Der Kreuzritter - Rückkehr - Jan Guillou - E-Book

Der Kreuzritter - Rückkehr E-Book

Jan Guillou

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Beschreibung

Zwanzig lange Jahre währte der Kreuzzug im Heiligen Land. Zwanzig Jahre, die Arn Magnusson von seiner Heimat Götaland und seiner Geliebten Cecilia getrennt war. Nun kehrt der Tempelritter heim, doch das Glück des Paares ist nur von kurzer Dauer. Cecilia fällt einer Intrige zum Opfer, und der erbitterte Streit um die Krone droht Götaland in einen verhängnisvollen Krieg zu stürzen.

Schwedens erfolgreichste historische Romanserie aller Zeiten.

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Seitenzahl: 821

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Inhaltsverzeichnis
 
ZUM BUCH
ZUM AUTOR
Widmung
 
I
 
Copyright
ZUM BUCH
Zwanzig lange Jahre währte der Kreuzzug im Heiligen Land. Zwanzig Jahre, die Arn Magnusson von seiner Heimat Götaland und seiner Geliebten Cecilia getrennt war. Nun kehrt der Tempelritter als wohlhabender und geachteter Mann heim. In seinem Gepäck hat er ein kleines Vermögen und in seinem Gefolge sarazenische Ärzte und Handwerker, mit denen er Großes plant. Er hat erkannt, dass die Unabhängigkeit Götalands nur gesichert werden kann, wenn man die Zeichen der Zeit erkennt und sich neuen wirtschaftlichen und militärischen Entwicklungen nicht verschließt. Doch das Glück des Paares scheint getrübt, denn Macht und Politik scheinen schwerer zu wiegen als die Liebe zwischen Arn und Cecilia. Der Familienclan fordert, dass Cecilia Äbtissin eines Klosters werden und das Gelübde ablegen soll. Zudem droht der erbitterte Streit um die Krone das nordische Götaland in einen verhängnisvollen Krieg zu stürzen.
 
Der dritte - in sich abgeschlossene - Roman der epischen Kreuzrittersaga um das abenteuerliche Leben des Arn Magnusson.
 
Weitere Informationen rund um die Welt von Arn finden Sie unter www.arnmagnusson.se
ZUM AUTOR
Jan Guillou wurde 1944 im schwedischen Södertälje geboren und ist einer der prominentesten Journalisten seines Landes. Seine preisgekrönten Kriminalromane um den Helden Coq Rouge erreichten Millionenauflagen. Auch mit seiner historischen Romansaga um den Kreuzritter Arn gelang ihm ein Bestseller, die Verfilmungen zählen in Schweden zu den erfolgreichsten aller Zeiten. Heute lebt Jan Guillou in Stockholm.
 
Die Kreuzritter-Saga:
Der Kreuzritter - Aufbruch Der Kreuzritter - Verbannung Der Kreuzritter - Rückkehr Der Kreuzritter - Erbe (Frühjahr 2010)
»Wir aber, die wir stark sind, sollen das Unvermögen der Schwachen tragen und nicht Gefallen an uns selber haben. Jeder von uns lebe so, dass er seinem Nächsten gefalle zum Guten und zur Erbauung.«
 
