Der Notarzt 281 - Karin Graf - E-Book

Der Notarzt 281 E-Book

Karin Graf

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Beschreibung

Als Merle Lienhart in der Frankfurter Sauerbruch-Klinik ihren Kollegen Sebastian Kamphausen kennenlernt, ist sie gleich von ihm begeistert.

"Er ist feinfühlig, hilfsbereit, freundlich und aufrichtig. Er mag mich - und ich ihn auch", erzählt sie ihrer Mutter. Schön kann man den Assistenzarzt vielleicht nicht nennen, aber auf so etwas kommt es Merle auch nicht an. Für sie zählen bei einem Mann ausschließlich der Charakter und das Herz.

Was nützt es, wenn ein Mann gut aussehend, dafür aber skrupellos und gefühlskalt ist - so wie der neue Arzt, Dr. Elias Petri? Der mag zwar viele Frauenherzen höherschlagen lassen, aber in Merles Augen ist er ein gewissenloses Ungeheuer. Dr. Petri wird die neue Abteilung für Palliativmedizin führen, und es ist unter den Kollegen kein Geheimnis, dass er nur auf Profit durch lebensverlängernde und mitunter qualvolle Maßnahmen aus ist, statt sich um das Wohl der Patienten zu kümmern.

Wie dumm, dass Merles Herz ausgerechnet bei Dr. Petri anfängt, aufgeregt zu klopfen, während es bei Sebastian Kamphausen merkwürdigerweise ganz ruhig bleibt. Aber egal, Merle weiß, dass sie nur Sebastian vertrauen kann; er ist ihrer Liebe würdig. Und auf ihn will sie ihre Zukunft bauen ...

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Seitenzahl: 117

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Inhalt

Cover

Impressum

Die hübsche Ärztin wollte mehr für ihn sein

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: shutterstock/Monkey Business Images

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-4101-0

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Die hübsche Ärztin wollte mehr für ihn sein

… doch für ihren Kollegen war sie nur ein Flirt

Karin Graf

Als Merle Lienhart in der Frankfurter Sauerbruch-Klinik ihren Kollegen Sebastian Kamphausen kennenlernt, ist sie gleich von ihm begeistert.

„Er ist feinfühlig, hilfsbereit, freundlich und aufrichtig. Er mag mich – und ich ihn auch“, erzählt sie ihrer Mutter. Schön kann man den Assistenzarzt vielleicht nicht nennen, aber auf so etwas kommt es Merle auch nicht an. Für sie zählen bei einem Mann ausschließlich der Charakter und das Herz.

Was nützt es, wenn ein Mann gut aussehend, dafür aber skrupellos und gefühlskalt ist – so wie der neue Arzt, Dr. Elias Petri? Der mag zwar viele Frauenherzen höherschlagen lassen, aber in Merles Augen ist er ein gewissenloses Ungeheuer. Dr. Petri wird die neue Abteilung für Palliativmedizin führen, und es ist unter den Kollegen kein Geheimnis, dass er nur auf Profit durch lebensverlängernde und mitunter qualvolle Maßnahmen aus ist, statt sich um das Wohl der Patienten zu kümmern.

Wie dumm, dass Merles Herz ausgerechnet bei Dr. Petri anfängt, aufgeregt zu klopfen, während es bei Sebastian Kamphausen merkwürdigerweise ganz ruhig bleibt. Aber egal, Merle weiß, dass sie nur Sebastian vertrauen kann; er ist ihrer Liebe würdig. Und auf ihn will sie ihre Zukunft bauen …

Edeltraud Kamphausen hatte rund drei Millionen Euro auf der hohen Kante. Sie war fünfundachtzig Jahre alt und erfreute sich bester Gesundheit. Es sah nicht so aus, als würde sie in absehbarer Zeit das Zeitliche segnen. Die alte Dame war außerdem kein besonders netter Mensch, und knausrig war sie obendrein.

Das waren im Großen und Ganzen die wesentlichsten Gründe dafür, dass Sebastian Kamphausen – Edeltrauds Großneffe – seit einiger Zeit darüber nachdachte, ob er dem Schicksal nicht ein bisschen auf die Sprünge helfen sollte.

