Der Notarzt 278 - Karin Graf - E-Book

Der Notarzt 278 E-Book

Karin Graf

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

"Sie hat es schon wieder getan!", ruft Thomas Jensen seinem Chef entgegen, als Peter Kersten, der Leiter der Notaufnahme, die Sauerbruch-Klinik betritt. "Lara, unsere Todesfee!" Dr. Kersten fühlt, wie sich Übelkeit in ihm ausbreitet, als ihm sein Kollege berichtet, dass Lara Bernhard dabei erwischt wurde, wie sie im Schockraum tatenlos neben einer sterbenden Frau saß, statt alles Notwendige zu unternehmen, um die Patientin zu retten. Es ist nicht das erste Mal, dass der Verdacht im Raum steht, die sonst so engagierte Ärztin würde vereinzelten Patienten bewusst ihre Hilfe verweigern. Allerdings konnte ihr bisher keine Absicht nachgewiesen werden, weshalb der Notarzt der jungen Kollegin nach einem ausführlichen Gespräch eine letzte Chance eingeräumt hat. Doch dies war offenbar ein schwerer Fehler, denn wie es aussieht, muss Lara Bernhard entweder bösartig oder vollkommen verrückt sein! Oder was sonst könnte ihr herzloses Handeln erklären?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 114

Veröffentlichungsjahr: 2016

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Impressum

Laras Herz schlug nicht für jeden

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: shutterstock/Konstantin Chagin

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-3772-3

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Laras Herz schlug nicht für jeden

Warum die junge Ärztin nicht allen Patienten helfen wollte

Karin Graf

„Sie hat es schon wieder getan!“, ruft Thomas Jensen seinem Chef entgegen, als Peter Kersten, der Leiter der Notaufnahme, die Sauerbruch-Klinik betritt. „Lara, unsere Todesfee!“

Dr. Kersten fühlt, wie sich Übelkeit in ihm ausbreitet, als ihm sein Kollege berichtet, dass Lara Bernhard dabei erwischt wurde, wie sie im Schockraum tatenlos neben einer sterbenden Frau saß, statt alles Notwendige zu unternehmen, um die Patientin zu retten.

Es ist nicht das erste Mal, dass der Verdacht im Raum steht, die sonst so engagierte Ärztin würde vereinzelten Patienten bewusst ihre Hilfe verweigern. Allerdings konnte ihr bisher keine Absicht nachgewiesen werden, weshalb der Notarzt der jungen Kollegin nach einem ausführlichen Gespräch eine letzte Chance eingeräumt hat.

Doch dies war offenbar ein schwerer Fehler, denn wie es aussieht, muss Lara Bernhard entweder bösartig oder vollkommen verrückt sein! Oder was sonst könnte ihr herzloses Handeln erklären?

„Sie hat es schon wieder getan!“

Kaum steckte Dr. Peter Kersten, der Leiter der Notaufnahme an der Frankfurter Sauerbruch-Klinik, am frühen Morgen in seiner Abteilung die Nase aus dem Fahrstuhl, wurde er mit dieser Mitteilung überrumpelt.

Der Notarzt war am Vortag erst weit nach Mitternacht nach Hause gekommen und hatte nur vier Stunden geschlafen. Jetzt war es halb sieben Uhr morgens, selbst die eiskalte Dusche hatte ihn nicht richtig wach bekommen, und für einen Kaffee hatte die Zeit nicht mehr gereicht.

In diesem Zustand war Dr. Kersten noch nicht dazu in der Lage, die kryptische Mitteilung zu entschlüsseln, die sein Kollege Thomas Jensen ihm regelrecht entgegenschleuderte.

„Wer? Was?“, erkundigte er sich dementsprechend ahnungslos, während er auf den Bereitschaftsraum zuging, den Kopf hob und schnupperte, ob vielleicht schon irgendwer frischen Kaffee aufgebrüht hatte.

„Sie!“ Tom folgte seinem Chef dicht auf den Fersen. „Unsere schöne Todesfee!“, fügte er mit beißendem Sarkasmus hinzu.

„Nein!“ Peter blieb so abrupt stehen, dass Dr. Jensen ihm hinten auf die Ferse trat und ihn beinahe zu Fall gebracht hätte.

„Ups! Tut mir echt leid!“ Tom erwischte seinen Chef gerade noch rechtzeitig hinten an der Jacke, ehe der Notarzt zu Boden gehen konnte.

In seinem leeren Magen machte sich ein flaues Gefühl breit, das sich langsam zur Übelkeit steigerte, und der Schweiß brach ihm aus allen Poren. Peter schlüpfte aus seiner Lederjacke und warf sie achtlos auf eine der Rolltragen, die im Flur längs der Wand aufgereiht standen.

