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Graf Wilhelm von Hochberg, der spätere Markgraf von Baden, wurde - kaum zwanzigjährig - im Jahre 1812 zum Oberbefehlshaber des badischen Kontingents der Großen Armee Napoleons ernannt. Eindringlich und spannend schildert er die Ereignisse des fatalen russischen Feldzugs, in welchem die größte Armee der damaligen Zeit ihr furchtbares Ende fand. Das Großherzogtum Baden stellte in diesem Krieg eine Mannschaft von 7666 Mann, nur 145 von ihnen kehrten wieder zurück.
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Seitenzahl: 169
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Der Feldzug gegen Rußland 1812
Erster Abschnitt.
Zweiter Abschnitt.
Dritter Abschnitt.
Vierter Abschnitt.
Anhang.
Der Markgraf Befehlshaber der ausmarschierenden badischen Truppen. - Deren Zusammensetzung und Stärke. - Marsch bis Kassel. - Mehrtägiger Aufenthalt des Markgrafen am westfälischen Hofe. - Kommandant auf Rügen. - Blutige Raufereien zwischen den französischen Garden und badischen Soldaten in Stettin. - Einrücken der badischen Brigade in das IX. französische Armeekorps bei Tilsit. - Dessen Zusammensetzung und Stärke.
DAS innige Verhältnis, in welches seit dem Tilsiter Frieden Rußland und Frankreich zueinander getreten waren, hatte sich mehr und mehr getrübt und immer näher rückte das verhängnisvolle Drama heran, welches das Jahr 1812 ewig denkwürdig in der Weltgeschichte macht. Napoleon setzte von allen Seiten her große Truppenmassen nach dem Norden in Bewegung und auch bei uns begannen die Rüstungen. Den 7. Februar ließ mir Großherzog Karl eröffnen, daß er mir das Kommando der ausmarschierenden Truppen bestimmt habe, - eine Auszeichnung, die mich nicht wenig überraschte, denn noch nicht 20 Jahre alt, fühlte ich nur zu sehr, wie vieles mir noch fehlte, um dem in mich gesetzten Vertrauen zu entsprechen. Meine Ernennung erfolgte des anderen Tags; beigegeben wurden mir Generalmajor Lingg, Oberstleutnant von Grolmann als Chef des Generalstabs, Kapitän von Kalenberg und Leutnant Fischer als Adjutanten, Leutnant von Strauß als Ordonnanzoffizier.
Die unterstellten Truppenteile waren: das Leibregiment Nr. 1 - 2 Bat. mein Regiment Nr. 3 - 2 Bat. das leichte Infanteriebataillon Lingg, das Husarenregiment von Geusau - vier Esk. - vier reitende und vier Fußgeschütze. Ferner wurde das schon seit 1811 nach Danzig ausmarschierte 2. Infanterieregiment nebst den ihm beigegebenen zwei Geschützen an mich angewiesen; die Gesamtstärke betrug 7666 Mann. Weil ich mein Kommando erst den Tag vor dem Ausmarsch zu übernehmen hatte, so konnte ich keine Spezialmusterungen mehr vornehmen und daher nicht für die so notwendige Ergänzung der noch sehr mangelhaften Ausrüstung der Brigade in Zeiten sorgen.
