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Seit die siebenundzwanzigjährige Modedesignerin Linda nach der Trennung von ihrem Freund in eine kleine Wohnung gezogen ist, hat sie in ihrer neuen Nachbarin Alma eine mütterliche Freundin gefunden. Die sechsundsiebzigjährige Dame schenkt ihr all die Zuneigung und Wärme, die Linda von ihrer eigenen Mutter nie bekommen hat.
In ihr wächst neben der Liebe zu der alten Frau aber auch die Wut auf deren Sohn. Durch Almas Erzählungen weiß Linda, dass Noah als überaus erfolgreicher Professor an der renommierten Harvard Medical School in Amerika arbeitet. Aber ist das vielleicht ein Grund, eine so wunderbare Mutter wie Alma in Frankfurt ganz allein zu lassen? Wenigstens besuchen könnte er sie doch hin und wieder!
Für Linda ist klar, dass dieser Noah Falkenberg ein undankbarer, eingebildeter Schnösel ist, dem andere Menschen völlig egal sind. Wie gerne würde sie ihm nur einmal ordentlich die Meinung sagen!
Die Gelegenheit dazu bekommt die junge Geschäftsfrau dann ganz plötzlich durch ein äußerst bedrohliches Ereignis, das sie sich allerdings nun wirklich nicht gewünscht hat ...
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Seitenzahl: 117
Veröffentlichungsjahr: 2016
Cover
Impressum
Liebe ist stärker als jede Angst
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: shutterstock/goodluz
E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-3698-6
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Liebe ist stärker als jede Angst
Als Linda und Noah gemeinsam ganz stark sein mussten
Karin Graf
Seit die siebenundzwanzigjährige Modedesignerin Linda nach der Trennung von ihrem Freund in eine kleine Wohnung gezogen ist, hat sie in ihrer neuen Nachbarin Alma eine mütterliche Freundin gefunden. Die sechsundsiebzigjährige Dame schenkt ihr all die Zuneigung und Wärme, die Linda von ihrer eigenen Mutter nie bekommen hat.
In ihr wächst neben der Liebe zu der alten Frau aber auch die Wut auf deren Sohn. Durch Almas Erzählungen weiß Linda, dass Noah als überaus erfolgreicher Professor an der renommierten Harvard Medical School in Amerika arbeitet. Aber ist das vielleicht ein Grund, eine so wunderbare Mutter wie Alma in Frankfurt ganz allein zu lassen? Wenigstens besuchen könnte er sie doch hin und wieder!
Für Linda ist klar, dass dieser Noah Falkenberg ein undankbarer, eingebildeter Schnösel ist, dem andere Menschen völlig egal sind. Wie gerne würde sie ihm nur einmal ordentlich die Meinung sagen!
Die Gelegenheit dazu bekommt die junge Geschäftsfrau dann ganz plötzlich durch ein äußerst bedrohliches Ereignis, das sie sich allerdings nun wirklich nicht gewünscht hat …
Die dicken Gummisohlen seiner weißen Sportschuhe produzierten bei jedem Schritt ein leises Quietschen, als Dr. Peter Kersten den Krankenhausflur entlangsprintete.
Der Leiter der Notaufnahme an der Frankfurter Sauerbruch-Klinik hatte in der Cafeteria noch rasch einen Happen essen wollen, bevor der übliche Freitagabend-Ansturm losbrechen würde, als ihn ein Notruf auf halbem Weg zum Umkehren zwang.
Während der Großteil der Bevölkerung erleichtert aufatmete, weil endlich wieder eine harte Arbeitswoche vorüber war und ein erholsames Wochenende winkte, begann sich das Arbeitspensum in der Notaufnahme jetzt auf das Doppelte und Dreifache zu steigern.
Mit zwei Sprüngen bewältigte der Notarzt die sechs Stufen, die vom Erdgeschoss der Klinik zu seiner Abteilung führten, dann stieß er die doppelte Schwingtür auf und schaute sich suchend um.
