Der Notarzt 282 - Karin Graf - E-Book

Der Notarzt 282 E-Book

Karin Graf

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Schon seit Stunden steht die junge Chirurgin Diana Schumann im OP der Frankfurter Sauerbruch-Klinik. Heute hat sich scheinbar die halbe Stadt dazu verabredet, möglichst zur selben Zeit zu verunglücken, denkt die Ärztin angespannt, während sie den verbrannten Arm des Patienten von Geweberesten säubert. Dabei wollte sie ihre Tochter Matilda heute doch endlich einmal selbst vom Kindergarten abholen. Das wird inzwischen wohl schon längst Oma Agnes erledigt haben.

Plötzlich unterbricht eine Durchsage die konzentrierte Stille im OP.

"Diana, ich habe Ihre Mutter in der Leitung, sie weint", meldet die Oberschwester der Unfallabteilung durch die Sprechanlage. "Matilda ist von einem Kindergartenausflug nicht mit zurückgekommen."

Erschrocken hält Diana die Luft an. Das Instrument, das sie gerade noch in der Hand gehalten hat, zerschellt auf dem weißen Fliesenboden in seine Einzelteile.

Matilda ist fort! Aber wohin kann das kleine Mädchen denn einfach verschwunden sein?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 119

Veröffentlichungsjahr: 2017

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Impressum

Wo ist Matilda?

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: shutterstock/MNStudio

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-4102-7

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Wo ist Matilda?

Nach einem Kindergartenausflug ist das Mädchen auf einmal verschwunden

Karin Graf

Schon seit Stunden steht die junge Chirurgin Diana Schumann im OP der Frankfurter Sauerbruch-Klinik. Heute hat sich scheinbar die halbe Stadt dazu verabredet, möglichst zur selben Zeit zu verunglücken, denkt die Ärztin angespannt, während sie den verbrannten Arm des Patienten von Geweberesten säubert. Dabei wollte sie ihre Tochter Matilda heute doch endlich einmal selbst vom Kindergarten abholen. Das wird inzwischen wohl schon längst Oma Agnes erledigt haben.

Plötzlich unterbricht eine Durchsage die konzentrierte Stille im OP.

„Diana, ich habe Ihre Mutter in der Leitung, sie weint“, meldet die Oberschwester der Unfallabteilung durch die Sprechanlage. „Matilda ist von einem Kindergartenausflug nicht mit zurückgekommen.“

Erschrocken hält Diana die Luft an. Das Instrument, das sie gerade noch in der Hand gehalten hat, zerschellt auf dem weißen Fliesenboden in seine Einzelteile.

Matilda ist fort! Aber wohin kann das kleine Mädchen denn einfach verschwunden sein?

„Das war eine wunderschöne Geschichte! Aber … gibt es sie denn wirklich, Papa? Die schneeweißen Einhörner, meine ich?“

Natürlich nicht! Diana war zwar nicht gefragt worden – sie saß in ihrem Arbeitszimmer, schrieb an einem medizinischen Fachartikel und lauschte dabei mit einem Ohr dem Gespräch, das aus dem angrenzenden Kinderzimmer zu ihr herüberdrang –, aber auf diese Frage konnte es ja wohl nur eine korrekte Antwort geben. Das musste sich sogar ihr verträumter, Luftschlösser bauender Ehemann eingestehen.

„Leider nicht hier bei uns im Frankfurter Stadtwald. Zumindest habe ich noch nie eines gesehen.“

Na also! Diana nickte halbwegs beruhigt. Einen Funken Realitätssinn hatte Mark sich immerhin noch bewahrt.

„Aber irgendwo gibt es sie bestimmt, sonst gäbe es doch nicht so viele Geschichten darüber.“

„Zu früh gefreut!“, murmelte die erfolgreiche Ärztin, die die Unfallabteilung auf der Chirurgie der Frankfurter Sauerbruch-Klinik leitete. „Großartiges Argument!“, flüsterte sie sarkastisch vor sich hin. „Es gibt auch Geschichten über die eierlegende Wollmilchsau, sprechende Teddybären und vergrabene Goldschätze, die am Ende jedes Regenbogens zu finden sind!“

„Und wenn sich alle diese schönen Geschichten über Einhörner bloß jemand ausgedacht hat, Papa?“

Gut überlegt, Matilda! Diana lächelte zufrieden. Ihre süße kleine Tochter bewies mit ihren vier Jahren bereits mehr Realitätssinn als Mark je gehabt hatte. Tja, jetzt musste er wohl klein beigeben. Die kleine Matilda hatte ihn mit einer einzigen Frage schachmatt gesetzt. Oder?

