Der Notarzt 263 - Karin Graf - E-Book

Der Notarzt 263 E-Book

Karin Graf

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Beschreibung

Notarzt Peter Kersten ist alles andere als begeistert, als in der Frankfurter Sauerbruch-Klinik plötzlich eine Abteilung für Plastische Chirurgie eröffnet werden soll. Maximilian Rainer, der neue Kollege und Leiter dieser Abteilung, hat nämlich von höchster Stelle zugesichert bekommen, dass ihm beim Aufbau seiner Station alle Wünsche erfüllt werden müssen. Scheinbar rücksichtslos macht der Arzt für Plastische Chirurgie von seinem Recht Gebrauch: Ausgerechnet zwei von Peters fähigsten Mitarbeiterinnen in der Notaufnahme fordert er als Unterstützung für seine Station. Dass sowohl Peter als auch die beiden Frauen energisch protestieren, hält ihn nicht davon ab, seinen Willen durchzusetzen.

Natürlich spricht sich dieses Verhalten in der Klinik herum, sodass Maximilian von seinen Kollegen konsequent geächtet und ignoriert wird. Niemand ahnt, dass er ein Geheimnis mit sich herumträgt, das sein Verhalten erklären könnte, denn der junge Mann tut alles, damit niemand davon erfährt.

Schließlich kommt der große Tag: Mit einem rauschenden Gartenfest im Klinikpark soll die neue Station offiziell eröffnet werden. Anfangs läuft alles nach Plan, die Gäste feiern fröhlich. Aber dann tritt eine Gestalt hinter einem Busch hervor, und plötzlich geht es nicht mehr um Nasenkorrekturen oder Brustvergrößerungen - sondern um Leben und Tod ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Was so fröhlich begann …

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: shutterstock/CandyBox Images

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-2815-8

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Was so fröhlich begann …

Warum eine ausgelassene Feier plötzlich zur Katastrophe wurde

Karin Graf

Notarzt Peter Kersten ist alles andere als begeistert, als in der Frankfurter Sauerbruch-Klinik plötzlich eine Abteilung für Plastische Chirurgie eröffnet werden soll. Maximilian Rainer, der neue Kollege und Leiter dieser Abteilung, hat nämlich von höchster Stelle zugesichert bekommen, dass ihm beim Aufbau seiner Station alle Wünsche erfüllt werden müssen. Scheinbar rücksichtslos macht der Arzt für Plastische Chirurgie von seinem Recht Gebrauch: Ausgerechnet zwei von Peters fähigsten Mitarbeiterinnen in der Notaufnahme fordert er als Unterstützung für seine Station. Dass sowohl Peter als auch die beiden Frauen energisch protestieren, hält ihn nicht davon ab, seinen Willen durchzusetzen.

Natürlich spricht sich dieses Verhalten in der Klinik herum, sodass Maximilian von seinen Kollegen konsequent geächtet und ignoriert wird. Niemand ahnt, dass er ein Geheimnis mit sich herumträgt, das sein Verhalten erklären könnte, denn der junge Mann tut alles, damit niemand davon erfährt.

Schließlich kommt der große Tag: Mit einem rauschenden Gartenfest im Klinikpark soll die neue Station offiziell eröffnet werden. Anfangs läuft alles nach Plan, die Gäste feiern fröhlich. Aber dann tritt eine Gestalt hinter einem Busch hervor, und plötzlich geht es nicht mehr um Nasenkorrekturen oder Brustvergrößerungen – sondern um Leben und Tod …

In seinem Büro im obersten Stock der Frankfurter Sauerbruch-Klinik beendete der Verwaltungsdirektor Emil Rohrmoser soeben sein zweites Frühstück.

Mit einem behaglichen Seufzer zerrte er die Papierserviette aus seinem Hemdkragen, knüllte sie zusammen und warf sie in den Papierkorb. Dann fegte er mit einer Hand die Brötchenkrümel, die über den halben Schreibtisch verstreut waren, zu einem kleinen Häufchen zusammen, wischte sie in seine andere Hand, öffnete das Fenster und streute die Krümel auf das Fensterbrett.

