Der Notarzt 266 - Karin Graf - E-Book

Der Notarzt 266 E-Book

Karin Graf

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Beschreibung

Dr. Peter Kersten, der Leiter der Notaufnahme in der Frankfurter Sauerbruch-Klinik, ist stolz auf seine fähigen und engagierten Mitarbeiter. Die Abteilung genießt einen hervorragenden Ruf.

Die neue Assistenzärztin Lena passt ausgezeichnet in dieses eingespielte Team. Sie ist nicht nur hochintelligent, motiviert, wissbegierig, lernfähig und unglaublich talentiert; sie verfügt auch über eine gewaltige Portion dessen, was einen wirklich guten Notarzt ausmacht: Instinkt und Bauchgefühl.

Umso entsetzter reagiert Peter Kersten, als er von "höchster Stelle" dazu angewiesen wird, die noch in der Probezeit befindliche Lena fristlos zu entlassen. Ihre Stelle soll mit einer anderen jungen Frau besetzt werden: Corinna Schmitz. Machtlos muss sich der Notarzt dieser Anordnung fügen.

Auch der Assistenzarzt Elmar Rösner ist wie vor den Kopf geschlagen. Er ist heimlich in Lena verliebt und hat es noch nicht geschafft, ihr seine Gefühle zu gestehen. Nun, wo sie weg ist, scheint es dafür zu spät zu sein.

Da kommt es zu einem verhängnisvollen Zwischenfall: Eines Abends klingelt in der Notaufnahme das Telefon. Ein kleines, verzweifeltes Mädchen ist am anderen Ende der Leitung. Corinna nimmt den Anruf entgegen, doch sie hat eigentlich gerade anderes zu tun. Außerdem kann man dieses wirre Gestammel doch sowieso nicht ernst nehmen. Oder ...?

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Inhalt

Cover

Impressum

Zu beschäftigt, um zu helfen

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: shutterstock/Production Perig

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-2905-6

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Zu beschäftigt, um zu helfen

Als die junge Assistenzärztin einen Notruf nicht ernst nahm

Karin Graf

Dr. Peter Kersten, der Leiter der Notaufnahme in der Frankfurter Sauerbruch-Klinik, ist stolz auf seine fähigen und engagierten Mitarbeiter. Die Abteilung genießt einen hervorragenden Ruf.

Die neue Assistenzärztin Lena passt ausgezeichnet in dieses eingespielte Team. Sie ist nicht nur hochintelligent, motiviert, wissbegierig, lernfähig und unglaublich talentiert; sie verfügt auch über eine gewaltige Portion dessen, was einen wirklich guten Notarzt ausmacht: Instinkt und Bauchgefühl.

Umso entsetzter reagiert Peter Kersten, als er von „höchster Stelle“ dazu angewiesen wird, die noch in der Probezeit befindliche Lena fristlos zu entlassen. Ihre Stelle soll mit einer anderen jungen Frau besetzt werden: Corinna Schmitz. Machtlos muss sich der Notarzt dieser Anordnung fügen.

Auch der Assistenzarzt Elmar Rösner ist wie vor den Kopf geschlagen. Er ist heimlich in Lena verliebt und hat es noch nicht geschafft, ihr seine Gefühle zu gestehen. Nun, wo sie weg ist, scheint es dafür zu spät zu sein.

Da kommt es zu einem verhängnisvollen Zwischenfall: Eines Abends klingelt in der Notaufnahme das Telefon. Ein kleines, verzweifeltes Mädchen ist am anderen Ende der Leitung. Corinna nimmt den Anruf entgegen, doch sie hat eigentlich gerade anderes zu tun. Außerdem kann man dieses wirre Gestammel doch sowieso nicht ernst nehmen. Oder …?

Es war Montagmorgen, kurz nach halb sieben, als der Leiter der Notaufnahme in der Frankfurter Sauerbruch-Klinik den Bereitschaftsraum betrat.

