Der Krönungsball - Alexander P. Dyle - E-Book

Der Krönungsball E-Book

Alexander P. Dyle

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Beschreibung

Ein neuer Fall für Achille Corso und die Forensikerin Pentesilea Orsini in der exotischen Kulisse des Castello di Sammezzano. Der Maskenball anlässlich der Krönung von Charles III. ist der Ausgangspunkt für eine komplizierte Suche nach einem Unbekannten und eine Spur, welche zu einem Mord führen wird. Was geschah vor vielen Jahren und welche Rolle spielt Isabella de Medici Orsini, die erste Dame des Großherzogtums Florenz in der Renaissance? Zahlreiche Abbildungen und royale Rezepte zum Nachkochen. 2. Auflage. Neuer Rechtshinweis: Text- und Data Minings durch KI-Systeme ist untersagt.

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Seitenzahl: 183

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Alexander P. Dyle

Eireen M. O’Brien

Der Krönungsball

Der zweite Kriminalfall des Privatermittlers Achille Corso

Impressum

Eine Nutzung der Daten und Texte für Training einer Künstlichen Intelligenz verstößt gegen das Urheberrecht der Autoren und ebenso gegen dasjenige der zitierten Werke und ist daher nicht gestattet bzw. benötigt der expliziten schriftlichen Genehmigung.

Text- und Data-Mining ist ebenfalls verboten.

Da in jüngster Zeit die gesetzlichen Erben von Autoren einer inhaltlichen Überarbeitung des Werks der Vorfahren zugestimmt und damit eine Verfälschung der Schöpfungen anstreben, haben sich die Autoren dazu entschlossen, sich auf Art. 11 Urheberrecht zu berufen (Werksintegrität). Sie verfügen, dass nur die Autoren, nicht aber allfällige Erben, das Recht haben, das Werk inhaltlich zu verändern, zu kürzen oder sonst zu entstellen.

Da in jüngster Zeit die gesetzlichen Erben von Autoren einer inhaltlichen Überarbeitung des Werks der Vorfahren zugestimmt und damit eine Verfälschung der Schöpfungen anstreben, haben sich die Autoren dazu entschlossen, sich auf Art. 11 Urheberrecht zu berufen (Werksintegrität). Sie verfügen, dass nur die Autoren, nicht aber allfällige Erben, das Recht haben, das Werk inhaltlich zu verändern, zu kürzen oder sonst zu entstellen.

Der Text wurde explizit ohne Künstliche Intelligenz erstellt.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2022 Eireen M. O’Brien & Alexander P. Dyle

© 2025 Neuauflage wegen rechtlicher Änderungen durch KI. Abbildungen und der Inhalt wurden leicht überarbeitet.

Kontakt c/0 M. E. Habicht: ehabicht146 [at] gmail [dot] com

Das royale Monogramm von König Charles III. © 1

Die Einladung

A constitutional monarchy requires the monarch to be above politics but to be fully informed about politics – Jacob Rees-Mogg 2

Achille Corso, seit einiger Zeit Privatermittler und seine Verlobte, Pentesilea Orsini, allgemein nur Pen genannt, waren in Rimini bei der Familie von Corso. Es war Anfang März und damit trotz schönen Wetters noch viel zu kalt, um im Meer zu baden. Dennoch spazierten Pen und Achille bei starkem Wind am Strand entlang, ehe sie in das berühmte Grand Hotel der Stadt eintraten. Das Hotel war vor über einhundert Jahren gebaut worden und begründete den Ruf der Stadt Rimini als mondäner Badeort.

Sie betraten die prachtvolle Hotellobby. Corso und Orsini blickten sich um: Die hellen Räume mit Säulen im antiken Stil und vergoldeten korinthischen Kapitellen verströmten nicht nur dem Charme der Belle Époque, sondern weckten bei Achille Corso auch vertraute Erinnerungen an seine Jugendzeit. Bei wichtigen Familienanlässen oder bei bedeutenden Ereignissen, wie den Abschluss des Studiums war es Tradition gewesen, hier ein Galadinner im Kreis der Familie einzunehmen.

Auch heute gab es in gewisser Hinsicht etwas zu feiern. Der erfolgreich gelöste Fall in Kroatien hatte sich in gehobenen Gesellschaftskreisen herumgesprochen. Insbesondere die diskreten Methoden, mit denen Privatermittler Corso den guten Ruf der adeligen Beatrice gerettet hatte.

