Der leere Thron - Bernard Cornwell - E-Book
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Der leere Thron E-Book

Bernard Cornwell

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Beschreibung

Auf Æthelreds Thron ruhte ein kunstvoll verzierter Helm. In früheren Zeiten trugen Könige keine Krone, immer nur den Helm. Wem war er nun bestimmt? In langen Kämpfen haben die vereinten Heere der Angelsachsen die Dänen zurückgedrängt. Doch die tödliche Gefahr aus dem Norden hängt weiter über den englischen Königreichen. Und nun liegt Æthelred, Herrscher von Mercien, im Sterben. Wie soll sein Land die Unabhängigkeit vom benachbarten Wessex wahren? Im Kampf um die Nachfolge hält der Krieger Uhtred treu zu Æthelflæd, seiner Herrin und heimlichen Geliebten, Æthelreds Weib. Aber werden die führenden Männer des Reiches eine Frau auf dem mercischen Thron akzeptieren – und sei sie noch so halsstarrig und so tapfer wie diese? «Der ideen- und erfolgreichste Autor historischer Romane, den die Welt zurzeit kennt.» (Wall Street Journal)

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Seitenzahl: 542

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Bernard Cornwell

Der leere Thron

Historischer Roman

Aus dem Englischen von Karolina Fell

Ihr Verlagsname

Über dieses Buch

Auf Æthelreds Thron ruhte ein kunstvoll verzierter Helm. In früheren Zeiten trugen Könige keine Krone, immer nur den Helm. Wem war er nun bestimmt?

 

In langen Kämpfen haben die vereinten Heere der Angelsachsen die Dänen zurückgedrängt. Doch die tödliche Gefahr aus dem Norden hängt weiter über den englischen Königreichen. Und nun liegt Æthelred, Herrscher von Mercien, im Sterben. Wie soll sein Land die Unabhängigkeit vom benachbarten Wessex wahren? Im Kampf um die Nachfolge hält der Krieger Uhtred treu zu Æthelflæd, seiner Herrin und heimlichen Geliebten, Æthelreds Weib. Aber werden die führenden Männer des Reiches eine Frau auf dem mercischen Thron akzeptieren – und sei sie noch so halsstarrig und so tapfer wie diese?

 

Über Bernard Cornwell

Bernard Cornwell, geboren 1944, machte nach dem Studium Karriere bei der BBC, doch nach seiner Übersiedlung in die USA entschloss er sich, einem langgehegten Wunsch nachzugehen, dem Schreiben. Im englischen Sprachraum gilt er als unangefochtener König des historischen Abenteuerromans. Seine Werke wurden in über 20 Sprachen übersetzt – Gesamtauflage: mehr als 20 Millionen.

 

«Die Meisterschaft, mit der Cornwell historische Fakten und die Machtkämpfe der Epoche mit einer packenden Erzählung verbindet, ist einzigartig.» (Guardian)

 

Weitere Veröffentlichungen:

Die Uhtred-Serie:

Band 1: Das letzte Königreich

Band 2: Der weiße Reiter

Band 3: Die Herren des Nordens

Band 4: Schwertgesang

Band 5: Das brennende Land

Band 6: Der sterbende König

Band 7: Der Heidenfürst

 

Die Artus-Chroniken:

Band 1: Der Winterkönig

Band 2: Der Schattenfürst

Band 3: Arthurs letzter Schwur

 

Die Bücher vom Heiligen Gral:

Band 1: Der Bogenschütze

Band 2: Der Wanderer

Band 3: Der Erzfeind

 

Die Starbuck-Chroniken:

Band 1: Der Rebell

Band 2: Der Verräter

Band 3: Der Gegner

 

Sowie

Das Zeichen des Sieges

Stonehenge

Das Fort

1356

 

Gemeinsam mit seiner Frau Judy hat Bernard Cornwell unter dem Pseudonym «Susannah Kells» zwei weitere historische Romane verfasst:

 

Das Hexen-Amulett

Die dunklen Engel

 

Weitere Informationen zum Autor

Inhaltsübersicht

WidmungKarteOrtsnamenPrologErster Teil Der sterbende HerrEinsZweiDreiZweiter Teil Die Herrin von MercienVierFünfSechsSiebenDritter Teil Der Gott des KriegesAchtNeunZehnElfZwölfNachwort des AutorsLeseprobe: Die dunklen KriegerErster Teil Flammen auf dem Fluss

Für Peggy Davis

Ortsnamen

Die Schreibung der Ortsnamen im angelsächsischen England war eine unsichere und regellose Angelegenheit, in der nicht einmal über die Namen selbst Übereinstimmung herrschte. London etwa wurde abwechselnd als Lundonia, Lundenberg, Lundenne, Lundene, Lundenwic, Lundenceaster und Lundres bezeichnet. Zweifellos hätten manche Leser andere Varianten der Namen vorgezogen, die unten aufgelistet sind, doch ich habe mich in den meisten Fällen nach den Schreibungen gerichtet, die entweder im Oxford Dictionary of English Place-Names oder im Cambridge Dictionary of English Place-Names für die Jahre um die Herrschaft Alfreds von 871 bis 899 zu finden sind. Doch selbst diese Lösung ist nicht narrensicher. So wird die Insel Hayling im Jahr 956 sowohl Heilincigae als auch Hæglingaiggæ geschrieben. Auch bin ich selbst nicht immer konsequent geblieben; ich habe die moderne Bezeichnung Northumbrien dem älteren Norðhymbralond vorgezogen, weil ich den Eindruck vermeiden wollte, dass die Grenzen des alten Königreiches mit denjenigen des modernen Countys identisch sind. Aus all diesen Gründen folgt die untenstehende Liste ebenso unberechenbaren Regeln wie die Schreibung der Ortsnamen selbst.

Abergwaun

Fishguard, Pembrokeshire

Alencestre

Alcester, Warwickshire

Beamfleot

Benfleet, Essex

Bebbanburg

Bamburgh Castle, Northumberland

Brunanburh

Bromborough, Cheshire

Cadum

Caen, Normandie

Ceaster

Chester, Cheshire

Cirrenceastre

Cirencester, Gloucestershire

Cracgelad

Cricklade, Wiltshire

Cumbrien

Cumberland

Defnascir

Devonshire

Eoferwic

York, Yorkshire

Eveshomme

Evesham, Worcestershire

Fagranforda

Fairford, Gloucestershire

Fearnhamme

Farnham, Surrey

Gleawecestre

Gloucester, Gloucestershire

Lundene

London

Lundi

Insel Lundy, Devon

Mærse

Fluss Mersey

Neustria

Westlichster Teil des Frankenreichs, einschließlich der Normandie

Sæfern

Fluss Severn

Scireburnan

Sherborne, Dorset

Sealtwic

Droitwich, Worcestershire

Teotanheale

Tettenhall, West Midlands

Thornsæta

Dorset

Tyddewi

St. Davids, Pembrokeshire

Wiltunscir

Wiltshire

Wintanceaster

Winchester, Hampshire

Wirhealum

Halbinsel Wirral, Cheshire

Prolog

Mein Name ist Uhtred. Ich bin der Sohn Uhtreds, der ein Sohn Uhtreds war, und auch sein Vater hieß Uhtred. Mein Vater schrieb seinen Namen solcherart: Uhtred, aber ich habe auch die Schreibungen Utred, Ughtred und sogar Ootred gesehen. Einige dieser Namen stehen auf alten Pergamenten, die erklären, dass Uhtred, der Sohn Uhtreds und Enkel Uhtreds, der rechtmäßige, einzige und immerwährende Besitzer des Gebietes ist, das säuberlich von Steinen und Deichen bezeichnet wird, von Eichen und Eschen, vom Marschland und der See. Dieses Gebiet liegt im Norden des Landes, das nun bei uns Englaland heißt. Es sind wellenzerklüftete Breiten unter einem windgepeitschten Himmel. Es ist das Land, das wir Bebbanburg nennen.

Ich habe Bebbanburg erst als Erwachsener gesehen, und als wir seine hohen Befestigungswälle zum ersten Mal angriffen, sind wir gescheitert. Damals regierte der Cousin meines Vaters die mächtige Festung. Sein Vater hatte sie meinem Vater geraubt. Es war eine Blutfehde. Die Kirchenmänner versuchten, die Fehde zu beenden, indem sie sagten, der Gegner aller sächsischen Christen sei der heidnische Nordmann, ganz gleich, ob Däne oder Norweger, doch mein Vater hat mich auf die Fehde eingeschworen. Hätte ich den Schwur abgelehnt, dann hätte er mich enterbt, genau wie er meinen älteren Bruder enterbt und verleugnet hat. Nicht weil sich mein Bruder nicht an der Fehde beteiligen wollte, sondern weil er ein christlicher Priester geworden ist. Mir wurde einst der Name Osbert gegeben, aber als mein älterer Bruder Priester wurde, bekam ich seinen Namen. Mein Name ist Uhtred von Bebbanburg.

Mein Vater war ein Heide, ein Kriegsherr und furchteinflößend. Er hat mir oft erzählt, dass ihm sein eigener Vater Furcht einflößte, aber das kann ich nicht glauben, denn nichts schien ihn ängstigen zu können. Viele Leute behaupten, unser Land würde jetzt Daneland heißen und wir würden Thor und Wotan anbeten, wenn es meinen Vater nicht gegeben hätte, und das ist wahr. Wahr und seltsam, denn er hasste den Christengott, nannte ihn den ‹angenagelten Gott›, und dennoch verbrachte er den größten Teil seines Lebens damit, gegen die Heiden zu kämpfen. Die Kirche gibt nicht zu, dass Englaland durch meinen Vater entstanden ist, behauptet, es sei von christlichen Kriegern erobert und geformt worden, doch das Volk von Englaland kennt die Wahrheit. Mein Vater hätte Uhtred von Englaland heißen sollen.