Seit Jahren wurde Dr. Peter Kersten beim Schichtwechsel tagtäglich mit fast denselben Worten empfangen: „Cool, die Ablösung ist da!“ Oder: „Alle Mann heim zu Muttern, der Boss übernimmt!“ Manchmal tönte auch einfach nur ein enthusiastisches „Schulschluss, Kinder!“ durch die breiten Korridore der Notaufnahme.

An diesem Morgen jedoch wurde der Notarzt mit der Mitteilung empfangen, die er von allen am meisten verabscheute.

„Peter, wir haben ein Problem!“

Dazu machte Dr. Thomas Jensen, der einen langen und anstrengenden Nachtdienst hinter sich hatte, ein Gesicht, das nichts Gutes erahnen ließ, klatschte eine Zeitung auf den Schreibtisch und tippte mehrmals mit dem Zeigefinger darauf.

„Schon gesehen?“

„Was ist das?“ Dr. Kersten stellte seine Tasche auf einen Stuhl, warf seine Jacke über die Lehne und versuchte, zu erkennen, um was für eine Zeitung es sich handelte.

„Ah, ist das nicht die Gesundheitsbeilage, die immer am Wochenende in der Morgenzeitung ist?“

„Genau!“, lautete die einsilbige Antwort, gefolgt von einem ausgiebigen Gähnen.

„Deine Mandeln sind in Ordnung, du kannst den Mund jetzt wieder schließen, Kleiner“, sagte Peter grinsend, hob die Beilage hoch und blätterte sie rasch durch. „Was soll denn damit sein? Ich kann nichts Außergewöhnliches entdecken.“

„Hin …!“ Erneut zwang ein Gähnen Toms Kiefer weit auseinander, ehe er das begonnene Wort beenden konnte: „… ten! Und ich habe übrigens seit meinem zehnten Lebensjahr keine Mandeln mehr, du Genie!“, fügte er schmunzelnd hinzu.

Eben wollte sich Peter mit einer flapsigen Bemerkung revanchieren, als sein Blick auf eine Liste mit Telefonnummern auf der letzten Seite der Gesundheitsbeilage fiel.

„Oh nein! Bitte nicht!“, rief er erschrocken aus und warf die Beilage auf den Schreibtisch zurück. „Herrgott noch mal, was fällt denen denn ein?“

Unter einer langen Liste mit Notrufnummern – zentraler Notruf, Polizei, Feuerwehr, Vergiftungszentrale, Psychosozialer Notdienst, Telefonseelsorge und so weiter – stand als letzte Nummer die der Notaufnahme der Sauerbruch-Klinik.

In Klammern wurde den Lesern hier mitgeteilt, dass sie unter dieser Rufnummer mit erfahrenen Notärzten Kontakt aufnehmen könnten, wenn sie nicht ganz sicher waren, ob ihr Problem den Einsatz eines Rettungsteams erforderte.

„Toll!“, zischte Peter Kersten verdrossen. „Du hast recht, das kann sich allerdings zu einem Problem auswachsen!“

„Was heißt hier kann?“, fragte Thomas Jensen sarkastisch und ließ stöhnend seine Stirn auf die Tischplatte fallen. „Wir hatten allein in dieser Nacht achtundneunzig Anrufe!“

Er verstellte seine Stimme zu einem atemlosen Hecheln.

„Klein Kevin hat fast eine ganze Tube Zahnpasta geschluckt, weil die nämlich nach Himbeeren schmeckt! Muss er zum Magen auspumpen kommen? Mein Mann hustet so stark! Soll ich ihm Zwiebeln auf die Brust legen? Meine dreizehnjährige Tochter behauptet, Milch sei ungesund, und deshalb will sie ihren Kakao nicht trinken. Können Sie ihr bitte sagen, dass das völliger Quatsch ist? Susi hat jetzt dreimal hintereinander ins Bett gekotzt. Was kann das sein? Ich habe so einen komischen Knubbel am …“

„Hör auf! Aus! Schluss!“, flehte Dr. Kersten und ließ sich entnervt auf einen Stuhl fallen. „Reicht schon, Tom! Den Rest kann ich mir gut vorstellen! Verdammt noch mal! Als ob wir nicht so schon genug zu tun hätten!“

„Stimmt!“ Dr. Jensen nickte. „Nach dem zwanzigsten Anruf war ich so geladen, dass ich die Nummer der Redaktion gewählt habe. Es war tatsächlich noch jemand dort. Sogar der Stellvertreter des Chefredakteurs.“

„Und?“ Peter zog fragend die Augenbrauen hoch.