Daraufhin wurde Corso mit zahlreichen delikaten Aufträgen der High Society überhäuft. Sie waren zwar weniger aufregend und ohne Leichen, dafür hervorragend honoriert. Beim Gedanken an den Stand seines Bankkontos lächelte Corso und zwirbelte seinen eleganten Schnurrbart im französischen Stil.

Pen bemerkte es und reflektierte über eine Strategie, wie sie zum Rasiermesser greifen könnte… Achille hatte sich die Baffi-Mode vor ein paar Monaten zu eigen gemacht, als er in den gehobenen Kreisen ermittelte und dabei feststellte, dass etliche seiner Auftraggeber einen Schnauz trugen. Zu Weihnachten gipfelte der Schnauzfimmel ihres Verlobten in einem speziellen Einkauf. Corso hatte bei einem Antikenhändler einen besonderen silbernen Suppenlöffel erstanden. Der Löffel stammte aus dem späten 19. Jahrhundert und hatte eine Schutzbarriere, welche den Schnauz davor schützte, mit Suppe durchtränkt zu werden… Wenigstens trug Achille einen hocheleganten französischen Schnauz und keinen Walross-Schnauz…

Corso blickte auf seine Reverso-Wendeuhr und sagte, während sie auf die Rezeption zusteuerten: „Wir sind gut in der Zeit, noch sind es einige Stunden bis zum Dinner, mein Schatz.“

Pen hatte im Hotel das Schönheitsprogramm „Dolce Vita Spa Ritual“ gebucht. Während Pen ins Schönheitsparadies eincheckte, zog sich Corso in die Bar des Hotels zurück, wo er einige Unterlagen studierte. Nach einer Stunde bestellte er sich einen Espresso und einen Negroni-Drink als Aperitif. Seit den Ermittlungen in Kroatien hatte Corso seine eher negative Meinung zu den Cocktaildrinks zumindest teilweise revidiert. Das meiste gemischte Zeugs war primär geeignet, Leute die keinen Alkohol vertragen, abzufüllen indem der Schnaps mit Fruchtsaft oder Sodawasser getarnt wurde…

Corso machte aber seither eine Ausnahme beim Negroni. Der Drink war zudem echt italienisch, da ein Graf Camillo Negroni in einer Bar in Florenz im Jahr 1919 einen Milano-Torino-Drink mit Gin strecken ließ.

Zur Ablenkung blätterte Corso in einigen Magazinen, welche bei der Bar auflagen. Wieder einmal brachten die Skandal- & Monarchieblätter ein paar süffisante neue Enthüllungen des Herzogs von Sussex (der Titel war 1801 für einen Prinzen geschaffen worden, der nicht standesgemäß geheiratet hatte). Dieses Mal ging es aber um den aktuellen Herzog und seine amerikanische Gattin.

„Mal sehen, was für eine Show das bei der Krönung von Charles III. geben wird…“, dachte Corso bei sich, als ihn ein Räuspern eines Hotelmitarbeiters in seinen Gedanken unterbrach.

„Mi scusi signore, è stata consegnata una lettera per la sua promessa sposa.“ sprach ihn der Mann an und überreichte ihm einen Brief in einem edlen Umschlag, welcher auf der Rückseite ein Briefsiegel trug.

Ein Auftrag konnte es nicht sein, mutmaßte Achille, denn der Brief war an Pentesilea Orsini adressiert. Forensikerinnen bekamen ihre Aufträge fast nie von ihren Kunden, sondern von der Staatsanwaltschaft…

Als Gentleman, der nicht in fremden Briefen liest, legte Corso den Brief auf den Tisch und wartete bis Pen aus dem SPA kam.

Rund eine halbe Stunde später erschein Pen in all ihrer Glorie. Sie war nun noch schöner als sonst, das flachsblonde Haar glänzte, ebenso der aristokratisch blasse Teint war strahlend wie derjenige der Göttin Aurora, wenn sie morgens am Horizont erscheint.

Zunächst bewunderte und lobte er ihr blendendes Aussehen, ehe er mitteilte, dass ein Brief für Sie abgegeben worden war.

