Der Mops, der Osterhase spielte - Alisha Bionda - E-Book

Der Mops, der Osterhase spielte E-Book

Alisha Bionda

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Beschreibung

Im Licht der Ostersonne bekommen die Geheimnisse der Erde ein anderes Licht. (Friedrich von Bodelschwingh) Stefan S. Kassner, Cat Lewis, G. L. M. Nani und Thomas Tippner unterhalten die Leser auf sehr unterschiedliche Weise zum Thema Ostern und Osterhase. Mit der Titelnovelle von Stefan. S. Kassner

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Table of Contents

Title Page

Impressum

Vorwort

Osterhase aus Leidenschaft - G. L. M. Nani

Osterhase aus Leidenschaft - G. L. M. Nani

Die Autorin

Der Geschmack von Glück - Cat Lewis

Der Geschmack von Glück - Cat Lewis

Die Autorin

Der Mops, der Osterhase spielte - Stefan S. Kassner

Der Mops, der Osterhase spielte - Stefan S. Kassner

Der Autor

Wiedergefunden - Thomas Tippner

Wiedergefunden - Thomas Tippner

Der Autor

Nachwort

Die Herausgeberin

 

 

 

Hrsg. Alisha Bionda

 

Der Mops der Osterhase spielte

 

Tierisch, Tierisch 5

 

 

 

Anthologie

 

 

 

 

 

 

 

Ashera Verlag

Dieser Titel ist auch als preisgünstiges eBook erschienen.

 

Bisher in der Reihe erschienen:

Der Mops, der Liebesbote spielte, Novellensammlung, Hrsg. Alisha Bionda

Die Katze, die Osterhase spielte, Novellensammlung, Hrsg. Alisha Bionda

Der Mops, der Weihnachten verschlief, Novellensammlung, Hrsg. Alisha Bionda

Der Kater, der ein Weihnachtswunder bra(u)chte, Roman, Annika Dick

 

Die Handlung und alle handelnden Personen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder realen Personen wäre rein zufällig.

 

 

 

 

Erste Auflage im März 2023

 

 

 

Copyright © 2023 dieser Ausgabe by Ashera Verlag

[email protected]

www.ashera-verlag.de

Hauptstr. 9

55592 Desloch

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder andere Verwertungen – auch auszugsweise – nur mit Genehmigung des Verlags.

Covergrafik: iStock

Innengrafiken: Pixabay

Szenentrenner: Pixabay

Coverlayout: Atelier Bonzai

Redaktion: Alisha Bionda

Lektorat & Satz: TTT

Vermittelt über die Agentur Ashera

(www.agentur-ashera.net)

Vorwort

Alisha Bionda

 

Es ist das Osterfest alljährlich

für den Hasen recht beschwerlich.

(Wilhem Busch)

 

Liebe Leser & Leserinnen,

ich habe als Herausgeberin die Autoren gebeten, Ostern auf verschiedene Sichtweisen in ihre Novellen zu integrieren, um zu zeigen, wie vielschichtig Ostern ist: religiös, klassisch mit dem Osterhasen aus unserer Kindersicht – aber auch phantastisch angehaucht.

Dies spiegeln die vier Novellen von Stefan S. Kassner, Cat Lewis, G. L. M. Nani und Thomas Tippner wider.

 

Ich wünsche Ihnen ein kurzweiliges Lesevergnügen.

Alisha Bionda, Ostern 2023

 

 

 

 

G. L. M. Nani

 

Glauben Sie an den Weihnachtsmann? Wie sieht es mit dem Schutzengel aus? Glauben Sie, an die Phantasie und an ihre Macht? Und dass Bauchrednerpuppen ein Eigenleben haben? Glauben Sie an den Osterhasen?