Nach einem eingetroffenen Befehl des Prinzen von Neufchatel sollte ich den 16. Februar mit derselben in einer Kolonne abmarschieren, was aber nicht tunlich war; es wurden daher zwei Kolonnen formiert, von denen die erste, bestehend aus meinem Regiment und dem leichten Infanteriebataillon unter Oberst Brückner von Mannheim, und ich mit dem Leibregiment, dem Husarenregiment und den acht Geschützen von Karlsruhe aus den Marsch antraten. Über Bruchsal, Heidelberg und Heppenheim erreichte ich mit meiner Kolonne den 19. Februar Darmstadt, wo ich sie vor dem Großherzog von Hessen an dem Schlosse vorbei defilieren ließ. Ich speiste hierauf nebst einigen meiner Offiziere bei Hofe und besuchte abends die Oper, wo uns zu Ehren die Vestalin gegeben wurde. Des anderen Tags fuhr ich den Truppen nach Frankfurt voraus, wo ich die Bekanntschaft des Generals Dändels, meines künftigen Divisionärs machte. Von hier wurde der Marsch bei sehr schlechtem Wetter über Friedberg, Gießen, Marburg, Gemünden an der Wohra und Wabern bis Kassel fortgesetzt, das wir den 27. erreichten. Der König und die Königin von Westfalen sahen dem Defilieren vom Balkon aus zu, während die auf dem Friedrichsplatz exerzierenden westfälischen Truppen gegen die unsrigen paradierten. Letztere wurden auf dem Lande einquartiert, wogegen ich Quartier in der Stadt erhielt, wo ich diesen Tag mit meinen Obersten bei dem Kriegsminister Comte de Hune zu Mittag speiste. Den folgenden Tag wurde ich Jerome beim Lever vorgestellt, worauf er mich einlud einige Tage in Kassel zu bleiben und an den bevorstehenden militärischen Festen Anteil zu nehmen. Er bewohnte, da das Schloß kurz zuvor abgebrannt war, das Palais Bellevue. Abends aß ich bei einem alten Bekannten Oberkammerherrn Landgrafen von Hessen-Philippsthal, welcher sich kurz zuvor mit einer Prinzessin von Hessen-Philippsthal vermählt hatte. Diese sehr schöne und liebenswürdige Dame war eine Tochter des bei der Einnahme von Frankfurt gebliebenen Landgrafen Karl, ihre Mutter in zweiter Ehe mit einem Grafen Wimpffen verheiratet. Den dritten Tag meines Aufenthaltes widmete ich den Merkwürdigkeiten der Stadt, wobei mich ganz besonders im königlichen Marstalle das von Jerome dem Oberstallmeister Grafen Mario errichtete Monument interessierte, den ein französischer wegen üblen Betragens aus dem Dienste entlassener Schmied meuchlings erschossen hatte.
Den 1. März wohnte ich der feierlichen Verleihung neuer Fahnen bei, welche die Gardegrenadiere, die Garde-Chasseurs und die Chasseurs-Carabiniers für die beim Schloßbrande verlorenen früheren Fahnen erhielten. Außer den genannten Truppenteilen standen noch das 2. und 6. Linien-, das 1. leichte Infanterieregiment, das 1. und 2. Kürassier-, das Garde du Corps-, das Garde-Chevauxleger-Regiment und 14 bespannte Geschütze, im ganzen zehn Bataillone, 16½ Eskadrone in der Parade. Die Königin befand sich während diesem militärischen Schauspiel mit dem Hofe unter einem Jagdschirm vor dem Orangeriepalast, der König umgeben von seinen Adjutanten seitwärts auf einer Estrade. Nach der Einsegnung der Fahnen durch seinen Beichtvater hielt der König eine Anrede an die Truppen, worauf diese nach erfolgter Übergabe in sehr schöner Haltung defilierten. Bei dem nun folgenden Dejeuner kam ich neben die Königin zu sitzen. Später mußte ich mit dem König nach Napoleonshöhe reiten, wohin die Königin mit vielen Damen folgte; im Rückweg schoß Jerome einige Mal mit Pistolen auf zahme Schweine, was mir als ein sehr seltsamer Zeitvertreib für einen König erschien. Abends mußte ich wieder bei Hof speisen, es waren aber nur Damen bei der Tafel; hierauf fand großer Cercle statt, bei welchem Anlaß ich manche interessante Bekanntschaften machte. Den folgenden Tag ritt ich mit dem König zur Revue seiner Garden, - eine ausgezeichnet schöne Truppe - und eines Parks von 28 bespannten Kanonen, welchen General Alix vorführte.