Brief des Paulus an die Römer, 15. Kapitel, Vers 1-2
I
IM JAHR DES HEILS 1192, unmittelbar vor der Eskilsmesse, als die Nächte schon weiß wurden und das Setzen der Rüben bevorstand, brach ein mächtiges Unwetter über das Westliche Götaland herein. Es dauerte drei Tage und drei Nächte. Es schien, als sei die helle, verheißungsvolle Jahreszeit vorüber, und der Herbst habe begonnen. Trotz des Unwetters schliefen die meisten Brüder des Klosters Varnhem gut - in der Gewissheit, dass ihre Gebete die dunklen Kräfte fernhielten und dass das Unwetter bald nachlassen würde. Da schreckte Bruder Pietro im Torhaus plötzlich aus dem Schlaf hoch, denn er meinte, ein Geräusch gehört zu haben. Er richtete sich im Bett auf und lauschte, doch außerhalb der Mauern und der stabilen Eichentür des Torhauses waren nur das Heulen des Sturms, das Peitschen des Regens gegen die Dachziegel und die rauschenden Baumkronen der hohen Eschen zu vernehmen.
Aber dann hörte er es erneut. Es war, als schlüge eine Eisenfaust gegen die Tür. Entsetzt taumelte er aus dem Bett, griff nach seinem Rosenkranz und begann ein Gebet zu murmeln, an das er sich nicht so recht erinnern konnte, das ihn aber gegen die Kräfte des Bösen beschützen sollte. Er trat in das Torgewölbe und lauschte in die Dunkelheit. Da hörte er es erneut dreimal laut klopfen, und ihm blieb nichts anderes übrig, als dem Fremden durch das Tor zuzurufen, er solle sich zu erkennen geben. Pietro sprach Lateinisch, da diese Sprache gegen die Kräfte der Dunkelheit am meisten ausrichten konnte und da er zu schlaftrunken war, um die eigentümlich singende Sprache, die das Volk außerhalb der Mauern sprach, zustande zu bringen.
»Wer kommt in dieser Nacht auf den Wegen des Herrn?«, rief er durch das Tor.
»Ein Diener des Herrn mit reinen Absichten und in wichtigen Geschäften«, antwortete der Unbekannte in vollkommen fehlerfreiem Latein.
Das beruhigte Bruder Pietro, und er mühte sich eine Weile mit dem massiven Riegel aus schwarzem Schmiedeeisen ab, ehe er das Tor einen Spaltweit öffnen konnte.
Draußen stand ein Fremder in einem fußlangen Ledermantel mit Kapuze. Er stieß das Tor mit einer Kraft auf, der Bruder Pietro nichts entgegenzusetzen gehabt hätte, und trat unter das schützende Torgewölbe. Gleichzeitig schob er den Mönch vor sich her.
»Gottes Friede. Eine sehr lange Reise ist jetzt zu Ende gegangen. Aber wir wollen uns nicht im Dunkeln unterhalten, holt Eure Lampe im Torhaus, mein unbekannter Bruder«, sprach der Fremde.
Bruder Pietro tat, wie ihm geheißen worden war. Ihn beruhigte, dass sich der Fremde der Kirchensprache bediente und außerdem wusste, dass es im Torhaus eine Lampe gab. Dort machte er sich eine Weile an der letzten Glut im Kohlenbecken zu schaffen, ehe es ihm gelang, einen Docht anzuzünden, den er in eine Öllampe steckte. Als er erneut in das Gewölbe vor dem Torhaus schaute, wurden sowohl er selbst als auch der Fremde von dem Licht beleuchtet, das die weiß gekalkten Wände zurückwarfen. Der Fremde zog den Ledermantel aus, den er zum Schutz gegen den Regen getragen hatte, und schüttelte ihn. Unbewusst schnappte Bruder Pietro nach Luft, als er den weißen Waffenrock mit dem roten Kreuz sah. Aus seiner Zeit in Rom wusste er sehr gut, wen er da vor sich hatte. Ein Tempelritter war nach Varnhem gekommen.
»Ich heiße Arn de Gothia, und von mir habt Ihr nichts zu fürchten, Bruder, denn hier in Varnhem bin ich aufgezogen worden, und von hier bin ich damals ins Heilige Land geritten. Aber Euch kenne ich nicht. Wie heißt Ihr, Bruder?«
»Ich bin Bruder Pietro de Siena und seit zwei Jahren hier.«
»Ihr seid also neu. Sagt an, lebt Pater Henri noch?«
»Nein, er ist vor vier Jahren gestorben.«
»Lasst uns für seine Seligkeit beten«, sagte der Templer, bekreuzigte sich und senkte eine Weile den Kopf.
»Lebt Bruder Guilbert noch?«, fragte er weiter und sah wieder auf.
»Ja, Bruder, er ist ein alter Mann, hat aber noch viel Kraft.«
»Das erstaunt mich nicht. Wie heißt unser neuer Abt?«
»Er heißt Pater Guillaume de Bourges und kam vor drei Jahren zu uns.«
»Bis zur Frühmesse sind es noch fast zwei Stunden, aber wollt Ihr ihn trotzdem wecken und ihm sagen, dass Arn de Gothia nach Varnhem gekommen ist?«, fragte der Templer mit einem fast spöttischen Funkeln in den Augen.
»Ungern, Bruder. Pater Guillaume pflegt den Schlaf als eine Gabe Gottes zu bezeichnen, die es gut zu verwalten gilt«, erwiderte Bruder Pietro voller Unbehagen angesichts des Gedankens, Pater Guillaume in einer solchen Angelegenheit wecken zu müssen.
»Ich verstehe. Dann geht und weckt Bruder Guilbert und sagt ihm, sein Lehrjunge Arn de Gothia warte im Torhaus«, sagte der Templer in einem freundlichen, aber dennoch fordernden Ton.
»Auch Bruder Guilbert kann bisweilen sehr übellaunig sein … Außerdem kann ich in dieser furchtbaren Nacht meinen Posten im Torhaus doch nicht verlassen«, versuchte sich Bruder Pietro aus der Affäre zu ziehen.
»O nein!«, meinte der Templer und lachte kurz. »Zum einen könnt Ihr diese Wache vertrauensvoll einem der Tempelritter des Herrn überlassen, da ihr eine stärkere Vertretung nicht bekommen könnt, zum anderen schwöre ich, dass Ihr den alten Bären Guilbert mit einer guten Neuigkeit weckt. So! Geht jetzt, ich warte hier und versehe Eure Wache nach bestem Vermögen, das verspreche ich.«
Der Ton des Tempelritters schien keinen Widerspruch zu dulden. Bruder Pietro nickte schweigend und verschwand im Bogengang, der den kleinen Innenhof vor der eigentlichen Klausur umgab. In diese gelangte man durch ein weiteres Eichentor.
Es dauerte nicht lange, bis das Portal zwischen Klausur und Innenhof des Torhauses aufgerissen wurde. Eine wohlbekannte Stimme hallte von den weißen Gewölben wider. Bruder Guilbert kam mit großen Schritten und einer Fackel in der Hand den Gang entlang. Er schien nicht mehr so groß wie früher, seine Ähnlichkeit mit einem Riesen war verschwunden. Als er den Fremden neben dem Portal erblickte, hob er die Fackel, um besser sehen zu können. Dann reichte er sie Bruder Pietro und trat einen Schritt vor, um Arn de Gothia zu umarmen. Eine ganze Weile sprachen die beiden kein Wort.
»Ich dachte, du seist vor Tiberias gefallen, mein lieber Arn«, sagte Bruder Guilbert schließlich auf Fränkisch. »Das hat Pater Henri ebenfalls geglaubt, und wir haben deshalb viele unnötige Gebete für deine Seele gesprochen.«
»Die Gebete waren wohl doch nicht so unnötig. Immerhin kann ich dir dafür bereits in diesem Leben danken«, antwortete Arn de Gothia.
Dann schien keiner von ihnen zu wissen, was er noch sagen sollte. Sie mussten sich sehr zusammennehmen, um nicht unangemessen gefühlvoll zu werden.
»Bist du gekommen, um am Grab deiner Mutter zu beten?«, fragte Bruder Guilbert endlich, als würde er mit einem gewöhnlichen Reisenden sprechen.
»Ja, gewiss will ich das tun«, antwortete der Tempelritter im selben Ton. »Aber ich habe auch einiges andere hier in Varnhem zu besorgen, und ich muss dich um Hilfe bei einigen Kleinigkeiten bitten, die zuerst erledigt sein wollen, ehe ich mich an die großen Dinge mache.«
»Du weißt, dass ich dir bei allem helfe. Sag, worum es geht, dann fangen wir an.«
»Ich habe draußen im Regen zwanzig Mann und zehn Wagen stehen. Die Wagen sind schwer beladen, und die ersten drei sollten besser innerhalb der Mauern untergebracht werden«, entgegnete der Templer schnell, als würde er über etwas ganz Alltägliches sprechen, obwohl die Wagen, die von Mauern geschützt werden mussten, sicher sehr wichtig waren.
Ohne zu antworten, nahm der stattliche Bruder Guilbert dem jungen Bruder Pietro die Fackel aus der Hand und trat in den Regen hinaus. Vor der Pforte des Torhauses standen tatsächlich zehn lehmbespritzte Karren, die eine schwere Reise hinter sich haben mussten. Die Männer, die zusammengekauert dasaßen und die Zügel der Ochsengespanne hielten, wirkten so, als hätten sie keine sonderliche Lust weiterzureisen.
Bruder Guilbert lachte, als er sie sah, schüttelte belustigt den Kopf, rief den jüngeren Klosterbruder heran und begann Befehle zu geben, als sei er nicht Zisterziensermönch, sondern Tempelritter.