 

Frühlingsbeginn. Montagmorgen. Erster Arbeitstag. Ich bin spät dran. Der verdammte Wecker hat sich einen Aprilscherz erlaubt, dabei sind wir noch im März. Haare waschen kann ich mir sparen, duschen nicht. Auf meinen Kaffee kann ich nicht verzichten, auf die Haferflocken schon. Mein Magen wird dann wahrscheinlich im Stuhlkreis knurren. Also nochmal: Auf meinen Kaffee kann ich nicht verzichten, auf die Haferflocken auch nicht. Ich soll die Leitung der Selbstwertgruppe in der psychiatrischen Tagesklinik Sockus übernehmen. Der Direktor Prof. Dr. med. Christian Grind rief mich höchstpersönlich am Freitagabend völlig aufgewühlt an und begrüßte mich mit folgenden Worten: „Sehr geehrte Frau Silber, bitte lassen Sie mich ausreden! Sie sind meine einzige und letzte Hoffnung. Mir ist bewusst, dass wir auf Kriegsfuß stehen; mir ist bewusst, dass es hauptsächlich meine Schuld ist, weil ich Ihre Methoden belächle, ehm … ehm … bisher belächelt habe, aber bitte, bitte Frau Silber …“

Was soll ich sagen? Er hat mir einen Blankoscheck angeboten, nicht nur was das Honorar betrifft, sondern auch für die Methoden. Meine Methoden, die er noch vor zehn Jahren als ‚Hexenwerk‘ und ‚unorthodox‘ bezeichnete. Und dies auf einer Konferenz. Das Einzige, was ich zu tun habe, ist die besagte Selbstwertgruppe zu übernehmen. Der Kollege Herr Dr. Thomas Heilig, sei seit einem Monat wegen Überforderung bis auf Weiteres ausgefallen und es findet sich keinen Ersatz. Auf meine Frage, was mich für eine Truppe erwarten werde, bat mich der Direktor, mir am Montag selbst ein Bild zu machen. Das bedeutet, dass ich von Serienmörder zu Narzissten, von ‚Ich-Spreche-Nicht-Mal-Wenn-Du-Mich-Mit-Fragen-Überhäufst-Introvertierte‘ zu ‚Lassen-Sie-Mich-Bit-te-Diesen-Gedanken-Noch-Aussprechen-Quasselstrippen‘ alles vorfinden kann.

Hatte ich erwähnt, dass ich spät dran bin? Der Direktor wird mir verzeihen, ich nicht. Denn die Patienten werden schon im Raum sein, wenn ich ankomme. Augen zu und durch! Ich kann es nicht ändern, also warum aufregen?

 

 

Die Vorstellungsrunde

 

Kennen Sie das Gefühl, wenn ein Fingernagel abbricht und alle anderen noch perfekt manikürt sind? Genauso fühle ich mich in dieser Klinik … wie der abgebrochene Nagel meines Mittelfingers. Nach einer temporeichen Führung durch das Gebäude – ich hoffe, ich kann die Kaffeeküche und das Klo ausfindig machen, wenn ich sie zur Wiederbelebung oder Erleichterung brauche – stehe ich vor dem Gruppenraum 027. Ich kann klopfen und direkt eintreten oder lauschen. Raten Sie mal? Sie hätten dasselbe gemacht! Es müssten sich fünf Leute im Raum befinden, die schon vom Lauschen interessanter klingen, als all das, was ich bisher erlebt habe. Ich kann sie nicht länger warten lassen. Und Sie, liebe Leser, auch nicht! Ich klopfe und die Töne und Stimmen im Raum verstummen. Drei, zwei, eins, herein mit mir … Vor Anspannung halte ich die Luft an. Doch dann …

Wow! Ich befinde mich in einem lichtdurchfluteten Raum, der die zehnfache Größe meines Wohnzimmers hat. Ich erspare Ihnen die Beschreibung, jeder darf sich den Raum so vorstellen, wie er möchte. In der Mitte befinden sich kreisförmig eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs beigefarbene Oh-rensessel. Auf denen sitzen die Patienten, die mich mit erwartungsvollen Augen anschauen, wie ein kniender Verlobter, der mit zitternden Händen und eingeschlafenem Fuß darauf wartet, dass die Angebetete die zwei Buchstaben ausspricht.

