstieg, gönnte sie sich eine kleine Freude des Triumphes über die schlichte Kleidung, die sie jetzt trug.

Sie hatte in den vergangenen Jahren keine Verwendung für bunte kostbare Seide oder bestickte Schuhe gehabt, sondern die rotbraune Wolltunika bevorzugt, die sie auch jetzt trug, und ihre praktischen Lederstiefel. Kein juwelenbesetzter Gürtel schmückte ihre Taille, stattdessen ein sehr zweckmäßiger, der nur von einer Dolchscheide und einem klirrenden Bund Schlüssel geziert wurde. Ihr Haar trug sie normalerweise geflochten, damit es sie bei der Arbeit nicht störte, aber heute Morgen hatte sie es in der Eile des Aufbruchs offen gelassen. Die üppige Fülle fiel ihr in einer ungezähmten Lockenflut über Schultern und Rücken – ein Anblick, der Garrett ganz sicher auf die Nerven gegangen wäre.

Aber Emmalyn ermahnte sich, sich von dem Gedanken an sein Missfallen nicht beirren zu lassen, während sie an ihrem Zimmer vorbeiging und die Stufen erklomm, die zum Wehrgang des Turmes führten. Zwei von Fallonmours Rittern standen bei der hintersten Zinne und beschatteten die Augen vor der aufgehenden Sonne, als sie zu dem Hügel hinüberblickten, der sich in der Ferne erhob.

»Es ist zu lange her, seit ich Lord Garrett das letzte Mal gesehen habe«, sagte der eine. »Ich könnte schwören, dass er jetzt größer aussieht, oder nicht?«

»Aye, und sehr kräftig. Sieh nur, wie aufrecht er im Sattel sitzt!«

Emmalyn näherte sich den beiden, ohne dass sie es bemerkten. Sie schaute durch zwei Zinnen auf den herannahenden Reiter hinab, und in ihrem Magen ballte sich die Furcht zusammen. Die Männer hatten recht; Garrett sah größer aus, als sie ihn in Erinnerung hatte.

Verschwunden waren seine runden abfallenden Schultern; jetzt sahen sie fast so breit aus wie der Rücken seines Rosses. Der lange rote Waffenrock, den er trug, war ausgeblichen und zerschlissen, eine zerfetzte Hülle, die kaum noch dazu diente, den muskulösen Körper des Mannes zu bedecken, der sie trug. Von dort, wo sie stand, konnte Emmalyn sogar bemerken, welche Kraft in seinen Oberschenkeln stecken musste, so aufrecht, wie er sich im Sattel hielt, während er sein Pferd in leichtem Trab über die Ebene lenkte. Den Ritter umgab eine Aura von Ruhe, eine Selbstsicherheit und fast majestätische Ausstrahlung, die selbst die noch beträchtliche Entfernung nicht verbergen konnte.

Obwohl Emmalyn dagegen ankämpfte, begann sich in ihr Neugier zu regen, ein fast unmerkliches Interesse, das sie dazu veranlasste, ihn genauer in Augenschein zu nehmen.

Das schwarze Schlachtross, das ihre Hochzeitsgabe für Garrett gewesen war – ein Pferd, das er nie beherrscht und immer wegen seines starken Willens verabscheut hatte –, ging jetzt bereitwillig und absolut ruhig unter ihm. Pferd und Reiter waren ein beeindruckender, bewunderungswürdiger Anblick, das faszinierende Bild eines heimkehrenden Helden, dennoch stimmte irgendetwas daran nicht. In einer Mischung aus Verwunderung und Misstrauen beobachtete Emmalyn die entschlossene, aber respektvolle Art, mit der der Reiter den Hengst führte. Die Art, wie er nichts tat, ihn zu leiten, und ihn trotzdem völlig beherrschte.

Und dann wusste sie es.

»Das ist er nicht«, sagte sie mit ruhiger, absoluter Gewissheit.

»Mylady?«

Emmalyn hatte sich von der Brüstung abgewandt, um zum Turm zurückzukehren. Jetzt blieb sie stehen, um dem Wachposten zu antworten. »Er reitet Mylords Pferd«, bestätigte sie, »aber der Reiter dort ist nicht mein Ehemann.«

Es bedurfte nur eines kurzen Blickes auf Fallonmours Größe und Anlage, und Cabal begriff die Sorge des Königs um dessen Verwaltung. In der Tat würde ein Besitz von dieser Größe selbst bei dem reichsten Vasallen Begehrlichkeiten wecken. Nicht einmal die Erinnerung an die vielen Abende, an denen das Regiment Garretts endloses Prahlen über seine Reichtümer daheim in England ertragen hatte, hätten Cabal auf diesen Überfluss adligen Wohlstands vorbereiten können, den er jetzt vor sich sah. Entgegen aller Not und Verzweiflung, deren Zeuge er auf seinem Weg vom Hafen in Dover bis hierher nach Norden geworden war, schien Fallonmour die lange Abwesenheit seines Lords sehr gut überstanden zu haben. Und mehr als überstanden, wie er fand: Die Burg sah aus, als sei sie prächtig gediehen.