„Schockraum eins!“, rief Schwester Trudi, die gerade einen Patienten vom Wartebereich abholte, Dr. Kersten zu, ehe sie in einem der Behandlungsräume verschwand.
„Okay!“ Peter rannte ein paar Meter weiter und stürmte durch die Tür in den Schockraum. Beinahe hätte er laut aufgelacht, als er die grenzenlose Erleichterung im Gesicht eines seiner Assistenzärzte sah.
Doch ein Blick auf den Patienten zeigte ihm, dass Dr. Rösners Verzweiflung berechtigt war. Hier handelte es sich offensichtlich um einen jener Notfälle, die selbst einen erfahrenen Mediziner ins Schwitzen bringen konnten.
„Alles gut, bin schon da!“, keuchte der Notarzt, während Elmar Rösner zeitgleich einen erleichterten Seufzer ausstieß.
„O Gott, da bist du endlich, Peter! Ich bin total überfordert.“
An dem Chaos, das im Schockraum herrschte, konnte Dr. Kersten innerhalb weniger Sekunden genau erkennen, welche Maßnahmen sein junger Kollege bisher ergriffen und unter welchem Druck er dabei offensichtlich gestanden hatte.
Der weiße Fliesenboden war übersät mit dem typischen Notfall-Müll: Blutgetränkte Mullbinden und Tupfer, hektisch aufgerissene Verpackungen, benutzte Einwegspritzen, zerbrochene Ampullen. Der Assistenzarzt hatte nicht einmal den Versuch unternommen, die Abfälle in die ungefähre Richtung zu werfen, in der der Mülleimer stand.
An den zerfetzten Packungen erkannte Peter, dass Elmar bereits sämtliche Maßnahmen ergriffen hatte, um den Kreislauf zu stabilisieren und die inneren Blutungen zumindest etwas zu drosseln. Doch offensichtlich hatten seine Bemühungen nicht sehr viel bewirkt.
Über den Herzmonitor zuckte ein viel zu schneller Sinus-Rhythmus. Das Herz des Patienten pumpte wie verrückt, um mit dem wenigen Blut, das noch zur Verfügung stand, die allerwichtigsten Vitalfunktionen aufrechtzuerhalten.
„Anamnese?“
„Motorradunfall. Abdominaltrauma. Die Milz wahrscheinlich. Sonografie ist sinnlos. Zu viel Blut im Bauchraum. Nichts zu sehen.“
„Blutgruppe?“
„Noch unbekannt. Null negativ ist unterwegs.“
„Du hast punktiert.“ Peter zeigte auf die beachtliche Blutlache unter der Behandlungsliege, in der eine benutzte Hohlnadel schwamm. „Und?“
Elmar Rösner stellte mit beiden Händen eine hoch aufspritzende Fontäne dar und deutete dann mit dem Kinn auf die rote Pfütze am Boden.
„Zisch! Platsch! Springbrunnen!“ Er drückte leicht auf den aufgetriebenen Bauch des Verunglückten. „Ist aber schon wieder voll.“
„Ich sehe es. Blutdruck?“
„Siebzig zu …“ Jens Jankovsky, der fast zwei Meter lange Sanitäter der Notaufnahme, brach ab. „Jetzt nicht mehr!“, korrigierte er sich selbst. „Jetzt nur noch sechzig zu null.“
„OP-fertig machen!“ Peter hatte genug gehört und gesehen, um zu wissen, dass nur eine sofortige Notoperation das Leben des jungen Mannes noch retten konnte, der vor ihm auf der blutbesudelten Behandlungsliege lag.
„Er ist OP-fertig“, erwiderte Dr. Hannes Fischer, der Anästhesist, der am Kopfende der Liege stand und den Trachealtubus, der in der Luftröhre des Verunglückten steckte, mit Klebstreifen fixierte. „Es gibt bloß keinen freien OP. In unserem flickt Tom eine durchtrennte Schlüsselbeinarterie, und die Chirurgie ist voll belegt. Die größeren OPs sogar doppelt.“
„Herrgott, was ist denn heute bloß los?“ Der Notarzt eilte zum Waschbecken und goss sich einen ganzen Schwall Desinfektionsmittel über Hände und Unterarme.