„Moment, heute kommt noch was dazu!“, rief er zu der großen Buche hinüber, die nahe dem Fenster stand und in deren Zweigen die kleinen Vögel, die dieses allmorgendliche Ritual längst kannten, bereits aufgeregt zwitschernd warteten.

Der gewichtige Direktor, dem man seine Leidenschaft für üppige Mahlzeiten nur allzu deutlich ansehen konnte, schnitt die Tüte mit den gemischten Nüssen, die seine Frau ihm eingepackt hatte, mit einer Schere auf und streute auch davon noch eine gute Handvoll auf das Fensterbrett.

„Guten Appetit!“, rief er und duckte sich schmunzelnd, als sich mit beinahe ohrenbetäubendem Geschrei eine dunkle Wolke aus den Zweigen der Buche erhob und auf das eröffnete Buffet losstürmte. „Etwas mehr Disziplin, bitte!“, mahnte er mit erhobenem Zeigefinger. „Ohne Disziplin kann man im Leben nämlich keinen Blumentopf gewinnen!“

„Das ist mir vollkommen egal, ob er gerade beim Essen ist, Frau Busswald!“, tönte von draußen eine erboste Stimme herein. Kurz darauf wurde die Tür stürmisch aufgerissen.

„Da! Nehmen Sie eine Nuss, Weidner!“ Emil Rohrmoser hielt dem Chefarzt der Sauerbruch-Klinik die Tüte entgegen. „Nüsse sind angeblich Nervennahrung, und die brauchen Sie heute ganz dringend, wie mir scheint.“

Prof. Lutz Weidner, der medizinische Leiter der Sauerbruch-Klinik, an dessen bedrohlich auf und ab zuckenden silbergrauen Augenbrauen man deutlich erkennen konnte, dass er sich in einem weit fortgeschrittenen Stadium der Rage befand, schob Hand und Tüte unsanft beiseite und klatschte wutentbrannt ein internes Rundschreiben auf den Tisch.

„Nein! Nur über meine Leiche!“, donnerte er. „Nicht mit mir! Auf gar keinen Fall! Machen Sie das augenblicklich rückgängig, Direktor! Da spiele ich nicht mit!“

„Herrje, was sind wir heute wieder trotzig!“, spottete der Verwaltungsdirektor. „Und: Nein, ich werde das nicht rückgängig machen. Das wird so geschehen, das ist beschlossene Sache, da beißt die Maus keinen Faden ab, Punkt, aus, Ende!“

Das Gesicht des Chefarztes färbte sich dunkelrot, und er schlug mit der Faust so fest auf die Tischplatte, dass das Wappentier des Verwaltungsdirektors – ein großes rosarotes Sparschwein aus Porzellan – zwei Schritte vorwärtsstolperte.

„Das hier ist ein seriöses Krankenhaus!“, schrie der Professor aufgebracht. „Und ich bin ein ernsthafter Mediziner! Eine Abteilung für Schönheitschirurgie an meiner Klinik …“

„Meine Klinik!“, fiel Emil Rohrmoser ihm ins Wort. Als Lutz Weidner ihn aus zusammengekniffenen Augen böse anfunkelte, relativierte er kleinlaut: „Unsere … Klinik.“

„Wie auch immer!“

Der Professor wischte diesen Einwand mit einer energischen Handbewegung weg.

„Ich habe auf alle Fälle nicht die Absicht, mich bei der Morgenvisite mit alternden Gigolos über deren Waschbrettbauch-Implantate zu unterhalten und erfolglose Starletts zu befragen, ob wir ihren Busen noch ein Stück höher hinauf zurren sollen und ob sie noch genug Luft bekommen, obwohl die Oberlippe bereits die Nasenlöcher verschließt! Das ist mir zu blöde! Für so etwas habe ich nicht Medizin studiert!“

Irene Busswald, die langjährige Sekretärin des Verwaltungsdirektors, hatte im Laufe der Jahre schon so manche verbale Schlacht zwischen den beiden Klinikchefs miterlebt, wobei es sonst allerdings Direktor Rohrmoser war, der brüllte.

Prof. Weidner hatte sie noch nie so schreien gehört. Der Chefarzt war sonst eher der besonnene Typ, der alles mit Humor nahm und über ein ausgleichendes Gemüt verfügte.