Mit einem Schlag war ihm klar geworden, von wem hier die Rede war. Lara Bernhard, achtundzwanzig Jahre jung und dennoch bereits fertig ausgebildete Notärztin. Das funktionierte – bei einer sechs Jahre dauernden Facharztausbildung – nur dann, wenn man sein Medizinstudium schon mit sechzehn begann. So, wie Lara Bernhard es getan hatte.

Seit sechs Monaten war sie in der Notaufnahme der Sauerbruch-Klinik angestellt, und in den ersten fünf Wochen hatte Peter Kersten sich noch richtig glücklich geschätzt, dass es ihm gelungen war, diese außergewöhnlich talentierte junge Ärztin für seine Abteilung zu gewinnen.

Der erste Vorfall, der der bildhübschen jungen Kollegin mit dem schulterlangen aschblonden Haar und den großen Augen, die von einem so intensiven Blau waren, dass sie im Dunkeln zu leuchten vermochten, den Namen Todesfee eingebracht hatte, hatte sich zu Beginn der sechsten Woche ereignet.

Vor zwei Monaten war es dann erneut zu einem merkwürdigen Zwischenfall gekommen. Peter hatte sich danach sehr lange und intensiv mit der Kollegin unterhalten.

Da er ihr damals keine böswillige Absicht nachweisen konnte und es sich nach einer genauen Rekonstruktion des Falles herausgestellt hatte, dass der Patient mit hundertprozentiger Sicherheit ohnehin nicht mehr zu retten gewesen wäre, hatte er die Sache auf sich beruhen lassen – allerdings mit gemischten Gefühlen und einer scharfen Ermahnung. Und mit dem Hinweis, dass er über eine fristlose Entlassung, wenn nicht sogar über eine Anzeige nachdenken würde, sollte sich so etwas noch einmal wiederholen.

„Was hat sie getan?“, hakte der Notarzt jetzt nach, obwohl er die Antwort genau genommen gar nicht hören wollte. Eigentlich wäre er viel lieber wieder nach Hause gefahren und hätte sich die Bettdecke über den Kopf gezogen, denn er war geschockt, erschüttert und maßlos enttäuscht.

„Also …“ Tom warf einen misstrauischen Blick zur offen stehenden Tür des Bereitschaftsraums, in dem sie vermutlich saß, und schwang sich auf eine Rolltrage.

„Es war so gegen halb drei Uhr morgens“, begann er leise zu berichten. „Ich konnte leider nicht rechtzeitig eingreifen, denn ich stand im OP“, rechtfertigte er sich. „Ich kümmerte mich gerade um ein Thoraxtrauma mit massiven inneren Blutungen. Ziemliche Schweinerei, wie du dir wohl vorstellen kannst.“

„Ja. Weiter!“, forderte Peter seinen Kollegen auf, der nach ihm der dienstälteste Notarzt in seiner Abteilung war.

„Okay. Es kam eine Patientin mit Schlaganfall. Blutgerinnsel im Frontallappen. Viel zu spät eingeliefert“, berichtete Dr. Jensen im Telegrammstil. „Der Trottel von einem Ehemann hat seiner besinnungslosen Frau doch tatsächlich erst noch drei Stunden lang die Hand gehalten und ihr auch noch Brandy eingeflößt. Das muss man sich einmal vorstellen!“, empörte sich Tom. „Wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert, und es gibt noch immer Leute, die glauben, mit ein bisschen Alkohol könne man …“

„Ja, ja, weiter!“, drängte Peter ungeduldig.

„Gut! Ich war im OP schon fast fertig“, fuhr Tom mit seinem Bericht fort. „Bin also gerade beim Verschließen der Subcutis, als Schwester Stefanie völlig verwirrt im OP auftaucht und mich bittet, sofort in den Schockraum zwei zu kommen. Ich überlasse also Bernd das Verschließen der Operationswunde, gebe dem Anästhesisten noch rasch genaue Anweis …“

„Du meine Güte! Komm endlich zur Pointe, Tom!“, verlangte Peter Kersten genervt, ehe sein Kollege auch noch detailgetreu berichten konnte, wie er sich im Waschraum die blutigen Handschuhe ausgezogen, die Überschuhe aus Plastik abgelegt und den Mundschutz in den Mülleimer geworfen hatte. Das interessierte ihn jetzt wirklich nicht.

„Sorry, Peter!“ Dr. Jensen stieß zischend die Luft aus. „Mir wird jetzt noch ganz wuschig im Kopf, wenn ich daran denke. Also, ich komme in den Schockraum, und dort sitzt sie völlig gelassen auf einem Hocker neben der Behandlungsliege, hält die Hand der Patientin und erzählt ihr irgendwas.“

„Weiter!“, drängte der Notarzt.

Kopfschüttelnd hob Dr. Jensen eine zitternde Hand hoch und zählte mit Hilfe seiner Finger die folgenden Fakten auf.