Im Jahre unseres Herrn 911 jedoch gab es kein Englaland. Es gab Wessex und Mercien und Ostanglien und Northumbrien, und als der Winter in diesem Jahr von einem trübseligen Frühling abgelöst wurde, befand ich mich an der Grenze von Mercien und Northumbrien in dem dichtbewaldeten Gebiet nördlich des Flusses Mærse. Wir waren achtunddreißig Mann, alle beritten, und wir alle warteten unter den winterkahlen Ästen eines Hochwaldes. Unterhalb von uns lag ein Tal, in dem ein schmaler, schneller Strom Richtung Süden floss und in dessen tiefverschatteten Senken Frost hing. Das Tal war menschenleer, doch kurz zuvor waren etwa fünfundsechzig Reiter dem Strom nach Süden gefolgt und dann dort verschwunden, wo das Tal und sein Strom eine scharfe Kehre nach Westen machten. «Jetzt kann es nicht mehr lange dauern», sagte Rædwald.

Diese Worte waren nur der Anspannung geschuldet, und ich sagte nichts darauf. Auch ich war angespannt, aber ich versuchte, es nicht zu zeigen. Stattdessen stellte ich mir vor, was mein Vater getan hätte. Er hätte vorgebeugt im Sattel gesessen, bewegungslos und mit finsterem Blick, und so beugte ich mich im Sattel vor und starrte unentwegt in das Tal. Dann berührte ich das Heft meines Schwertes.

Die Klinge hieß Rabenschnabel. Ich nehme an, dass sie früher einen anderen Namen hatte, denn sie gehörte einst Sigurd Thorrson, und er musste ihr einen Namen gegeben haben, aber ich habe nie herausgefunden, welchen. Zuerst dachte ich, das Schwert heiße Vlfberht, denn dieser merkwürdige Name war in großen Buchstaben in die Klinge eingeritzt. Es sah so aus:

Aber Finan, der Freund meines Vaters, hat mir erklärt, dass Vlfberht der Name des fränkischen Schmiedes ist, der die Waffe gemacht hat, und dass er die besten und kostspieligsten Klingen in der gesamten Christenheit macht, und es muss sich um die Christenheit handeln, denn Vlfberht stellt das Kreuz vor und in seinen Namen. Ich habe Finan gefragt, wie wir Vlfberht ausfindig machen können, um noch mehr Schwerter zu kaufen, aber Finan sagt, er ist ein Magierschmied, der im Verborgenen arbeitet. Ein Hufschmied lässt seine Esse über Nacht allein, und wenn er am Morgen zurückkommt, stellt er fest, dass Vlfberht in der Schmiede war und ein Schwert hinterlassen hat, das im Höllenfeuer geschmiedet und mit Drachenblut gelöscht wurde. Ich habe die Waffe Rabenschnabel genannt, weil Sigurds Banner einen Raben zeigte. Sie war das Schwert, das Sigurd trug, als er gegen mich kämpfte und mein Skramasax seinen Bauch aufriss. Ich erinnere mich sehr gut an diesen Hieb, erinnere mich daran, wie der Widerstand seines guten Kettenhemdes unvermittelt nachgab, und an den Ausdruck in seinen Augen, als er begriff, dass er starb, und an das Hochgefühl, das in mir aufstieg, als ich den Sax seitwärtsriss, damit der Lebenssaft aus ihm herauslief. Das war im Jahr zuvor bei der Schlacht von Teotanheale geschehen, durch die wir die Dänen aus dem Kernland Merciens vertrieben, dieselbe Schlacht, in der mein Vater Cnut Ranulfson tötete, aber als er Cnut tötete, war er von Cnuts Schwert Eisrache verwundet worden.

Rabenschnabel war ein gutes Schwert. Ich hielt es sogar für besser als Schlangenhauch, die Waffe meines Vaters. Es hatte eine lange Klinge, war aber erstaunlich leicht, und andere Schwerter zerbrachen an seiner Schneide. Es war ein Kriegerschwert, und ich trug es an diesem Tag, im Hochwald über dem frostigen Tal, in dem der Fluss dahineilte. Ich trug Rabenschnabel und meinen Sax, Attor. Attor bedeutet Arglist, und diese Klinge war ein Kurzschwert, gut für die Arbeit in einem enggedrängten Schildwall. Sie stach zu, und es war ihre Arglist, die Sigurd getötet hatte. Und ich trug meinen Rundschild, auf den der Wolfskopf gemalt war, das Erkennungszeichen unserer Familie. Ich trug meinen Helm mit dem Wolfskopf auf dem Kamm und ein fränkisches Kettenhemd über einem Lederwams und darüber einen Umhang aus Bärenfell. Ich bin Uhtred Uhtredson, der wahre Herr von Bebbanburg, und an diesem Tag war ich angespannt.

Ich führte den Kampftrupp an. Ich war gerade einundzwanzig Jahre, und einige der Männer hinter mir waren beinahe doppelt so alt und um ein Vielfaches erfahrener, aber ich war der Sohn Uhtreds, eines Herrn, und deshalb hatte ich den Befehl. Die meisten Männer standen im Schutz der Bäume, nur Rædwald und Sihtric waren bei mir. Beide waren älter, und beide waren mitgeschickt worden, um mir ihren Rat anzubieten, oder besser gesagt, um mich von eigensinnigen Dummheiten abzuhalten. Ich kannte Sihtric schon immer, er war einer der Vertrauten meines Vaters, während Rædwald als Krieger in den Diensten der Herrin Æthelflæd stand. «Vielleicht kommen sie nicht», sagte er. Er war ein zuverlässiger Mann, achtsam und vorsichtig, und ich vermutete halb, er würde darauf hoffen, dass der Gegner nicht auftauchte.

«Sie kommen», knurrte Sihtric.

Und sie kamen. Sie kamen von Norden, sie waren schnell, ein Schwarm Berittener mit Schilden, Speeren, Äxten und Schwertern. Norweger. Ich beugte mich im Sattel vor, versuchte die Reiter zu zählen, die am Fluss entlanggaloppierten. Drei Schiffsmannschaften? Wenigstens hundert Mann, und Haki Grimmson war bei ihnen, zumindest war sein Schiffsbanner dabei.

«Einhundertzwanzig», sagte Sihtric.

«Mehr», sagte Rædwald.

«Einhundertzwanzig», beharrte Sihtric entschieden.

Einhundertzwanzig Reiter verfolgten die fünfundsechzig, die kurz zuvor durch das Tal geritten waren. Einhundertzwanzig Mann folgten Haki Grimmsons Banner, das ein rotes Schiff auf einer weißen See zeigen sollte, doch das rote Färbemittel auf der Wolle war bräunlich ausgelaufen und befleckte die weiße See, sodass es aussah, als würde das Schiff mit dem hohen Bug bluten. Der Standartenträger ritt hinter einem großen Mann auf einem wuchtigen schwarzen Pferd, und in diesem großen Mann vermutete ich Haki. Er war ein Norweger, der sich in Irland niedergelassen, von dort aus nach Britannien übergesetzt und Land nördlich der Mærse gefunden hatte und der nun glaubte, mit Raubzügen ins südliche Mercien reich werden zu können. Er hatte Sklaven genommen, Vieh und Grundstücke, er hatte selbst die römischen Befestigungsanlagen von Ceaster angegriffen, auch wenn dieser Angriff ohne Schwierigkeiten von der Garnison der Herrin Æthelflæd abgewehrt worden war. Er war, kurz gesagt, eine Plage, und das war der Grund, aus dem wir uns nördlich der Mærse befanden, verborgen unter winterkahlen Bäumen, und beobachteten, wie sein Kampftrupp mit trommelndem Hufschlag auf dem gefrorenen Weg am Fluss entlang nach Süden ritt.

«Wir sollten …», begann Rædwald.

«Noch nicht», unterbrach ich ihn. Ich berührte Rabenschnabel, um sicher zu sein, dass die Klinge leicht aus der Scheide gleiten würde.

«Noch nicht», stimmte mir Sihtric zu.

«Godric!», rief ich, und mein Diener, ein zwölfjähriger Junge namens Godric Grindanson, galoppierte von dort heran, wo meine Männer warteten. «Speer», sagte ich.

«Herr», sagte er und reichte mir den neun Fuß langen Eschenstab mit der schweren eisernen Speerspitze.

«Du reitest hinter uns», erklärte ich Godric, «und zwar ein gutes Stück hinter uns. Hast du das Horn?»

«Ja, Herr.» Er hielt das Horn in die Höhe, um es mir zu zeigen. Der Klang des Horns würde die fünfundsechzig Reiter zu Hilfe rufen, wenn es schiefging, allerdings bezweifelte ich, dass sie uns eine große Hilfe sein konnten, wenn mein kleiner Kampfverband von Hakis erbarmungslosen Reitern angegriffen würde.

«Wenn sie absteigen», sagte Sihtric zu dem Jungen, «dann hilfst du, ihre Pferde wegzutreiben.»

«Ich sollte aber in der Nähe …», begann Godric, der offenkundig geltend machen wollte, dass er an meiner Seite bleiben und so am Kampf teilnehmen sollte, aber er unterbrach sich unvermittelt, weil ihm Sihtric den Handrücken ins Gesicht schlug.

«Du hilfst, die Pferde wegzutreiben», knurrte Sihtric.

«Gewiss», sagte der Junge. Seine Lippe blutete.

Sihtric löste die Schnalle an seiner Schwertscheide. Als Junge war er der Diener meines Vaters gewesen, und zweifellos hatte er damals selbst an der Seite der erwachsenen Männer kämpfen wollen, doch es gab für einen Jungen keinen schnelleren Weg in den Tod, als zu versuchen, gegen einen schlachtenerfahrenen Norweger zu kämpfen. «Sind wir bereit?», ermunterte er mich.