Sebastian war Arzt. Kein besonders guter allerdings. Er war achtunddreißig Jahre alt und noch immer Assistenzarzt. Das lag daran, dass er bisher nie lange genug an einer Klinik beschäftigt gewesen war, um irgendeine Facharztausbildung vollenden zu können.

Welche, das wäre ihm im Prinzip völlig egal gewesen. Es gab keine Fachrichtung, für die er sich besonders interessierte. Es hätte ihm auch nichts ausgemacht, bis zur Rente Assistenzarzt zu bleiben.

Das Problem dabei war nur, dass er sich – im Hinblick auf sein Erbe – hoch verschuldet hatte und das mickrige Assistenzarzt-Gehalt gerade einmal ausreichte, um die Zinsen, die seine Bank von ihm verlangte, zu bezahlen. Ein Grund mehr, sich Sorgen um Tante Edeltrauds scheinbar unverwüstliche Gesundheit zu machen.

Interessen hatte Sebastian viele. Die Medizin zählte allerdings nicht dazu. Er hatte lediglich deshalb studiert, weil sein Vater ihm angedroht hatte, ihn andernfalls zu enterben. Heiner Kamphausen war ein anerkannter Herzspezialist …

Hier machte Sebastian üblicherweise eine kurze Pause, wenn er jemandem seine Lebensgeschichte erzählte, ehe er sein unglaublich charmantes Lächeln aufsetzte und „gewesen“ hinzufügte. Er fand es nämlich irgendwie witzig, dass den berühmten Herzspezialisten ausgerechnet ein Herzschlag dahingerafft hatte.

Weniger witzig hatte er damals den Umstand gefunden, dass von dem Vermögen seines Vaters kaum etwas übrig geblieben war, weil dieser – statt direkt in Würde abzutreten – im teuersten Rehabilitationszentrum des ganzen Landes wirklich alles an unglaublich kostspieligen Behandlungen konsumiert und damit seine Ersparnisse fast zur Gänze aufgebraucht hatte. Diesen unglaublichen Egoismus kreidete er seinem Vater bis heute an.

Somit hatte Sebastian also völlig umsonst studiert, anstatt sich lieber auf die Dinge zu konzentrieren, für die er sich wirklich interessierte. Das waren in erster Linie schnelle Autos, dann noch Luxusreisen, ein aufwendiger Lebensstil, den man durchaus auch als Angeberei bezeichnen konnte, und schöne Frauen. In dieser Reihenfolge.

Das einzige wirkliche Talent, das Sebastian besaß, war, etwas vorzutäuschen, was nicht der Realität entsprach. Er war ein virtuoser Blender. Er konnte so begnadet lügen, dass er die Geschichten, die er erfand, am Ende oft selbst glaubte, und er konnte sich so charmant und herzlich geben, dass alle davon ausgingen, er wäre tatsächlich ein äußerst liebenswerter Mensch.

Mit dieser Gabe gelang es ihm auch immer wieder, einen Job zu bekommen, obwohl seine Bewerbungsunterlagen, aus denen hervorging, dass er in keiner Klinik länger als ein Jahr angestellt gewesen war, eigentlich zu einem sofortigen „Nein, danke!“ hätten führen müssen.

Auch Dr. Peter Kersten, der Leiter der Notaufnahme an der Frankfurter Sauerbruch-Klinik, hatte zuerst die Stirn gerunzelt, als er die schriftliche Zusammenfassung von Sebastians bisherigem beruflichen Werdegang überflogen hatte. Doch Sebastians feuchte Augen und die Geschichte über den frühen Tod seines geliebten Vaters, der ihn völlig aus der Bahn geworfen hatte, hatten den Notarzt schließlich doch mürbegemacht.

Seit etwas mehr als zwei Monaten war Sebastian Kamphausen also Assistenzarzt in der Notaufnahme der Sauerbruch-Klinik. Er hatte sich ganz fest vorgenommen, nun endlich Nägel mit Köpfen zu machen und seine Zukunftspläne mit aller Kraft voranzutreiben. Nicht die berufliche Zukunft natürlich, sondern die als steinreicher Lebemann.