Weniger als eine Stunde dauerte es, bis alles für die Besucher vorbereitet war. Eine der vielen Regeln Varnhems besagte, dass nächtliche Reisende mit einer Gastfreundschaft aufgenommen werden mussten, als seien sie der Herr höchstpersönlich. Das Hospitium von Varnhem lag ausgestorben und dunkel vor den Klostermauern, da während des Unwetters der vergangenen Tage nur wenige Reisende unterwegs gewesen waren. Bald waren sämtliche Gäste untergebracht und verköstigt.
Anschließend öffneten Bruder Guilbert und Arn de Gothia das große und schwere Klostertor, so dass die drei Wagen, die den Schutz der Mauern benötigten, auf den Innenhof neben die Werkstätten gefahren werden konnten. Die Ochsen wurden abgezäumt und für die Nacht in die Ställe gebracht.
Als diese Arbeit beendet war, ließ der Regen nach, und die schwarzen Wolken rissen auf. Das Wetter schlug um. Bis zur Frühmesse dauerte es jedoch noch eine Weile.
Bruder Guilbert ging vor seinem Gast her zur Kirche und schloss auf. Wortlos traten sie ein, und Arn blieb neben dem Taufbecken am Portal stehen. Er zog seinen weißen Ledermantel aus und legte ihn auf den Boden. Dann deutete er mit einem fragenden Blick auf das Wasser im Taufbecken, und sein älterer Begleiter nickte bejahend. Arn zog sein Schwert, tauchte die Hand halb ins Wasser und strich mit drei Fingern über die Breitseite seiner Waffe, ehe er diese wieder in die Scheide steckte. Dann tauchte er die Hand erneut in das heilige Nass und berührte Stirn, Schultern und Brust.
Die beiden Männer gingen nebeneinander her den Mittelgang entlang, ließen sich schließlich auf die Knie fallen und beteten still, bis sie die Klosterbrüder zur Frühmesse kommen hörten. Keiner von ihnen sprach ein Wort. Arn kannte die Klosterregeln über die stillen Stunden genauso gut wie die Mönche.
Als sich alle zum Gesang versammelt hatten, war das Unwetter vorüber, und die Vögel zwitscherten im ersten Tageslicht.
Pater Guillaume de Bourges kam als Erster durch das Seitenschiff. Die beiden Betenden erhoben sich und verbeugten sich schweigend, und Pater Guillaume verbeugte sich ebenfalls. Dann entdeckte er das Schwert des Ritters und sah entrüstet aus. Bruder Guilbert deutete auf Arns rotes Templerkreuz und dann auf den Taufstein hinter dem Portal, worauf Pater Guillaume nickte und mit einem Lächeln zeigte, dass er verstanden habe.
Bruder Guilbert erklärte seinem weit gereisten Freund in der heimlichen Zeichensprache des Klosters, dass der neue Abt die Schweigeregel sehr ernst nehme.
Während des Gesangs, an dem Arn de Gothia wie alle anderen teilnahm, da er die Psalmen auswendig konnte, blickte er von Bruder zu Bruder. Jetzt wurde es in der Kirche immer heller, und allmählich waren die Gesichter zu erkennen. Etwa ein Drittel der Männer erkannte den Templer und erwiderte den Gruß, als er ihnen zunickte, die meisten waren ihm jedoch vollkommen unbekannt.
Als der Gesang vorbei war, begannen die Mönche ihre Prozession hinaus auf den Kreuzgang. Pater Guillaume kam auf Bruder Guilbert zu und gab ihm ein Zeichen, dass er nach dem Frühstück mit beiden sprechen wolle, und sie verbeugten sich zum Zeichen, dass sie ihn verstanden hätten.
Arn und Bruder Guilbert gingen schweigend durch das Kirchenportal, am Hof mit den Werkstätten vorbei und hinunter zu den Pferdekoppeln. Die Morgensonne war strahlend und rot aufgegangen, und Vogelgezwitscher war von allen Seiten zu hören. Endlich würde es wieder einen schönen Sommertag geben.
Als Erstes gingen sie zur Koppel mit den Hengsten. Der Templer ergriff den oberen Balken der Umzäunung mit beiden Händen und schwang sich in einem Satz auf die andere Seite.
Dann gab er übertrieben höfisch Bruder Guilbert ein Zeichen, es ihm gleichzutun. Doch dieser schüttelte lächelnd den Kopf und kletterte langsam und bedächtig über den Zaun. Am anderen Ende der Koppel standen zehn Hengste, die noch nicht recht zu wissen schienen, was sie von dem Mann in Weiß halten sollten.
»Nun, mein lieber Arn«, sagte Bruder Guilbert, der ohne weiteres das Schweigegebot brach, das bis nach dem Frühstück galt, »hast du jetzt endlich die Sprache der Pferde gelernt?«
Arn warf ihm einen langen, prüfenden Blick zu, ehe er langsam und vielsagend nickte. Dann pfiff er so, dass die Hengste am anderen Ende der Koppel die Ohren aufstellten. Und schließlich rief er ihnen leise in der Sprache der Pferde zu: »Im Namen des Barmherzigen und Gnadenreichen, ihr, die ihr die Söhne des Windes seid, kommt zu euren Brüdern und Beschützern!«
Die Pferde stellten die Ohren auf und lauschten aufmerksam. Dann begann ein kräftiger Schimmel langsam auf sie zuzugehen, und die anderen folgten ihm. Als der Schimmel den Schwanz hob und zu traben begann, wurden auch die übrigen Pferde schneller, und schließlich galoppierten sie, dass die Erde zitterte.
»Beim Propheten, der Friede sei mit ihm, du hast da unten in Outremer wahrhaftig die Sprache der Pferde gelernt«, flüsterte Bruder Guilbert auf Arabisch.
»Das ist wahr«, antwortete Arn in derselben Sprache und breitete seinen weißen Umhang aus, um die heranstürmenden Hengste zu bremsen, »und du scheinst dich auch immer noch an die Sprache zu erinnern, von der ich tatsächlich einmal geglaubt habe, es sei die Zunge der Pferde und nicht die der Ungläubigen.«
Sie saßen beide auf, wobei Bruder Guilbert sein Pferd zum Zaun führen musste, um sich beim Aufsteigen abzustützen. Dann ritten sie ohne Sättel im Kreis und hielten sich nur mit der linken Hand leicht an der Mähne fest.
Arn fragte, ob die Leute im Westlichen Götaland den Wert dieser Pferde noch immer nicht begriffen hätten, und Bruder Guilbert bestätigte ihm das mit einem Seufzer. Überall in der Welt der Zisterzienser waren Pferde eine begehrte Handelsware, nur nicht hier oben im Norden. Hierher war die berittene Kriegskunst noch nicht gekommen, und deswegen waren diese Pferde sogar eher weniger wert als die einheimischen Pferde.
Arn war verblüfft und wollte wissen, ob seine Landsleute immer noch nicht glaubten, dass die Reiterei im Krieg von Nutzen sein könne. Bruder Guilbert nickte wiederum seufzend. Nordische Männer ritten in den Krieg, stiegen von ihren Pferden und banden sie fest, um dann auf der nächsten Wiese mit Hieben und Schlägen übereinander herzufallen.
Schließlich konnte Bruder Guilbert seine Fragen nicht mehr zurückhalten, die er am liebsten schon gestellt hätte, als er seinen, wie er glaubte, verlorenen Sohn, tropfnass vom Regen und schmutzig von der langen Reise, draußen im Torhaus gesehen hatte, und Arn begann mit seinen sehr langen Erzählungen.
Den jungen, unschuldigen Arn Magnusson, der Varnhem einmal verlassen hatte, um bis zum Tod, in jedem Fall aber mindestens zwanzig Jahre lang im Heiligen Krieg zu dienen (was normalerweise auf dasselbe hinauslief), gab es nicht mehr. Arn war kein unschuldiger Ritter Parzival, der aus dem Krieg heimkehrte.
Das begriff Bruder Guilbert, sobald das Gespräch mit Pater Guillaume im Kreuzgang seinen Anfang nahm. Es war ein strahlend schöner, windstiller Morgen mit wolkenlosem Himmel, und deshalb hatte Pater Guillaume seinen ungewöhnlichen Gast und Bruder Guilbert zu den Steinbänken im Kreuzgang mitgenommen, statt sie ins Parlatorium rufen zu lassen.
Bruder Guilbert betrachtete Arn genau, während dieser Pater Guillaume seine Anliegen vortrug. Dieser lauschte aufmerksam und freundlich und wie immer etwas herablassend. So pflegte er denen gegenüber aufzutreten, die weniger zu wissen schienen als er selbst. Pater Guillaume war zweifellos ein guter Theologe, aber einen Tempelritter durchschauen konnte er offenbar nicht, dachte Bruder Guilbert, der bald ahnte, worauf Arn hinauswollte.
Arns Gesicht war deutlich anzusehen, dass er nicht zu den Brüdern gehörte, die dem Herrn mit Schreibarbeiten und Abrechnungen dienten. Er hatte vermutlich den größten Teil seiner Zeit im Heiligen Land verbracht - mit Schwert und Lanze und im Sattel. Erst jetzt bemerkte Bruder Guilbert den schwarzen Rand unten an Arns Umhang - das Zeichen dafür, dass er bei den Templern den Rang eines Burggrafen bekleidete und so über Entscheidungsgewalt im Krieg und bei Geschäften verfügte. Was auch immer sein Anliegen war, so würde er den jüngeren und weniger erfahrenen Pater Guillaume bald überzeugt haben, ohne dass dieser überhaupt Zeit haben würde, zu begreifen, wie ihm geschah.