Um zu verhindern, dass der Streit eskalierte, öffnete sie die Tür einen Spaltbreit.

„Möchten die Herren vielleicht einen Kaffee?“, fragte sie in extra ruhigem Tonfall.

„Ja, bringen Sie uns einen, Busswald!“, ordnete Emil Rohrmoser an. „Und in seinen kippen Sie einen ordentlichen Schuss Baldrian hinein, sonst trifft ihn am Ende noch der Schlag!“, fügte er sarkastisch hinzu.

„Pardon, Herr Professor!“ Die Chefsekretärin hob eine Hand hoch, als sie sah, dass Lutz Weidner abermals aufbrausen wollte. „Es steht mir eigentlich nicht zu, mich einzumischen, das weiß ich. Ich möchte aber dennoch anmerken, dass der Herr Direktor diesmal … ähm … völlig unschuldig ist. Diese Anordnung kam ganz überraschend. Und zwar von ganz oben.“

„Von ganz oben?“ Der Chefarzt warf dem Direktor einen fragenden Blick zu. Der zuckte mit den Schultern und verdrehte feixend die Augen.

„Ich sage nur: Rotzglocke!“

„Wie bitte?“ Prof. Weidner schüttelte verständnislos den Kopf.

„Herr Direktor Rohrmoser beliebt unseren Stiftungsratspräsidenten, Herrn Dr. Friedrich Rötz-Pocke, gelegentlich so zu nennen“, erklärte Irene Busswald, schloss leise die Tür hinter sich, lauschte noch kurz und seufzte erleichtert auf, als es dahinter mehr oder weniger ruhig blieb.

„Herrgott!“, zischte der Chefarzt resigniert.

„Das hätte er gerne, dass wir ihn so nennen!“, prustete Emil Rohrmoser. „Ich bleibe aber dennoch bei Rotzglocke.“

„Aber … ich verstehe nicht …“ Lutz Weidner zog sich einen Stuhl an den Schreibtisch heran und ließ sich stöhnend darauf sinken. „Rotz … ähm … meine Güte!“

Er machte eine ärgerliche Geste mit der Hand.

„Sie bringen mich mit Ihren Scherzen noch ganz durcheinander, Direktor! Rötz-Pocke war doch bislang vollauf damit zufrieden, dass die Bilanz am Ende des Jahres stimmt und unsere Klinik einen guten Ruf genießt. Seit wann mischt der sich in unsere Angelegenheiten ein?“

„Keine Ahnung!“ Es knirschte, als der Direktor eine Walnuss zwischen seinen Zähnen zermalmte. „Entweder hat er erfahren, dass man damit einen Haufen Geld machen kann, oder dieser … dieser …“ Emil Rohrmoser brach ab und begann, in seinen Unterlagen zu kramen. „Dieser … na, wo habe ich es denn?“

Er zog einen Zettel unter einem Stapel Papiere hervor und warf einen Blick darauf.

„Maximilian Rainer, so heißt der“, fuhr er fort. „Gut möglich, dass der mit Rotzglocke verwandt, verschwägert oder sonst irgendwie verbandelt ist und Onkel Friedrich ihm zu einer schnellen Karriere verhelfen will.

„Wer ist nun wieder dieser Maximilian Rainer?“, verlangte der Chefarzt zu wissen.

„Der neue Leiter der neuen Abteilung.“

Emil Rohrmoser konnte die Schadenfreude nicht ganz verbergen, die er angesichts der Empörung des Professors empfand. Hastig steckte er sich eine weitere Nuss in den Mund und kaute hektisch darauf herum, damit sein Grinsen nicht allzu breit ausfiel.

„Der kommt sich noch heute bei Ihnen vorstellen“, mümmelte er und wedelte mit dem Schreiben, das er in der Hand hielt. „Sie werden ersucht, ihm jegliche Unterstützung zuteilwerden zu lassen, derer er bedarf“, zitierte er näselnd.

„Geben Sie her!“ Lutz Weidner riss dem Direktor das Schreiben aus der Hand und überflog die Zeilen mit gerunzelter Stirn.