Als Notarzt standen ihm diesbezüglich zahlreiche Möglichkeiten zur Verfügung, die nicht nur sehr effizient, sondern auch absolut sicher waren.

Wer sollte sich zum Beispiel Gedanken darüber machen oder die Ursache gar bei ihm suchen, wenn seine Großtante plötzlich an Tuberkulose erkrankte und daran verstarb? Tuberkulose konnte man sich überall holen.

Zum Beispiel von Herrn Schmitz, dem umtriebigen Rentner, der vor einem Monat aufgebrochen war, um mit seinen Kumpels ein paar schöne Wochen in Thailand zu verbringen. Sonne und hin und wieder ein bisschen körperliche Zuwendung hatte er dort tanken wollen.

Dass er von beidem reichlich abbekommen hatte, sah man erstens an seiner dunkelbraun verbrutzelten ledrigen Haut und zweitens an dem Laborbefund, mit dem Sebastian eben jetzt aus dem Diagnosezentrum im Keller in den Behandlungsraum in der Notaufnahme zurückkehrte.

„Gonokokken. Genau wie du vermutet hast, Peter“, teilte Sebastian seinem Chef mit. „Es wird allerdings ein paar Tage dauern, die exakte Art der Bakterien zu bestimmen, weil erst eine Kultur angelegt werden muss.“

„Ist mir schon klar.“ Dr. Peter Kersten griff nach dem Befund und überflog die Angaben darauf.

„Gono … was?“ Der Patient richtete sich auf der Behandlungsliege auf. „Was ist das denn für ein Zeug?“

„Sie haben sich in Thailand eine Gonorrhoe eingefangen, Herr Schmitz“, erwiderte der Notarzt. „Daher das Brennen beim Wasserlassen.“

„Was ist das? Durchfall, oder?“

„Das wäre dann eine Diarrhö“, korrigierte Peter. „Gonorrhoe ist allgemein unter dem Namen ‚Tripper‘ bekannt.“

Beinahe hätte Peter gelacht, als er sah, wie sich die Augen des liebesbedürftigen Rentners weiteten. Vorhin hatte er noch die Vorzüge der thailändischen Frauen gepriesen – willig, überhaupt nicht zickig, für ein paar Dollar zu allem bereit, freundlich, unterwürfig und sauber.

Da sich der Leiter der Notaufnahme über das großspurige und nicht besonders frauenfreundliche Gerede des Patienten vorhin ziemlich geärgert hatte, hielt sich sein Mitgefühl jetzt in Grenzen. Er eröffnete Herrn Schmitz schonungslos, dass diese Erkrankung meldepflichtig sei und er bis zu seiner vollständigen Genesung in regelmäßigen Abständen beim Gesundheitsamt vorzusprechen hätte.

„Okay, das war der Abstrich“, wandte sich Peter wieder an seinen neuen Assistenzarzt. „Hat die Analyse der Blutprobe auch etwas ergeben?“

„Allerdings.“ Sebastian bemühte sich um einen ernsten Gesichtsausdruck und einen möglichst professionell klingenden Tonfall. „Wir haben es hier mit dem Myo … Mako …“

Er hüstelte, um zu vertuschen, dass er den Namen dieses dämlichen Zeugs – er hatte ihn sich auf dem Weg vom Labor in die Notaufnahme immer wieder vorgesagt – nicht herausbrachte.

Während er sich statt der Hand den Befund vor den Mund hielt, warf er rasch einen Blick auf den schwierigen Namen. „Pardon! Frosch im Hals. Mykobakterium tuberculosis wollte ich sagen.“

„Auch ein gängiges Sextourismus-Souvenir!“ Der Notarzt seufzte, ging zur Tür und öffnete sie einen Spaltbreit. „Nora? Schwester Annette? Jens? Ist irgendwer da?“, rief er fragend auf den Flur hinaus.

Sebastian nutzte die Gelegenheit, griff sich blitzschnell den Holzspatel, mit dem sein Chef vorhin die Zunge des Patienten nach unten gedrückt hatte, um in seinen Rachen sehen zu können, und steckte das Instrument in seine Kitteltasche.