Auf die Frage, was seine Pläne in Varnhem seien, antwortete Arn, dass er gekommen sei, um dem Kloster zehn Goldmark zu stiften. Varnhem sei schließlich der Ort, an dem ihn die Brüder mit Gottes Hilfe erzogen hätten, und zehn Goldmark seien wahrlich keine zu geringe Summe, um seine Dankbarkeit auszudrücken. Außerdem wünschte er, eines Tages neben seiner Mutter in der Kirche begraben zu werden.
Angesichts solcher guten und christlichen Vorschläge wurde der junge Pater Guillaume so entgegenkommend, wie Arn es nach Bruder Guilberts Vermutung beabsichtigt hatte. Dann entschuldigte Arn sich und ging zu den Ochsenkarren, die innerhalb der Klostermauern standen. Von dort kam er mit einem schweren klimpernden Ledersack zurück, den er höchst ehrerbietig und mit einer tiefen Verbeugung Pater Guillaume überreichte. Es hatte den Anschein, als könne sich Pater Guillaume nur schwer beherrschen, um nicht den Lederbeutel zu öffnen und das Gold zu zählen.
Da folgte Arns nächster Schachzug. Er sprach eine Weile über die schönen Pferde von Varnhem, darüber, wie betrüblich es sei, dass seine Landsleute in diesen nördlichen Gefilden den rechten Wert dieser Tiere nicht verstünden, und über die große, rühmenswerte Arbeit seines alten Freundes Bruder Guilbert: Jahrelang habe er ohne Lohn die Pferde gepflegt und gezüchtet. Arn fügte hinzu, dass viele fleißige Arbeiter in dem Weinberg des Herrn ihren Lohn erst spät bekämen, in Anbetracht der Arbeit, die sie geleistet hätten, während andere die Arbeit zwar spät begönnen und dennoch schon bald ihren Lohn in Empfang nehmen könnten. Als Pater Guillaume ernsthaft über dieses bekannte Gleichnis nachdachte und darüber, dass sich die Auffassung der Menschen von Gerechtigkeit oft von Gottes Absichten unterschied, schlug Arn vor, dem Kloster Varnhem alle Pferde zu einem sehr guten Preis abzukaufen. Auf diese Weise, fuhr er schnell fort, noch ehe sich Pater Guillaume von seiner Überraschung erholen konnte, würde Varnhem endlich für diese harte Arbeit belohnt. Und außerdem könne man sich so von einem Erwerbszweig trennen, der hier oben im Norden ohnehin keine Einnahmen brächte.
Arn verstummte und wartete mit der Fortsetzung seiner Rede bis zu dem Augenblick, als sich Pater Guillaume gesammelt zu haben schien und gerade in Dankesworte ausbrechen wollte.
Bei einem so großen Geschäft gebe es möglicherweise einen kleinen Haken, fügte Arn schnell hinzu. Denn zur Pflege der Pferde bräuchte der Käufer eine kundige Hand, die es nur in Varnhem gebe: nämlich Bruder Guilbert. Wenn aber Bruder Guilberts wichtigste Arbeit zusammen mit den Pferden ohnehin wegfiele …?
Daraufhin schlug Pater Guillaume sofort vor, Bruder Guilbert solle die Pferde begleiten, um dem Käufer zumindest einige Zeit, solange es erforderlich sei, beizustehen. Arn nickte nachdenklich, als sei das ein sehr kluger Gedanke, und Bruder Guilbert, der ihn jetzt sehr genau beobachtete, konnte nicht feststellen, ob das nicht von Anfang an seine Absicht gewesen war. Er sah aus, als würde er nach reiflicher Überlegung diesem klugen Vorschlag Pater Guillaumes zustimmen. Dann regte er an, den Donationsbrief bereits an diesem Tag aufzusetzen und zu besiegeln, da man doch ohnehin beisammensitze.
Als Pater Guillaume sich auch darauf einließ, breitete Arn dankbar und erleichtert die Arme aus und bat die beiden anderen um Aufklärung darüber, wie es wirklich um seine Heimat bestellt sei, was nur Männer der Kirche genau wissen könnten.
Er erklärte, dass er bereits beim Handelsplatz Lödöse erfahren habe, wer nun König, wer Jarl und wer Königin sei. Dass schon seit langem Frieden geherrscht habe, wisse er ebenfalls. Aber eine Antwort auf die Frage, ob der Friede zwischen Götaland und Svealand von Bestand sein würde, könne man nur von den Männern der Kirche bekommen, denn dort fänden sich die tieferen Wahrheiten.
Pater Guillaume freute diese Bemerkung, und er nickte billigend, doch er schien nicht zu wissen, worauf Arn eigentlich hinauswollte. Arn half ihm mit einer knappen Frage, die er mit leiser Stimme vorbrachte, ohne dabei eine Miene zu verziehen.
»Wenn es in unserem Land doch wieder Krieg geben sollte, warum dann und vor allem wann?«
Die Klosterbrüder runzelten beide nachdenklich die Stirn, und dann antwortete Bruder Guilbert, dass es nicht nach Krieg aussehe, solange Knut Eriksson und sein Jarl Birger Brosa an der Macht seien. Die Frage sei eher, was eines Tages nach dem Tod von König Knut geschehen würde.
»Dann ist die Gefahr eines neuen Krieges nämlich sehr groß«, meinte Pater Guillaume und seufzte. Er erzählte, dass der neue Erzbischof Petrus beim Kirchenkonvent des vergangenen Jahres in Linköping deutlich gezeigt habe, auf welcher Seite er stehe. Er war Anhänger der sverker’schen Sippe und hatte seinen Bischofsornat von Absalon, dem Erzbischof der Dänen in Lund, erhalten. Dieser Absalon intrigierte gegen die Familie der Eriker und wollte für das sverker’sche Geschlecht die Königskrone Götalands und Svealands zurückgewinnen. Es gab auch ein Mittel, das zu erreichen, und das kannte König Knut Eriksson sicher ebenso wenig, wie er wusste, dass sein neuer Erzbischof ein Mann der Dänen und der sverker’schen Leute war.
Bei Bischof Absalon in Lund lag ein Brief der seligen Äbtissin Rikissa, den diese auf ihrem Sterbebett hatte aufsetzen lassen und in dem stand, dass König Knuts Gemahlin, Königin Cecilia Blanka, seinerzeit das Keuschheitsgelübde abgelegt habe, als sie eine der Familiaren im Kloster von Gudhem gewesen sei. Sie habe gelobt, für alle Ewigkeit Gottes Dienerin zu bleiben. Da König Knut Cecilia Blanka später aus Gudhem geholt, sie zu seiner Königin gemacht und diese ihm dann vier Söhne und zwei Töchter geboren hatte …
… ließe sich behaupten, die Kinder des Königs seien unehelich und hätten deswegen kein Anrecht auf die Krone, folgerte Arn schnell. Ob der Heilige Vater in Rom schon seine Ansicht in dieser Sache kundgetan habe?
Nein, da sie gerade einen neuen Papst bekommen hätten, Cölestin III., wisse man noch nicht, welche Ansicht der Heilige Stuhl vertrete, was die ehelichen oder unehelichen Königssöhne in Götaland betreffe. Für den neuen Papst gebe es sicher erst einmal wichtigere Fragen.
Und wenn keiner von König Knuts Söhnen dessen Nachfolge antreten könne, konstatierte Arn, dann würden vermutlich Erzbischof Petrus und vielleicht noch andere Bischöfe nicht ganz überraschend jemand aus der sverker’schen Sippe als neuen König vorschlagen?
Die beiden Klosterbrüder nickten düster. Arn saß eine Weile nachdenklich da, ehe er mit einer Miene aufstand, als seien all das nur kleine Sorgen, sich für diese wichtige Auskunft bedankte und vorschlug, sich sofort ins Skriptorium zu begeben, um das Gold zu wiegen, die Stiftungsurkunden aufzusetzen und zu besiegeln.
Pater Guillaume, der schon seit einer geraumen Weile fand, dass das Gespräch eine uninteressante und banale Wendung genommen habe, stimmte diesem Vorschlag sofort zu.
Als das eigentümliche Gefolge aus schweren Ochsenkarren, die von leichten sarazenischen Pferden eskortiert wurden, am nächsten Morgen das Kloster Varnhem Richtung Skara verließ, befand sich auch Bruder Guilbert unter dem neu erworbenen Gut. So sah zumindest er selbst etwas ironisch die plötzliche Wendung in seinem Leben. Arn hatte ihn mit derselben Leichtigkeit gekauft, mit der er seinen Grabplatz erworben hatte und dazu die Pferde und so gut wie alle Sättel und alles Zaumzeug, das in Varnhem hergestellt worden war. Bruder Guilbert hätte nicht einmal etwas daran ändern können, wenn er protestiert hätte, da Pater Guillaume von Arns Gold geblendet gewesen war. Statt in der Stille von Varnhem auf das Ende seines Lebens zu warten, ritt Bruder Guilbert jetzt mit fremden Männern einem unbekannten Ziel entgegen und fand das sehr gut so. Über Arns Pläne wusste er nichts, aber er glaubte nicht, dass er alle diese Pferde nur gekauft hatte, um sein Auge an ihnen zu erfreuen.