Die frühe Morgensonne badete die Mauern des hohen, weiß gekalkten Wohnturms in strahlendem Licht, vergoldete seine Zinnen und Wehrgänge und hüllte die ganze Burg in einen funkelnden, ätherischen Glanz. Üppige Felder, auf denen Weizen, Hafer und Saatwicke wuchsen, erstreckten sich, soweit das Auge reichte, fruchtbar und duftend und mit dem Versprechen einer reichen Ernte zu Lammas. Eine große Herde frisch geschorener Schafe sprenkelte die Landschaft, graste auf saftig grünen Wiesen.

Am Fuß des hohen, sanft abfallenden Burghügels lag ein Dorf, in dem es geschäftig zuging und das voller Leben war. Die Menschen kehrten gerade von den Feldern heim oder kamen aus ihren Hütten, um zu sehen, wer da wohl durch ihr Dorf ritt. Cabal achtete nicht auf ihre fragenden Gesichter, während er rasch durch die Mitte der kleinen Ansiedlung auf die Burg und den Beginn seiner ungewollten Mission als Wächter dieses Besitzes zugaloppierte.

Beim Näherkommen erkannte er die Unbezwingbarkeit Fallonmours immer deutlicher. Die massive Mauer, die den steinernen Turm und zahlreiche Wirtschaftsgebäude umschloss, schien aus der felsigen Erde gleichsam emporzuwachsen, von der breiter vorspringenden Basis bis zum Schutzwall, der gut und gern eine Höhe von dreißig Fuß erreichte. Im Torhaus, das zwischen zwei mit Wehrgängen versehenen Türmen kauerte, hatte sich ein halbes Dutzend Wachen versammelt. Die Männer starrten in abweisendem Schweigen zu ihm hinab, ebenso wie die Bogenschützen, die in gleicher Anzahl die Mauerzinnen besetzt hatten.

»Ich bringe Kunde für Lady Fallonmour von ihrem Lord Gemahl«, rief Cabal auf Normannisch, der Sprache der Edlen Englands.

Vom Burghof her war eine weibliche Stimme zu hören. »Öffnen!«, befahl sie knapp.

Auf ihren Befehl hin begannen die Fallgitter ihren mühsamen Weg nach oben. Cabal drängte sein Pferd weiter und ritt unter dem schweren, mit eisernen Dornen bewehrten Tor hindurch in den großen äußeren Hof. Diener, Mägde und Burgbewohner hatten sich hier eingefunden und sahen ihn erwartungsvoll an, während er in die Mitte der grasbewachsenen Fläche ritt. Die Menge teilte sich, als er abstieg. Die Männer beobachteten ihn misstrauisch, eine Gruppe junger Mädchen tuschelte hinter vorgehaltener Hand miteinander, als er vorüberging. Aber die vielen Gesichter verschwammen in dem Moment zu einem Nebel, als Cabals Blick auf Lady Emmalyn fiel.

»Seid gegrüßt, Mylord. Ich heiße Euch auf Fallonmour willkommen.«

Sie stand am Fuß der Treppe, die in den Turm führte, und sah ihn mit einem Blick an, der so klar und offen war, dass Cabal meinte, sie könne in ihn hineinschauen. Eine Flut blonder ungezähmter Locken umspielte die aparten Züge ihres Gesichts und betonte noch die Klugheit, die in ihren nebelgrünen Augen glänzte.

Sie hegte Argwohn gegen ihn; er konnte es an ihrer aufrechten Haltung erkennen, an der Art, wie sie ihn freundlich begrüßte, ohne ihn anzulächeln. Wie ein wehrhafter Engel, der das Tor zum Himmel bewachte, stand sie vor ihm. Sie trug ein schlichtes Gewand und Lederstiefel und war mit nichts als einem Dolch und einem Schlüsselbund bewaffnet … und mit der Macht ihres unerschrockenen Blickes. Ganz und gar nicht wie die sanftmütige junge Frau, die er nach Richards Beschreibung der Witwe Sir Garretts hier anzutreffen erwartet hatte.