Pen Orsini erkannte das Familienwappen und sagte:

„Es ist vom Markgrafen de Spinola… vermutlich eine Einladung zu einem Anlass…“

Achille erinnerte sich, dass in gehobenen Kreisen die Einladungen stets an die Dame des Hauses gesendet und auch von dieser angenommen oder dankend mit einer Entschuldigung abgelehnt wurden. Pen schien die Gedanken ihres Verlobten zu lesen, denn sie sagte:

„Männer neigen dazu, die Einladungskarte zu verlegen…“

Nun öffnete sie vorsichtig den kostbaren Umschlag und zog das Schreiben heraus. Beigelegt waren zudem zwei Einlasskarten mit den Namen.

Pen begann vorzulesen:

„Der Marchese de Spinola gibt sich die Ehre, anlässlich der Krönung von Charles III. zu einem Ball in einem Schloss einzuladen.“

Die persönliche Einladung für die römische Patrizierin Pentesilea Orsini und Partner, stellte Pen fest, als sie den weiteren Text durchflog. Dann sagte sie:

„Es handelt sich um einen Maskenball, daher werden die Gäste gebeten, entsprechende Kostüme und Masken mitzuführen.“

„Ich hatte gerade etwas von der Krönung gelesen...“ sagte Corso.

Pen nickte zustimmend und fuhr fort:

„Der Anlass beginnt schon einen Tag vor der Krönung mit einer Vortragsreihe und der Marchese di Spinola bittet mich, ebenfalls ein Referat zu einem Thema zu halten. Am 6. Mai wird dann die Krönung von Charles III. per Videoübertragung zu sehen sein, gefolgt von einem grandiosen Maskenball…“

Pen blätterte weiter und sagte:

„Der Marchese gibt hier eine Liste von Kostümverleihern an, bei welchen gehobene Kostüme geliehen oder angefertigt werden können.“

Corso gefiel die Idee eines Kostümballs außerordentlich. „Vielleicht sollte ich als Lorenzo il Magnifico gehen…“ sinnierte er vor sich hin.

Pen rief sich vor dem inneren Auge die Portraits des Renaissancefürsten und Kunstmäzenen vor Augen. Wie damals üblich, trug „il Magnifico“ keinen Bart – eine Chance für das Rasiermesser…

„Wunderbar mein Liebster – ich werde als Simonetta Cattaneo Vespucci gehen…“ verkündete Pen.

„Sie war damals die schönste Frau von Florenz…“ stimmte Corso zu.

„Wo soll denn der Ball eigentlich stattfinden?“ fragte er danach.

„Im Castello di Sammezzano, außerhalb von Florenz – darum ist mir auch die Vespucci in den Sinn gekommen.“ sagte Pen.

„Ist das Castello di Sammezzano denn bewohnt? Ich wusste gar nicht, dass es wieder in Privatbesitz ist…“ wunderte sich Corso.

„Ist es auch nicht, es ist noch immer in der öffentlichen Hand und meist unbewohnt – es kann aber für spezielle Anlässe gemietet werden.“ erkläre Pen.

„Das wird wohl teuer sein. “ meinte Achille.

„Schweineteuer, da es hunderte von Zimmern und Räume hat – aber der Marchese und der Monarchistenzirkel um ihn haben wirklich viel Geld.“ stimmte Pen zu.

Danach widmeten sich die beiden dem köstlichen Dinner.

Das Thema kam erst eine Woche später erneut auf. Pen hatte am Tag nach dem Dinner schriftlich zugesagt und nun traf erneut ein Brief ein mit genaueren Details zum Anlass.

„Dyle und Leroy werden ebenfalls zum Anlass kommen – beide halten einen Vortrag…“ rief Pen zu Achille, welcher gerade die Wohnung betrat.

„Ich habe auch eine Überraschung für dich – am besten kommst du gleich mit in die Garage…“ sagte Achille mit geheimnisvollem Unterton.

Pen folgte ihrem Verlobten, Achille öffnete das Garagentor.

„Da wir ein Auto benötigen und seit dem Fall in Kroatien der Topolino 500 für uns eine besondere Bedeutung hat…“ begann Achille, als ihm Pen um den Hals fiel und ihn leidenschaftlich küsste.

In der Garage stand ein dunkelblau gespritzter Fiat 500 Topolino in der Ausführung als Roadster, mit einer großen weißen Geschenkschleife verziert.