Da es mich drängte, den mir anvertrauten Truppen wieder nachzukommen, nahm ich nach eingenommenem Dejeuner bei Hofe Abschied bei dem König, der sich überaus verbindlich und zuvorkommend gegen mich bezeigte und die Hoffnung äußerte, mich bei dem bevorstehenden Feldzuge unter seinem Kommando zu sehen, indem er beifügte, er werde es dem Kaiser rühmen, wie sehr er mit mir und unseren Truppen zufrieden gewesen sei.
Der westfälische Hof machte auf mich einen ganz eigentümlichen Eindruck; man sah an demselben neben einer großen Zahl angestellter Franzosen, eine Menge Glücksritter aus aller Herren Länder; am meisten fiel mir auf, daß so viele Personen aus den ältesten Geschlechtern Deutschlands sich an Jerome herandrängten und um seine Gunst und Anstellungen buhlten.
In Seesen, wo ich unsere Truppen wieder einholte, fand ich ein Schreiben vom Generalstabschef des Marschalls Davoust General Romeuf mit der Weisung, nicht nach Magdeburg, wie ursprünglich befohlen war, sondern nach Rostock zu marschieren. Ich eilte daher nach Braunschweig voraus, um daselbst die neue Marschroute entwerfen zu lassen, traf hierauf den 6. März in Königslutter, und den 8. in Klötze ein, von wo ich mich nach Vollnitz zur Besichtigung des Husarenregiments begab. Den 10. März passierte die erste Kolonne bei Dömitz die Elbe, während die zweite Rasttag hielt; anderen Tags musterte ich das 1. Regiment bei Lübow und übernachtete in Dannenberg; den 12. folgte die zweite Kolonne der ersten über die Elbe. Tags darauf speiste ich zu Ludwigslust beim Herzog von Mecklenburg-Schwerin, welcher mir Wagen und Pferde nach Grabow entgegen geschickt hatte. Den 14. nahm ich in Parchim, den 16. in Goldberg, den 17. in Güstrow mein Nachtquartier. Zufolge eines eingetroffenen Befehls des Marschalls Davoust mußte von hier aus mein Regiment nach Stettin abgehen, ich selbst mit den übrigen Truppen nach Stralsund marschieren, wo ich den 21. über Rostock, Ribnitz und Barth eintraf.
Hier in Stralsund fand ich General Dändels, zu dessen Division meine Brigade gehörte. Den 27. Erhielt ich Befehl das leichte Infanteriebataillon ebenfalls nach Stettin zu entsenden, wo mein Regiment schon eingetroffen, ein Bataillon desselben aber als Besatzung nach Küstrin verlegt worden war. Es verblieben mir daher in Stralsund nur noch das Leibinfanterie- und Husarenregiment nebst der Artillerie.
Da die Division Friand vom 1. Korps unter Davoust noch vollständig in Schwedisch-Pommern stand, so hegte ich die Hoffnung demnächst mit diesem vorwärts marschieren zu dürfen, meine Bemühungen beim Marschall blieben indessen fruchtlos, woran der noch sehr mangelhafte Zustand der zu unserer Division gehörigen bergischen Brigade viel Schuld gewesen sein mag.
Bei meiner Ankunft in Stralsund erfuhr ich, daß der französische Gouverneur General Morand 28 Kisten mit wertvollen Effekten, welche die schwedische Regierung als Privateigentum der vertriebenen Königsfamilie ausgeliefert, mit Beschlag belegt hatte. Ich erhob sogleich Einsprache und schrieb darüber sowohl dem Großherzog, als dessen Schwester der Königin Friederike von Schweden. Letztere schickte mir hierauf durch einen vertrauten Diener eine Vollmacht und es gelang mir, nicht ohne mancherlei Schwierigkeiten, die Auslieferung der Effekten durchzusetzen und der Königin zum Wiederbesitz zu verhelfen, indem ich die Kisten unter Bedeckung einiger felduntauglich gewordenen Soldaten nach Karlsruhe transportieren ließ.
