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Es gibt mehr als was wir sehen können – selbst in unserer unmittelbaren Umgebung. Es würde gerne zu uns sprechen, wenn wir ihm nur zuhören würden.
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Veröffentlichungsjahr: 2017
Andy S. Falkner
Transzendenz
Science Fiction Monologue
Megalomane und Gigantophobe, Band 22
Text & Bild © Andreas Solymosi
Umschlaggestaltung: Judith Solymosi, nach einem Gemälde-Motiv von Vera Solymosi-Thurzó
Einige Darstellungen stammen aus Wikipedia
Alle Rechte vorbehalten
Ich sehe dich; du siehst mich nicht. Ich weiß (fast) alles über dich; du weißt (fast) nichts über mich.
Vielleicht weißt du doch gerade so ein ganz bisschen. Ich meine nicht irgendwelche esoterischen Ahnungen, religiösen Irrglauben, UFOs, rätselhaften Häufungen von Wahrscheinlichkeiten oder Parapsychologie. Ich meine auch nicht grundlose Spekulationen über die Seele der Erde, Waldgeister oder herumirrende Zombies. Viel eher wissenschaftliche Wahrnehmungen, die zu Theorien über Neutrinos, dunkle Materie, Quantentheorie oder Strings führen. Einfach die Erkenntnis, dass die Realität nicht so simpel ist wie ihr sie in den letzten Jahrhunderten auf der Basis der griechischen Philosophie versucht habt, mathematisch zu modellieren. Ich gebe zu, mit beachtlichem Erfolg: Ihr seid auf dem Mond gelandet, habt mehr Materie auf der Erde bewegt als die restliche Biosphäre insgesamt, einen Temperaturgradienten erzeugt, wie er sonst nirgendwo im Sonnensystem zu finden ist und chemische Elemente hergestellt, die es nirgendwo in der ganzen Milchstraße gibt. All das, weil eure Modellierung der Realität so erfolgreich ist. Aber euch einzubilden, dass ihr damit den Großteil ihrer Komplexität erfasst habt, ist – gelinde gesagt – primitiv.
Nun ja, du ahnst aber schon, dass es mehr im Himmel und auf Erden gibt, als für das menschliche Auge sichtbar ist. Das ahnst du schon seit Jahrtausenden: Die Idee der Transzendenz, das Übersteigen vom Sichtbaren zum Unsichtbaren, durchwebt die meisten philosophischen Richtungen. Es war euch von Anfang an offenbar, dass es mehr gibt als das, was ihr seht; das Ergründen dessen hat euch immer schon schwer beschäftigt. Wie ihr aber dann immer tiefer in das Wesen der Wirklichkeit eingestiegen seid, habt ihr entdeckt, dass es für das meiste vernünftige Erklärungen gibt. Das Erfolgserlebnis ließ euch aber vergessen, dass aus jeder Antwort zehn neue Fragen auftauchen. Die Euphorie über den Fortschritt hat das gesellschaftliche Denken geprägt und an die Stelle der Transzendenz ist die Immanenz getreten: Ihr lebtet in einer geschlossenen Welt, in der alle Erscheinungen innerhalb dieser verständlich seien. Seit der Aufklärung schwindet also die Bedeutung der Transzendenz: Die wissenschaftliche Denkweise postuliert keine Realität hinter der erfahrbaren. Ist das aber wirklich wissenschaftlich? Ist es nicht eher ideologisch? Weil doch gerade die Wissenschaften neue und neuere Spuren entdecken, für die sie (noch) keine Erklärung liefern können. Auf die Idee seid ihr nicht gekommen, dass die Grenze zwischen Transzendenz und Immanenz vielleicht gar nicht so scharf ist, wie es von eurer Warte aus erscheint, dafür aber die Entfernung zwischen den beiden viel größer sein könnte. Möglicherweise ist die Distanz die Erklärung für die scheinbare Schärfe der Trennung.
Und wenn so, dann existieren Dinge, von denen du nicht einmal eine Ahnung hast; deren Spuren ihr selbst mit euren schlauesten Geräten nicht entdeckt habt. Über die Existenz hast du dir schon die unterschiedlichsten Vorstellungen gebildet, aber einiges hat noch niemand erklärt, was du schon wahrgenommen hast. Beispielsweise, warum die Materie infolge der Entropie nicht zerfällt, wie sie es eigentlich sollte. Du forschst, suchst, entwickelst mathematische Theorien, aber die Antwort hast du (noch?) nicht gefunden.