Tom verdrehte genervt die Augen.

„Er meinte, dass wir seinem Käseblatt eigentlich dankbar sein sollten, weil wir am Telefon die harmlosen Erkrankungen gleich im Vorfeld aussortieren könnten und somit weniger Patienten zu uns kämen.“

„Trottel!“, entfuhr es Dr. Kersten ganz spontan aus tiefstem Herzen

„Du sagst es!“, stimmte Dr. Jensen ihm zu. „Ich habe ihm angeboten, wir würden gerne auch seine Durchwahl bei all unseren Patienten verteilen und ihnen sagen, sie könnten ihn jederzeit anrufen, um sich die neuesten Neuigkeiten vorlesen und erklären zu lassen. Dann würde er sich eine Menge Arbeit ersparen, weil das Käseblatt dann eigentlich gar nicht mehr gedruckt werden müsste.“

„Sehr gut!“ Peter lachte laut auf. „Und? Was hat er dazu gesagt?“

„Dieser Vorschlag hat ihm weniger gut gefallen“, erwiderte Thomas Jensen. „Er hat sich abschließend sogar entschuldigt. Aber davon haben wir jetzt ja nichts mehr. Diese Nummernliste hängt vermutlich bereits neben mindestens drei Millionen Telefonen, und in den kommenden Wochen und Monaten wird einer von uns ausschließlich mit Telefonieren beschäftigt sein. Wir können die Anrufe ja nicht gut ignorieren, denn es könnte ja wirklich einmal um Leben oder Tod gehen.“

„Puh! Das ist wirklich …“, begann Peter und brach verwundert ab, als er draußen auf dem Flur die Stimme eines seiner Assistenzärzte hörte.

Er kippte den Stuhl, auf dem er saß, weit nach hinten, um durch die offene Tür nach draußen sehen zu können.

„War das eben Elmar?“, erkundigte er sich kopfschüttelnd, warf einen Blick auf seine Armbanduhr und verneinte seine Frage gleich selbst. „Nee, kann nicht sein. Oder?“

Tom musste über das verdutzte Gesicht seines Chefs lachen.

„Der ist schon seit kurz nach sechs Uhr hier und hat bereits tüchtig mitgeholfen. Er ist auch gestern am Abend nach Dienstschluss noch eine Stunde länger geblieben. Wenn ich ihn nicht hinausgeworfen hätte, dann hätte er wohl durchgemacht.“

Peter konnte nur verblüfft den Kopf schütteln. Er mochte und schätzte den jungen Kollegen sehr und hatte es längst hingenommen, dass er beinahe täglich zu spät zum Dienst kam. Seine Vorzüge überwogen den Hang zur Unpünktlichkeit.

Meistens stürmte der groß gewachsene, rothaarige Assistenzarzt, dessen rasche Auffassungsgabe und hohe Lernbereitschaft Peter sehr schätzte, etwa fünf bis zehn Minuten nach Dienstbeginn unrasiert, das Hemd falsch zugeknöpft oder das T-Shirt verkehrt herum angezogen und noch völlig schlaftrunken zur Tür herein und musste dann erst noch in der Garderobe seine Morgentoilette vollenden.

Dr. Rösner war ein ziemlich attraktiver junger Mann, war sich dessen aber nicht bewusst. Vermutlich hingen ihm die Hänseleien wegen seiner roten Haare, der geschätzten tausend Sommersprossen und der abstehenden Ohren, denen er von frühester Kindheit an in der Schule ausgesetzt gewesen war, noch immer nach, und so war er, besonders dem weiblichen Geschlecht gegenüber, sehr zurückhaltend, ja sogar richtig schüchtern.

„Die neue Assistenzärztin!“, half Thomas Jensen seinem Chef lachend auf die Sprünge.