„Fünfunddreißig!“, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Der ist fünfunddreißig!“

„Na und? Was ist daran jetzt so außergewöhnlich? War ich auch mal!“ Der Direktor zuckte die Achseln.

„Mit fünfunddreißig bekommt man doch noch keine eigene Abteilung!“, protestierte Prof. Weidner. „In diesem Alter war ich noch ein einfacher Stationsarzt!“

„Tja, da können Sie mal sehen!“ Emil Rohrmoser stopfte sich die letzten paar Nüsse in den Mund, erhob sich ächzend aus seinem ledernen Chefsessel, ging zum Fenster und schüttelte die Krümel aus der Tüte auf das Fensterbrett.

„So, und jetzt kriegen Sie sich wieder ein, Weidner“, sagte er bestimmt. „Es hätte auch schlimmer kommen können.“

„Schlimmer?“ Der medizinische Leiter der Sauerbruch-Klinik schüttelte angewidert den Kopf. „Was könnte denn noch schlimmer sein als das?“

„Na ja …“ Der Verwaltungsdirektor überlegte. „Beispielsweise eine Station für Kosmetik“, gluckste er dann. „Unter Vollnarkose edlen Damen die Fußnägel schweinerosa lackieren.“ Das Glucksen ging in ein Prusten über. „Entschuldigung, aber ich stelle Sie mir gerade bildlich dabei vor, Weidner! Köstlich! Das ist zum Schießen! Oder, wie Sie … wie Sie … Herrgott!“

Emil rang nach Luft, zerrte ein großes kariertes Taschentuch aus seiner Hosentasche und trocknete seine Tränen, während das Prusten in eine Art Wiehern überging.

„Wie Sie … wie heißt noch mal diese dicke alte Schauspielerin? Na, egal! Wie Sie der unter Lokalanästhesie die Achselhaare ausreißen! Ist das komisch! Ich werd’ nicht mehr! Ich lach mich to …“

Emil Rohrmoser wurde schlagartig ernst, als Lutz Weidner aufsprang und er ein Klimpern in dessen Kitteltasche hörte.

„Was haben Sie denn da eingesteckt, Weidner?“, stellte er den Chefarzt zur Rede.

Der Professor förderte eine Handvoll kleiner Kupfermünzen zutage.

„Rosi hat heute noch gar kein Frühstück gehabt“, merkte der Direktor lauernd an.

„Wie? Ach! Da!“ Der Professor warf die Münzen achtlos auf den Schreibtisch, drehte sich um und verließ wutentbrannt das Büro.

„Ihr Kaffee, Herr Professor!“ In der Tür wäre er beinahe mit der Chefsekretärin zusammengestoßen.

„Danke, Frau Busswald, ich nehme ihn mit nach unten.“ Er nahm sich einen der beiden Becher vom Tablett und stürmte mit großen Schritten auf den Flur hinaus.

Emil Rohrmoser blickte ihm kopfschüttelnd nach. Dann beugte er sich über sein Sparschwein und strich ihm liebevoll über den rosaroten Porzellanrücken.

„Jetzt gibt es etwas Gutes, Rosi!“, raunte er liebevoll.

***

Edeltraud Wilceck verstarb noch im Rettungswagen. Fünf Minuten, bevor sie die Notaufnahme der Sauerbruch-Klinik erreichte.

„Da war nichts mehr zu machen. Wir haben fünf Minuten lang reanimiert, wir haben wirklich alles versucht, aber sie hat auf nichts reagiert.“

Dr. Jochen Vogel, ein untersetzter kahlköpfiger Rettungsarzt von etwa fünfzig Jahren, drückte dem Leiter der Notaufnahme das Krankenblatt in die Hand. Heute lachte der sonst fast immer fröhliche Mediziner, den Peter Kersten sehr mochte und schätzte, ausnahmsweise einmal nicht.

Auch Peter musste schlucken, als er auf die tote Frau hinabblickte, die während der letzten Jahre Stammgast in der Notaufnahme gewesen war. Zum ersten Mal, seit er sie kannte, sah sie entspannt und beinahe sogar glücklich aus.