Es sind fünf an der Zahl: Eine rothaarige Dame mit einem weißen Minikleid und einer leuchtenden Kugel, die zwischen ihren Händen schwebt. Die was? Die tatsächlich zwischen ihren Händen schwebt. Verrückt! Neben ihr sitzt eine androgyne Person mit weißem Gewand und Flügeln aus echten Federn. Als ich denke, es kann verrückter nicht werden, erspähen meine Augen jemanden, der als Osterhase verkleidet ist in einem täuschend echten Fell. Neben ihm sitzt ein älterer Herr im Weihnachtsmannkostüm und eine dreiäugige, lilafarbene, extrem lebendige Puppe. Wo bin ich hier gelandet? Wie lautet meine Devise nochmal? Genau. Alle Patienten wertfrei annehmen und bloß keine Verwunderung anmerken lassen. Ich muss die Information bloß meinem Hirn weiterleiten, damit mein offener Mund geschlossen wird. Ich räuspere mich höchst professionell. „Einen wunderschönen guten Morgen, allerseits!“

„Einen wunderschönen guten Morgen!“, erklingt es im Chor.

„Bitte entschuldigen Sie die Verspätung!“

„1:0 für den Weihnachtsmaaaann!“

Die Puppe. Die lilafarbene dreiäugige Puppe hat geredet. Eigentlich geschrien. Na klar, ein Bauchredner ist unter ih-nen, warum bin ich nicht früher draufgekommen?

„Nüscht! Pssst! Die Wetten bleiben doch unter uns. Das Personal muss nichts wissen!“, das waren die Worte des Osterhasen.

„Ach so, die gehört zum Personal. Ich dachte, die hätte auch einen Vogel wie wir!“, antwortet der dreifache Zyklop, der wohl auf den Namen Nüscht hört.

Ich tue so, als hätte ich alles überhört und nehme in dem freien Ohrensessel Platz. Links von mir sitzt die rothaarige Dame, rechts von mir Nüscht. Mir gegenüber sitzt der Osterhase. Rechts vom Hoppeltier das geflügelte Wesen, links der Weihnachtsmann. Was für eine Diagnose haben sie hier alle? Wahrnehmungsstörungen? Eine Multiple Persönlichkeitsstörung? Eine abgemilderte Form des Gott-Komplexes?

„Beginnen wir mit der Vorstellungsrunde. Mein Name ist Eleonore Silber, Sie können mich Eleonore nennen! Ich bin Psychotherapeutin in eigener Praxis und der Professor Doktor med. Grind bat mich vorübergehend die Leitung dieser Gruppe zu übernehmen, worüber ich mich sehr freue …“

Gelogen. Ich hoffe, sie merken es nicht!

„… ich bin sehr gespannt auf unsere Zusammenarbeit und auf Sie! Jetzt sind Sie an der Reihe. Ich habe gehört, dass Sie schon seit einiger Zeit gemeinsam in Therapie sind, dies bedeutet, dass Sie sich untereinander schon ein wenig kennen. Deswegen schlage ich vor, dass jeder in wenigen Sätzen sei-nen linken Sitznachbarn vorstellt! Beginnen wir bei Ihnen!“ Ich schaue erwartungsvoll die Dame mit der Schwebekugel an.

„Hallo Frau Silber, mein linker Sitznachbar heißt Sachiel und er ist ein Schutzengel. Sachiel ist ein besonders liebenswertes Wesen und befindet sich in dieser Gruppe, weil keiner mehr seine Hilfe braucht.“

Ich muss es bis zur Pause durchziehen. „Freut mich, Sie kennenzulernen, Sachiel. Möchten Sie Ihren Sitznachbarn vorstellen?“

„Liebend gern, Eleonore. Links neben mir sitzt Pascal. Er ist der Osterhase, aber er mag es nicht über seinen Beruf definiert zu werden, zumal er gerade deswegen eine Identitätskrise durchmacht! Und dies ist auch der Grund, weshalb er sich hier in der Gruppentherapie befindet.“

„Identitätskrise ist eine Untertreibung. Ich mach mal direkt weiter.“ Der Osterhase lässt mich gar nicht erst zu Wort kommen. „Mein linker Sitznachbar heißt Klaus. Wie Sie anhand seiner Kleidung feststellen können, ist er der Weihnachtsmann und er sitzt hier, weil fast keiner mehr an ihn glaubt. Den Kindern wird der Traum vom Weihnachtsmann immer früher geraubt und statt Schaukelstuhl und Mandarinen wünschen sie sich Handys und Drohnen.“

„Das hast du sehr gut in einem Satz zusammenfasst, Pascal. Ich stelle dann mal meinen Nachbarn vor, wenn Sie gestatten, Frau Silber?“

„Aber sicher!“ Es läuft ja wie von selbst.