Vor dem Zubettgehen verlangte Tante Edeltraud immer noch nach einem Glas Wasser, das Sebastian auf ihr Nachtschränkchen stellen sollte. Das trank sie, wenn sie nachts aufwachte, weil ihre Kehle vom Schnarchen ausgetrocknet war.

Heute Nacht würden sich in dem Wasser ein paar emsige kleine Tuberkulose-Erreger tummeln, die sich hurtig daranmachen würden, Tantchens stählernen Lebensfaden anzuknabbern.

Auch wenn sich seine medizinischen Kenntnisse in sehr bescheidenen Grenzen hielten, wusste Sebastian immerhin eines: In Edeltraud Kamphausens fortgeschrittenem Alter – und wenn die Erkrankung nicht rechtzeitig entdeckt und behandelt wurde – konnte die Sache recht rasch zu dem von ihm gewünschten Ergebnis führen.

„Bist du verrückt? Was machst du denn da?“ Peter Kersten fuhr entsetzt herum. Er hatte Sebastians Bewegungen aus dem Augenwinkel beobachtet und konnte gar nicht glauben, was er gesehen hatte. „Willst du den wiederverwenden? Der ist doch kontaminiert! Weg damit! Oder willst du eine Epidemie auslösen?“

Verdammt! Das war nun schon das dritte Mal in dieser Woche, dass sein Chef ihm in die Quere kam und eine glänzende Gelegenheit zunichtemachte. Sebastian musste vorsichtig sein. Sein neuer Chef schien seine Augen überall zu haben.

„Was? Oh!“, gab er sich überrascht, fasste mit spitzen Fingern in seine Kitteltasche und warf das Instrument in den Eimer für kontaminierten Müll.

„Was liegt an, Boss?“ Jens Jankovsky, der fast zwei Meter große Sanitäter der Notaufnahme, betrat den Behandlungsraum und nickte dem Patienten grüßend zu.

„Schnapp dir einen Rollstuhl und bring Herrn Schmitz bitte zum Lungen-Röntgen, Jens“, bat der Notarzt und deutete mit dem Kinn auf einen Schrank, während er einen Mundschutz über Mund und Nase des Patienten befestigte. „Nimm dir lieber auch einen. Wir haben es hier mit einer akuten Tbc zu tun.“

Er trug die Untersuchungsergebnisse in das Krankenblatt ein, während der Sanitäter einen Rollstuhl holen ging.

„Ich erkläre Ihnen dann nach dem Röntgen noch genau, wie es weitergehen wird, Herr Schmitz“, sagte er zu dem Patienten, der jetzt sein Hemd wieder zuknöpfte. „Auf alle Fälle werden wir Sie ein paar Tage hierbehalten müssen. Wie lange, das hängt davon ab, wie weit die Entzündung in Ihrer Lunge bereits fortgeschritten ist. Soll ich in der Zwischenzeit jemanden für Sie verständigen?“

„Ja, meine Frau … bitte.“ Hatte Herr Schmitz noch vor wenigen Minuten lautstark mit seiner Manneskraft geprotzt, so klang er mittlerweile ziemlich kleinlaut. „Aber … geht das vielleicht … ähm … diskret? Ich meine, geht es so, dass Sie ihr von der … der anderen Sache nichts sagen? Sie glaubt nämlich, ich war mit meinen Kumpels in Tirol beim Wintersport.“

Er schob seinen Mundschutz bis auf die Stirn hinauf und schnäuzte sich.

„Sagen Sie ihr einfach nur, ich hätte mir eine Lungenentzündung wegen der Kälte beim Langlaufen geholt. Wir Männer müssen zusammenhalten, nicht?“, fügte er jovial hinzu und blinzelte mit einem Auge. „Sie wissen ja sicher, wie das mit den Weibern so ist, Herr Doktor, nicht wahr?“

„Davon ist mir nichts bekannt“, entgegnete Peter abweisend.

Kaum hatte sich die Tür hinter Jens und dem Patienten geschlossen, forderte der Notarzt Sebastian dazu auf, seine Kitteltaschen zu leeren.