Die sarazenischen Reiter des Gefolges - denn dass es sich bei ihnen um Sarazenen handelte, war für Bruder Guilbert kein Geheimnis - schienen kindisch vergnügt darüber, dass sie ihre lange Reise jetzt zu Pferde fortsetzen konnten. Bruder Guilbert dachte sich, dass es dem heiligen Bernhard dort oben im Himmel offenbar gefiel, mit seinem Mönch zu scherzen, denn Bruder Guilbert hatte einst in seiner Verzweiflung darüber, dass niemand die Pferde von Varnhem kaufen wollte, gerufen, dass der heilige Bernhard ihm dann wenigstens sarazenische Käufer schicken möge. Jetzt ritt er unter ebensolchen lautstark scherzenden Sarazenen, mit denen niemand gerechnet hatte. An den Zügeln der Ochsenkarren saßen Männer, die eine fremde Sprache zu sprechen schienen. Bruder Guilbert war noch nicht schlau daraus geworden, wer sie waren und wo sie herkamen.
Und doch war er bedrückt. Denn das, was Arn tat, war eine Art Betrug, den der junge und unerfahrene Pater Guillaume in seinem Unverstand nicht durchschaut hatte, so sehr war er von dem Gold geblendet worden. Auch ein Tempelritter durfte nicht mehr besitzen als ein Mönch in Varnhem. Ein Templer, bei dem man eine Goldmünze entdeckte, hätte sofort seinen weißen Mantel verloren und wäre gezwungen gewesen, den Templerorden zu verlassen.
Bruder Guilbert entschloss sich, das Unangenehme so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Das hatte er als Templer gelernt. Er gab seinem Schimmel die Sporen, ritt zu Arn, der das Gefolge anführte, und brachte ohne weitere Umschweife sein Anliegen vor.
Arn schien diese direkte Frage jedoch nicht schlecht aufzunehmen, sondern lächelte nur und wendete seinen edlen Hengst, der aus Outremer stammte und zu einer Rasse gehörte, die Bruder Guilbert nicht kannte. Dann ritt Arn im Galopp zu einem der letzten Karren, sprang hinauf und begann zu suchen.
Bald kam er mit einer wasserdichten Lederrolle zurück und reichte sie wortlos Bruder Guilbert, der sie ebenso neugierig wie unruhig öffnete.
Es handelte sich um ein Schreiben in drei Sprachen, unterzeichnet vom Großmeister der Tempelritter Gérard de Ridefort. Dort stand, dass Arn de Gothia nach zwanzig Jahren Dienst als Bruder auf Zeit nun seine Stellung im Templerorden verlasse und dass der Großmeister höchstpersönlich ihn hiermit entlasse. Arn habe jedoch aufgrund aller Dienste, die er dem Orden erwiesen habe, weiterhin das Recht, wann immer er wolle, den weißen Mantel mit seiner letzten Rangbezeichnung zu tragen.
»Da siehst du, mein lieber Bruder Guilbert«, sagte Arn, nahm den Bogen, rollte ihn zusammen und steckte ihn vorsichtig wieder in die Lederhülle. »Ich bin Templer und auch wieder nicht. Und ehrlich gesagt halte ich es für gerechtfertigt, ab und zu Schutz hinter dem roten Kreuz zu suchen, wenn man ihm so lange gedient hat.«
Was Arn damit meinte, war Bruder Guilbert anfangs nicht ganz klar. Aber nachdem sie eine Weile geritten waren, begann Arn von seiner Heimreise zu erzählen, und da wurden seine Worte verständlicher.
Die Männer, die mit ihnen zusammenritten, hatte Arn gekauft, gefangen genommen oder gegen Sold in seinen Dienst genommen, als er noch in Outremer unterwegs gewesen war. Dort waren alle einander zu Feinden geworden: Sarazenen, die Christen gedient hatten, lebten ebenso gefährlich wie Christen, die bei Sarazenen im Dienst gestanden hatten. Eine Gruppe Männer zusammenzubekommen, die nützlich sein konnte, falls er wirklich den gesamten Weg ins Westliche Götaland bewältigen sollte, war nicht schwierig gewesen.
Als weniger einfach hatte sich der Kauf eines geeigneten Schiffes herausgestellt, auch wenn er mit dem Norweger Harald Østeinsson über einen Seemann verfügte, der mit den meisten Unbilden fertigwerden würde. Als er im Hafen von Saint Jean d’Acre mehrere Templerschiffe vorgefunden hatte, die nach den großen Niederlagen der Christen weder über eine Besatzung noch über eine Ladung verfügten, lag die Idee bald auf der Hand. Denn wenn man mit einer wertvollen Ladung, aber nur wenigen Männern, die sie verteidigen konnten, unterwegs war, dann war die Reise über das Mittelmeer ein Alptraum - außer wenn man das Segel und die Farben der Templer hisste.
Arn war keineswegs der Einzige gewesen, der an Bord einen weißen Mantel getragen hatte. Immer wenn ein fremdes Schiff in die Nähe gekommen war, um die mögliche Beute in Augenschein zu nehmen, hatten alle an Bord einen weißen Mantel überziehen müssen. Nur einmal waren sie auf Piraten gestoßen, die unklug genug gewesen waren, anzugreifen. Das war in dem engen Sund gewesen, der das Mittelmeer und das große Meer verband. Dank Gottes Schutz und der Geschicklichkeit des Rudergängers Harald Østeinsson waren sie noch einmal unversehrt davongekommen.
An den Küsten Portugals und des Frankenreiches waren die Tempelritter so bekannt, dass ihnen keine weiteren Gefahren drohten, bis sie England passiert hatten und sich den nordischen Ländern näherten. In Lödöse hatten nur wenige Männer gewusst, woher das fremde Segel stammte, das sich auf dem Götafluss näherte.
Hier beendete Arn die lange Erzählung über seine Seereise, möglicherweise, weil Bruder Guilbert zum Schluss etwas ungeduldig geworden war. Sie ritten schweigend eine Weile nebeneinander her, und Arn wartete auf die nächste Frage.
Bruder Guilbert betrachtete verstohlen das Gesicht seines Freundes. An Arns Äußerem erstaunte ihn nichts. Hätte man ihn vor ihrem Wiedersehen gebeten, Arns Aussehen nach zwanzig Jahren Dienst als Tempelritter in Outremer zu schildern, dann hätte er Arn genau so beschrieben. Blonder Vollbart, der noch nicht ergraut war, aber bereits seinen Glanz verloren hatte; schließlich trugen alle Templer Bärte. Kurzes Haar, das verstand sich von selbst. Weiße Narben auf den Händen und überall im Gesicht, die Überbleibsel von Pfeil- und Schwertwunden. Vielleicht die Spur eines Axthiebes über der einen Braue, durch die der Blick des einen Auges etwas starr wirkte. Ungefähr so hatte er ihn sich vorgestellt. Der Krieg in Outremer war kein Spaziergang.
Arn war jedoch von einer inneren Unruhe erfüllt, die sich nicht ohne weiteres mit dem bloßen Auge erkennen ließ. Dass er der Meinung war, im Heiligen Krieg lange genug gedient zu haben, hatte er bereits am Vortag erzählt und dafür gute Gründe angeführt. Aber jetzt, da er die vorletzte Tagesetappe des Heimweges ritt, und zwar mit großen Reichtümern, was für einen zurückkehrenden Tempelritter wahrlich ungewöhnlich war, hätte er glücklicher, ausgelassener und voller eifriger Pläne sein müssen. Stattdessen schien ihn eine große Unsicherheit zu erfüllen, beinahe eine Furcht, wenn das nun das richtige Wort für einen Tempelritter war.
»Woher hast du diese unglaublichen Mengen Gold?«, fragte Bruder Guilbert verbissen, als sie an Skara vorbeigeritten waren.
»Wenn ich dir diese Frage jetzt beantworten würde, dann würdest du mir vielleicht nicht glauben, lieber Guilbert«, antwortete Arn und blickte dabei nach unten. »Oder noch schlimmer, du könntest glauben, ich hätte einen Verrat begangen, und eine solche Vermutung, wenn sie auch nur vorübergehend wäre, würde uns beide bekümmern. Glaub meinem Wort: Dieser Reichtum ist nicht mit unrechten Mitteln erworben. Ich werde dir alles erzählen, sobald wir genug Zeit haben, denn diese Geschichte ist nicht so ohne weiteres zu verstehen.«
»Ich glaube dir natürlich, aber bitte mich nie wieder, deinen Worten Glauben zu schenken«, antwortete Bruder Guilbert säuerlich. »Wir haben uns innerhalb und außerhalb der Klostermauern nie angelogen, und ich halte es für selbstverständlich, dass wir miteinander reden wie die Templer, die wir einmal waren.«
»Genauso wünsche ich mir das auch, und ich werde den Wunsch, mir zu glauben, nie mehr vorbringen.« Arn flüsterte beinahe, den Blick immer noch zu Boden gerichtet.