„Links von mir sitzt das geschlechtslose Monster Nüscht, das der Familie der Bauchrednerpuppen angehört. Es lebt in einer Monster-WG und befindet sich in Therapie, weil es nicht weiß, was Selbstwert bedeutet, es kann das Wort nicht einmal korrekt aussprechen.“

„Und wer von Ihnen bringt Nüscht zum Sprechen?“

Sie schauen mich an, als hätte ich vorgeschlagen, die Olympischen Winterspiele in der Wüste auszurichten.

„Wie bitte?“, fragen sie einstimmig.

Eingespielt ist sie diese Truppe, das muss man ihr lassen!

„Wer von Ihnen kann bauchreden?“, versuche ich es erneut.

Ihre Blicke verraten mir, dass sie nicht verstehen, was ich meine. Ich gebe es auf!

„Nüscht, möchten Sie bitte weitermachen?“

„Aber ich kenne Sie doch nicht, wie kann ich Sie dann vorstellen? Und außerdem sind Sie ja nicht hier, um eine Therapie zu machen, sondern um uns als Gruppe zu leiten!“

Ich fange an Herrn Doktor Thomas Heilig zu verstehen. „Überspringen Sie mich, Nüscht, und stellen Sie meine linke Sitznachbarin vor!“

„Na klar! Also, das ist Phantasie. Man sieht sie nur, wenn man an sie glaubt. Sie besitzt diese Kugel. Je mehr phantastische Wesen es auf der Welt gibt, desto leuchtender ist sie! Und sie sitzt hier … warum sitzt du eigentlich hier, Phantasie? Du siehst toll, richtig toll aus! Also an deinem Selbstschwert kann es nicht liegen!“

„Es heißt Selbstwert und nicht -schwert, Nüscht! Und ich sitze hier, weil ich von den meisten Menschen wie Luft behandelt werde. Ich werde nicht gesehen.“

Pause. Auch wenn wir gerade erst begonnen haben. Ich brauche dringend eine Pause! Und ein Wörtchen mit dem Direktor. Ob ich dann wiederauftauche, werden wir sehen. „Ich würde vorschlagen, wir nehmen uns zehn Minuten zum Verschnaufen!“

„Pause? Das ist toll, richtig toll!“ Nüscht scheint der Euphorischste in der Runde zu sein. „Frau Silber?“

„Ja, bitte, Sachiel?“

„Bevor wir in die Pause gehen, würden wir Ihnen noch gerne etwas sagen. Wir arbeiten als Gruppe schon seit einiger Zeit zusammen und in Eigenregie konnten wir einiges in Erfahrung bringen. Wir werden von den Menschen alle auf unterschiedliche Weise nicht ernst genommen. Wir versuchen, in dieser Gruppentherapie diese Tatsache zu akzeptieren. Eine Sache hat aber momentan oberste Priorität, denn die Zeit rennt uns davon …“

„Die wäre, Sachiel?“

„Ostern steht vor der Tür und der Osterhase, oder besser Pascal, braucht dringend Hilfe!“

 

 

Die Pause

 

„Was fällt Ihnen eigentlich ein? Was für ein Spiel spielen Sie mit mir, Sie … Sie …“, ich mache mir keine Mühe zu klopfen und Anstand zu bewahren.

„Frau Silber, bitte nehmen Sie erstmal Platz. Es ist nicht so, wie Sie glauben!“

„Ach nein, das ist kein böser Scherz, den Sie sich gerade erlauben, um mir die Schneewittchen-Nummer unter die Nase zu reiben? Wieder einmal?“

„Glauben Sie mir, es ist nicht so!“

„Dann erklären Sie mir bitte, wie es ist!“

„Das möchte ich doch schon die ganze Zeit …“

„Ich höre, Herr Direktor!“

„Ich komme sofort zum Punkt, Frau Silber: Diese Wesen sind echt!“

Haben wir hier die nächste Diagnose? Wahrnehmungsstörung? Halluzinationen?