„Lachen Sie nicht, Kollege, aber ich glaube, sie wollte diesmal nicht mehr gerettet werden. Es scheint so, als wäre der Tod in ihren Augen die einzige Möglichkeit gewesen, ihrem Peiniger ein Schnippchen zu schlagen“, sagte Jochen Vogel leise. Er senkte den Kopf. „Und ich kann es ihr beim besten Willen nicht verdenken.“

Peter Kersten nickte.

„Ja, sie sieht richtig zufrieden aus, nicht wahr? So, als hätte sie es am Ende nun doch einmal geschafft, das letzte Wort zu bekommen und ein einziges Mal ihren Kopf durchzusetzen. Und das hat sie ja wohl auch.“

„Ja, das hat sie.“ Jochen Vogel seufzte tief und machte sich daran, die Elektroden seines tragbaren EKG-Geräts, den Sauerstoffclip, die Blutdruckmanschette und die Sauerstoffmaske vom Körper der toten Frau zu entfernen.

Der Notarzt hob das Krankenblatt hoch und überflog die Angaben darauf. Er stieß mit einem zischenden Geräusch die Luft aus.

„Das ist neu! Diesmal war er ja richtig kreativ. Ist beim Staubsaugen gestolpert und hat sich das Rohr gegen den Bauch gerammt.“ Er lachte bitter auf. „Das ist ja wohl kaum möglich!“

„Nee, nicht wahr?“ Der Rettungsarzt schnitt eine Grimasse. „Es wird wohl eher ein Fuß gewesen sein. Aber ich gehe jede Wette ein, dass er wieder damit durchkommt.“

„Das ist anzunehmen“, pflichtete Peter seinem Kollegen bei. „Häusliche Gewalt und Gewalt gegen Frauen im Allgemeinen ist still und heimlich wieder zu einem Kavaliersdelikt verkommen, wie mir scheint. Nicht wichtig genug.“

Peter hob einen Zeigefinger hoch.

„Aber klauen Sie einmal einen Kaugummi im Supermarkt! So schnell können Sie gar nicht schauen, wie Sie da hopsgenommen werden. Na ja …“ Er winkte seufzend ab. „Was haben Sie denn …“

Dr. Kersten brach ab und suchte nach der gewünschten Information auf dem Krankenblatt, ehe er fortfuhr.

„Was haben Sie denn als Todesursache angegeben? Ah, Reflextod durch massiven Schlag mit einem stumpfen Gegenstand in den Solarplexus.“

„Daran kann man sterben?“ Schwester Annette, die mit ihren einundzwanzig Jahren das jüngste Mitglied in Peters Team war, schob die Rolltrage in einen der Behandlungsräume. Peter Kersten und Jochen Vogel folgten ihr.

„Allerdings.“ Der Notarzt nickte. „Der Solarplexus, auch Sonnengeflecht genannt, ist eine der wichtigsten Schaltzentralen unseres Körpers. Hier, am Übergang vom Brustkorb zur Magengrube, laufen zahlreiche Nervenstränge zusammen, und von hier aus werden sehr wichtige Körperfunktionen gesteuert.“

„Sechsunddreißig Komma eins. Die Temperatur sinkt bereits“, stellte Schwester Annette mit einem Blick auf das Thermometer fest und notierte den Wert auf dem Formular, mit dem Peter Kersten den Tod der Patientin bescheinigen musste.

„Kein Herzschlag, Atemstillstand, kein Puls, keine Reflexe, Augen starr, keine Reaktion auf Licht“, diktierte der Notarzt die Ergebnisse der Routineuntersuchung, die er zügig aber gewissenhaft durchführte. Abschließend befestigte er noch die Plättchen des EEG-Geräts am Kopf der Verstorbenen. „Hirntod“, stellte er fest, als die Null-Linie auf dem Bildschirm erschien.

„Runter in die Pathologie?“, fragte die junge Pflegerin, als Peter die Todesursache, die sein Kollege angegeben hatte, mit seiner Unterschrift bestätigte.

„Nein, noch nicht.“ Peter Kersten schüttelte den Kopf und schnitt dann eine Grimasse. „Vielleicht kommt ja noch der liebende Gatte und möchte Abschied nehmen.“