Den 29. März erhielt ich den Befehl, die großherzoglich bergischen Truppen, welche die Insel Rügen besetzt hielten, zu inspizieren. Mit dieser Musterung verband ich eine Rekognoszierung aller Landungsplätze der Insel, wo die Engländer oder Schweden hätten etwas unternehmen können und erstattete hierüber einen ausführlichen Bericht, welcher Marschall Davoust vorgelegt wurde. Ende März zog sich das I. französische Korps von der Oder nach der Weichsel; Davoust, der jedoch das Kommando aller deutschen Küsten der Ost- und Nordsee vor der Hand noch behielt, ließ die Division Dändels zur Beschützung des Strichs zwischen der Oder- und Travemündung zurück; an die Division Dändels schloß sich westlich die Division der kleineren deutschen Fürsten unter General Dürütte an. Den 4. April wurde ich angewiesen mein Quartier nach Greifswalde zu verlegen; General Lingg erhielt das Kommando über die drei in Stettin stehenden badischen Bataillone; ich wurde den 25. April zum Kommandanten von Rügen ernannt und mir zu dem Ende außer dem Leibregiment, zwei Eskadronen Husaren und der halben reitenden Batterie, ein bergisches Bataillon mit zwei Geschützen zugeteilt. Meiner Instruktion gemäß sollte die Küste auf das strengste bewacht, Kontrebande und jede Gemeinschaft mit dem Feinde durch den Tod bestraft werden; kein Schiff durfte auslaufen, welches nicht einen vom Kaiser Napoleon eigenhändig unterschriebenen Paß aufzuweisen hatte; sogar der Fischfang in der See war verboten; auf den Landungsplatz Pert sollte ein Hauptaugenmerk gerichtet werden. Zu dem Bau der großen Verschanzung bei der Klewitzer Fähre mußte ganz Schwedisch-Pommern Arbeiter stellen. Meine Vorposten standen längs der Küste, den größeren Teil der Truppen hielt ich aber bei Bergen konzentriert, um sie von hier schnell an jeden bedrohten Punkt werfen zu können. Fanale waren zu Arkona, bei Brege in der Batterie zwischen Ruskewitz und Swenk, zwischen Zirkow und Beierwitz, zwischen Sultitz und Lanken, auf dem Pert und auf dem Vorgebirge Thiessow errichtet.
Die bunt zusammengesetzten Massen des französischen Heeres, welche sich allmählich der russischen Grenze näherten, begannen mit Anfang Mai sich auf die gewöhnliche Weise in verschiedene Armeekorps zu bilden, zu deren Kommando der Kaiser selbst aus dem Innern von Spanien Marschälle herbeizog. So erhielt nun Marschall Davoust, der bisher das Kommando über mehr als 100,000 Mann und alle deutschen Seeküsten gehabt hatte, das eines Armeekorps von gewöhnlicher Größe - des I. Korps - und mußte die starke Division Dändels an das IX. Korps - unter Marschall Victor, Herzog von Belluno - abgeben, welches sich aus zum Teil noch weit entfernten Truppenabteilungen formieren sollte. Beim badischen Korps erfuhr man dies alles nie offiziell, sondern nur diskursive und mittelbar durch Schemas von Stärkerapporten, die vom General Dändels und dem Gouverneur von Stettin im Namen des Herzogs von Belluno einverlangt wurden.