„Man kann sich nichts ausdenken, Engelchen, was es nicht auch in Wirklichkeit gibt. Versuche es doch einmal. Denk dir etwas aus, wovon du noch nie zuvor etwas gesehen oder gehört hat. Etwas, was es auf der ganzen Welt nicht gibt.“

Himmel! Diana schüttelte schmunzelnd den Kopf. Tausende Dinge würden ihr da sofort einfallen. Zugeschraubte Zahnpastatuben im Bad, die gab es zum Beispiel nicht. Zumindest nicht in diesem Haushalt. Steuersenkungen, Frieden auf der Welt – oder dass Mark mit seinen Romanen auch mal etwas mehr als ein kleines Taschengeld verdiente …

„Hmm …? Ich kann mir einen rosaroten Elefanten mit Hasenohren und einem Eichhörnchenschwanz ausdenken, der von Baum zu Baum springt und dabei so schrecklich falsch singt, wie meine Omi.“ Matilda musste über ihre eigene Erfindung herzlich lachen.

Diana lacht leise mit und ein liebevoller Glanz trat in ihre Augen. Ihr geliebtes Töchterchen hatte die schier unbegrenzte Fantasie ihres Vaters geerbt, aber Gott sei Dank auch die Disziplin, die Zielstrebigkeit, den Sinn für Realität und das Durchhaltevermögen ihrer Mutter.

„Na?“, flüsterte Diana und lächelte ironisch. „Und was wirst du jetzt darauf erwidern, mein Schatz? Keinen blassen Schimmer? Dann also runter mit der rosaroten Brille!“

„Das ist sehr lustig, Engelchen. Du hast wirklich viel Fantasie. Aber sieh mal, was du gemacht hast. Du hast einfach nur ein paar Tiere, die jeder kennt, und Oma Agnes genommen und sie bunt durcheinandergewürfelt. Elefanten, Hasen und Eichhörnchen gibt es ja wirklich. Die Farbe Rosarot ebenfalls. Und Oma Agnes singt tatsächlich ganz schlimm. Ihre Gutenachtlieder hören sich eher nach Albtraumliedern an, nicht wahr?“

Okay, das musste sie leider bestätigen. Diana schmunzelte und biss sich auf die Unterlippe, um nicht laut aufzulachen. Mit ihren mehr gegrölten als gesungenen Schlafliedern hatte ihre Mutter auch sie schon wach gehalten, als sie selbst noch ein kleines Mädchen gewesen war. Ihre Interpretation von La-Le-Lu hätte ganze Legionen in Marschbereitschaft versetzt.

Matilda kicherte. Dann war es eine Weile ganz still im Kinderzimmer.

„Man kann sich aber doch nichts ausdenken, was es überhaupt gar nicht gibt, Papa!“, protestierte sie schließlich. „Das geht nicht!“

„Sag ich doch, Schätzchen.“

„Oh, ich verstehe! Und deshalb muss es Einhörner wirklich geben! Irgendwo. Und irgendwer hat sie schon mal gesehen und eine Geschichte darüber gemacht.“ Matildas Stimme klang ergriffen und ehrfürchtig.

Diana dagegen war empört.

„Das ist eine ganz miese Masche, Mark“, murmelte sie. „Ein Einhorn ist genau genommen auch nichts anderes als ein Pferd mit einem Horn auf der Stirn. Aber mit einer Vierjährigen kann man es ja machen, nicht wahr?“

Kopfschüttelnd wollte sie ihre Arbeit fortsetzen, aber sie konnte sich nicht mehr wirklich darauf konzentrieren.

Nebenan begann Mark jetzt damit, ein Schlaflied für Matilda zu singen. Er hatte eine wundervolle Stimme, sanft und klar. Im Gegensatz zu ihren eigenen kläglichen Versuchen – Diana hatte das musikalische „Talent“ihrer Mutter geerbt – war bei ihm jeder Ton genau dort, wo er hingehörte.