«Lasst uns die Bastarde töten», sagte ich.

Hakis Kampfverband war nach Westen abgeschwenkt und außer Sicht geritten. Die Männer folgten dem Strom, der etwa zwei Meilen hinter der scharfen Kehre westwärts in einen Zufluss der Mærse einmündete. An diesem Zusammenfluss gab es einen niedrigen Berg, kaum mehr als ein langer, grasbewachsener Hügel, wie die Gräber, die vom alten Volk überall im Land angelegt worden waren, und dort war die Stelle, an der Haki sterben oder besiegt werden würde, was im Grunde auf dasselbe herauskam.

Wir ritten in leichtem Galopp den Abhang hinunter, sehr eilig hatte ich es nicht, denn ich wollte nicht, dass sich Hakis Männer umdrehten und uns entdeckten. Wir erreichten den Fluss und wandten uns südwärts. Wir hetzten uns nicht, stattdessen wurde ich langsamer, während Sihtric als Späher vorausritt. Ich beobachtete, wie er abstieg, nachdem er eine Stelle gefunden hatte, von der aus er Richtung Westen schauen konnte. Er ging in die Hocke und hob eine Hand, um uns zu warnen, und es dauerte eine Zeitlang, bis er zu seinem Pferd zurückrannte und uns weiterwinkte. Er grinste, als wir bei ihm ankamen. «Sie haben ein Stück weiter das Tal hinunter angehalten», sagte er mit einem Zischen in der Stimme, weil ihm ein dänischer Speer in der Schlacht von Teotanheale den Vorderzahn ausgeschlagen hatte, «und ihre Schilde heruntergenommen.» Als sie unterhalb von uns vorbeigeritten waren, hatten ihre Schilde über ihren Rücken gehangen, doch Haki rechnete offenbar am Ende des Tales mit Ärger und hatte seinen Männern daher Zeit gegeben, sich auf einen Kampf vorzubereiten. Wir trugen unsere Schilde schon am Arm.

«Wenn sie das Ende des Tales erreicht haben, werden sie absteigen», sagte ich.

«Und einen Schildwall aufstellen», sagte Sihtric.

«Also haben wir es nicht eilig», beendete ich den Gedanken und grinste.

«Aber sie haben es möglicherweise eilig», gab Rædwald zu bedenken. Er machte sich Sorgen darüber, dass der Kampf ohne uns beginnen könnte.

Ich schüttelte den Kopf. «Die werden von fünfundsechzig Sachsen erwartet», erklärte ich, «und Haki ist vielleicht in der Überzahl, aber er wird trotzdem vorsichtig sein.» Der Norweger hatte nahezu zweimal so viele Männer wie die wartenden Sachsen, aber diese Sachsen befanden sich auf einem Hügel und hatten ihren Schildwall schon aufgestellt. Haki würde seine Einheiten ein gutes Stück entfernt absitzen lassen müssen, damit er nicht angegriffen wurde, während seine Männer ihren Schildwall formierten, und erst wenn sie aufgestellt und die Pferde sicher weggeführt waren, würde er vorrücken, und dieser Vormarsch würde langsam vor sich gehen. Es erfordert enormen Mut, im Schildwall zu kämpfen, wo man den Atem seines Gegners riechen kann und die Klingen niederfahren und zustechen. Er würde langsam vorrücken, auf seine Überzahl vertrauend, aber dennoch vorsichtig, für den Fall, dass die wartenden Sachsen einen Hinterhalt geplant hatten. Haki konnte es sich nicht leisten, Männer zu verlieren. Er mochte davon ausgehen, dass er den Kampf an der Einmündung des kleineren in den größeren Fluss gewinnen könnte, aber er wäre dennoch auf der Hut.

Die irischen Norweger begannen, sich in Britannien auszubreiten. Finan, der Weggefährte meines Vaters, behauptete, die Angehörigen der irischen Stämme seien zu schwere Gegner und deshalb würden die Norweger an die Ostküste Irlands abgedrängt. Doch auf dieser Seite des Meeres, dem Gebiet nördlich der Mærse und südlich der schottischen Königreiche, lag wildes, ungezähmtes Land, und so kreuzten sie mit ihren Schiffen über die Wogen, um sich in den Tälern Cumbriens niederzulassen. Cumbrien war genau genommen ein Teil Northumbriens, doch der dänische König in Eoferwic hieß die Neuankömmlinge willkommen. Die Dänen fürchteten die wachsende Macht der Sachsen, und die irischen Norweger waren erbarmungslose Kämpfer, die bei der Verteidigung des dänisch besetzten Landes helfen konnten. Haki war lediglich als Letzter eingetroffen und hatte vorgehabt, sich auf Merciens Kosten zu bereichern, und deshalb waren wir geschickt worden, um ihn zu vernichten. «Denkt daran!», rief ich meinen Männern zu. «Es darf nur einer von ihnen überleben!»

Einen am Leben lassen, das war immer der Ratschlag meines Vaters gewesen. Lasst einen Mann die schlechten Nachrichten nach Hause tragen, um dort die anderen in Angst und Schrecken zu versetzen. Allerdings vermutete ich, dass Hakis sämtliche Männer mitgekommen waren, was bedeutete, dass der Überlebende, falls es einen gab, die Nachricht von der Niederlage nur an Witwen und Waisen überbringen würde. Die Priester erklären uns, wir sollen unsere Feinde lieben, aber keine Nachsicht mit ihnen haben, und Haki hatte auch keine verdient. Er hatte rund um Ceaster Raubzüge unternommen, und die Garnison dort, die zwar die Wälle verteidigen konnte, aber nicht groß genug war, um gleichzeitig einen Kampfverband über die Mærse zu schicken, hatte um Unterstützung gebeten. Diese Unterstützung waren wir, und jetzt ritten wir westwärts an dem Fluss entlang, der breiter und seichter wurde, weil er nicht mehr über Felsen strömte. Verkrüppelte Erlen standen dicht an dicht, die kahlen Äste vom immerwährenden Wind der fernen See ostwärts gekrümmt. Wir kamen an einem niedergebrannten Bauernhof vorbei, von dem nichts weiter übrig war als die rußgeschwärzten Steine einer Feuerstelle. Es war das südlichste von Hakis Gehöften gewesen und das erste, das wir angegriffen hatten. In den zwei Wochen, seit wir nach Ceaster gekommen waren, hatten wir ein Dutzend seiner Niederlassungen verbrannt, seine Rinder dutzendweise mitgenommen, seine Leute getötet und seine Kinder versklavt. Und jetzt glaubte er, uns in die Falle gelockt zu haben.

Die Bewegung meines Hengstes ließ das schwere Goldkreuz, das ich um den Hals trug, vor meiner Brust tanzen. Ich blickte nach Süden, wo die Sonne als wolkenverhangene Silberscheibe an einem blassen Himmel hing, und betete im Stillen zu Wotan. Ich bin ein halber Heide, mag sein auch weniger als halb, aber bekanntermaßen hatte selbst mein Vater gelegentlich zum Christengott gebetet. «Es gibt viele Götter», hatte er mir oft erklärt, «und man weiß nie, welcher gerade wach ist, also betest du zu allen.»

Daher betete ich zu Wotan. Ich bin von deinem Geblüt, erklärte ich ihm, also beschütze mich, und ich war in der Tat von seinem Geblüt, denn unsere Familie stammt von Wotan ab. Er war auf die Erde gekommen und hatte mit einer Menschenfrau geschlafen, aber das war, lange bevor unser Volk übers Meer fuhr, um Britannien einzunehmen. «Er hat nicht mit einer Menschenfrau geschlafen», konnte ich die höhnische Stimme meines Vaters hören, während ich ritt, «er hat sie ordentlich durchgevögelt, und dabei schläft man nicht.» Ich fragte mich, warum die Götter nicht mehr auf die Erde kamen. Es hätte den Glauben so viel einfacher gemacht.

«Nicht so schnell!», rief Sihtric, und ich blieb stehen, in Gedanken noch bei Göttern, die Mädchen bespringen, als ich sah, dass drei von unseren jüngeren Männern vorausgaloppiert waren. «Lasst euch zurückfallen», rief Sihtric, dann grinste er mich an. «Ist nicht mehr weit, Herr.»

«Wir sollten Späher losschicken», sagte Rædwald.

«Sie hatten genug Zeit», sagte ich, «wir reiten weiter.»

Ich wusste, dass Haki absitzen lassen würde, um den Schildwall anzugreifen. Pferde greifen keinen Schildwall an, sie scheren zur Seite aus, also würden Hakis Männer einen eigenen Schildwall aufstellen, um die Sachsen anzugreifen, die auf dem langgezogenen niedrigen Hügel warteten. Aber wir würden von hinten kommen, und auf die Rückseite eines Schildwalls, die nie so eng aufgestellt ist wie die erste Reihe, kann man einen Angriff zu Pferd führen. Die erste Reihe ist eine Mauer aus überlappenden Schilden und blitzenden Waffen, in der hintersten Reihe aber brechen Furcht und Schrecken zuerst aus.

Wir wendeten uns etwas nach Norden, erreichten einen Bergsporn, und da waren sie. Helle Sonnenstrahlen fielen schräg durch eine Wolkenlücke, beleuchteten die christlichen Banner auf dem Hügelrücken und ließen die Klingen funkeln, die dort bereitgehalten wurden. Fünfundsechzig Mann, nur fünfundsechzig, ein eng aufgestellter, zweireihiger Schildwall auf der Hügelkuppe unter den Kreuzesbannern, und zwischen ihnen und uns war Hakis Schildwall, der sich noch formierte, und am dichtesten bei uns und zu unserer Rechten waren seine Pferde, die von Jungen bewacht wurden. «Rædwald», sagte ich, «drei Mann, um die Pferde wegzutreiben.»