„Freitagabend!“, beantwortete der Sanitäter Peters Frage, während er ihm Latexhandschuhe über die Hände zog. „Das vermutlich letzte sonnige Herbstwochenende in diesem Jahr. Da wollen sie alle noch mal schnell raus ins Grüne oder ins Blaue. Manche eben leider zu schnell.“
„Was hast du vor?“ Der Anästhesist beobachtete misstrauisch, wie Peter zum Skalpell griff.
„Die Milz herausholen!“
„Hier? Im Schockraum?“
„Wo sonst?“ Dr. Kersten zuckte mit den Schultern. „Sollen wir eine Stunde warten, bis vielleicht ein OP frei wird?“
„Wir können keine fünf Minuten mehr warten“, musste der Anästhesist zugeben. Er programmierte die Dosierpumpe, die in regelmäßigen Abständen eine Dosis des Anästhetikums in den zentralen Venenzugang des Patienten spritzen sollte, um die Narkose aufrechtzuerhalten, und streifte sich rasch einen Mundschutz über Mund und Nase. „Okay, von mir aus hast du Starterlaubnis. Leg los, Kollege!“
Der Bote aus der Blutbank kam ausgerechnet in dem Augenblick, als Peter Bauchdecke, Fettschicht und Muskeln durchtrennt hatte und jetzt die Klinge über das Bauchfell zog, das sich unter dem Druck des Blutes hoch aufwölbte.
„Sie haben sechs Einheiten Null-Negativ angefor …?“ Die Frage des Boten endete in einem entsetzten Aufschrei, gefolgt von einem röchelnden Würgen, als in diesem Moment eine rote Fontäne aus dem Bauchraum des Patienten schoss.
Jens war mit zwei großen Schritten bei dem schwankenden jungen Mann und nahm ihm die Plasmabeutel aus den Händen, ehe er sie fallen lassen konnte.
„Wir werden vermutlich mehr brauchen. Bringen Sie gleich noch mal so viele!“, ordnete er an und hängte den ersten Plastikbeutel mit Spenderblut auf den Infusionsständer.
„Endlich! Rein damit!“ Der Anästhesist klemmte den Schlauch ab, durch den bislang Ringerlösung in eine Vene in der Armbeuge des Verletzten geflossen war, entfernte ihn von der ohnehin schon fast leeren Infusionsflasche und steckte ihn in die Öffnung des Plasmabeutels. „Der kommt sicher nicht mehr selbst wieder“, sagte er grinsend und deutete mit dem Kinn zur Tür, die eben hinter dem geschockten Boten zugefallen war.“
„Absaugen, Jens!“ Peters Stimme klang ungeduldig und ein bisschen gereizt. Er wollte so schnell wie möglich das Gefäß abklemmen, das die völlig zerfetzte Milz mit immer neuem Blut überschwemmte, aber er konnte in dem tiefroten See nichts erkennen.
„Mach endlich das Leck dicht!“, drängte Dr. Fischer. „Wir haben bald keinen Blutdruck mehr, und die Transfusion ist ungefähr so effektiv, als würdest du mit einem Sieb Wasser aus dem Brunnen schöpfen wollen!“
„Was meinst du, was ich hier gerade versuche?“, brauste der Notarzt auf. Beide Ärmel seines weißen Kittels hatten sich bereits bis oben hin mit Blut vollgesogen. Er hatte beide Hände tief in den undurchsichtigen See getaucht und tastete sich blind zu der richtigen Stelle vor. „Okay, hab’s gefunden!“, stöhnte er wenige Sekunden später erleichtert auf und klemmte das Gefäß ab. „Die Milz ist nicht mehr zu retten, ich hole sie jetzt raus.“
„Gut gemacht!“, lobte der Anästhesist, hängte einen zweiten Beutel mit Spenderblut auf den Infusionsständer und befestigte den Schlauch an einer weiteren Braunüle am Handrücken des Patienten. „Ich mache eine zweite Baustelle auf“, erklärte er sein Tun. „Der Junge ist fast vollständig ausgeblutet.“
„Mach das!“ Eine Weile arbeitete der Leiter der Notaufnahme schweigend und hoch konzentriert. Er schälte das zerstörte Organ aus seinem Bett, hob es vorsichtig aus dem Bauchraum und legte es in die Metallschale, die Jens ihm hinhielt. Dann machte er sich daran, die abgetrennten Blutgefäße zu verschließen.