»Nun, dann frage ich etwas Einfacheres«, sagte Bruder Guilbert mit lauterer und munterer Stimme. »Wir reiten jetzt auf Arnäs zu, die Burg deiner Väter, nicht wahr? Dein Gepäck ist nicht zu verachten, darunter sind nicht nur Pferde aus Outremer, sondern auch ein Mönch, den du dir gerade in Varnhem gekauft hast, nein, widersprich mir nicht! Auch ich gehöre zu den Dingen, die du gekauft hast, und ich muss zugeben, dass das etwas ungewohnt für mich ist, aber so ist es nun mal. Andere Männer hast du ebenfalls gekauft, möglicherweise nach schwierigeren Verhandlungen als denen mit Pater Guillaume, aber sie sollen ebenfalls für etwas Bestimmtes verwendet werden, genau wie ich. Willst du mir etwas über all das verraten? Wer sind im Übrigen all die anderen, die zum Gefolge gehören?«
»Die beiden Männer, die auf den Stuten links von dir reiten, sind Ärzte aus Damaskus«, antwortete Arn, ohne zu zögern. »Die beiden, die auf dem Karren ganz hinten sitzen, sind Deserteure aus der Armee von König Richard Löwenherz, ein Bogenschütze und ein Armbrustschütze. Der Norweger Harald Østeinsson, der den Mantel eines Tempelritterknappen trägt, hat bei mir als Knappe gedient. Die beiden auf dem Ochsenkarren genau hinter uns sind Waffenhändler und Handwerker aus Damaskus. Ansonsten siehst du überwiegend Baumeister und Pioniere aus beiden Kriegsparteien. Bis auf Harald stehen sie alle in meinem Sold, denn ich habe ihnen in ihrer schwächsten Stunde ein Angebot gemacht, das sie kaum ausschlagen konnten. Ist das eine Antwort auf die Frage, die du stellen wolltest?«
»Ja, zumindest zu einem nicht geringen Teil«, antwortete Bruder Guilbert nachdenklich. »Du hast vor, etwas Großes zu bauen, nicht wahr? Doch was ist es, was wir alle bauen sollen?«
»Frieden«, antwortete Arn verbissen.
Bruder Guilbert überraschte diese Antwort so sehr, dass ihm lange keine Frage mehr einfiel.
Als das Gefolge sich am zweiten Reisetag der Kirche von Forshem näherte, war der Sommer mit all seiner Kraft zurückgekehrt. Man konnte sich kaum mehr vorstellen, dass die ganze Gegend noch vor wenigen Tagen von Stürmen und Unwettern gebeutelt worden war. Bäume und anderes, was auf den Weg und über die Zäune gefallen war, hatte man bereits weggeräumt. Auf den Feldern war das Setzen der Rüben in vollem Gang.
Da im Land lange Frieden geherrscht hatte, waren keine bewaffneten Männer auf den Straßen unterwegs, und niemand störte die Reisenden, obwohl schon von Ferne zu erkennen war, dass sie Fremde sein mussten. Wer draußen auf den Feldern arbeitete, richtete sich auf und betrachtete eine Weile neugierig die Ochsenkarren und die Reiter auf den lebhaften Pferden, machte sich dann aber wieder an die Arbeit.
Als sie zur Kirche von Forshem kamen, führte Arn seine Karawane den Hügel hinauf zum Vorplatz und gab ein Zeichen, dass gerastet und ausgeruht werden sollte. Als alle abgesessen waren, ging er hinüber zu den Moslems, die meist für sich blieben, und teilte ihnen mit, dass es bis zur Gebetsstunde des Nachmittags noch etwas dauern würde, dass aber die Christen eine Weile beten wollten. Danach forderte er die beiden armenischen Brüder und Bruder Guilbert auf, ihm in die Kirche zu folgen. Als sie sich dem Portal näherten, kam der Priester von seinem Hof herbeigeeilt und rief ihnen zu, dass sie Gottes Haus nicht in Waffen betreten dürften. Er stellte sich vor das mit altmodischen Ornamenten verzierte Portal der Holzkirche und versperrte ihnen mit ausgestreckten und zitternden Armen den Weg.
Arn erklärte, wer er sei, nämlich der Sohn von Herrn Magnus auf Arnäs, dass es sich bei seinen Gefährten um gute Christen handele und dass sie nach einer langen Reise vor dem Altar ein Dankgebet sprechen und der Kirche bei dieser Gelegenheit auch Gold spenden wollten. Daraufhin wurden sie auch gleich von dem Priester eingelassen, der erst jetzt zu bemerken schien, dass es sich bei einem der Fremden um einen Zisterzienser in weißem Habit handelte und dass zwei von ihnen rote Kreuze als Wappen trugen. Unter Entschuldigungen schloss er umständlich das Kirchenportal auf.
Kaum war Arn ein paar Schritte den Mittelgang hinuntergegangen, da hatte ihn der Priester schon eingeholt und zerrte an seinem Schwert. Er sagte etwas in einer seltsamen Mischung aus Volkssprache und Latein: Ein Schwert im Hause Gottes sei ein Greuel. Bruder Guilbert scheuchte ihn daraufhin wie eine Fliege weg und erklärte, Herr Arn trage an seiner Seite ein gesegnetes Schwert, ein Templerschwert, und vermutlich das einzige, das sich je in der Kirche von Forshem befunden habe.
Vor dem Altar fielen sie auf die Knie, zündeten einige Kerzen an und sprachen ihre Gebete. Sie legten auch Silber auf den Altar, was den aufgeregten Gottesmann sofort beruhigte.
Nach einer Weile bat Arn darum, mit seinem Gott allein sein zu dürfen, und die anderen gehorchten ihm widerspruchslos, gingen davon und schlossen das Portal hinter sich.
Arn betete lange um Hilfe und Rat. Das hatte er oft getan. Aber noch nie hatte er dabei etwas gefühlt oder von der Heiligen Jungfrau als Antwort ein Zeichen erhalten.
Dennoch hatten ihn nie Zweifel befallen. Die Menschen bevölkerten die Erde, wie Gott es befohlen hatte. In jedem Augenblick hörten Gott und die Heiligen daher Tausende von Betenden, und wenn sie sich die Zeit nähmen, allen zu antworten, würde nur ein großes Durcheinander entstehen. Wie viele einfältige Gebete wohl von den Menschen gesprochen wurden, die das Jagdglück, ein erfolgreiches Geschäft, die Geburt eines Sohnes und die Gesundheit betrafen?
Und wie viele Tausend Male hatte Arn nicht die Heilige Jungfrau angefleht, sie möge Cecilia und ihr Kind beschützen? Wie viele Male hatte er nicht um Kriegsglück gebetet? Vor jedem Angriff im Heiligen Krieg, wenn sie Knie an Knie in ihren weißen Mänteln auf ihren Pferden gesessen hatten, um sich im nächsten Augenblick dem Tod oder dem Sieg entgegenzuwerfen, hatte sich die Heilige Jungfrau diese Gebete anhören müssen. Fast allen Gebeten lagen selbstsüchtige Wünsche zugrunde.
Aber diesmal bat Arn die Muttergottes darum, ihn zu führen und ihm zu raten, was er mit all der Macht, die er mit nach Hause brachte, anfangen solle. Er betete darum, nicht bestechlich und habsüchtig zu werden. Das Wissen, dass er als Krieger mehr konnte als seine Landsleute, sollte ihn nicht in Versuchung führen, und das Gold und das Wissen, über die er jetzt verfügte, sollten nicht auf unfruchtbaren Boden fallen.
Und da, zum ersten Mal in seinem Leben, gab ihm die Heilige Jungfrau Antwort. Er konnte ihre klare Stimme in seinem Inneren hören und sie in dem Licht sehen, das in diesem Moment durch eines der hohen Fenster der kleinen Holzkirche auf sein Antlitz fiel. Ein Wunder war es sicher nicht, da viele Menschen von Gebetserhörungen zu berichten wussten. Arn erlebte es jedoch zum ersten Mal, und er wusste jetzt mit Sicherheit, was er zu tun hatte, denn die Heilige Jungfrau hatte es ihm selbst gesagt.
Der Weg von der Kirche in Forshem zur Burg Arnäs war nicht länger, als dass man auf ihm zweimal zu rasten brauchte. Auf halber Strecke hielten sie kurz an, denn für die Männer des Propheten war die Stunde des Gebets gekommen. Die Christen legten sich hin, um zu schlafen.
Arn trat jedoch auf eine Waldlichtung, und das Licht Gottes fiel durch das zarte hellgrüne Buchenlaub auf sein narbenübersätes Gesicht. Zum ersten Mal auf der langen Reise hatte er inneren Frieden gefunden. Jetzt endlich hatte er verstanden, weshalb Gott sein Leben so lange geschont hatte.
Das war das Wichtigste, das Entscheidende. Und in dieser Stunde ließ er sich nicht von dem Zweitwichtigsten stören.
Seit einiger Zeit ging ein seltsames Gerücht im Westlichen Götaland um. Ein mächtiges fremdes Schiff war erst bei Lödöse auf dem Götafluss gesichtet worden und anschließend sogar weit flussaufwärts bei den Trollfällen. Fremdländisch aussehende Männer hätten versucht, das Schiff mit vielen Ochsen und angeheuerten Männern die Stromschnellen hinaufzuziehen. Schließlich hätten sie jedoch aufgeben müssen und seien wieder zum Handelsplatz Lödöse den Fluss hinabgefahren.
Man rätselte, was sie damit beabsichtigt haben könnten, ein solches Schiff in den Vänersee zu befördern. Einige aus der norwegischen Garde der Burg Arnäs meinten, dass das Schiff sicher zur norwegischen Seite des Vänersees unterwegs gewesen sei. König Sverre hätte in Norwegen schon mehrmals merkwürdige Kriegszüge unternommen, indem er mit seinen Schiffen dort aufgetaucht sei, wo ihn niemand erwartet hätte. Aber jetzt sei kein Krieg in Norwegen, auch wenn von Frieden nicht wirklich die Rede sein könne.