«Herr», bestätigte er den Befehl.

«Geh mit ihnen, Godric!», rief ich meinem Diener zu, dann hob ich den schweren Eschenschaft meines Speeres. Die Norweger hatten uns noch immer nicht gesehen. Sie wussten nur, dass ein mercischer Stoßtrupp tief in Hakis Gebiet eingedrungen war, und die Norweger hatten diesen Stoßtrupp verfolgt und wollten ihn niedermachen, doch jetzt würden sie feststellen, dass sie in die Falle gelockt worden waren. «Tötet sie!», rief ich und drückte meinem Pferd die Sporen in die Flanken.

Tötet sie. Davon singen die Dichter. Abends im Palas, wenn sich der Rauch aus der Feuerstelle um die Deckenbalken verdichtet und die Ale-Hörner gefüllt sind und der Harfenist die Saiten zupft, werden die Lieder von der Schlacht gesungen. Es sind die Lieder unserer Familie, unseres Volkes, und auf diese Art erinnern wir uns an die Vergangenheit. Wir bezeichnen Dichter als Scops, und Scop heißt jemand, der Dingen Gestalt verleiht, und ein Dichter verleiht unserer Vergangenheit Gestalt, damit wir uns an die Ruhmestaten unserer Vorfahren erinnern und daran, wie sie uns Land verschafft haben und Frauen und Vieh und Ansehen. Es würde kein norwegisches Lied über Haki geben, dachte ich, sondern ein sächsisches Lied über einen sächsischen Sieg.

Und wir griffen an. Den Speer fest im Griff, den Schild nah am Körper, und Hearding, mein Pferd, ein tapferes Tier, ließ seine harten Hufe auf die Erde trommeln, und zu meiner Rechten und Linken galoppierten Pferde, Speere wurden niedrig gehalten, Pferdeatem dampfte, und der Gegner drehte sich überrascht um, und die Männer hinten im Schildwall wussten nicht, was sie tun sollten. Einige rannten zu ihren Pferden, andere versuchten, einen neuen Schildwall zu formieren, um sich uns entgegenzustellen, und ich sah die Lücken, die sich in ihrer Reihe auftaten, und wusste, dass sie schon so gut wie tot waren. Hinter ihnen, auf dem Hügel, holten die bereitstehenden sächsischen Krieger ihre eigenen Pferde herbei, doch den Anfang dieser Schlacht würden wir machen.

Und das taten wir.

Ich heftete meinen Blick auf einen großen Mann mit schwarzem Bart, der ein gutes Kettenhemd und einen mit Adlerfedern gekrönten Helm trug. Er rief etwas, offenbar um Männer an seine Seite zu holen, damit sie ihre Schilde an seinen anschlossen, auf den ein Adler mit ausgebreiteten Schwingen gemalt war, doch dann sah er meinen Blick, erkannte sein Schicksal und wappnete sich mit erhobenem Schild und zurückgezogenem Schwert, und ich wusste, dass er auf Hearding zielen würde, in der Hoffnung, meinem Pferd die Augen auszustechen oder die Zähne zu zerschmettern. Greif immer das Pferd an, nicht den Reiter. Verwunde oder töte das Pferd und der Reiter wird zum Opfer, und der Schildwall brach, löste sich in kopfloser Furcht auf, und ich hörte die Rufe, als Männer versuchten, die Flüchtenden wieder zu sammeln, und ich lenkte meine Kraft in den Speer, richtete ihn aus, und dann drückte ich Hearding mein linkes Knie in die Flanke, und er schwenkte zur Seite, als der Mann mit dem schwarzen Bart sein Schwert herumschwang. Sein Hieb fuhr über Heardings Brust, ein wilder Vorstoß, der Blut fließen ließ, aber es war kein tödlicher Schlag, kein gefährlicher Schnitt, und mein Speer durchdrang seinen Schild, brachte die Weidenbretter zum Splittern und stieß weiter durch sein Kettenhemd vor. Ich spürte, wie die Klinge sein Brustbein zerschmetterte, und ich ließ den Eschenschaft los und zog Rabenschnabel und lenkte Hearding herum, um das Schwert einem anderen Mann ins Rückgrat zu stoßen. Die von einem Zauberer gefertigte Klinge drang durch das Kettenhemd wie durch Baumrinde. Hearding galoppierte zwischen zwei Männer, warf sie beide zu Boden, und wir drehten wieder um, und das gesamte Feld war ein Durcheinander aus angsterfüllten Männern, zwischen denen todbringende Reiter galoppierten, und noch mehr Reiter kamen von dem Hügel, unser gesamter Kampfverband tötete und brüllte, und über unseren Köpfen wehten die Banner. «Merewalh!», erklang eine hohe, schneidende Stimme. «Halt die Pferde auf.»

Ein paar Norweger hatten ihre Pferde erreicht, aber Merewalh, ein starker Kämpfer, führte einen Trupp Männer an, die sie töten sollten. Haki lebte noch, war inzwischen von dreißig oder vierzig seiner Männer umringt, die aus ihren Schilden eine Abschirmung um ihren Herrn gebildet hatten, und diese Männer konnten nur zusehen, wie ihre Gefährten niedergemacht wurden. Doch auch einige unserer Männer waren zu Boden gegangen. Ich sah drei reiterlose Pferde und ein sterbendes Pferd, das mit schlagenden Hufen in einem blutigen Gemisch lag. Ich ritt darauf zu und schlug einen Mann nieder, der gerade taumelnd auf die Füße gekommen war. Er war halb betäubt, und ich betäubte ihn mit einem Hieb auf seinen Helm noch mehr, sodass er erneut zusammenbrach, und zu meiner Linken brüllte ein Mann, der beidhändig eine Axt schwang, und Hearding drehte sich weg, geschmeidig wie eine Katze, und der Axthieb glitt an meinem Schild ab, wir drehten uns abermals, und Rabenschnabel stieß ein einziges Mal zu, und ich sah hellrotes Blut. Ich schrie wie im Rausch, brüllte meinen Namen, weil die Gefallenen wissen sollten, wer sie in den Tod geschickt hatte.

Ich galoppierte weiter, das Schwert gesenkt, auf der Suche nach dem weißen Pferd namens Gast, und entdeckte es fünfzig oder sechzig Schritt entfernt. Sein Reiter hielt mit dem Schwert in der Hand auf Hakis schildbewehrten Resttrupp zu, doch drei andere Pferde liefen Gast in den Weg, um den Reiter aufzuhalten. Dann musste ich Gast augenblicklich vergessen, weil ein Mann mit einem Überkopfschlag seines Schwertes gegen mich ausgeholt hatte. Der Mann hatte seinen Helm verloren, und sein halbes Gesicht war blutverschmiert. Noch mehr Blut sah ich aus seiner Hüfte sickern, doch er war grimmig, entschlossen, kampfgestählt und kündigte mir brüllend meinen Tod an, als er zuschlug, und ich fing das Schwert mit Rabenschnabel ab, und meine Klinge ließ seine entzweibrechen, sodass sich die obere Hälfte halb in den Vorderzwiesel meines Sattels bohrte und dort stecken blieb. Die untere Hälfte riss meinen rechten Stiefel auf, und ich spürte das Blut quellen, als der Mann taumelte. Ich hieb Rabenschnabel abwärts, um ihm den Schädel zu zertrümmern, und als ich weiterritt, sah ich, dass Gerbruht abgestiegen war und mit einer Axt auf einen toten oder beinahe toten Mann einhieb. Gerbruht hatte sein Opfer schon ausgeweidet und schien nun das Fleisch von den Knochen trennen zu wollen, und er schrie vor Zorn, während er die schwere Klinge niederfahren ließ, sodass Fleischklumpen, Blut, zerschmetterte Kettenrüstung und gesplitterte Knochen auf das Gras spritzten.

«Was tust du da?», rief ich ihm zu.

«Er hat mich fett genannt!», brüllte Gerbruht, ein Friese, der im Winter zu unserem Kampfverband gekommen war. «Der Bastard hat mich fett genannt!»

«Du bist fett», sagte ich, und das stimmte. Gerbruht hatte einen Bauch wie ein Schwein und Beine wie Baumstämme und ein dreifaches Kinn unter seinem Bart, aber er war dabei enorm stark. Furchterregend als Gegner in der Schlacht und ein verlässlicher Freund als Nebenmann im Schildwall.

«Der nennt mich nicht noch mal fett», knurrte Gerbruht und hieb seine Axt in den Schädel des Mannes, sodass sie sein Gesicht spaltete und das Gehirn freilegte. «Magerer Bastard.»

«Du isst zu viel», sagte ich.

«Ich habe eben immer Hunger, daran liegt es.»

Ich ließ mein Pferd umdrehen und sah, dass der Kampf vorüber war. Haki und seine Schildgefährten lebten noch, doch sie waren in der Unterzahl und eingekesselt. Unsere Sachsen stiegen ab, um die Verwundeten zu töten und den Leichen Kettenhemden, Waffen, Silber und Gold abzunehmen. Wie alle Nordmänner mochten diese Krieger Armringe, um mit ihrer Tapferkeit in der Schlacht zu prahlen, und wir häuften die Armringe zusammen mit Gewandspangen, Verzierungen von Schwertscheiden und Halsketten auf einen von Hieben zerfetzten, blutgetränkten Umhang. Ich nahm dem Leichnam des schwarzbärtigen Mannes einen Armring ab. Es war ein ordentlicher Brocken Gold, in den die eckigen Buchstaben der Norweger eingeritzt waren, und ich schob ihn über mein linkes Handgelenk zu meinen anderen Armringen. Sihtric grinste. Er hatte einen Gefangenen, einen verängstigten Jungen an der Schwelle zum Mannesalter. «Der wird unseren einzigen Überlebenden abgeben, Herr», sagte Sihtric.