„Ich sehe keinen Venenzugang in ihrer Armbeuge. Da hängt keine Infusion am Ständer. Da ist weit und breit kein Beatmungsgerät zu sehen. Nicht mal eine Nasenbrille. Der Herzmonitor ist schwarz, weil die Patientin nicht verkabelt ist, es liegen keine benutzten Spritzen herum, keine leeren Ampullen oder Medikamentenverpackungen, keine Tupfer, keine Instrumente. Nicht ein Fitzelchen von dem üblichen Notfallmüll. Nichts. Einfach gar nichts!“

„Sie hat nichts unternommen? Keine Notfallversorgung? Sie hat keine Erste Hilfe geleistet? Keinerlei Behandlung?“ Peter Kersten starrte seinen Kollegen fassungslos an.

„Nichts!“ Thomas Jensen schüttelte den Kopf.

„Und? Weiter!“

„Ich frage sie also, was sie bislang unternommen hat“, fuhr Tom fort. „Und sie sagt mir völlig ungerührt, sie hätte gar nichts getan. Ich frage sie, wieso nicht. Sie schaut mich an und meint, sie hätte sich dazu entschlossen, die Patientin nicht noch unnötig zu quälen, weil diese sowieso sterben würde.“

„Herrgott!“ Peter ließ sich in einen Rollstuhl fallen und stützte den Kopf in beide Hände. „Genau wie damals!“

„Ja, ganz genauso!“ Tom nickte grimmig. „Ich habe natürlich sofort sämtliche Notfallmaßnahmen eingeleitet, aber es war nichts mehr zu machen. Die Patientin ist mir unter den Händen weggestorben.“

„Was ist bloß mit dieser Frau los? Sie muss irre sein“, murmelte Dr. Kersten. „Da gab es doch mal irgendwo eine Pflegerin, die angeblich so schreckliches Mitleid mit alten kranken Menschen hatte, dass sie sie reihenweise von ihren Leiden erlöst hat. Vielleicht ist Lara auch eine von der Sorte? Oder vielleicht mag sie keine alten Menschen?“

„Alt? Peter!“ Tom sprang von der Rolltrage. „Die Patientin war noch keine vierzig!“

Auch der Leiter der Notaufnahme sprang auf.

„Heiliger Strohsack! Dann haben wir diesmal ganz sicher einen Kunstfehlerprozess am Hals. Wenn nicht sogar eine Anklage wegen fahrlässiger Tötung. Oder Mord.“

Es fühlte sich an, als hätte die Schwerkraft um das Doppelte zugenommen, als der Notarzt sich jetzt auf den Weg zum Bereitschaftsraum machte. Er schaffte es nur mit viel Mühe, einen Fuß vor den anderen zu setzen.

„Ist sie noch da? Dort drinnen?“, wollte er von seinem Kollegen wissen.

„Ja. Nach diesem Vorfall habe ich ihr natürlich untersagt, sich einem Patienten auch nur auf zehn Meter zu nähern. Ich habe angeordnet, dass sie im Bereitschaftsraum auf dich warten soll. Ich sage dir aber gleich, dass ein ernstes Gespräch mit ihr ziemlich sinnlos ist.“

„Wieso?“

„Weil ich es schon versucht habe. Völlig umsonst. Es ist, als würde man gegen eine Wand reden. Sie ist sich keiner Schuld bewusst.“ Tom lachte trocken auf. „Sie ist tatsächlich der Meinung, sie hätte völlig korrekt gehandelt. Was wirst du mit ihr machen, Peter?“

„Was schon?“ Der Notarzt zuckte mit den Schultern. „Vom Dienst suspendieren. Fürs Erste zumindest. Bis die Untersuchungen abgeschlossen sind.“

Peter wandte sich kurz vor dem Bereitschaftsraum noch einmal zu Tom um.

„Geredet habe ich ja schon nach dem letzten Zwischenfall vor zwei Monaten mit ihr“, sagte er fast tonlos. „Hat aber offensichtlich nichts gebracht. Sie konnte oder wollte sich damals nicht erklären. Wozu soll ich es also noch mal versuchen?“

Er machte eine hilflose Geste mit beiden Händen.

„Sie muss völlig verrückt sein. Komisch! Sie machte auf mich so einen unglaublich … normalen Eindruck. So gesund, vital, vernünftig, so … aufrichtig, hilfsbereit, feinfühlig und … edelmütig, möchte man fast sagen.“

Er lachte, aber es klang alles andere als fröhlich. „Genau das behauptet man von Psychopathen ja fast immer. Hinterher. Nachdem sie ihr wahres Gesicht gezeigt haben.“

***

Anna-Maria Keller lächelte schuldbewusst, als sie ihren zweieinhalbjährigen Sohn David mit einer Schnabeltasse voll Tee und einem Keks vor den Fernseher setzte.