Sie blickte versonnen auf die bunten Fische, die sich jetzt auf dem Bildschirm ihres Laptops tummelten, weil sie zu lange nichts mehr geschrieben hatte, lehnte sich zurück und schloss die Augen.

Fast zehn Jahre war es nun schon her, dass sie sich unsterblich in Mark Schumann verliebt hatte. Und war damals nicht genau das, was sie heute oft so sehr auf die Palme brachte, einer der Hauptgründe gewesen, warum sie sich bei ihm von Anfang an so heimelig, geborgen und glücklich gefühlt hatte?

Seine Fähigkeit, hinter dem Vorhang des grauen Alltags die schönsten Dinge zu vermuten, hatte sie anfangs fasziniert und bezaubert, denn sie selbst verfügte über keinerlei nennenswerte Fantasie.

Bei Mark hatte sie immer sicher sein können, dass er auch an den kältesten und düstersten Tagen irgendwo einen goldenen Sonnenstrahl entdeckte. Er war derjenige, der selbst auf einer übel riechenden Müllhalde eine wunderschöne duftende Rose fand. Er konnte sie sogar dazu bringen, nach drei Stunden im Stau zu bedauern, dass es schon vorüber war.

Sein Glas war immer halb voll und niemals halb leer, und er erwartete jeden Morgen, wenn er die Augen aufschlug, den schönsten Tag seines Lebens.

Mark war ein Träumer. Er hielt es noch nicht einmal für notwendig, sich wenigstens fallweise der harten Realität zu stellen.

„Dann wäre die Welt auch heute noch ein blühendes Paradies“, pflegte er auf ihre Frage zu antworten, wo man denn hinkäme, wenn alle so blauäugig in den Tag hinein leben würden wie er. „Dann wären die Ozeane nicht mit Plastikmüll verseucht, die Regenwälder nicht abgeholzt und der Himmel nicht von den schwarzen Wolken aus den Fabrikschloten getrübt. Die Menschen würden einander vielleicht zuhören, anstatt von A nach B zu rennen, um tonnenweise Zeug zu produzieren, das sowieso keiner braucht.“

In Dianas Augen war das natürlich der reinste Unfug. Disziplin, Leistungsbereitschaft und einen straff durchorganisierten Arbeitstag, das brauchte jeder Mensch, um nicht entweder trübsinnig zu werden oder unter die Räder des Lebens zu geraten.

Sie selbst war erst sechsunddreißig und dennoch bereits fertig ausgebildete Unfallchirurgin, Oberärztin und Leiterin einer der wichtigsten Stationen der Sauerbruch-Klinik. Mit Träumen brachte man es ganz gewiss nicht so weit.

Nicht, dass Mark ein Faulpelz gewesen wäre, nein, auch er arbeitete hart. Er schrieb – wie könnte es anders sein? – Fantasyromane, die wirklich gut waren. Von seinem letzten Buch waren sogar etwas mehr als viertausend Stück verkauft worden, was ihm immerhin Tantiemen im Wert von fast fünftausend Euro eingebracht hatte. Für die Arbeit eines ganzen Jahres!

Mit den Honoraren, die er für die Lesungen bekam, zu denen er fallweise eingeladen wurde, wäre er durchaus in der Lage gewesen, seine kleine Familie zu ernähren – vorausgesetzt, sie hätten ein sehr, sehr bescheidenes Leben geführt. Ein bis zwei günstige Mahlzeiten pro Tag, im Winter lieber warme Kleidung statt einer voll aufgedrehten Heizung und keine sämtlichen Extras wie Urlaubsreisen, Autos, Restaurantbesuche, Kino- oder Theaterkarten, versteht sich.

Und auch das nur, weil keine Miete bezahlt werden musste, da sie in dem Haus von Marks leider schon verstorbenen Eltern wohnten, das sehr malerisch am Rande des Frankfurter Stadtwaldes gelegen war und einen großen Garten hatte.

Zum Glück war es aber gar nicht notwendig, sich einzuschränken, denn Diana verdiente genug. Und da Mark auf die klassische Rollenverteilung zwischen Mann und Frau keinen Wert legte, fühlte er sich nicht nur nicht schlecht dabei, sondern genoss es in vollen Zügen, dass er seit der Geburt von Matilda die klassische Mutterrolle übernehmen und sich rund um die Uhr um sein geliebtes kleines Mädchen kümmern durfte.