«Der taugt schon», sagte ich. «Hau ihm die Schwerthand ab und gib ihm ein Pferd. Dann kann er gehen.»

Haki beobachtete uns. Ich ritt dicht zu den übrigen Norwegern und hielt dann an, um Haki zu mustern. Er war ein gedrungener Mann mit zernarbtem Gesicht und einem braunen Bart. Er hatte im Kampf den Helm verloren, und sein strähniges Haar war dunkel vor Blut. Seine Ohren standen ab wie die Henkel von einem Krug. Herausfordernd erwiderte er meinen Blick. Ein goldener Thorshammer hing über seinem Kettenhemd. Ich zählte siebenundzwanzig Mann um ihn. Sie bildeten einen engen Kreis, die Schilde nach außen gerichtet. «Werde Christ», rief ich ihm auf Dänisch zu, «dann könntest du am Leben bleiben.»

Er verstand mich, auch wenn ich bezweifelte, dass Dänisch seine Sprache war. Er lachte über meinen Vorschlag, und dann spuckte er aus. Ich war nicht einmal sicher, ob das zutraf, was ich ihm gesagt hatte, obwohl viele unterworfene Gegner verschont blieben, wenn sie der christlichen Bekehrung und Taufe zustimmten. Die Entscheidung lag nicht bei mir, sie lag bei dem Reiter auf dem großen weißen Pferd namens Gast. Ich drehte mich zu dem Kreis Berittener um, die nun Haki und seine überlebenden Gefährten umringten, und die Reitergestalt auf dem weißen Pferd blickte an mir vorbei. «Nehmt Haki lebend, die Übrigen tötet ihr.»

Es dauerte nicht lange. Die meisten der tapfersten Norweger waren schon tot, und Haki hatte nur wenige erfahrene Kämpfer bei sich, die Übrigen waren Halbwüchsige, und viele von ihnen riefen, dass sie sich ergeben wollten, doch sie wurden niedergemetzelt. Ich sah zu. Merewalh, ein guter Mann, der aus den Diensten des Herrn Æthelred zu Æthelflæd übergelaufen war, führte den Angriff, und es war Merewalh, der Haki aus dem blutigen Haufen schleppte, ihm Schwert und Schild abnahm und ihn zwang, vor dem weißen Pferd niederzuknien.

Haki blickte auf. Die Sonne stand niedrig im Westen hinter Gast, sodass Haki geblendet wurde, aber er spürte den Hass und die Verachtung, mit der auf ihn herabgesehen wurde. Er bewegte den Kopf, bis seine Augen im Schatten des Reiters lagen, und konnte nun wohl das polierte Kettenhemd aus dem Frankenreich erkennen, das mit Sand gescheuert worden war, bis es wie Silber glänzte. Er konnte den Umhang aus weißer Wolle sehen, der mit dem silbrig weißen Winterfell von Wieseln eingefasst war. Er konnte die hohen Stiefel mit ihren Schnürbändern aus weißer Kordel sehen und die lange Schwertscheide mit ihrem Besatz aus blankgeriebenem Silber, und sofern er es wagte, den Blick höher zu heben, sah er die strengen blauen Augen in dem strengen Gesicht, umrahmt von goldfarbenem Haar, über dem ein Helm saß, der ebenso glänzend gescheuert worden war wie das Kettenhemd. Um den Helm lief ein Silberreif, und auf seiner Spitze ragte ein silbernes Kreuz empor. «Nehmt ihm das Kettenhemd ab», sagte die weiß gekleidete Reitergestalt auf dem weißen Pferd.

«Ja, meine Herrin», sagte Merewalh.

Die Herrin war Æthelflæd, die Tochter Alfreds, der König von Wessex gewesen war. Sie war mit Æthelred verheiratet, dem Herrn von Mercien, doch jeder in Wessex und Mercien wusste, dass sie schon seit Jahren die Geliebte meines Vaters war. Es war Æthelflæd, die ihre Männer in den Norden gebracht hatte, um die Garnison von Ceaster zu unterstützen, und Æthelflæd, die den Hinterhalt erdacht hatte, durch den nun Haki vor ihrem Pferd auf den Knien lag.

Sie sah mich an. «Du hast es gut gemacht», sagte sie beinahe widerwillig.

«Danke, meine Herrin», sagte ich.

«Du bringst ihn in den Süden», sagte sie und deutete auf Haki. «Er kann in Gleawecestre sterben.»

Das hielt ich für eine merkwürdige Entscheidung. Warum sollte er nicht hier auf dem bleichen Wintergras sterben? «Geht Ihr nicht zurück in den Süden, meine Herrin?», fragte ich.

Es war offenkundig, wie dreist ihr diese Frage erschien, aber sie antwortete trotzdem. «Ich habe hier viel zu tun. Du wirst ihn mitnehmen.» Sie hob eine behandschuhte Hand, um mich aufzuhalten, als ich mich umwandte. «Sorg dafür, dass du vor dem Sankt-Cuthberts-Tag ankommst. Hast du verstanden?»

Ich verneigte mich zur Antwort, dann fesselten wir Haki die Hände hinter dem Rücken, setzten ihn auf ein kümmerliches Pferd und ritten zurück nach Ceaster, wo wir nach Einbruch der Dunkelheit ankamen. Wir hatten die Leichen der Norweger liegen lassen, wo sie gefallen waren, aber unsere eigenen Toten nahmen wir mit, es waren nur fünf Mann. Wir nahmen alle norwegischen Pferde und beluden sie mit erbeuteten Waffen, mit Kettenrüstungen, mit Kleidung und mit Schilden. Wir ritten siegreich zurück, trugen das erbeutete Banner von Haki und folgten der Standarte des Herrn Æthelred mit dem weißen Pferd, dem Banner Sankt Oswalds und Æthelflæds seltsamer Flagge mit der weißen Gans, die ein Schwert und ein Kreuz hielt. Die Gans war ein Symbol von Sankt Werburgh, einer heiligen Frau, die ein Wunder gewirkt hatte, indem sie ein Getreidefeld von räuberischen Gänsen befreite, auch wenn ich nicht begriff, weshalb eine Tat, die jeder Zehnjährige mit lauter Stimme hätte vollbringen können, als Wunder angesehen wurde. Selbst ein dreibeiniger Hund hätte die Gänse von dem Feld vertreiben können, doch ich hätte es niemals gewagt, diese Ansicht vor Æthelflæd zu äußern, bei der Werburgh, der heilige Gänseschreck, in höchstem Ansehen stand.

Die Wehrstadt von Ceaster war von den Römern erbaut worden, also waren die Bollwerke aus Stein, anders als bei den Wehrstädten von uns Sachsen, deren Wälle aus Erde und Balken bestanden. Wir passierten die hohe Kampfplattform des Stadttores, ritten hintereinander durch den von Fackeln erleuchteten Tordurchgang und kamen so auf die Hauptstraße, die pfeilgerade zwischen hohen Steingebäuden hindurchführte. Das Geklapper der Pferdehufe hallte von den Mauern wider, dann wurden die Glocken der Sankt-Peter-Kirche geläutet, um die Wiederkehr Æthelflæds zu feiern.

Æthelflæd und die meisten ihrer Männer gingen in die Kirche, um Gott für den Sieg zu danken, bevor sie sich in dem großen Palas versammelten, der mitten in Ceaster stand. Sihtric und ich brachten Haki in eine kleine Steinhütte, seine Hände sollten über Nacht gefesselt bleiben. «Ich habe Gold», sagte er auf Dänisch.

«Du hast Stroh als Bett und Pisse statt Bier», erklärte ihm Sihtric, dann machten wir die Tür zu und stellten zwei Männer als Bewachung ab. «Also geht es für uns nach Gleawecestre?», sagte Sihtric, als wir auf dem Weg zu dem Palas waren.

«So hat sie es bestimmt.»

«Dann könnt Ihr Euch ja freuen.»

«Ich?»

Er grinste. «Der Rotschopf im Wheatsheaf.» Das Wheatsheaf, die Weizengarbe, war eine Schänke.

«Eine von vielen, Sihtric», sagte ich leichthin. «Eine von vielen.»

«Und Euer Mädchen auf dem Bauernhof in der Nähe von Cirrenceastre», fügte er hinzu.

«Das ist eine Witwe», sagte ich so würdevoll wie nur möglich, «und ich habe mir sagen lassen, dass es unsere Christenpflicht ist, die Witwen zu beschützen.»

«Das nennt Ihr sie beschützen?» Er lachte. «Werdet Ihr sie heiraten?»

«Selbstverständlich nicht. Ich werde für Grundbesitz heiraten.»

«Ihr solltet schon verheiratet sein», sagte er. «Wie alt seid Ihr?»

«Einundzwanzig, glaube ich.»

«Also solltet Ihr längst verheiratet sein», sagte er. «Was ist mit Ælfwynn?»

«Was soll mit ihr sein?»

«Sie ist eine ansehnliche kleine Stute», sagte Sihtric, «und ich wage zu behaupten, dass sie auch galoppieren kann.» Er drückte die schwere Tür auf, und wir gingen in den Palas, der von Binsenlichtern erhellt wurde und von einem riesigen Feuer in einer groben Feuerstelle aus Stein, das den römischen Boden hatte aufplatzen lassen. Es waren nicht genügend Tische vorhanden, um sowohl der Garnisonsbesatzung als auch den Männern Platz zu bieten, die Æthelflæd in den Norden gebracht hatte, also setzten sich manche zum Essen auf den Boden, mir allerdings wurde ein Platz an der Ehrentafel in Æthelflæds Nähe zugewiesen. Sie wurde von zwei Priestern flankiert, und einer von ihnen intonierte ein langes lateinisches Gebet, bevor wir anfangen durften zu essen.