Niemand konnte außerdem mit Sicherheit sagen, dass es sich um ein Kriegsschiff handelte, denn es wurde gemunkelt, dass schon von weitem ein rotes Kreuz auf dem großen, schräggestellten Segel zu erkennen gewesen sei. Ein solches Zeichen führten keine Schiffe im Norden, so viel war sicher.
Einige Zeit hatte man auf dem hohen Turm von Arnäs das ruhige sommerliche Wasser des Vänersees besonders wachsam im Auge behalten, bis das fürchterliche Unwetter kam. Aber da sich kein Schiff zeigte und im Westlichen Götaland Frieden herrschte, kehrten bald alle zu ihren normalen Verrichtungen zurück.
Nur ein Mann wurde nicht müde, oben auf dem Turm zu sitzen und seine tränenden alten Augen damit zu quälen, über die sonnenschillernde Wasserfläche zu starren: Magnus Folkesson, der Herr von Arnäs. Vor drei Wintern hatte ihn der Schlag getroffen, und seither konnte er nicht mehr verständlich sprechen und war linksseitig von Kopf bis Fuß gelähmt. Er hielt sich dort oben auf dem Turm zusammen mit ein paar Leibeigenen ein wenig abseits von den anderen, als würde er sich schämen, sich unter Leute zu begeben. Vielleicht war es aber auch so, dass es seinem ältesten Sohn Eskil nicht gefiel, dass man sich über seinen Vater hinter dessen Rücken lustig machte. Jetzt saß der Alte jedenfalls täglich dort oben, so dass ihn alle auf Arnäs sehen konnten. Der Wind zauste sein verfilztes weißes Haar, und seine Geduld schien unerschöpflich. Alle machten Witze darüber, was der Alte dort oben wohl sehen mochte.
Doch die Spötter sollten ihre Witzeleien noch bereuen. Herr Magnus hatte nämlich ein Zeichen empfangen und wartete auf ein Wunder, das ihm die Heilige Jungfrau zugesagt hatte. Er war derjenige, der von seinem Aussichtspunkt aus als Erster sah, was geschah.
Drei Knaben aus den Familien der Leibeigenen kamen den immer noch nassen und lehmigen Weg von Forshem nach Arnäs entlanggelaufen. Sie riefen laut und fuchtelten mit den Armen, und alle drei versuchten, als Erster in der Burg zu sein, da es manchmal geschah, dass ein Armer, der eine wichtige Nachricht überbrachte, mit einer Silbermünze belohnt wurde.
Als sie die lange schaukelnde Brücke aus Holz erreicht hatten, die über den Sumpf zur eigentlichen Burg führte, stellte der eine Junge, der etwas größer und stärker war als die beiden anderen, erst dem einen und dann dem anderen ein Bein, um selbst außer Atem und mit hochrotem Gesicht als Erster zur Burg zu kommen. Die beiden anderen hinkten in einigem Abstand hinter ihm her.
Man hatte sie bereits gesehen, als sie auf der Brücke waren, und Svein, den Anführer der Garde, herbeigerufen. Gebieterisch erwartete dieser den ersten Läufer vor dem Burgtor und bekam ihn am Kragen zu fassen, gerade als er an ihm vorbeirennen wollte. Er zwang ihn in einer Pfütze auf die Knie, hielt ihn mit seinem eisernen Handschuh fest und forderte Auskunft. Noch ehe der Junge antworten konnte, waren die anderen beiden Knaben am Ziel, warfen sich freiwillig auf die Knie und versuchten gleichzeitig zu erzählen, was sie gesehen hatten.
Der Gardist Svein brachte sie daraufhin alle drei mit Ohrfeigen zur Ruhe und fragte sie der Reihe nach aus. Schließlich erfuhr er etwas zusammenhängender, was sie gesehen hatten: Ein Gefolge aus vielen Kriegern und schweren Ochsenkarren näherte sich der Burg Arnäs. Es handelte sich weder um Leute der sverker’schen Sippe oder deren Verbündete noch um Folkunger oder Leute aus dem Erikschen Geschlecht. Sie schienen aus einem fremden Land zu stammen.
Es entstand ein großer Aufruhr. Man blies in die Hörner, und die Männer der Garde liefen zu den Ställen, wo die leibeigenen Stallknechte bereits damit begonnen hatten, die Pferde zu satteln. Es wurden Leute geschickt, um Herrn Eskil zu wecken, der um diese Tageszeit seine herrschaftliche Mittagsruhe pflegte. Anderen wurde befohlen, die Zugbrücke hochzuziehen, damit die Fremden nicht die Burg betreten konnten, ehe man herausgefunden hatten, ob es sich um Freunde oder Feinde handelte.
Bald saß Herr Eskil mit zehn Mann seiner Garde zu Pferde vor der hochgezogenen Brücke von Arnäs und behielt gespannt die gegenüberliegende Seite des Sumpfes im Auge, wo sich die Fremden bald zeigen mussten. Es war später Nachmittag, und die Männer hatten die Sonne in den Augen. Als die Fremden sich auf der anderen Seite zeigten, waren sie im Gegenlicht nur schwer auszumachen. Einige glaubten, Mönche vor sich zu haben, andere meinten, ausländische Krieger zu erkennen.
Die Fremden schienen einen Augenblick lang unschlüssig zu sein, als sie die hochgezogene Zugbrücke und die schwer bewaffneten Männer auf der anderen Seite entdeckten. Aber dann ritt ein Reiter in weißem Mantel und weißem Waffenhemd mit einem roten Kreuz allein auf die Zugbrücke zu.
Herr Eskil und seine Männer warteten schweigend und voller Spannung, während sich der bärtige Reiter barhäuptig näherte. Jemand flüsterte, dass der Fremde ein seltsam jämmerliches Pferd reite. Zwei Männer der Garde stiegen ab, um ihre Bogen spannen zu können.
Da geschah etwas, was einige anschließend als Wunder bezeichneten. Der alte Herr Magnus rief etwas von seinem Turm, und viele wollten später schwören, er hätte deutlich die folgenden Worte gesprochen: Der Herr sei gelobt, denn der verlorene Sohn ist aus dem Heiligen Land zurückgekehrt.
Eskil war anderer Meinung. Denn ihm sei, wie er später erklärte, in dem Moment alles klargeworden, als der Gardesoldat die Bemerkung über das jämmerliche Pferd gemacht habe.
Mit einer Stimme, aus der einige ein Zittern und eine gewisse Schwäche herauszuhören meinten, befahl Herr Eskil, die Zugbrücke für den fremden Reiter wieder herabzulassen. Er musste den Befehl zweimal geben, ehe man ihm gehorchte.
Herr Eskil stieg von seinem Pferd und ließ sich wie im Gebet vor der knirschenden Zugbrücke niedersinken, die jetzt herabgelassen wurde, so dass bald alle die Sonne in den Augen hatten. Das Pferd des weiß gekleideten Reiters sah aus, als würde es über die Zugbrücke fliegen, noch ehe sie sich ganz herabgesenkt hatte. Der Reiter warf sich in einer einzigen Bewegung, die noch keiner zuvor gesehen hatte, von seinem Pferd und kniete im Nu neben Herrn Eskil nieder. Die beiden umarmten sich, und auf den Wangen von Herrn Eskil schimmerten Tränen.
Ob dies ein doppeltes oder ein einfaches Wunder war, darüber ließ sich streiten. Man war sich nicht einig, ob der alte Herr Magnus oben auf dem Turm genau in diesem Augenblick seine Vernunft zurückerhalten hatte. Sicher war jedoch, dass Arn Magnusson, der Krieger, von dem zu dieser Zeit nur noch die Sagas zu berichten wussten, nach vielen Jahren im Heiligen Land zurückgekehrt war.
An diesem Tag gab es große Aufregung und Unordnung auf Arnäs. Als die Hausherrin Erika Joarsdotter ins Freie trat, um die Gäste mit einem Bier willkommen zu heißen, und Arn und Eskil untergehakt über den Hof kommen sah, ließ sie alles fallen und lief mit ausgebreiteten Armen auf sie zu. Arn ließ seinen Bruder Eskil los und beugte sein Knie, um seine Stiefmutter höfisch zu begrüßen. Er hätte beinahe das Gleichgewicht verloren, als sie sich um seinen Hals warf und so ungestüm küsste, wie das eigentlich nur eine Mutter tut. Alle sahen, dass der heimgekehrte Krieger solche Sitten nicht mehr gewohnt war.
Wagen wurden polternd und knarrend auf den Burghof gezogen, schwere Truhen und eine Menge Waffen wurden abgeladen und in eine der Kammern des Turms getragen. Außerhalb der Mauern wurde hastig aus Segeln und fremdländischen Teppichen ein Zeltlager errichtet, und viele dienstwillige Hände halfen, für alle Pferde, die Herr Arn besaß, ein Gatter zu errichten. Kälber und Ferkel wurden geschlachtet, und die Köche entzündeten große Feuer. In der Umgebung von Arnäs verbreitete sich bald ein verheißungsvoller Duft. Der Abend begann vielversprechend.