„Hey, sechzig zu dreißig!“, stellte Jens nach einem Blick auf den großen Bildschirm, über den die Vitalwerte des Patienten flimmerten, fest. „Siebzig zu … achtzig … neunzig zu fünfzig! Wir haben es geschafft! Der wird wieder wie neu!“
„Sieht so aus.“
Peter warf das blutige mikrochirurgische Nähbesteck in eine Auffangschale, kontrollierte den Bauchraum noch einmal und zog dann das durchtrennte Bauchfell wieder zusammen.
„Sobald er aufwacht, werde ich ihm mal erklären, warum clevere Motorradfahrer immer einen Nierengurt tragen. Hätte er die paar Euro in seine Gesundheit investiert, wäre seine Milz höchstwahrscheinlich noch dort, wo sie hingehört.“
***
Ein halbes Kollvornboot.
Linda Heller stand als Letzte in einer langen Schlange vor dem Tresen der Backwarenabteilung des Supermarktes und starrte verwirrt auf den Einkaufszettel, den sie in der Hand hielt. Ja, genau so stand es hier geschrieben. Ein halbes Kollvornboot.
Es lag nicht etwa daran, dass die Handschrift schlampig und unleserlich gewesen wäre. Nein, Alma Falkenberg, die sechsundsiebzigjährige alte Dame, die in der Wohnung unter Lindas Appartement wohnte, war früher Schuldirektorin einer Grundschule gewesen und hatte sich das klare und peinlich genaue Schriftbild einer Lehrerin für Schulanfänger bewahrt.
Kollvornboot, das war nicht einfach nur ein Flüchtigkeitsfehler, das war ein deutliches Signal, dass es mit der Konzentration und der Merkfähigkeit bergab ging. Vermutlich hatte die alte Dame lange darüber nachgedacht, wie das Zeug, das sie so gerne aß, denn nun hieß. Vermutlich hatte es ihr auf der Zunge gelegen.
So wie der Name der Schauspielerin, der einem ums Verrecken genau dann nicht einfiel, wenn man jemandem erzählen wollte, wie überdeutlich man in ihrem neuen Film sehen konnte, dass sie neuerdings mit Botox vollgepumpt war.
Nur, dass es sich in diesem Fall nicht um einen Namen handelte, der bestenfalls in der Gehirnregion für unwichtige Nebensächlichkeiten gespeichert war, sondern um ein Wort, das Frau Falkenberg seit über siebzig Jahren ähnlich geläufig war wie Sonne, Haus und Wasser.
Linda wurde das Herz schwer. Sie beobachtete nun schon seit einigen Wochen, dass Alma Falkenberg sich beinahe täglich ein bisschen mehr aus dieser Welt zurückzog und sich anscheinend auf eine Reise vorbereitete, auf der Linda sie nicht begleiten konnte. Das machte sie unsagbar traurig.
Dabei war sie nicht einmal mit ihr verwandt. Genau genommen kannte sie Alma Falkenberg erst seit etwas weniger als drei Monaten. Seit sie nämlich das winzige Einzimmer-Appartement über der großen Wohnung der alten Dame gemietet hatte.
Doch die wenigen Monate hatten gereicht, um mit Alma eine Beziehung aufzubauen, die einem wirklich guten und liebevollen Mutter-Tochter-Verhältnis in nichts nachstand.
Schon am ersten Abend, als Linda die Stufen hinabgestiegen war, um kurz Hallo zu sagen und sich als neue Hausbewohnerin vorzustellen, war sie fast drei Stunden lang geblieben.