Æthelflæd machte mir Angst. Sie hatte ein strenges Gesicht, auch wenn es Männer gab, die sagten, dass sie als junge Frau eine Schönheit gewesen war. In diesem Jahr, 911, musste sie vierzig Jahre oder älter gewesen sein, und ihr goldfarbenes Haar hatte hellgraue Strähnen. Ihre Augen waren sehr blau, und ihr Blick konnte den tapfersten Mann verunsichern. Dieser Blick war kalt und nachdenklich, als würde sie deine Gedanken lesen und sie verabscheuen. Ich war nicht der einzige Mensch, der sich vor Æthelflæd fürchtete. Selbst ihre eigene Tochter, Ælfwynn, versteckte sich nach Möglichkeit vor ihrer Mutter. Ich mochte Ælfwynn, die gern lachte und den Schalk im Nacken hatte. Sie war etwas jünger als ich, und wir hatten einen Großteil unserer Kindheit gemeinsam verbracht, und viele Leute meinten, dass wir heiraten sollten. Ich wusste nicht, ob Æthelflæd diese Vorstellung gefiel. Sie schien mich nicht zu mögen, aber sie schien die meisten Menschen nicht zu mögen, und doch, trotz all ihrer Wesenskälte, wurde sie in Mercien angebetet. Ihr Ehemann, Æthelred, der Herr von Mercien, war das anerkannte Landesoberhaupt, aber es war seine ihm entfremdete Frau, die von den Menschen geliebt wurde.

«Gleawecestre», sagte sie nun zu mir.

«Ja, meine Herrin.»

«Du nimmst alle Beute mit, alle. Benutze Fuhrwerke dafür. Und die Gefangenen nimmst du auch mit.»

«Ja, meine Herrin.» Die Gefangenen waren zumeist Kinder, die wir in den ersten Tagen unseres Vorstoßes von Hakis Gehöften mitgenommen hatten. Sie würden als Sklaven verkauft werden.

«Und du musst vor dem Sankt-Cuthberts-Tag ankommen», wiederholte sie den Befehl. «Hast du verstanden?»

«Vor dem Sankt-Cuthberts-Tag», sagte ich pflichtschuldig.

Sie warf mir einen von ihren langen, schweigenden Blicken zu. Auch die Priester an ihrer Seite sahen mich an, und ihre Mienen waren ebenso feindselig wie ihre. «Und du nimmst Haki mit», fuhr sie fort.

«Und Haki», sagte ich.

«Und du hängst ihn vor dem Palas meines Mannes.»

«Ganz langsam», sagte einer der Priester. Man kann einen Mann auf zwei Arten hängen, auf die schnelle Art und auf die langsame, qualvolle Art. «Ja, Pater», sagte ich.

«Aber vorher führst du ihn dem Volk vor», befahl Æthelflæd.

«Das werde ich, meine Herrin, gewiss», sagte ich und zögerte.

«Was?» Sie sah meine Unsicherheit.

«Die Leute werden wissen wollen, warum Ihr hiergeblieben seid, meine Herrin», sagte ich.

Sie fuhr auf, und der zweite Priester runzelte die Stirn. «Das geht sie überhaupt nichts …», fing er an.

Æthelflæd brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. «Viele Norweger verlassen Irland», sagte sie bedächtig, «und wollen sich hier niederlassen. Sie müssen aufgehalten werden.»

«Hakis Niederlage wird sie ängstlich werden lassen», brachte ich zurückhaltend vor.

Sie beachtete meine unbeholfene Artigkeit nicht. «Ceaster hält sie davon ab, den Dee zu überqueren», sagte sie, «aber die Mærse ist ungeschützt. Ich werde an ihrem Ufer eine Wehrstadt errichten.»

«Ein guter Einfall, meine Herrin», sagte ich und wurde mit einem derart verächtlichen Blick bedacht, dass mir das Blut in die Wangen stieg.

Sie beendete das Gespräch mit einer Geste, und ich widmete mich wieder meinem Hammeleintopf. Ich beobachtete sie aus dem Augenwinkel, sah die harte Kinnlinie, den bitteren Zug um die Lippen, und ich fragte mich, was in Gottes Namen meinen Vater zu ihr hingezogen hatte und warum sie von den Männern so verehrt wurde.

Doch schon am nächsten Tag wäre ich von ihr befreit.

 

«Die Männer folgen ihr», sagte Sihtric, «weil sie bis auf Euren Vater die Einzige ist, die jemals Kampfeswillen gezeigt hat.»

Wir waren auf dem Weg nach Süden und benutzten eine Straße, die ich in den vergangenen Jahren sehr gut kennengelernt hatte. Die Straße folgte der Grenze zwischen Mercien und Wales, einer Grenze, die einen ständigen Zankapfel zwischen dem walisischen und dem mercischen Königreich darstellte. Die Waliser waren unsere Feinde, wie sich versteht, doch diese Feindschaft war seltsam unklar, denn sie waren auch Christen, und wir hätten die Schlacht von Teotanhale ohne die Unterstützung dieser walisischen Christen niemals gewonnen. Manchmal kämpften sie für Christus, wie in Teotanheale, aber ebenso oft kämpften sie für Beute und trieben geraubtes Vieh und Sklaven in ihre Bergtäler. Diese fortwährenden Raubzüge bedeuteten, dass es an der gesamten Straße Wehrstädte gab, befestigte Städte, in denen das Volk Zuflucht suchen konnte, wenn ein Feind kam, und von denen aus eine Garnison ausrücken und diesen Feind angreifen konnte.

Ich ritt mit sechsunddreißig Mann und Godric, meinem Diener. Vier der Krieger waren immer ein Stück voraus und erkundeten das Gelände zu beiden Seiten der Straße, damit wir nicht in einen Hinterhalt gerieten, und die Übrigen von uns bewachten Haki und die beiden Fuhrwerke mit Beute. Wir bewachten außerdem achtzehn Kinder, die für die Sklavenmärkte bestimmt waren, auch wenn Æthelflæd darauf bestanden hatte, dass wir die Gefangenen zuerst den Bewohnern von Gleawecestre vorführten. «Sie will den Leuten ein Schauspiel bieten», erklärte mir Sihtric.

«Und das tut sie auch!», stimmte Pater Fraomar zu. «Wir werden das Volk von Gleawecestre wissen lassen, dass wir die Feinde Gottes niederwerfen.» Er war einer von Æthelflæds zahmen Priestern, ein noch recht junger Mann, eifrig und begeisterungsfähig. Er nickte zu dem Fuhrwerk vor uns hin, das mit Rüstungen und Waffen beladen war. «Das werden wir verkaufen, und das Geld wird in die neue Wehrstadt gesteckt, Lob sei Gott.»

«Lob sei Gott», sagte ich pflichtschuldig.

Und Geld, das wusste ich, war Æthelflæds Problem. Wenn sie ihre neue Wehrstadt zum Schutz der Mærse bauen wollte, brauchte sie Geld, und es würde niemals reichen. Ihr Ehemann erhielt die Pachtzahlung der Bauern und die Steuern der Händler und die Zollgebühren, und der Herr Æthelred hasste Æthelflæd. Mochte man sie in Mercien auch lieben, es war Æthelred, der die Hoheit über das Silber besaß, und niemand wollte ihn verärgern. Selbst jetzt, wo Æthelred krank in Gleawecestre lag, huldigten ihm die Männer. Nur die Tapfersten und Wohlhabendsten ließen es darauf ankommen, seinen Zorn auf sich zu ziehen, indem sie Æthelflæd Männer und Silber gaben.

Und Æthelred lag im Sterben. Er war in der Schlacht von Teotanheale von einem Speer am Hinterkopf getroffen worden, und der Speer hatte seinen Helm durchbohrt und war in seinen Schädel eingedrungen. Niemand hatte damit gerechnet, dass er überleben würde, doch das hatte er, auch wenn es in einigen Gerüchten hieß, er sei so gut wie tot, er würde wirr daherreden wie ein mondsüchtiger Irrer, er würde sabbern und zucken und manchmal würde er jaulen wie ein kastrierter Wolf. Ganz Mercien wartete auf seinen Tod, und ganz Mercien fragte sich, was nach diesem Tod kommen würde. Das war allerdings etwas, über das niemand sprach, jedenfalls nicht in der Öffentlichkeit, doch im Verborgenen wurde über kaum etwas anderes geredet.

Zu meiner Überraschung fing Pater Fraomar schon an unserem ersten Abend davon an. Wir kamen wegen der Fuhrwerke und der Gefangenen nur langsam voran und hatten bei einem Gehöft in der Nähe von Westune angehalten. Dieser Teil Merciens war in jüngerer Zeit besiedelt worden, da er von der Wehrstadt Ceaster geschützt wurde. Das Gehöft hatte einem Dänen gehört, doch nun wohnte dort ein einäugiger Mercier mit einer Frau, vier Söhnen und sechs Sklaven. Sein Haus war eine Hütte aus Lehm, Holz und Stroh, sein Viehstall ein armseliges Gebilde aus undichten Flechtwänden, aber das alles umgab eine ordentlich gebaute Palisade aus Eichenstämmen. «Die Waliser sind nicht weit», erklärte er die kostspielige Palisade.

«Ihr könnt sie aber nicht mit sechs Sklaven verteidigen», sagte ich.

«Die Nachbarn kommen hierher», sagte er knapp.

«Haben sie auch geholfen, die Palisade zu bauen?»

«Das haben sie.»