Nachdem Arn alle Männer der Garde begrüßt hatte, von denen einige nur unwillig das Knie vor ihm beugten, fragte er plötzlich mit bekümmertem Gesicht nach seinem Vater. Eskil antwortete schroff, er sei nicht mehr bei Sinnen und deswegen oben auf dem Turm untergebracht. Arn ging sogleich mit großen Schritten und wehendem weißen Mantel auf den Turm zu, und alle wichen ihm aus.
Oben auf der höchsten Zinne fand er seinen Vater in elender Verfassung, aber mit glücklicher Miene. Er stand mit einem Diener als Stütze gegen die Mauer gelehnt und hielt einen groben Stock in seiner gesunden Hand. Arn beugte schnell sein Haupt und küsste die gesunde Hand seines Vaters. Dann umarmte er ihn. Sein Vater war mager wie ein Kind, und sein gesunder Arm war ebenso dünn wie sein kranker. Er roch schlecht. Arn wusste nicht, was er sagen sollte, doch da beugte sich sein Vater unter großer Anstrengung und mit wackelndem Kopf vor und flüsterte: »Die Engel des Herrn … sollen frohlocken … und das gemästete Kalb … soll geschlachtet werden.«
Arn hörte diese Worte ganz deutlich, und verständig waren sie, da sie sich auf die Geschichte von der Rückkehr des verlorenen Sohnes in der Heiligen Schrift bezogen. Das ganze Gerede davon, dass der Vater seinen Verstand verloren hätte, war also Unsinn. Erleichtert hob Arn ihn auf seine Arme und drehte dann eine Runde um den Zinnenkranz, um sich einen Eindruck zu verschaffen, wie sein Vater hier oben lebte. Als er das dunkle Turmzimmer in Augenschein nahm, sah es dort schlimmer aus, als er befürchtet hatte. Er runzelte bei dem Gestank nach Urin und verdorbenen Lebensmitteln die Stirn, machte auf dem Absatz kehrt und ging auf die Treppe zu, während er mit seinem Vater sprach, als sei dieser ein Mann mit Verstand wie alle anderen auch. So hatte schon seit mehreren Jahren niemand mit ihm geredet. Arn meinte, der Herr von Arnäs solle nicht länger in einem Schweinestall hausen müssen.
Auf der engen Wendeltreppe traf er Eskil, der langsam nachgekommen war, denn die Treppe war nicht für Männer mit Bauch gebaut. Eskil musste murrend umkehren und wieder nach unten gehen. Arn, der ihren Vater wie ein Bündel über der einen Schulter trug, folgte Eskil und ordnete in strengem Ton an, was jetzt zu tun sei.
Auf dem Hof hob Arn seinen Vater herunter, da es entwürdigend gewesen wäre, ihn noch länger wie ein Bündel herumzutragen. Eskil befahl den Dienern, einen Tisch, Kissen und einen mit geschnitzten Drachen verzierten Stuhl in eines der kleineren Kochhäuser an der Südmauer zu bringen, das nur bei großen Gelagen verwendet wurde. Arn rief, das Turmzimmer des Vaters müsste von oben bis unten geschrubbt werden, und viele verwunderte Augen folgten dem Weg der drei Herren über den Burghof.
Der Stuhl mit den Drachenornamenten kam sofort ins Kochhaus, und Arn setzte seinen Vater vorsichtig nieder und ließ sich auf das eine Knie sinken. Er nahm das Gesicht seines Vaters zwischen die Hände, sah ihm in die Augen und sagte, er wisse gut, dass er mit einem Vater spreche, der alles so gut verstehe wie früher. Eskil stand schweigend hinter ihm.
Der alte Herr Magnus wirkte so überwältigt und atmete so schwer, dass die Gefahr bestand, dass ihn erneut der Schlag treffen würde. Arn nahm die Hände von den Wangen seines Vaters, stand auf und ging mit großen Schritten an seinem ratlosen älteren Bruder vorbei auf den Burghof und befahl etwas in einer Sprache, die niemand verstand.
Bald kamen zwei der Fremden aus Arns Gefolge herbei. Sie trugen dunkle Mäntel und ein blaues Tuch um den Kopf geschlungen. Der eine war jung, der andere alt, und beide hatten rabenschwarze Augen.
»Diese beiden Männer«, sagte Arn zögernd zu seinem Bruder, aber auch seinem Vater, »heißen Abraham und Josef. Beide sind Freunde aus dem Heiligen Land und Meister der Heilkunst.«
Er erklärte den beiden rabenäugigen Männern etwas in der unbegreiflichen Sprache, und diese nickten und begannen Herrn Magnus vorsichtig, aber ohne übertriebene Ehrfurcht zu untersuchen. Sie betrachteten das Weiß seiner Augen, lauschten seinem Atem und seinem Herzen, schlugen mit einer kleinen Keule auf sein rechtes Knie, so dass der Fuß hochschnellte, und versuchten dann dasselbe mehrere Male mit dem linken Bein, brachten aber nur eine leichte Zuckung zustande. Diese schien sie aber besonders zu interessieren. Dann gingen sie dazu über, seinen schwachen linken Arm zu heben und fallen zu lassen, während sie sich die ganze Zeit über flüsternd unterhielten.
Eskil, der hinter Arn stand, kam sich übergangen vor. Außerdem wusste er nicht, was er davon halten sollte, dass zwei Fremde mit dem Herrn von Arnäs so umgingen, als gelte es, einen beliebigen Leibeigenen zu untersuchen. Aber Arn bedeutete ihm, dass das seine Richtigkeit habe, und führte ein kurzes geflüstertes Gespräch in der fremden Sprache. Daraufhin verließen die Ärzte unter tiefen Verbeugungen vor Eskil leise den Raum.
»Abraham und Josef haben gute Neuigkeiten«, sagte Arn, als er mit Eskil wieder allein war. »Unser Vater ist im Augenblick noch zu müde, aber morgen wird seine Heilung beginnen. Mit Gottes Hilfe wird er wieder laufen und sprechen können.«
Eskil antwortete nicht. Es wirkte so, als sei die erste große Freude über das Wiedersehen mit Arn bereits getrübt und als schäme er sich darüber, dass der Eindruck entstanden sein könnte, er hätte sich nicht ausreichend um seinen Vater gekümmert. Forschend sah Arn seinen Bruder an und schien dessen verborgene Gefühle zu verstehen. Plötzlich breitete er die Arme aus, und sie umarmten sich. Lange standen sie da, ohne etwas zu sagen. Eskil, dem das Schweigen mehr auszumachen schien, murmelte schließlich, es sei ein magerer kleiner Bruder, der da zum Gastmahl erscheine.
Arn entgegnete belustigt, es komme ihm vor, als sei es Eskil gelungen, den Hunger von Arnäs fernzuhalten. Er ähnele immer mehr ihrem Ahnherrn, Jarl Folke dem Dicken. Da musste Eskil lachen und schüttelte seinen jüngeren Bruder in gespielter Entrüstung, und Arn ließ sich schütteln und musste ebenfalls lachen.
Nachdem sich ihre Heiterkeit gelegt hatte, führte Arn seinen Bruder zu ihrem Vater, der mit seinem hängenden linken Arm ganz still in seinem geliebten Stuhl mit den Drachenschnitzereien saß. Arn ließ sich auf die Knie sinken und zog Eskil zu sich herunter, so dass sich die Köpfe der drei Männer auf einer Höhe befanden. Dann sprach er in ganz gewöhnlichem Ton und nicht wie zu einem Mann, der seinen Verstand verloren hat: »Ich weiß, dass Ihr alles wie früher hören und verstehen könnt, lieber Vater. Ihr braucht mir jetzt nicht zu antworten, denn wenn Ihr Euch zu sehr anstrengt, wird alles noch schlimmer. Aber morgen soll die Heilung beginnen, und ab morgen werde ich bei Euch sitzen und erzählen, was im Heiligen Land vorgefallen ist. Zuerst wird mir Eskil berichten, was hier zu Hause geschehen ist, denn es gibt vieles, was ich genau wissen möchte.«
Dann erhoben sich die beiden Söhne und verbeugten sich vor ihrem Vater wie früher. Ein kleines Lächeln meinten sie in seinem schiefen Gesicht ausmachen zu können, wie die Glut eines Feuers, das schon lange erloschen scheint.
Als sie auf den Hof traten, hielt Eskil einen vorbeieilenden Diener an und sagte, er solle Herrn Magnus ein Bett, Wasser und ein Nachtgeschirr ins Kochhaus bringen. Herrschaft und Gesinde liefen eilig hin und her, denn vor dem unerwarteten Willkommensfest, das glanzvoller ausfallen musste als die üblichen Gastmähler auf Arnäs, war viel zu tun. Doch wer in die Nähe der beiden Folkungerbrüder kam, die jetzt zusammen auf das Burgtor zugingen, wich beinahe entsetzt zurück. Es hieß Herr Eskil sei der reichste Mann im Westlichen Götaland, und
Die schwedische Originalausgabe erschien 2000 unter dem Titel Riket vid vägens slut bei Norstedts Förlag, Stockholm.
 
Der Roman erschien in Deutschland bereits 2001 unter dem Titel Die Krone von Götaland im Piper Verlag, München.
 
Der Koran wird nach der Übersetzung von Max Henning, Reclam Verlag, Stuttgart, zitiert.
 
 
Vollständige deutsche Taschenbuchausgabe 11/2009 Copyright © Jan Guillou 2000
Copyright © der Übersetzung Piper Verlag GmbH, München
Copyright © 2009 der deutschen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House
 
eISBN : 978-3-641-03764-6
 
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