Maria Beatrice d’Este, Prinzessin von Modena, die Queen Consort von König James II. mit ihrer berühmten Krone, welche lange Zeit als die Kröne der Queen Consort diente. © 3

Alexandra von Dänemark, die Queen Consort von König Edward VII. Sie trägt ihre Krone mit dem Koh-i-Noor. © 4

Maria von Teck, die Queen Consort von George V. © 5

Elizabeth Bowes-Lyon, Duchess of York (Höflichkeitstitel), Queen Consort von König George VI. Nach 1952 allgemein Queen Mother (Queen Mum) genannt. Die neue Königin Camilla trug diese Krone, leicht modifiziert ohne den Koh-i-Noor. © 6

Königin Elisabeth II. mit dem State Diadem. In Zukunft wird Queen Camilla dieses Diadem bei Staatsanlässen tragen. © 7

Die Anreise

The joke newspaper, it says Canada abandons the monarchy - Mark McKinney 8

Zwei Wochen vor dem Ball waren die Kostüme von Pen und Achille eingetroffen. Der Verleih hatte entsprechende Renaissancekostüme vorrätig, sie mussten aber noch auf die Größe von Pen und Achille angepasst werden. Für die Rolle als Lorenzo di Medici hatte sich Corso für das rote Gewand entschieden, wie der Künstler Girolamo Macchietti den Renaissancefürsten gemalt hatte. Für die Haare musste sich Achille eine Perücke auswählen, da er sein Haar nicht so lang wachsen lassen wollte. Pen überzeugte ihn, dass der Renaissancefürst keinen französischen Schnurrbart tragen konnte. Mit einem kurzen Surren des Rasierers fiel der Oberlippenbart.

Pen hatte sich das helle, leichte Gewand von einem Gemälde ausgewählt, welches Simonetta Vespucci, die Muse von Sandro Botticelli, darstellte.

In Gedanken malte sich Pen aus, wie wohl ihre persönliche Rivalin, Valeria di Colonna am Ball erscheinen würde.

Einige Tage vor dem Krönungsball traf A. P. Dyle, der Chronist bei Achille Corso und Pen Orsini ein.

Mit Erstaunen stellte Corso fest, dass sich Dyle ein Bleistiftschnauz hatte wachsen lassen, ebenso waren die Bartkotletten viel länger als üblich. Auf die Nachfrage erklärte Dyle:

„Ich werde als Phileas Fogg, Esquire und Gentleman gehen… und orientiere mich daher an David Niven, welcher gleichsam die Ikone des Gentlemans ist…“

Corso fürchtete bereits insgeheim, alle Herren könnten am Krönungsball mit Bartmode erscheinen.

Einige Zeit danach fragte Corso bei Pen nach, was sie über den Gastgeber wisse. Der Marchese de Spinola d’Este, war der Hauptorganisator, aber auch der Marchese de Farnese war offenbar involviert.

„Nicolo, der aktuelle Marchese de Farnese ist, wenn ich mich richtig erinnere, aus einer Seitenlinie der Herzöge von Parma. Überzeugter Monarchist und sehr kultiviert.“

„Vermutlich trägt er einen Schnauz…“ maulte Corso.

„Das letzte Mal, als ich ihn sah, trug er einen abnormen Schnauz im Stil von König Umberto I…“ sagte Pen und als sie merkte, dass Achille etwas sagen wollte, fügte sie hinzu:

„Glattrasiert gefällst du mir viel besser – und Lorenzo trug halt keinen Bart…“ tröstete ihn Pen. Inzwischen stand auch das genau Programm fest und auch die in aristokratischen Zirkeln üblichen höfischen Tänze waren nun bekanntgegeben: Nicht nur Wiener Walzer, sondern auch eine Quadrille und eine Pavane stand auf dem Programm.

Pen, welche sich sowohl im Tanzen, als auch bei höfischen Anlässen gut auskannte, beschloss ihrem Verlobten, als auch seinem Chronisten Dyle eine entsprechende Instruktion zu geben.

„Im Laufe des Abends wird neben den Standardtänzen wie Walzer von uns auch eine Quadrille de Lanciers getanzt werden.“ dozierte Pen.