Den 1. Mai erhielt ich Befehl Rügen zu verlassen und ebenfalls nach Stettin zu marschieren. Bei dem Überschiffen nach Stralsund sprangen mehrere Pferde in das Wasser und schwammen über den Arm der See, welcher die Insel von dem Festlande trennt. Den 2. war mein Quartier Greifswalde, den 3. Anklam, den 4. Ferdinandshof, den 5. Pasewalk. Das 2. Bataillon des Leibregiments wurde zur Besetzung von Peenemünde und der Inseln Usedom und Wollin detachiert; General Lingg, der das Kommando auf beiden Inseln erhielt, nahm sein Quartier in Swienemünde. Den 6. kam ich nach Löcknitz, eilte aber den Truppen nach Stettin voraus, um noch mit dem Gouverneur Divisionsgeneral Liebert und General Dändels verschiedenes zu besprechen.
Das 2. Bataillon meines Regiments und das leichte Infanteriebataillon, welche ich bei meiner Ankunft in Stettin fand, blieben auf dem rechten Ufer der Oder in der Vorstadt Lastadie und in dem Fort Damm; die übrigen Abteilungen der Brigade kamen nach ihrem Eintreffen in die Vorstädte auf dem linken Ufer. Zur Versehung des Ordonnanzdienstes bei Marschall Victor mußte ich einen Offizier mit 23 Husaren nach Berlin entsenden.
Leutnant von Massenet brachte einen Transport von 2000 Stück neuen französischen Gewehren zum Austausch der vielen schlechten, womit unsere Infanterie ausmarschiert war. Dem 2. Infanterieregiment, welches unter Oberst von Böcklin schon seit einem Jahre in Danzig stand, nun aber, statt der gehofften Vereinigung mit mir, dem I. Armeekorps zugeteilt worden, schickte ich seinen Anteil nach Strippau, wo es sich um diese Zeit befand. Am 24. Mai rückte Major Asbrand mit einem 700 Mann starken Ergänzungsbataillon bei mir ein. An eben diesem Tage kam es zwischen badischen und hessischen Soldaten und Soldaten der französischen Garde zu Raufereien, welche leicht die schwersten Folgen haben konnten. Der Streit begann in der Vorstadt Unterwik; von dem von badischer Infanterie besetzten Tore eilten Patrouillen herbei, um die Streitenden auseinander zu bringen; die Franzosen sahen dieses rein dienstliche Einschreiten als eine feindselige Demonstration an und riefen ihre Kameraden in der Stadt zu Hilfe; diese stürmten nun zu Hunderten bewaffnet aus den Toren heraus und feuerten gegen die Patrouillen, so daß ein förmliches Tirailleurgefecht entstand. Ich eilte auf den ersten Lärm vor das Tor, nachdem ich meinen Leuten in der Stadt den strengsten Befehl gegeben hatte, ihre Quartiere nicht zu verlassen; gleichzeitig rief General Laborde seine Regimenter1 durch den Generalmarsch auf den Königsplatz innerhalb der Stadt und so wurde die Ruhe nach und nach wieder hergestellt, wozu die Mäßigung und Subordination unserer Leute vieles beitrug. Graf Laborde bestrafte einige seiner Offiziere und Unteroffiziere, wobei ich mich um so mehr beruhigte, als ich voraussah, daß alle weiteren Klagen und Reklamationen erfolglos bleiben würden. Auf die Nachricht des Abmarsches der Garden am 27. ließ ich tags zuvor alle badischen Truppen zum Exerzieren ausrücken und manövrierte bis es dunkel wurde und die Tore geschlossen waren. Nach dem Einrücken kamen einige Sergeant-Majors der Garde in die Lastadie, luden zur Versöhnung die Feldwebel meines Regimentes zu sich ein und bewirteten sie auf das Freigebigste. Den 30. und 31. Mai besichtigte ich die Postierungen auf Wolin und Usedom und kehrte am 1. Juni über das Haff nach Stettin zurück.