Wir banden Hakis Fußknöchel zusammen, überprüften, dass die Fesseln an seinen Handgelenken fest verknotet waren, dann machten wir ihn an einen Pflug fest, der verlassen neben einem Misthaufen stand. Die achtzehn Kinder drängten wir zusammen mit zwei Mann zur Bewachung ins Haus, während wir Übrigen es uns in dem dungbespritzten Hof so behaglich wie eben möglich machten. Wir zündeten ein Feuer an. Gerbruht aß unaufhörlich, fütterte seinen fassgroßen Bauch, während Redbad, ein weiterer Friese, auf seiner Rohrflöte spielte. Die sehnsüchtigen Töne erfüllten die Nacht mit Schwermut. Funken stiegen auf. Früher am Abend hatte es geregnet, doch nun zogen die Wolken ab und gaben die Sterne frei. Ich beobachtete, wie einige Funken auf das Dach der Hütte trieben, und fragte mich, ob das Stroh anfangen würde zu schwelen, doch das moosüberwachsene Stroh war feucht, und die Funken erloschen schnell.

«Das Nunnaminster», sagte Pater Fraomar unvermittelt.

«Das Nunnaminster?», fragte ich nach einer Pause.

Auch der Priester hatte beobachtet, wie die dahintreibenden Funken auf dem Dach nachglommen und erloschen. «Der Konvent in Wintanceaster, in dem die Herrin Ælswith gestorben ist», erklärte er, doch diese Erklärung machte mich nicht klüger.

«Die Gemahlin König Alfreds?»

«Gott hab sie selig», sagte er und bekreuzigte sich. «Sie hat den Konvent nach dem Tod des Königs erbaut.»

«Und was ist damit?», fragte ich immer noch verwirrt.

«Ein Teil des Konvents ist nach ihrem Tod niedergebrannt», erklärte er. «Der Brand wurde durch Funken verursacht, die ins Dachstroh geflogen sind.»

«Dieses Stroh ist zu feucht», sagte ich und nickte in Richtung des Hauses.

«Gewiss.» Der Priester sah die Funken an, die sich auf das Strohdach senkten. «Manch einer sagt, das Feuer sei die Rache des Teufels gewesen», er hielt inne, um sich zu bekreuzigen, «weil die Herrin Ælswith eine so fromme Seele war und ihm entkommen ist.»

«Mein Vater hat immer erzählt, dass sie ein gehässiges Weibsstück war», erlaubte ich mir zu sagen.

Pater Fraomar runzelte die Stirn, dann gab er nach und lächelte schief. «Gott hab sie selig. Wie ich höre, war sie keine einfache Frau.»

«Welche ist das schon?», fragte Sihtric.

«Die Herrin Æthelflæd wird es nicht wünschen», sagte Fraomar leise.

Ich zögerte, denn das Gespräch bewegte sich in gefährliche Untiefen. «Wird was nicht wünschen?», fragte ich schließlich.

«In ein Nonnenkloster zu gehen.»

«Ist es das, was geschehen wird?»

«Was sonst?», fragte Fraomar niedergeschlagen. «Wenn ihr Ehemann stirbt, ist sie eine Witwe, und zwar eine Witwe mit Besitz und Macht. Man wird nicht wollen, dass sie wieder heiratet. Ihr neuer Ehemann könnte zu mächtig werden. Davon abgesehen …» Seine Stimme erstarb.

«Davon abgesehen?», frage Sihtric leise.

«Der Herr Æthelred hat ein Testament gemacht, Gott schütze ihn.»

«Und das Testament», sagte ich langsam, «bestimmt, dass seine Frau in ein Nonnenkloster gehen muss?»

«Was könnte sie sonst tun?», fragte Fraomar. «So ist es Sitte.»

«Ich kann sie mir nicht als Nonne vorstellen», sagte ich.

«Oh, sie ist eine heiligmäßige Frau. Eine gute Frau», sagte Fraomar eifrig, dann fiel ihm wieder ein, dass sie eine Ehebrecherin war. «Nicht ohne Fehl, gewiss», fuhr er fort, «aber wir alle haben schon versagt, nicht wahr? Wir haben alle gesündigt.»

«Und ihre Tochter?», fragte ich. «Ælfwynn?»

«Oh, ein törichtes junges Weib», kam es ohne zu zögern von Fraomar.

«Aber wenn jemand sie heiratet …», gab ich zu bedenken, wurde jedoch unterbrochen.

«Sie ist eine Frau! Sie kann die Macht ihres Vaters nicht erben!» Pater Fraomar musste schon bei dem bloßen Gedanken lachen. «Nein, das Beste für Ælfwynn wäre es, sich außer Landes zu verheiraten. Weit weg! Vielleicht mit einem fränkischen Herrn. Entweder das, oder sie kann sich ihrer Mutter im Kloster anschließen.»

Das Gespräch war gefährlich, weil niemand sicher war, was geschehen würde, wenn Æthelred starb, und sein Tod stand nun gewiss kurz bevor. Mercien hatte keinen König, aber Æthelred, der Herr von Mercien, besaß nahezu die gleiche Macht wie ein König. Er wäre nur zu gern König gewesen, aber er hing bei der Verteidigung der mercischen Grenzen von der Unterstützung der Westsachsen ab, und die Westsachsen wollten keinen König in Mercien, besser gesagt, sie wollten, dass ihr eigener König dort regierte. Obwohl Mercien und Wessex Verbündete waren, verband sie keine große Freundschaft. Die Mercier besaßen eine stolze Vergangenheit, jetzt aber waren sie ein Vasallenstaat, und wenn Edward von Wessex seine Königsherrschaft über Mercien ausrufen würde, konnte es Unruhen geben. Niemand wusste, was geschehen würde, ebenso wie niemand wusste, wen er unterstützen sollte. Sollten sie Wessex Gefolgschaft schwören? Oder einem der mercischen Aldermänner?

«Es ist zu bedauerlich, dass Herr Æthelred keinen Erben hat», sagte Pater Fraomar.

«Keinen legitimen Erben», sagte ich, und zu meiner Überraschung lachte der Priester.

«Keinen legitimen Erben», stimmte er zu, dann bekreuzigte er sich. «Aber der Heiland wird für uns sorgen», beeilte er sich fromm hinzuzufügen.

Am nächsten Tag zogen von den walisischen Hügeln her dunkle Wolken auf. Noch am Vormittag begann es zu regnen, und es regnete weiter, während wir langsam nach Süden zogen. Wir benutzten Römerstraßen und übernachteten nun in den Ruinen römischer Kastelle. Wir sahen keine plündernden Waliser, und die Schlacht von Teotanheale hatte dafür gesorgt, dass uns so weit im Süden keine Dänen bedrängten.

Der Regen und die Gefangenen ließen uns langsam vorankommen, doch schließlich erreichten wir Gleawecestre, die Hauptstadt Merciens. Wir kamen zwei Tage vor dem Fest Sankt Cuthberts an, doch erst als wir in der Stadt waren, entdeckte ich, warum Æthelflæd dieses Datum für so wichtig hielt. Pater Fraomar war vorausgeritten, um unsere Ankunft zu melden, und zu unserem Empfang wurden die Kirchenglocken geläutet, und am Stadttor erwartete uns eine kleine Menschenmenge. Ich entrollte unsere Banner: meinen eigenen Wolfskopf, die Flagge Sankt Oswalds, Æthelreds weißes Pferd und Æthelflæds Gans. Hakis Banner hatte ich meinem Diener Godric übergeben, der es durch den Schlamm auf der Straße zog. Unsere kleine Prozession wurde von dem einen Fuhrwerk mit Beute angeführt, dann kamen die gefangenen Kinder, dann Haki, der mit einem Strick an den Schwanz von Godrics Pferd gebunden war. Das zweite Fuhrwerk bildete den Abschluss, während meine Krieger zu beiden Seiten der Kolonne ritten. Es war eine dürftige Zurschaustellung. Nach Teotanheale waren wir mit mehr als zwanzig Fuhrwerken voll Beute durch die Stadt gezogen, dazu Gefangene, Pferde und ein Dutzend gegnerische Banner, doch selbst meine kleine Prozession verschaffte den Bürgern von Gleawecestre Grund zum Feiern, und wir wurden auf dem ganzen Weg vom Nordtor bis zu Æthelreds Palas bejubelt. Zwei Priester warfen Pferdeäpfel auf Haki, und die Menge folgte ihrem Beispiel, während kleine Jungen johlend neben Haki mitliefen.

Und dort, am Eingang von Æthelreds Palas, erwartete uns Eardwulf, der Befehlshaber von Æthelreds Haustruppe und der Bruder Eadiths, der Frau, die mit Herrn Æthelred schlief. Eardwulf war findig, gutaussehend, ehrgeizig und tüchtig. Er hatte Æthelreds Truppen gegen die Waliser geführt und ihnen schwere Verluste beigebracht, und es hieß, dass er bei Teotanheale gut gekämpft hatte. «Seine Macht», hatte mir mein Vater erklärt, «entspringt zwischen den Schenkeln seiner Schwester, aber unterschätze ihn nicht. Er ist gefährlich.»

Der gefährliche Eardwulf trug ein glänzend poliertes Kettenhemd und einen dunkelblauen Umhang mit einer Einfassung aus Otterfell. Er war barhäuptig, und sein schwarzes Haar war mit Öl zurückgestrichen und wurde im Nacken von einem braunen Band zusammengehalten. Sein Schwert, eine schwere Klinge, steckte in einer weichen Lederscheide, die mit Gold besetzt war. Flankiert wurde er von zwei Priestern und einem halben Dutzend seiner Männer, die alle Æthelreds Zeichen des weißen Pferdes trugen. Er lächelte, als er uns sah. Ich bemerkte, dass sein Blick zu Æthelflæds Standarte huschte, während er langsam auf uns zukam. «Auf dem Weg zum Marktplatz, Herr Uhtred?», fragte er.

«Sklaven, Rüstungen, Schwerter, Speere, Äxte», sagte ich, «wollt Ihr sie kaufen?»

«Und was ist mit ihm?» Er richtete einen Daumen auf Haki.

