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Die Wanderung des leidenschaftlichen Weltverbesserers von Dorf zu Dorf und schließlich in die Stadt führt zur Anklage und verdienten Verurteilung. Der König bietet aber Gnade und Ernennung zu seinem Stellvertreter. Wird der Verwalter seines Vertrauens gerecht?
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Veröffentlichungsjahr: 2017
Andy S. Falkner
Der König und sein Verwalter
Fantasy
Megalomane und Gigantophobe Band 23
Text & Bild © Andreas Solymosi
Umschlaggestaltung: Judith Solymosi, nach einem Gemälde-Motiv von Vera Solymosi-Thurzó
Einige Darstellungen stammen aus Wikipedia
Alle Rechte vorbehalten
Die Sonne brannte steil vom wolkenlosen Himmel und ich war hungrig.
Durstig war ich glücklicherweise nicht, weil ich im Pferdeledersack ausreichend Wasser mit mir schleppte. Ich hatte ihn vom letzten Priester gestohlen. Der alte Schurke verdiente es: Zwei Monate lang hatte ich bei ihm gedient, er wurde durch meine Ratschläge reich und schenkte mir nicht einmal eine Hose. Vielleicht wird er nie merken, dass ich ihn habe mitgehen lassen, er hatte noch fünf weitere davon. Er wird sie nie brauchen, weil er nicht einmal eine Meile weit sein Dorf verlässt, aber in seinem Geiz sammelt er alles, was ihm nur in die Hände fällt. Na gut, er ist halt so. Er soll so bleiben, wenn er will, ich bin von ihm genauso abgehauen wie von den ganzen anderen. Ich weiß gar nicht, warum ich bei ihm überhaupt so lange geblieben bin; mein Eindruck ist irgendwie, dies ist meine Aufgabe hier in diesem Land, den Priestern Tipps zu geben, durch die sie sich bereichern. Freilich, ich gebe meine Ideen nicht weiter, um den Parasiten zu helfen, sondern jenen Unglückseligen, die in dieser Gegend leben und arbeiten. Manchmal gelingt es mir wirklich, ihre Lebensumstände ein bisschen zu verbessern, aber hier ist jede Änderung nur über die Priester möglich, ansonsten verschlechtere ich nur die Dinge, mache nur das Gewohnte kaputt, davon gehen sie zugrunde.
Wie gleich bei meiner ersten Aktion. Als ich im Dorf ankam, fiel mir sofort die ärgerliche Ineffektivität auf, mit der sie ihre Arbeit tun. Sie schuften unheimlich viel, es hat kaum ein Ergebnis, aber niemanden fällt ein, es anders zu machen. Beispielsweise das Wassertragen. Sie schleppten jeden Tropfen Wasser aus einer Entfernung von zwei Meilen auf ihrem Rücken vom oberen Lauf des Bachs, in ähnlichen Pferdeledersäcken wie meiner, nur in viel größeren. Die Männer trugen gut fünfzig Liter auf ihren Rücken, die Frauen waren mit dreißig zufrieden. Jeden Tag verbrachten abwechselnd zehn Leute ihre ganze Arbeitszeit damit, für die Gemeinschaft Wasser in ein großes Steinbecken zu schütten; hieraus durfte jeder so viel holen, wie viel er brauchte. Mich haben sie auch sofort eingefangen; anfänglich ging ich fast zugrunde, ähnlich wie durch die Arbeit auf den Feldern oder mit den Tieren. Sie fragten mich:
«Was, wolltest du denn Priester werden, und warst du dann zu dumm dazu?», aber sie waren verständig, sie überlasteten mich nicht. Dann am siebten Tag bekam ich frei, wie jeder. Nicht am Sonntag, wie bei uns, jeder gleichzeitig, sondern abwechselnd: Auf den Feldern lief die Arbeit immer, die Tiere mussten immer versorgt werden, aber jeder hatte seinen freien Tag. An diesen streunte ich umher in den Bergen, auch entlang des Bachs, so entdeckte ich die Chance für Erneuerung: Ich musste bloß einen großen Stein vom Ufer ins Strombett kippen, damit das Wasser seinen Lauf verändert. Den Stein hätten auch fünf Menschen nicht bewegen können, aber ich hatte nicht umsonst Physik gelernt, dass ich hätte keinen Hebel aus Holz bauen können. Drei meiner freien Tage opferte ich, aber schließlich veränderte ich die Natur: Der Stein staute das Wasser auf, das aus seinem alten Bett in eine andere Richtung sickerte. Als es die Ebene erreichte, floss es zweihundert Meter entfernt am Dorf entlang. Die Bewohner hätten nur das Steinbecken versetzen sollen, damit hätten sie sich das ganze Wasserschleppen ersparen können. Freilich, das Wasser war anfänglich dreckig, bis es das neue Bett reinigte, vielleicht deswegen fiel es niemanden ein. Was machten sie da, jammerten, dass der alte Schöpfplatz austrocknete, und trugen das Wasser weiter von drei Meilen Entfernung, nunmehr fünfzehn Leute. Jochtiere, Pferde für den Zweck einzusetzen – das fiel ebenfalls keinem ein; derer gab es zu wenige, sie wurden für andere Arbeiten benötigt. Glücklicherweise war ich schlau genug, niemanden von meinem Werk zu berichten, aber der Priester ist draufgekommen:
«Warum hast du es getan?», rügte er mich, aber nicht aggressiv.