Auf die von Napoleon in den vergangenen Monaten mit wenig Geräusch aber in großartigster Weise eingeleiteten Rüstungen folgten nun mit Anfang Juni die entsprechenden Bewegungen: französische Armeekorps zogen auf allen Straßen durch Polen und Preußen den vorausgewählten Positionen hinter dem Njemen zu; selbst die wichtige Festung Danzig, die bisher immer eine sehr starke Garnison gehabt hatte, wurde dadurch dermaßen entblößt, daß man dringend notwendig fand, den Abgang durch nachrückende Truppen zu ersetzen, indem die englischen Schiffe die Kapereien in der Ostsee immer kühner trieben und die französischen Truppen längs den Küsten fortwährend bedrohten und in Atem erhielten. General Dändels mußte daher den 5. Juni mit seiner Division die Odergegenden verlassen und schleunigst nach Danzig aufbrechen; mir wurde der Befehl meinen Abmarsch so einzurichten, um den 15. Juni mit der ganzen Brigade daselbst zu sein. Dies war indessen nicht möglich, denn von Stettin bis Danzig waren es 13 Märsche und vor dem 7. konnte ich nicht fort, weil sonst Stettin ganz ohne Garnison geblieben wäre. Ich machte daher bei meinem Divisionär dringende Vorstellungen gegen diesen Gewaltmarsch; da solche aber ohne Erfolg blieben, entschloß ich mich auf eigene Verantwortung einige Tage zuzusetzen. Den 7. Juni fand der Abmarsch unserer Truppen statt; den 9. erreichten sie Witznitz. Für das Husarenregiment, welches ich in Stettin zurücklassen mußte, wurde mir das hessische Chevauxlegersregiment zugeteilt. Ich formierte nun zwei Kolonnen zum Weitermarsch nach Danzig und kam den 10. mit der zweiten Kolonne nach Köslin, von wo ich einen Ausflug nach dem von Preußen besetzten Kolberg machte. Der Zufall wollte, daß um dieselbe Zeit Generalmajor von Borstel von Dresden kommend, wohin er den König von Preußen begleitet hatte, in Kolberg eintraf, um das Kommando der Festung zu übernehmen. Das Offizierskorps der Garnison gab ihm zu Ehren ein Mittagsmahl, dem ich beiwohnte und hier lernte ich zum ersten Mal den später überall eingeführten Gebrauch kennen, den Hut zur Begrüßung nicht abzuziehen, sondern mit der rechten Hand eine Bewegung gegen denselben zu machen.
In Köslin traf mich der Befehl, das hessische Chevauxlegersregiment, da wo es sich befand, bis zur Ankunft der Division Partouneaux stehen zu lassen und dafür unser Husarenregiment wieder an mich zu ziehen. Den 13. erreichte ich mit der zweiten Kolonne Stolpe, den 14. Lupow, wo ich in einem der Familie von Bonin gehörigen kleinen Schlosse einquartiert wurde. Schon seit mehreren Tagen hatte ich mich unwohl gefühlt; es waren die Vorboten der Masern, die nun zum vollen Ausbruch kamen, so daß ich liegen bleiben und das Kommando an General Lingg abgeben mußte. Alle Mitglieder der Familie von Bonin hatten aus Furcht vor der Ansteckung das Schloß verlassen, bis auf die alte Großmutter, die mich bis zur Wiederherstellung getreulich pflegte. Diese erfolgte so schnell, daß ich bereits den 24. Juni in Danzig sein konnte.
Unterdessen war das 1. Bataillon meines Regiments von Küstrin und das Husarenregiment von Stettin eingetroffen. Den 27. Juni wurde die Proklamation bekannt, womit Kaiser Napoleon unter dem 22. Juni aus Wilkowiski, kurz vor dem Uebergang über den Njemen, Rußland den Krieg erklärte.