Anna-Maria war zweiunddreißig, Grundschullehrerin und hatte sich eine dreijährige Auszeit genommen, um sich intensiv um ihr erstes Kind kümmern zu können.

Seit Jahren predigte sie den Eltern ihrer kleinen Schützlinge, welche Auswirkungen es haben konnte, wenn sie es dem Fernseher überließen, ihren Kindern ein für immer prägendes Weltbild zu vermitteln.

Sie hatte sich mit diesem Thema ernsthaft auseinandergesetzt und wusste, dass bereits die anscheinend so harmlosen Sendungen für Kleinkinder unter der bunten Oberfläche intensiv darauf abzielten, das Essverhalten, das Konsumverhalten, die Sprache, die Lebenseinstellung und natürlich die Denkweise der lieben Kleinen zu beeinflussen und nachhaltig zu formen.

Jahrelang hatte sie unermüdlich hunderte von Ausflüchten mit ebenso vielen guten wie pädagogisch wertvollen Ratschlägen abgeschmettert.

Dass es manchmal keine andere Lösung gab, ein quengelndes Kleinkind wenigstens für eine halbe Stunde vom Rockzipfel zu bekommen, um Wichtiges zu erledigen, das hatte sie nie gelten lassen. Man musste sich seine Zeit eben einteilen, die eigenen Interessen für eine Weile hintanstellen und Prioritäten setzen. So einfach war das! Dachte sie. Bis gestern zumindest noch.

Jetzt war David noch nicht einmal drei Jahre alt, und was tat sie? Genau das, worüber sie jahrelang missbilligend den Kopf geschüttelt hatte.

Anna-Maria wurde rot und war froh, dass niemand ihre pädagogische Niederlage miterlebte.

Sie wurde noch eine Spur röter, als ihr bewusst wurde, dass die Ausrede, mit der sie ihre Handlung vor sich selbst rechtfertigte, genauso klang wie die Ausflüchte aller anderen Eltern, die sie bislang immer so leidenschaftlich kritisiert hatte.

„Okay, es ist nicht in Ordnung, aber es ist ja nur das eine Mal. In diesem Fall geht es eben nicht anders.“ So lautete ihre Entschuldigung, die natürlich um nichts besser war als die aller anderen Mütter und Väter.

David war gestern Abend erst sehr spät eingeschlafen. Während der Nacht hatte er sie dreimal geweckt. Einmal, weil er durstig gewesen war, dann war ihm sein Teddybär aus dem Gitterbett gefallen und dann noch einmal gegen vier Uhr morgens, weil eine dicke fette Fliege unermüdlich und laut brummend sein Köpfchen umkreist hatte und partout auf seinem winzigen Näschen landen wollte.

Als Georgs Wecker um sechs geschrillt hatte, hatte sie sich wie gerädert gefühlt und dankbar das Angebot ihres Mannes angenommen, dass er sich sein Frühstück heute ausnahmsweise selbst zubereiten und ihren Wecker auf acht stellen würde.

„Vor neun Uhr kommt David heute ganz bestimmt nicht aus den Federn“, hatte Georg gemutmaßt und ihr versichert, sie könne in Ruhe ausschlafen und hätte dann noch genug Zeit, um alles vorzubereiten und Davids Frühstück zu machen.

Tja, eigentlich hätte sie es besser wissen müssen. Natürlich hatte David wie immer kurz nach halb sieben lautstark verlangt, aus dem Bett geholt zu werden.

Trotz der zahlreichen pädagogischen Ratgeber, die sie gelesen hatte, und trotz der kinderpsychologischen Vorträge, zu denen sie gegangen war, hatte Anna-Maria feststellen müssen, dass ihr das theoretische Wissen in diesem Fall nicht viel nützte. Es bescherte ihr nämlich leider kein zweites Paar Hände, und ihre Nerven waren genauso dünn, wie die der weniger gut geschulten Mütter.

Sie war schlicht und einfach nicht dazu in der Lage, Davids ziemlich aufwändigen Frühstücksbrei zu kochen und den kleinen Jungen gleichzeitig daran zu hindern, in die Waschmaschine zu kriechen, Elsa – die Katze – mit Butter einzureiben, mit dem Pfannenwender die Erde aus ihrem Kräuterkistchen zu baggern und seinen Schlafanzug im Klo runterzuspülen.

Nachdem ihr die Milch für den Brei zweimal verbrannt war und David bereits lautstark nach seinem Frühstück verlangte, hatte sie die Nerven verloren und ihren kleinen Liebling kurzerhand in die Obhut von Spongebob gegeben.

Es war ja ohnehin nur für fünf Minuten. Höchstens zehn. Und außerdem würde David sich sowieso nicht besonders für die Flimmerkiste interessieren, weil er tatsächlich noch nie ferngesehen hatte.