„In dänischen Gymnasien und am Wiener Opernball wird dieser Tanz noch immer gelehrt und getanzt. Es ist ein aus Frankreich stammender Kontratanz aus der Zeit von Napoleon Bonaparte. Heute ist aber nur noch die nach 1850 entstandene Variante Quadrille de Lanciers üblich.“

Die Tanzlektion erwies sich als schwieriger, als sich Pen das vorgestellt hatte. Zum einen waren weder ihr Verlobter noch Dyle geborene Tanztalente – um es beschönigend zu sagen – und die höfischen Kontratänze wirkten einfach lächerlich, wenn man sie nicht in Gewändern aus vergangenen Tagen tanzte. Die Aussage, dass man in jeder Kleidung tanzen könne – wenn man denn tanzen kann, mochte für heutige Tänze gelten. Doch eine „La Pavane des Saisons“ wirkte nur in Barockkleidern und Allonge-Perücken für den Herrn richtig gut und wie ein steifes Herumgehopse, wenn moderne Kleidung getragen wurde…

Am Morgen des 5. Mai starteten Corso und Pen in ihrem neuen Topolino Roadster. Glücklicherweise waren die Renaissancekostüme nicht übermäßig voluminös und konnten in Koffern transportiert werden, die Achille hinten am Auto angeschnallt hatte.

„Ich wette, Valeria de Colonna braucht einen Lastwagen für ihr Rokoko-Kostüm und die Perücke…“ giftete Pen als Achille die Koffer montierte.

„Woher weißt du, dass sie ein Rokoko-Kostüm tragen wird?“ wollte Dyle wissen.

„Ihre Lieblingsepoche…“ sagte Pen mit dem Ton einer Wahrsagerin.

„Du hast mir nie genauer erzählt, wie sie zu deiner Lieblingsrivalin geworden ist…“ sagte Corso.

„Valeria de Colonna tauchte auch mal im Studium der Forensik und Pathologie auf, war aber zu wenig begabt dafür. Dafür hat sie jede Menge Rivalitäten geschürt, ehe sie dann in die Rechtswissenschaften weitergezogen ist…“ sagte Pen.

„Verstehe, nun ist sie Anwältin?“ fragte Corso.

„Genau. Leute, die ich vor Gericht bringe, holt sie dann wieder heraus…“ bestätigte Pen.

Um die vielen Baustellen und die gebührenpflichtigen Straßen von Florenz zu vermeiden fuhren Pen, gefolgt von Dyle über den Ponte Santa Trinita und am Palazzo Pitti und den Giardino di Boboli vorbei und über Landstraßen nach Monteripaldi ein und erst von dort bogen sie auf die Schnellstraße A1 ab.

Nach rund 50 Minuten verließen die beiden Autos die A1 bei Ciliegi und kurvten auf der Regionalstraße in den Ort Leccio.

„Es hat schon Vorteile, wenn man die Schleichwege über das Land kennt…“ meinte Pen.

„Vermutlich kennen sie auch die anderen Teilnehmer…“ sagte Corso.

„Wie kommst du darauf?“ fragte Pen.

„Dir sind gewiss die verschiedenen Luxuslimousinen auf der A1 aufgefallen, die an uns vorbeigebraust sind…“ antwortete Corso.

„Oh ja, ein Rolls Royce Silver Cloud, vermutlich Baujahr um 1960 und dahinter ein Rolls Royce Silver Wraith, ebenso ein DeLorean DMC-12…“ sagte Pen, autokundig wie immer.

„Hast du gewusst, dass der Silver Wraith, gebaut nach dem Zweiten Weltkrieg als Nachfolger des Wraith die letzte Serie des Herstellers war, bei welcher Rolls Royce lediglich den Motor und Fahrwerk lieferte, die Karosserieaufbauten aber von verschiedenen unabhängigen Firmen meist nach Kundenwunsch gebaut wurden…?“

Corso verneinte.

Sie kamen an einem hübschen Haus vorbei, das eine etwas verblichene Inschrift trug.

„Das muss das Due Passi dal Castello sein.” sagte Corso.

“Dann müssen wir unmittelbar danach nach rechts abbiegen. “ antwortete Pen.

Die Straße wurde nun schmal, ohne Fußgängerbereich und führte in ein bewaldetes Gebiet.

„Die Gegend scheint nicht sehr bewohnt zu sein.“ stellte Corso fest. Dann endete die geteerte Straße und eine Straßensperre war zu erkennen. Hier lag eine kleine Kirche und das Grab von Fernando Panciatichi Ximenes d'Aragona.