«Ich wollte helfen, dass das Wasser näher ist.», verteidigte ich mich, aber er zeigte kein Verständnis.
«Es war eine schlechte Idee. Siehst du, du hast ein Schlamassel verursacht. Sag es niemandem, weil daraus noch großes Übel wachsen wird.»
Das Problem war nicht, dass die Arbeit mehr geworden wäre, weil das nach dem ersten Jammern vergessen wurde. Das Übel kam später: Zwei Männer starben. Jene zwei, deren Felder jenseits des neuen Bachlaufs lagen. Anfänglich wateten sie durchs Wasser herüber zur Arbeit, aber ihre größeren Geräte wie die Egge oder die Walze konnten sie nicht mehr herüberschaffen, das Wasser schwemmte sie fort. Dann ertrank ein Esel. Die zwei Männer gaben auf, blieben zu Haus, arbeiteten nicht. Sie wurden depressiv. Die Erkrankung war natürlich unbekannt; im Dorf sagte man, sie seien vom Nichtstun überfallen worden. Sie lagen den ganzen Tag im Bett, ihr Rücken wurde wund, die Wunden infizierte sich: Hygiene ist hierzulande unbekannt. Diese Menschen wuschen sich nie! Die Kleider legten sie erst dann ab, wenn sie bereits vermodert und die Frauen neue anfertigt hatten. Selbst nach der Toilette säuberten sie sich nicht. Kein Wunder, dass sich jede Verletzung entzündete, sie trugen hässliche Narben im Gesicht und überall. Wenn sie die Blutvergiftung überhaupt überlebten. Wenn nicht, holten sie den Priester, der sie vielleicht mit unappetitlichen Fetten beschmierte. Zu diesen zwei Unglückseligen begleitete ich ihn, da ich bis dahin den Rang eines Behelfspriesters erlangt hatte, zumindest vor den Dorfbewohnern. In ihrer Hütte herrschte ein Gestank, dass ich kaum atmen konnte, obwohl ich mich bereits an den Menschengeruch gewöhnt hatte – die Sauberkeit wurde auch beim Priester zu Hause nicht viel höher geachtet. Beide Familien standen wortlos um uns herum, als der Priester die Kranken auf den Bauch drehte. Ich sah selbst, dass es hier nichts mehr zu helfen gab: Überall war das schwarze Fleisch sichtbar. Sie verstarben innerhalb von zwei Wochen.
«Sie gehen zu Gott.» sagte man im Dorf und sie fanden die Angelegenheit irgendwie normal, niemand war traurig. Selbst die Familien trugen den Schicksalsschlag ergeben, nur ich hatte ein schlechtes Gewissen. Aber ich nahm den Rat des Priesters an und sagte keinem ein Wort über das Umleiten des Bachs. Er erläuterte mir:
«Weißt du, diese hier sind sehr konservative Menschen. Sie leben so seit Jahrtausenden, fast ohne jede Veränderung. Manchmal zieht hier eine Epidemie durch oder es stürzt ein Baum von den Bergen herunter oder ein Fremder erscheint, so wie du; das ertragen sie noch gerade eben. Aber größere Veränderungen würden die Ordnung umkippen, das Volk würde absterben.»
«Ist das anderswo auch so?»
«Ja, in jedem Dorf in dieser Gegend. Überall ist der Priester dort, wir passen auf sie auf. Wenn irgendwelche Veränderung unbedingt notwendig ist, riskieren wir es manchmal. Letztes Jahr zum Beispiel, alle Ziegen waren verendet. Vom Nachbardorf holten wir einige neue Tiere. Die hatten aber eine andere Bestreifung, die Menschen wollten nicht glauben, dass sie nicht vom Teufel sind. Nur nachdem ich sie gesegnet hatte, nahmen sie die Kitze mit Müh und Not an.
«Was würde zum Beispiel geschehen, wenn wir eine Brücke über den Bach bauen würden?»
«Keiner würde sie betreten, um nicht das Schicksal des Esels zu erleiden.»
«Und wenn du sie auch segnen würdest?»
«Dann vielleicht. Aber das wäre schon zu viel. Dein Erscheinen, der neue Lauf des Bachs und auch noch eine Brücke … wer weiß, was für einen Schock sie bekommen würden.»