Ein einziger Blick aus den vom grauen Star getrübten Augen hatte der alten Dame gereicht, um das schmerzhaft bohrende Herzeleid hinter Lindas aufgesetzter Fröhlichkeit zu erkennen, und sie hatte die sonst eher verschlossene junge Frau innerhalb weniger Minuten dazu gebracht, sich ihren ganzen Kummer von der Seele zu reden.
Der Grund für den Wohnungswechsel war das Scheitern der Beziehung mit Lindas langjährigem Freund Julian gewesen. Seine rasche Karriere als Investmentberater in einem der großen Bankhäuser Frankfurts hatte dem Charakter des Mannes, den sie fast fünf Jahre lang geliebt hatte, gar nicht gutgetan.
Linda Heller hatte lange Zeit versucht, über die erschreckende Verwandlung des jungen Mannes hinwegzusehen, in den sie sich an der Wirtschafts-Universität, wo sie neben ihrem Modedesign-Studium ein paar Kurse in Betriebsführung, Marketing und Handelsrecht absolviert hatte, unsterblich verliebt hatte.
Mit jeder Sprosse, die er auf der Karriereleiter höher hinaufgestiegen war, hatte er etwas mehr von dem seiner Meinung nach hinderlichen Ballast abgeworfen: seinen früheren Idealismus, seine Menschenfreundlichkeit, sein ehemals großes soziales Engagement, sein Gewissen, seine Skrupel – kurz und gut, alles, was ihn früher zu einem guten und liebenswerten Menschen gemacht hatte.
Übrig geblieben war ein blasierter, menschenverachtender, raffgieriger Geldsack. Den Stress, den sein Beruf mit sich brachte, hatte er mit Alkohol und Kokain zu bewältigen versucht.
Aber erst, als er damit begonnen hatte, ihre Vorwürfe mit ein paar gehörigen Backpfeifen zu beantworten, hatte Linda ihre Rettungsversuche endgültig aufgegeben und einen Schlussstrich unter ihre erste große Liebe gezogen.
Frau Falkenberg hatte ihr auf eine so intensive Weise zugehört, dass Linda hinterher tatsächlich das Gefühl gehabt hatte, sie hätte sich den Kummer im wahrsten Sinne des Wortes von der Seele geredet.
Bei der alten Dame hatte sie zum ersten Mal in ihrem Leben die Magie gespürt, über die jede gute Mutter verfügte.
Alma hatte keine eindrucksvollen Reden gehalten, sie hatte keine weltbewegenden Weisheiten zum Besten gegeben, sie hatte einfach nur die Worte gesagt, die seit Jahrhunderten gesagt wurden, wenn man jemanden trösten wollte. Aber die Aufrichtigkeit, das tiefe Mitgefühl und die Zuversicht, die die alte Dame ihr mit den simplen Worten vermittelt hatte, hatten bewirkt, dass Linda sich hinterher beinahe wie neugeboren gefühlt hatte.
Linda Heller hatte nie eine besonders gute, geschweige denn eine liebevolle Beziehung zu ihrer Mutter gehabt. Auch damals nicht, als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war.
Ihre Mutter hatte ihr nur allzu deutlich zu verstehen gegeben, dass sie ein unerwünschter Eindringling war, der ihr die makellose Figur ruiniert und somit ihre Pläne, eine berühmte Primaballerina zu werden, zunichtegemacht hatte.
Als kleines Mädchen hatte Linda sich oft ausgemalt, es würde sich eines Tages herausstellen, dass sie irrtümlich in der falschen Familie gelandet war.
Eines Tages – so hatte sie sich erträumt – würde eine unglaublich liebevolle und warmherzige Frau erscheinen, sie in die Arme schließen und sich als ihre richtige Mutter zu erkennen geben.
So einfältig dieser Kleinmädchen-Traum auch gewesen sein mochte, er hatte sich dennoch erfüllt: Sie hatte Alma gefunden. Und jedes Anzeichen dafür, dass dieses Glück möglicherweise nicht von langer Dauer sein könnte, tat ihr in tiefster Seele weh.