„Ich verstehe nicht. Was meinst du?“

„Sagen wir mal so …“ Tom grinste anzüglich. „Wenn du Elmar zusammen mit Lena Greven nur nachts einsetzen würdest, könnten wir vermutlich die Hälfte der Stromkosten einsparen.“

„Wieso?“ Für Peter sprach der Kollege in Rätseln. Er hatte keine Ahnung, was Tom meinte.

Dr. Jensen schirmte seinen Mund mit einer Hand ab.

„Weil sein ganzer Kopf zu glühen beginnt, wenn er die Neue auch nur von Weitem sieht“, flüsterte er schmunzelnd. „Wir könnten ihn sogar als OP-Leuchte einsetzen. Oder als Heizstrahler. Oder als Rotlichtlampe.“

„Herrgott!“ Jetzt musste auch Peter schmunzeln. „Und?“, erkundigte er sich leise. „Geht da was?“

„Ha! Du kennst doch unseren Kleinen!“ Tom lachte laut auf. „Kannst du dir vorstellen, dass er den Satz ‚Würdest du bitte nach Dienstschluss einmal mit mir ausgehen, Lena?‘ herausbekommt, ohne dass dabei seine Rübe in Flammen aufgeht oder er die eigene Zunge verschluckt?“

„Nein!“ Peter schüttelte entschieden den Kopf. „Dann müssen wir eben nachhelfen.“ Er stand auf und ging zu dem großen Kalender, der neben der Tür an der Wand hing und auf dem er jeden Monat die Dienstpläne eintrug. Er überlegte eine Weile. „Ist es für dich okay, wenn ich Lena gegen den Kollegen Köstner austausche?“, erkundigte er sich dann.

„Mach das!“, spornte Tom ihn an. „Wenn Elmar täglich zwölf Stunden lang mit Lena zusammen ist, dann müsste er es ungefähr in einem halben Jahr hinbekommen, dass er zumindest schon einmal ihre Hand berührt, ohne dass wir ihn danach defibrillieren müssen.“

Dr. Jensen prustete durch die Nase, und auch Peter fing an, laut zu lachen.

„War der Witz gut?“, wollte Elmar Rösner wissen, der in diesem Augenblick den Bereitschaftsraum betrat. „Kann ich ihn vielleicht auch hören?“

„Okay!“, gluckste Peter, während sich sein Kollege vor Schreck verschluckte und zugleich lachte und hustete. „Also: Kommt ein Mann in die Notaufnahme und hat eine dicke fette Kröte auf dem Kopf sitzen. Fragt der Notarzt: Himmel, wie ist das denn passiert? Sagt die Kröte: Weiß nicht, den muss ich mir irgendwo eingetreten haben.“

Während Peter in ein befreites Gelächter ausbrach, schüttelte der Assistenzarzt nur stumm den Kopf.

„Ha, ha! Der Witz hat so einen Bart!“ Er beugte sich vornüber und hielt eine Hand in Kniehöhe, um so die Länge des Bartes anzuzeigen. „Den kenne ich noch aus dem Kindergarten.“

„Aber er ist total komisch!“, wieherte Tom und wischte sich mit dem Handrücken die Tränen aus den Augen.

„Ja, sicher!“, winkte Elmar Rösner gelangweilt ab. Dann wandte er sich an Peter Kersten. „Rohrmoser hat gerade angerufen. Er will dich sprechen. Sofort!“

„Hey!“ Der Leiter der Notaufnahme warf einen Blick auf seine Armbanduhr. „Es ist noch nicht einmal sieben! Erst zwanzig vor. Was will er denn von mir?“

„Das hat er mir nicht gesagt“, erwiderte der Assistenzarzt und holte tief Luft. Seine Ohren färbten sich dunkelrot, und feine Schweißtröpfchen traten ihm auf die Stirn. „Kann ich ins andere Team wechseln, Peter?“, stieß er hervor.

Dr. Kersten und sein Kollege Thomas Jensen warfen sich vielsagende Blicke zu.