Die Danziger Besatzung bestand außer den badischen Truppen aus einem württembergischen, einem anhalt-lippischen und einem bayrischen Regiment, fünf bergischen Bataillonen und dem Bataillon der Stadt Danzig. Jeden Sonntag hielt der Generalgouverneur General Graf Rapp eine große Parade auf dem Langenmarkt ab; vorher mußten sämtliche Offiziere der Garnison ihre Aufwartung bei ihm machen, wobei er mit dem Hut auf dem Kopfe und umgeben von allen Generalen die Offizierskorps an sich vorbei defilieren ließ. Sein Chef des Generalstabs war Oberst Hericourt, Festungskommandant Oberst Lorinet. Hier muß ich noch einer komischen Szene auf einer unserer Paraden erwähnen: der Gouverneur ließ nämlich einen Wirt, der die Soldaten ungebührlich übernommen hatte, zur Strafe unter allgemeinem Gelächter mit einer großen Kasserolle am Hals längs der Front hinunterführen.
Ein von den bergischen Truppen erhobener Rangstreit gab zu sehr unangenehmen Reklamationen Veranlassung: General Dändels und die französischen Behörden behaupteten, der Großherzog von Berg habe als französischer Prinz den Rang vor dem Großherzog von Baden, ich behauptete hinwieder das Gegenteil, weil letzterer der erste Großherzog im Rheinbund sei, eine Ansicht, der auch der Gouverneur beitrat. Da sich General Dändels jedoch damit nicht zufrieden stellte, so übergab ich eine schriftliche Reklamation, welche bis an den Major-General Prinzen von Neufchatel lief und von diesem zu meinen Gunsten entschieden wurde. Eine andere nicht geringe Verlegenheit bereitete mir der Gouverneur selbst; derb und rücksichtslos wie er war, und in dem Gefühle der Gunst, in der er bei dem Kaiser stand, griff er, so oft es ihm einfiel, in das Justiz- und Administrationswesen der ihm untergebenen Bundestruppen ein. So sollte ein badischer Soldat, der zu den Engländern auf Hela desertieren wollte, aber ergriffen worden war, ohne weiteres auf Befehl des Gouverneurs erschossen werden. Gegen diesen offenbaren Eingriff in die Souveränitätsrechte des Großherzogs, der mir die Befugnis über Leben und Tod seiner Soldaten übertragen hatte, wehrte ich mich aus allen Kräften und wußte mir zuletzt nicht anders mehr zu helfen, als daß ich den gedachten Soldaten zur Bestrafung nach Hause schickte und dadurch dem Streit, wer ihn erschießen zu lassen habe, ein Ende machte. Im übrigen zeichnete mich der Gouverneur vielfach aus und lud mich häufig zu Tisch auf sein in überaus schöner Gegend gelegenes Landhaus bei Oliva ein.
Den 28. Juni machte ich mit dem Gouverneur eine größere Exkursion; wir ritten zuerst nach Weichselmünde, wo mein Regiment lag und besichtigten die neu angelegten Befestigungen; dann ging es längs der See bis zu einem Badhaus, wo gefrühstückt wurde; hierauf schifften wir uns ein, um eine zwei Stunden davon gelegene Schanze zu besichtigen; während dieser Wasserfahrt hatten wir beständig drei an der Küste kreuzende englische Kriegsschiffe im Gesicht; abends kehrten wir nach Danzig zurück.
Bekanntlich mußte beim Beginn des Feldzugs das fremde diplomatische Korps dem Hauptquartier des Kaisers folgen; zur Vertretung der badischen Interessen schickte der Großherzog den Generalleutnant von Harrant. Derselbe kam auf seiner Reise durch Küstrin, bekümmerte sich aber nicht im mindesten um die badischen Truppen; überhaupt trat er während des ganzen Feldzuges weder in schriftliche noch mündliche Kommunikation mit mir; ich sah ihn nur ein einziges Mal bei meinem Durchmarsch in Königsberg, wo alle Diplomaten so lange bleiben mußten, bis sie der Kaiser nach Wilna berief; als ich beim Rückzug dahin kam, hatten sie die Stadt bereits wieder verlassen.