Schweren Herzens warf der Assistenzarzt nun auch das vollgeschnäuzte Papiertuch in den Mülleimer. Er hatte es sich blitzschnell aus der Metallschale mit dem Verpackungsmüll geschnappt, als er sich unbeobachtet geglaubt hatte.

„Herrgott! So was! Ha, ha! Ich dachte, es sei meines.“

„Komm mit!“ Peter seufzte und verließ kopfschüttelnd den Behandlungsraum. „Holen wir uns einen Kaffee. Und bei der Gelegenheit erkläre ich dir noch einmal die Grundregeln der Hygiene in einem Krankenhaus.“

***

Im obersten Stock der Sauerbruch-Klinik, im Sitzungszimmer in der Direktionsetage, ging soeben die allmonatliche Vorstandssitzung zu Ende.

Prof. Lutz Weidner, der Chefarzt der Klinik, packte mit einem erleichterten Lächeln auf den Lippen seine Unterlagen zusammen.

Die Sitzung war heute erstaunlich erfreulich verlaufen. Die sonst übliche Aufforderung, mehr Operationen – gegebenenfalls auch völlig sinnlose – durchzuführen, um damit höhere finanzielle Gewinne zu erzielen, war diesmal ausgeblieben. Stattdessen war er von den Mitgliedern des Stiftungsrats für seine herausragende Leistung über den grünen Klee gelobt worden.

Der Professor warf einen prüfenden Blick auf seine Armbanduhr, hob seine buschigen silbergrauen Augenbrauen hoch, als er sah, dass die Sitzung länger gedauert hatte als vorgesehen, und stand auf.

„Meine Herren!“ Er nickte den Mitgliedern des Stiftungsrats zu. „Das war heute ein sehr erfreuliches Gespräch. Ich bedanke mich für Lob und Anerkennung und vor allem natürlich für die Ankündigung, dass Sie unser Budget aufstocken wollen. Aber jetzt muss ich mich leider rasch empfehlen, sonst komme ich mit meinen Terminen ins Gedränge.“

„Einen Punkt hätten wir da noch zu besprechen, Herr Professor!“ Stiftungsratspräsident Rötz-Pocke gebot dem Chefarzt mit einer herrischen Handbewegung, sich wieder zu setzen.

„Bitte sehr!“ Einen Stoßseufzer gerade noch unterdrückend, ließ sich der Chefarzt wieder auf seinen Stuhl sinken und schaute fragend in die Runde.

„Ihnen brauche ich es ja nicht zu sagen, denn Sie wissen natürlich längst darüber Bescheid, dass es nun schon seit geraumer Zeit eine neue medizinische Fachrichtung gibt“, begann Herr Präsident Rötz-Pocke zu referieren, während er mit tief gesenktem Kopf in seinen Unterlagen blätterte.

Das tat er offensichtlich nicht, um etwas zu suchen, sondern, um den Blicken des Chefarztes auszuweichen, wie dieser misstrauisch bemerkte.

„Nämlich … ähm … die … ähm … Palliativmedizin“, fuhr Herr Rötz-Pocke fort.

Alarmiert durch das Verhalten des Präsidenten, das der immer dann an den Tag legte, wenn er etwas durchsetzen wollte, von dem er wusste, dass es Lutz Weidner gehörig gegen den Strich ging, warf der Chefarzt Emil Rohrmoser, dem Verwaltungsdirektor der Klinik, einen fragenden Blick zu.

Doch der gab sich ahnungslos, zuckte nur mit den Schultern und schüttelte den Kopf so energisch, dass sein schwammiges Dreifachkinn bedrohlich ins Schwanken kam.

Lutz Weidner beschränkte sich auf ein nichtssagendes „Hmm …“ und wartete ab, was da nun wieder auf ihn zukommen mochte.

„Gut!“ Herr Rötz-Pocke nickte und blätterte noch schneller. „Und sicher sind Ihnen auch die Unterstellungen in den Medien nicht entgangen, die da behaupten, durch die Spezialisierung auf den Umgang mit sterbenden Patienten habe die Medizin lediglich eine neue Goldgrube geschaffen?“