„Ach, nee!“, maulte Peter und unterdrückte das wissende Grinsen, das hinter seinen Lippen lauerte. „Muss das sein, El? Jetzt habe ich gerade schon Lena Greven gegen den Kollegen Köstner ausgetauscht.“ Er stand langsam auf und schlenderte zum Dienstplan. „Na ja, okay, wenn du unbedingt willst, dann …“

„Nein! Halt! Nein!“ Es sah beinahe so aus, als steckte er bis zum Hals im Wasser und kämpfte gegen das Ertrinken, als der Assistenzarzt mit beiden Händen hektisch abwinkte. „Irrtum! Irrtum! Nicht wechseln! Ich … ich wollte eigentlich ganz was anderes fragen!“

„Ach so. Und was?“ Peter zuckte gelassen mit den Schultern.

„Also … ich … tja … eigentlich …“ Man konnte es Dr. Rösner deutlich ansehen, wie fieberhaft er nach einer Ausrede suchte. „Ähm … ich wollte dich fragen, ob du nicht lieber sofort zu Rohrmoser …“, stammelte er schließlich erleichtert. „Ich glaube, er hat …“

Elmar brach ab, sein Kopf begann zu glühen, und er erstarrte mitten in der Bewegung, als in diesem Moment die bildhübsche Lena Greven den Bereitschaftsraum betrat.

„Na?“ Thomas Jensen stieß Peter heimlich in die Seite. „Wie viel schätzt du?“, flüsterte er ihm heimlich zu. „Hundert Watt? Mindestens.“

***

In seinem Büro, auf der Kardiologie im vierten Stock, wunderte sich auch Prof. Lutz Weidner, der medizinische Leiter der Sauerbruch-Klinik, über den frühen Termin bei Direktor Rohrmoser.

Der Chefarzt wusste zwar, dass der Verwaltungsdirektor oft schon um sechs Uhr morgens in seinem Büro saß, aber üblicherweise gab es vor halb acht noch keine Sitzungen oder Besprechungen.

Es musste sich um etwas sehr Wichtiges handeln, denn normalerweise war Emil Rohrmoser eifersüchtig darauf bedacht, dass ihn zumindest vor halb acht niemand störte.

Den Grund dafür kannte Lutz Weidner sehr wohl. Direktor Rohrmosers Ehefrau Monika hatte sich vor ein paar Wochen ausführlich mit der Ernährungsberaterin der Klinik unterhalten, hatte danach umgehend Eier mit Speck, Schinkenomelette und Wurstbrote aus der Frühstücks-Speisekarte ihres Mannes getilgt und diese Speisen durch Müsli mit Nüssen und frischen Früchten ersetzt.

Da das Essen – neben dem Geldzählen und Sparen – Emils größte Leidenschaft war, tröstete er sich nun täglich zwischen sechs und sieben mit einem zweiten und dann noch zwischen sieben und halb acht mit einem dritten Frühstück über den Schock hinweg, den ihm der Anblick von in Sojamilch ersäuften Haferflocken und Nüssen allmorgendlich versetzte.

„Sie auch?“, riefen Dr. Kersten und Prof. Weidner gleichzeitig aus, als der Fahrstuhl im vierten Stock anhielt. Die beiden Mediziner lachten, während der Chefarzt die Kabine betrat. „Was will er denn?“, fragten sie einander gleichzeitig und antworteten einander ebenso synchron: „Keine Ahnung!“

„Kommen Sie gleich weiter, meine Herren!“

Die Tür zum Büro des Verwaltungsdirektors stand weit offen, denn Irene Busswald, die Chefsekretärin, war noch nicht an ihrem Arbeitsplatz.

Emil Rohrmoser thronte in seinem wuchtigen ledernen Chefsessel in Übergröße, den ihm die Belegschaft der Sauerbruch-Klinik zum dreißigjährigen Dienstjubiläum geschenkt hatte, und winkte fröhlich mit einem halben Baguette, in dem eine vor Fett triefende Wurst steckte, die beinahe die Ausmaße eines Ofenrohrs hatte.

„Guten Morgen, Direktor!“, grüßten Peter Kersten und Lutz Weidner freundlich.