„Hier ist das Grab des Adeligen, welcher mit dem Castello di Sammezzano seinen persönlichen Traum verwirklichte.“ sagte Pen.

„Und eine Personenkontrolle…“ antwortete Corso.

Ein privater Sicherheitsdienst kontrollierte den Zugang zum Anlass im Schloss. Ein Schlagbaum und verschiedene Autos blockierten die Zufahrtsstraße zum Wald.

„Die Monarchistenszene bevorzugt die Diskretion und Anlässe ohne royale Feinde.“ sagte Pen und zeigte die Einladung vor.

Der Sicherheitsbeamte überflog die Einladung, bedankte sich und gab das Zeichen, den Schlagbaum zu öffnen. Anschließend wurde auch Dyle kontrolliert und durchgelassen.

Kurz danach war die Straße, auf der sie fuhren, mehr ein Waldweg, welcher schließlich an einer Bauruine vorbeiführte.

„Was ist denn das für eine Scheußlichkeit?“ fragte Corso.

„Die Ruine eines gescheiterten Hotelprojekts, welches noch im Rohbau aufgegeben wurde.“ sagte Pen.

Nur einen Moment später tauchte das Schloss mit seiner rotbrauen Fassade und der Wiese auf.

„Hier sind wir.“ erklärte Pen.

Die Wiese erinnerte heute an einen Treffpunkt von Autoposern – mit dem Unterschied, dass die Automobile wirklich exklusiv und fantastisch waren. Verschiedene Rolls Royces, ein alter Bristol 400, der DeLorean, der sie auf der Autostraße überholt hatte und ein Ferrari 250 GT Pininfarina…

Als Pen den Ferrari erkannte, wusste sie, dass Valeria de Colonna schon eingetroffen war.

„Ein Wunder, dass sie das Schloss gefunden hat und nicht den halben Nachmittag in der Umgebung herumirrt…“ witzelte sie.

Ebenfalls vor Ort waren einige Sicherheitsbeamte, erkennbar an den Sonnenbrillen und den Jacketts, die vermutlich Schusswaffen verdeckten und ein Cateringdienst mit zahllosen kleinen Lastfahrzeugen.

Inzwischen war auch der BMW Isetta von Dyle angekommen, während Pen den Topolino neben einem ungewöhnlichen Auto parkierte.

„Sieh mal da…“ sagte sie mit freudiger Stimme: „Das müssen Gäste aus Spanien sein – ein Hurtan Albaycin und ein Hurtan T2+2. So etwas Schönes sieht man praktisch nie…“

„Wie bedauerlich, dass die Europäische Union den Benzinmotor verbieten wird…“ meine Dyle, als er zu den beiden hinzutrat.

„Nicht im Ernst?“ sagte Pen mit Entsetzen im Gesicht.

„Leider doch, es wurde beschlossen. Doch die Umsetzung wird ohnehin am Strommangel für Elektroautos scheitern...“ versuchte Dyle zu trösten.

„Wir sind eine aussterbende Spezies…“ meinte Pen.

„Der Adel oder die Benzinauto-Fans?“ fragte Corso.

„Beide.“ antwortete Pen.

„Zumindest in den nächsten Tagen werden wir gut versorgt sein.“ sagte Corso und verwies auf den Catering-und Gäste-Dienst, welcher am schneckenförmigen Aufweg die ankommenden Gäste begrüsste.

Die Firma war mit einem eigenen Wagenpark, bestehend aus Fiat-Transportern und einigen Personenwagen gekommen, alle waren weiß bemalt und mit Firmenlogo versehen. Der Empfang bestand aus eingekleidetem Personal, das Livree, eine Bauta-Maske und eine gepuderte Perücke trug. Man nahm Dyle, Orsini und Corso die Koffer ab und informierte sie darüber, dass die Autos permanent vom Personal bewacht würden.

Sie schritten die Stufen der Eingangsschnecke empor und befanden sich am Eingang der Belle Etage im Atrio delle colonne. Der Raum trug seinen Namen zu Recht. Mehrere Doppelsäulen mit korinthischem Kapitel schmückten den Raum und trugen einen Bogen, welcher in bunten Regenbogenfarben dekoriert war. Hier wurden aufgrund der Einladungen die Zimmer zugewiesen.