Ich drehte mich im Sattel um. «Das ist Haki, ein norwegischer Anführer, der vorhatte, sich in Mercien zu bereichern.»

«Verkauft Ihr den auch?»

«Ich hänge ihn», sagte ich, «ganz langsam. Meine Herrin will, dass wir ihn genau hier aufknüpfen.»

«Eure Herrin?»

«Auch Eure», sagte ich und wusste, dass er sich über diese Bemerkung ärgern würde, «die Herrin Æthelflæd.»

Wenn er sich ärgerte, zeigte er es nicht, stattdessen lächelte er wieder. «Sie war sehr rührig», sagte er leichthin, «und hat sie vor, ebenfalls hierherzukommen?»

Ich schüttelte den Kopf. «Sie hat im Norden zu tun.»

«Und ich dachte, sie sei für den Witan in zwei Tagen hier», sagte er spöttisch.

«Witan?», fragte ich.

«Das geht Euch nichts an», sagte er scharf. «Ihr seid nicht dazugebeten worden.»

Aber der Witan sollte, wie mir auffiel, am Sankt-Cuthberts-Tag abgehalten werden, und gewiss hatte Æthelflæd aus diesem Grund gewollt, dass wir ankamen, bevor sich die wichtigen Männer Merciens zur Ratsversammlung trafen. Æthelflæd erinnerte diese Männer daran, dass sie gegen ihre Feinde kämpfte.

Eardwulf ging zu Haki, betrachtete ihn von oben bis unten, dann drehte er sich wieder zu mir um. «Wie ich sehe, führt Ihr Herrn Æthelreds Banner.»

«Gewiss», sagte ich.

«Und in dem Gefecht, in dem Ihr dieses Vieh gefangen habt», er nickte in Hakis Richtung, «habt Ihr es da auch geführt?»

«Wann immer meine Herrin für Mercien kämpft», sagte ich, «führt sie das Banner ihres Gemahls.»

«Dann gehören die Gefangenen und die Beute Herrn Æthelred», sagte Eardwulf.

«Ich habe den Befehl, sie zu verkaufen», sagte ich.

«Habt Ihr den?» Er lachte. «Nun, jetzt habt Ihr neue Befehle. Sie gehören alle Herrn Æthelred, also werdet Ihr sie mir übergeben.» Er sah mich an, wollte meinen Widerspruch herausfordern, und ich muss streitlustig gewirkt haben, denn seine Männer senkten ihre Speere ein wenig.

Pater Fraomar war wieder aufgetaucht und hastete neben mein Pferd. «Keinen Kampf», zischte er mir zu.

«Mein Herr Uhtred würde nicht einmal im Traum daran denken, ein Schwert gegen die Hauskrieger des Herrn Æthelred zu erheben», sagte Eardwulf. Er winkte seine Männer heran. «Bringt alles hinein», befahl er und deutete auf die Fuhrwerke, die Beute, Haki und die Sklaven, «und dankt der Herrin Æthelflæd», er hatte den Blick wieder auf mich gerichtet, «für ihren kleinen Beitrag zum Säckel ihres Gemahls.»

Ich sah zu, wie seine Männer die Beute und die Sklaven durch das Tor brachten. Als sie fertig waren, lächelte mich Eardwulf spöttisch an. «Und die Herrin Æthelflæd», sagte er, «hat also nicht den Wunsch, dem Witan beizuwohnen?»

«Ist sie eingeladen?», fragte ich.

«Selbstredend nicht, sie ist eine Frau. Aber sie könnte auf die Entscheidungen des Witans neugierig sein.»

Er wollte herausfinden, ob Æthelflæd in Gleawecestre sein würde. Ich wollte schon behaupten, dass ich nicht wusste, was sie vorhatte, doch dann beschloss ich, die Wahrheit zu sagen. «Sie wird nicht hier sein», sagte ich, «weil sie beschäftigt ist. Sie baut eine Wehrstadt an der Mærse.»

«Oh, eine Wehrstadt an der Mærse!», wiederholte er und lachte.

Dann schlossen sich die Torflügel hinter ihm.

«Bastard», sagte ich.

«Er hatte das Recht», erklärte Pater Fraomar. «Der Herr Æthelred ist der Ehegemahl von Herrin Æthelflæd, also gehört ihm, was ihr gehört.»

«Æthelred ist ein verweichlichter, Schweinezitzen lutschender Bastard», sagte ich und starrte auf die Torflügel.

«Er ist der Herr von Mercien», sagte Pater Fraomar unbehaglich. Er war ein Unterstützer Æthelflæds, aber er spürte, dass sie mit dem Tod ihres Ehemannes sowohl ihre Macht als auch ihren Einfluss verlieren würde.

«Was auch immer der Bastard ist», warf Sihtric ein, «er wird uns kein Ale anbieten.»

«Ale ist ein sehr guter Gedanke», knurrte ich.

«Also doch der Rotschopf im Wheatsheaf?», fragte er und grinste. «Oder wollt Ihr Euch lieber in Ackerbau und Viehzucht weiterbilden?»

Ich erwiderte sein Grinsen. Mein Vater hatte mir nördlich von Cirrenceastre ein Gehöft gegeben und gesagt, ich solle die Landwirtschaft erlernen. «Ein Mann sollte über Feldfrüchte, Weideland und Vieh genauso viel wissen wie sein Verwalter», hatte mich mein Vater bärbeißig unterwiesen, «sonst frisst dir der Bastard die Haare vom Kopf, ohne dass du etwas davon bemerkst.» Es hatte ihm gefallen, wie viel Zeit ich auf dem Gut verbrachte, auch wenn ich gestehen muss, dass ich nur sehr geringe Kenntnisse über Feldfrüchte, Weideland oder Nutzvieh erwarb, dafür aber umso größere über eine junge Witwe, der ich den großen Palas des Anwesens als Wohnstatt gegeben hatte.

«Also erst einmal ins Wheatsheaf», sagte ich und trieb Hearding die Straße hinunter. Und am nächsten Tag, dachte ich, würde ich zu meiner Witwe reiten.

Das Schild des Gasthauses war eine große, aus Holz geschnitzte Weizengarbe, und ich ritt darunter hindurch in den regendurchtränkten Innenhof und ließ einen Bediensteten mein Pferd nehmen. Was Pater Fraomar gesagt hatte, das wusste ich, traf zu. Herr Æthelred besaß das gesetzliche Recht, sich zu nehmen, was immer seiner Frau gehörte, weil ihr nichts gehörte, was nicht sein war, und doch hatte mich Eardwulfs Verhalten überrascht. Æthelred und Æthelflæd lebten seit Jahren in einer Art Kriegszustand, auch wenn es ein Krieg ohne Blutvergießen war. Er besaß in Mercien die gesetzliche Macht, und sie besaß die Liebe der Mercier. Es wäre für Æthelred ein Leichtes gewesen, die Verhaftung und Gefangensetzung seiner Frau zu befehlen, aber ihr Bruder war der König von Wessex, und Mercien überlebte nur, weil die Westsachsen jedes Mal zu seiner Rettung kamen, wenn der Gegner zu weit vorstieß. Und so hassten Ehemann und Frau sich gegenseitig, ertrugen einander und spiegelten vor, dass es keine Fehde zwischen ihnen gab, und aus diesem Grund achtete Æthelflæd so sorgfältig darauf, das Banner ihres Gatten zu führen.

Ich träumte gerade von meiner Rache an Eardwulf, als ich mich unter dem Türsturz hindurchbückte, um das Gasthaus zu betreten. Ich träumte davon, ihn auszuweiden oder ihm den Kopf abzuschlagen oder seinem Gewinsel um Gnade zu lauschen, während ich ihm Rabenschnabel an die Kehle hielt. Dieser Bastard, dachte ich, dieser Kümmerling, dieser aufgeblasene, fetthaarige, überhebliche Bastard.

«Earsling.» Eine schroffe, herausfordernde Stimme kam aus der Richtung der Feuerstelle im Wheatsheaf. «Was für ein widerwärtiger Dämon hat dich hierhergebracht, um mir den Tag zu verderben?» Ich starrte hin. Und starrte. Denn der letzte Mensch, den ich jemals in Æthelreds Festung Gleawecestre zu sehen erwartet hätte, ließ seinen Blick auf mir ruhen. «Nun, Earsling?», wollte er wissen, «was hast du hier verloren?»

Es war mein Vater.

Erster TeilDer sterbende Herr

Eins

Mein Sohn wirkte erschöpft und wütend. Er war durchnässt, mit Schlamm bespritzt, sein Haar sah aus wie ein feuchter Heuhaufen nach einer ordentlichen Vögelei, und einer seiner Stiefel war aufgeschlitzt. Das Leder hatte schwarze Flecken, wo eine Klinge in seine Wade gestochen hatte, aber er hinkte nicht, also musste ich mir keine Sorgen um ihn machen, abgesehen davon, dass er mich anglotzte wie ein mondsüchtiger Schwachkopf. «Starr mich nicht so an, Schwachkopf», erklärte ich ihm, «besorg mir lieber Ale. Und sag dem Mädchen, du willst es aus dem schwarzen Fass. Sihtric, gut, dich zu sehen.»

«Euch auch, Herr», sagte Sihtric.

«Vater!», sagte mein Sohn und glotzte immer noch.

«Für wen hast du mich denn sonst gehalten?», fragte ich. «Für den heiligen Geist?» Ich rutschte ein Stück auf der Bank. «Setz dich neben mich», sagte ich zu Sihtric, «und erzähl mir, was es Neues gibt. Hör auf zu glotzen», sagte ich zu Uhtred, «und sag einem der Mädchen, es soll uns Ale bringen. Aus dem schwarzen Fass!»

«Warum aus dem schwarzen Fass, Herr?», fragte Sihtric, als er sich setzte.