„Es handelt sich wirklich um den Weihnachtsmann und den Schutzengel und den Osterhasen und …“, spricht er weiter.

„Wo ist die Kamera?“, unterbreche ich ihn.

„Es ist mein vollster Ernst. Keiner unserer Kollegen glaubt mir und möchte die Gruppe leiten. Herrn Doktor Heilig konnte ich überreden, aber er hat seinem Verstand nicht mehr vertraut und den Rest der Geschichte kennen Sie.“

„Warum leiten Sie dann nicht die Gruppe?“

„Weil ich diese verdammte Phantasie nicht sehen kann und sich der Rest der Gruppe weigert mit mir zu arbeiten, wenn ich sie ignoriere …“

Er sagt die Wahrheit, ich spüre es. Ich habe als Kind an all diese Wesen geglaubt. Und was ist dann passiert? Ich habe mir die Frage nicht mehr gestellt. Glaube ich noch an sie? Ich weiß es nicht oder vielleicht doch …

„Was hat es mit dem Osterhasen auf sich?“

„Er darf nicht aufgeben, Frau Silber!“

„Warum?“

„Wenn jemand es schafft, ihn umzustimmen, dann Sie!“

„Sie haben meine Frage nicht beantwortet, Herr Direktor!“

„Die Pause ist rum, Ihre Patienten warten!“

 

 

Der Osterhase

 

Als ich den Gruppenraum 027 betrete, spielen die Teilnehmer Pantomime. Nüscht hält sich zwei Hände hinter seinen Kopf und Pascal verdreht die Augen: „Nüscht, wie oft noch? Fällt dir nichts Besseres ein?“ Als sie meine Anwesenheit bemerken, setzen sie sich alle brav hin.

„Pascal, bei der Vorstellung sagte Sachiel, dass Sie derzeit eine Identitätskrise durchmachen. Möchten Sie mir etwas genauer erklären, was er damit meint?“ Ich entscheide mich, sofort zur Sache zu gehen.

„Ich kann nicht mehr, Frau Silber!“, schnauft Pascal erschöpft. „Ich möchte meinen Job an den Nagel hängen!“

Das liebe ich an meinen Patienten. Sie kommen immer und sofort, meist im ersten Satz, auf den Punkt.

„Und warum haben Sie es bisher nicht getan, Pascal?“

„Weil mir, Ironie des Schicksals, die Eier fehlen, Eleonore!“

Ich kann mir das Grinsen nicht verkneifen. „Und warum hat Ihnen bisher der Mut gefehlt?“

„Weil ich der bin, der ich bin. Ich bin der Osterhase, geboren in einer traditionsreichen Familie! Unser Familienunternehmen wurde 1682 gegründet. Keiner kann dem ersten Osterhasen, Pascal I, bis heute das Wasser reichen. Das Handwerk wird von Vater zu Kind weitergereicht, ohne zu hinterfragen …“

„Worin genau besteht das Handwerk eines Osterhasen?“

„Ich weiß nicht, ob ich die Familiengeheimnisse verraten darf, Frau Silber!“

„Sie entscheiden, Osterhase. Aber Sie wissen, wir befinden uns hier in einem geschützten Raum. Wir alle unterliegen der Schweigepflicht, nur der Direktor darf Informationen erhalten, aber das wissen Sie ja!“

„Also gut. Wir sind die einzige Hasenfamilie weltweit, die Eier legen kann, das macht uns besonders, Osterhasen halt …“

„Ach, das ist toll, richtig toll …“, unterbricht Nüscht den Osterhasen, „ich kann auch Eier legen, nur weiß das keiner! Das ist mein Geheimnis!“

„Danke für die Info, Nüscht. Darf ich weiterreden?“

„Aber klar, Pascal. Bitte fahren Sie fort!“, antworte ich an Nüschts Stelle.

„Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, wir sind die einzige Hasenfamilie weltweit, die Eier legen kann. Und es handelt sich um ganz besondere Eier. Sie werden nur gelegt, um an Ostern versteckt und von den Kindern gesucht und gefunden zu werden. Einige sind hartgekocht, andere aus Schokolade. Die ganz besonderen sind aus Porzellan. Die sind dann nicht wirklich für Kinder gedacht, sondern für die Erwachsenen, deren Inneres Kind noch sehr lebendig ist. Und glauben Sie mir, es sind viele!“

Irre ich mich oder höre ich einen gewissen Stolz aus seinen Worten heraus?

„Dann kommt das Anmalen. Jedes einzelne Ei wird mit den hochwertigsten Farbpigmenten dekoriert und gleicht einem Kunstwerk. Die komplette Familie verbringt Monate damit. Jedes Ei ist ein Unikat. Und zuletzt ist da noch die körperliche Betätigung, das Training. Von wegen hoppeln. Flitzen ist angesagt, denn ich habe eine Nacht und höchstens einige Stunden des Vormittags Zeit, um meine Tarnarbeit zu erledigen.“

„Es klingt nach einer sehr schönen Arbeit, Pascal, und Sie erzählen mit einer gewissen Begeisterung und Leidenschaft davon!“, muss ich ehrlicherweise feststellen.

„Es ist eine wunderbare Arbeit, Eleonore …“

Ich höre einen großen Widerstand im Satz!

„… wenn man sie sich auswählen darf! Ich bin in diese Arbeit hineingeboren. Mich hat niemand gefragt, was möchtest du werden, wenn du groß bist? Es war von vornerein klar, dass ich der Osterhase sein werde, dass ich in die Fußstapfen meines Vaters treten werde … treten muss. Und es gibt nichts Schlimmeres als das Gefühl zu haben, nicht frei über das eigene Leben entscheiden zu können.“

Wie Recht er doch hat!

„Es ist ein Traumjob, aber glauben Sie mir, es ist nicht meiner! Ich hasse diesen Job und da ich leider fast ausschließlich über meine Arbeit definiert werde, fange ich an, auch mich zu hassen!“

Der Osterhase, der kein Osterhase sein möchte! Das ist ein Dilemma!

Wenn die Therapeutin nicht weiterweiß, fragt sie die Grup-pe. „Hat jemand von Ihnen eine ähnliche Erfahrung gemacht? Und wenn ja, wie sind Sie mit der Situation umgegangen?“

„Im Jahre 1969 war ich ziemlich müde“, beginnt der Weihnachtsmann zu erzählen. „Ich war sehr erschöpft. Ich denke, ich litt unter dem, was ihr Menschen als Burn-out bezeichnet. Ich bat dann alle meine kleinen Helfer, die meiste Arbeit für mich zu übernehmen. Ich habe in diesem Jahr wirklich wenig gearbeitet und konnte neue Energie tanken für die darauffolgenden Weihnachten. Aber ich kann nicht sagen, dass ich keine Lust hatte, meine Arbeit zu machen. Für mich ist es keine Arbeit, es ist mein Leben!“

„Danke, Klaus! Sonst jemand?“

„Also manchmal ist es so …“, macht das kleine Monster weiter. „… dass ich eine Show verschlafe, dann nimmt mei-ne WG-Chefin ein anderes Monster mit und ich kann weiterschlafen. Das ist dann toll, richtig toll!“

„Würden Sie gerne eine andere Arbeit machen wollen, Nüscht?“

„Arbeit? Mein Job ist es Spaß zu haben und Menschen glücklich zu machen. Das ist dann toll, richtig toll!“

„Eigentlich erzählt deine WG-Chefin etwas, du bist nur eine Hülle aus Fell und wirst nur ausgenutzt“, unterbricht Pascal ihn.

„Hä? Ich kapier kein Wort, ich …“

„Danke, Nüscht!“, unterbreche auch ich ihn. Dieses Fass machen wir noch nicht auf. Jetzt geht es um den Hoppelhasen. Ich schaue erwartungsvoll zu Sachiel und Phantasie. Sachiel schaut weg, es sieht nicht so aus, als würde er was sagen wollen. Aber Phantasie holt tief Luft, seufzt und sagt schließlich: „Ich bin die Phantasie.

---ENDE DER LESEPROBE---