Lady Emmalyn sah aus, als sei sie während der Abwesenheit ihres Mannes eher zu einer Löwin als zu einem verlorenen Kätzchen geworden – ein Gedanke, der Cabal ebenso faszinierte, wie er seine Besorgnis weckte. Galt ihre Loyalität nach wie vor dem König? Und wenn dem so war, würde es auch dann noch so sein, wenn sie erfuhr, dass Garrett tot war?

»Ihr sagtet, dass Ihr Kunde von meinem Mann bringt«, drängte sie ihn, und ihr keckes Kinn hob sich noch ein kleines Stück höher unter Cabals anhaltend prüfendem Blick.

»So ist es, Madam.« Er trat vor und neigte flüchtig den Kopf. »Ich komme auf Befehl des Königs; eine Pflicht, die mir vor seiner Abreise aus Palästina auferlegt wurde.«

Als er Richard Löwenherz erwähnte, wurde die Lady nachdenklich. »Der König schickt Euch?«, fragte sie wachsam. »Dann müssen Eure Neuigkeiten höchst ernster Natur sein, Mylord.«

Cabal nickte grimmig. »So ist es.«

Sie sah ihn lange an, ohne mit der Wimper zu zucken, dann richtete sie den Blick auf den herrlichen Rappen, der ihrem Mann gehört hatte. Garretts Schwertgürtel und eine kleine Tasche mit seinem Besitz waren am Sattel des Schlachtrosses befestigt, symbolische Erinnerungsstücke, die auf Anweisung des Königs der Witwe übergeben werden sollten.

»Garrett ist tot?«

»So ist es, Mylady.«

»Ich verstehe«, sagte sie ruhig.

Ihr Blick kehrte zu Cabal zurück, klar vor Erkenntnis. Er wartete auf die Tränen, die kommen würden, und um ihr einen Moment der Ruhe zu gönnen, ehe er den Rest der Botschaft des Königs übermittelte. Aber ihre Augen blieben trocken. Weder wankte noch zitterte sie vor untröstlichem Schmerz. Stattdessen streckte sie ruhig den Arm aus und befahl einen jungen Squire an ihre Seite. »Alfred wird Euer Pferd in den Stall bringen, Mylord. Ihr werdet eine Erfrischung und ein Lager in der Großen Halle finden, solltet Ihr den Wunsch haben, Euch auszuruhen, bevor Ihr Eure Reise fortsetzt.«

Sie wandte sich um und wollte davongehen.

Cabal räusperte sich. »Mylady, ich glaube nicht, dass Ihr verstanden …«

Sie blieb stehen, wandte sich um und sah ihn starr an. »Mein Mann ist tot, Sir. Was ist daran nicht zu verstehen?«

Mit diesen Worten setzte sie ihren Rückzug fort, ohne noch etwas zu sagen oder auf eine Erwiderung zu warten. Ihr beherrscht-entschlossener Gang und die abweisende Haltung ihres Rückens machten Cabal deutlich, dass er soeben fortgeschickt worden war – wirkungsvoll und unmissverständlich.

2

Tot. Obwohl es Emmalyn gelungen war, vor dem finsteren Fremden, der geschickt worden war, die Neuigkeit zu überbringen, Haltung zu bewahren, war sie fassungslos, als sie zurück zum Turm ging. Sie wollte nicht glauben, dass Garretts Tod sie so treffen konnte, aber sie war wirklich betrübt. Sogar mehr als betrübt, denn sie fühlte sich schuldig. Wie viele Male hatte sie sich gewünscht, er würde nie mehr zurückkommen! Wie oft hatte sie gehofft, den Rest ihres Lebens ohne ihn verbringen zu können! Befreit von seiner Bevormundung, befreit von seiner Wut zu sein. War es möglich, dass sie durch dieses Hoffen und Beten um ein friedvolles Leben dieses beklagenswerte Schicksal über ihn gebracht hatte?

Emmalyn versuchte, nicht mehr darüber nachzudenken, als sie den Wohnturm betrat, in dem geschäftiges Treiben herrschte. Da sie einen Augenblick der inneren Einkehr für sich haben wollte, um über den neuen Verlauf ihrer Zukunft nachzudenken, wandte sie sich der Treppe nach oben zu. Sie hatte kaum die unterste Stufe betreten, als sie hörte, wie im Großen Saal Geschirr zu Boden fiel. Dem Klirren folgte Arlos schrille Stimme, als er grob eines der Küchenmädchen für ihre Ungeschicklichkeit rügte.

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