„Die Buffets werden im Sala d’ingresso eingenommen, der gleich hinter dem Atrio delle colonne anschließt.“ erklärte die Empfangsdame in elegantem Business-Look.

„Sie müssen Dr. Dyle sein…“ sprach sie den genannten Herrn an. Dyle bejahte.

„Ihr Vortrag wird der Erste sein und findet im Ottagono Dorato in drei Stunden statt. Dann händigte sie den Anwesenden ein Programm des Anlasses inklusive einer Karte des Hauptgeschosses aus.

Pen stellte mit Entzücken fest, dass sich die frühzeitige Beantwortung der Einladung bei der Zimmerzuteilung äußerst vorteilhaft erwiesen hatte. Pen und Achille hatten als Zimmer für die Nacht den Sala dei Pavone zugeteilt bekommen.

„Der Raum ist legendär…“ staunte Pen.

„Ich hoffe, sie mögen seine lebendige Farbigkeit.“ sagte die Dame vom Empfang.

„Vereinfacht gesagt findet der Ball und die sozialen Anlässe im linken Teil des Palastes statt – vom Eingang gesehen. Der Maskenball ist im Sala Bianca, den der Besitzer auch als Ballsaal hatte erbauen lassen. Vorträge, Buffet und Gesprächsrunden werden in den Räumen und Korridoren um den weißen Ballsaal herum stattfinden.“

Auf einem Grundrissplan zeigte die Dame weitere Räume und sagte: „Die Räume und Zimmer zur rechten Seite des Eingangs dienen der Unterbringung der Gäste.“

Corso und Orsini stellten fest, dass die Zimmer nummeriert und mit den Namen der Gäste versehen waren.

Dann zeigte die Empfangsdame auf die Struktur im Inneren des Palastes, welche als Capella angeschrieben war.

„Am Sonntagmorgen wird in der Capella zudem ein Gottesdienst gefeiert.“ erklärte die Empfangsdame elegant.

Danach brachten die Mitarbeiter des Cateringservice die drei neuen Gäste zu ihren Räumen.

Dyle entschuldigte sich, da er nur schnell sein Zimmer beziehen und dann umgehend den Vortrag im goldenen Oktagonalraum einrichten wollte.

Giacomo Emmanuele Filiberto Gustavo Marchese de Spinola d’Este, der Hauptorganisator eröffnete zur Mittagsstunde den Anlass. Corso fand, der Markgraf entspräche genau dem Bild des kultivierten Adeligen. Der Mann war schätzungsweise sechzig Jahre alt, die Haare dunkel – vermutlich gefärbt – und der Hautteint war so blass und aristokratisch wie derjenige von Corsos Verlobter, Pentesilea Orsini. Zudem war der Marchese großgewachsen und hätte problemlos die Titelrolle in einem Vampirfilm erlangen können. Ein waschechter Adeliger, sozusagen.

„Ich glaube, er ist der Besitzer des Rolls Royce Silver Wraith, der uns auf der Schnellstraße überholt hat…“ flüsterte Pen zu Dyle, der neben ihr stand.

„Ein Ball ist eine Demonstration der Macht.“ verkündete Nicolo, der Marchese, Mitorganisator des Krönungsballs.

Pen amüsierte sich, denn der wahrhaftige Hochadel war heute in London, ebenso die wirklich mächtigen Männer dieser Welt.

„Der Ball sorgt dafür, dass die herrschende Klasse die herrschende Klasse bleibt.“ flüsterte Pen zu Achille.

„…oder wieder werden will.“ antwortete Achille so leise, dass außer Pen niemand es hören konnte.

„Und es sieht so aus, dass keiner der Gäste bei Debit Suisse sein Geld gehabt hatte – und sie alle den Finanzplatzsturm im März unbeschadet überlebt haben…“ meinte Pentesilea zufrieden.

„Wie kommst du darauf?“ fragte Achille.

„Die Limousinen und Sportwagen, die hier parkiert sind.“

Kurz vor dem ersten Vortrag wurden erste Sandwiches im italienischen Stil und Mineralwasser gereicht.

Der Vortrag von Dyle

I would rather be ruled by people who think they're going to fry in Hell forever if they rule me poorly, than by people for whom I'm merely a convenient economic siphon who can be milked like a cow - Charles A. Coulombe 9