Bis vor Kurzem war auch Diana mit dieser Regelung sehr glücklich gewesen, denn Mark war wohl der beste und liebevollste Vater, den sich ein Kind nur wünschen konnte. Doch seit einer Weile machte sie sich Gedanken. Darüber, wie Mark ihre gemeinsame Tochter mehr und mehr in seine Traumwelt hinüberzog.

Matilda fing bereits damit an, genauso versonnen ins Leere zu starren, wie Mark es oft tat, wenn seine Gedanken auf Reisen gingen. Sie behauptete, im Garten Elfen und Kobolde zu sehen, gab sogar den Spinnen, die gelegentlich durch den Entlüftungsschacht im Bad gekrochen kamen, Namen, erfand ganze Lebensgeschichten für sie und weinte bitterlich, wenn Diana die Fliegenklatsche holen wollte.

Nichts gegen ein bisschen Fantasie, aber für ihre Tochter wünschte sich Diana ein bodenständigeres Leben, als ihr Vater es führte. Von schönen Geschichten und Tagträumen konnten nur die wenigsten Leute existieren. Das Leben wurde immer härter, schneller und teurer, und darauf wollte Diana ihre Tochter vorbereitet wissen.

Sie klappte ihren Laptop zu und stand auf, als sie hörte, wie Mark nebenan leise die Tür zum Kinderzimmer schloss. Matilda war eingeschlafen, und Diana hatte die Absicht, ihren Mann jetzt sofort vor vollendete Tatsachen zu stellen. Sie hatte eine Entscheidung getroffen. Eine Entscheidung, die Mark ganz und gar nicht gefallen würde.

***

Im Bereitschaftsraum in der Notaufnahme der Frankfurter Sauerbruch-Klinik ging es an diesem Abend vorläufig noch recht gemütlich zu.

Die Kaffeemaschine blubberte und verströmte den unwiderstehlichen Duft von frisch aufgebrühtem Kaffee. Wie so oft hatte Frau Rosi, die Pächterin der Cafeteria, alle verderblichen Snacks, die liegen geblieben waren, auf ein großes Tablett gepackt und in der Notaufnahme abgeliefert, bevor sie nach Hause gegangen war. Und zu allem Überfluss war – und das kam an einem Freitagabend wirklich so gut wie niemals vor – das Wartezimmer leer.

„Kinder …!“ Dr. Peter Kersten, der Leiter der Notaufnahme, lehnte sich behaglich seufzend zurück, steckte sich das letzte Stück von einem Schinkensandwich in den Mund und legte beide Füße auf seinen Schreibtisch. „Das wird heute …“

„Nicht!“ Elmar Rösner, der junge rothaarige Assistenzarzt, der gerade ein paar Kaffeetassen aus einem Schrank in der kleinen Küchenecke holte, versuchte, seinen Chef noch rechtzeitig zu stoppen, doch er hatte zu spät reagiert.

„… eine sehr ruhige Nacht!“, vervollständigte der Notarzt seinen begonnenen Satz.

„Na toll!“, grummelte Dr. Rösner kopfschüttelnd. „Jetzt hast du es berufen. Immer wenn jemand so etwas sagt, kann man Gift darauf nehmen, dass kurz darauf die Notfälle wie am Förderband eintreffen.“

„Ach Quatsch!“, winkte Peter schmunzelnd ab. „Das ist doch Hokuspokus, Elmar. Oder denkst du vielleicht, dass genau in diesem Augenblick auf der Autobahn zehn Fahrzeuge zusammenkrachen, nur, weil ich diesen Satz ausgesprochen habe?“

Peter lachte amüsiert auf.

„Das wird heute eine ruhige Nacht! So, jetzt sind es nach deiner Theorie schon zwanzig. Und wenn du mit dem Kaffeeeingießen nicht endlich ein bisschen voran machst, dann sage ich es gleich noch einmal. Meinen mit Milch und drei Stück Zucker, bitte!“

„Da!“ Mit vorwurfsvollem Blick und sehr viel Nachdruck stellte der Assistenzarzt eine volle Tasse vor Peter auf den Schreibtisch. „Mach du dich nur lustig darüber. Du wirst schon sehen …!“

„Gar nichts wird er sehen!“

Auch Jens Jankovsky, der fast zwei Meter große junge Sanitäter, der seine langen braunen Haare im Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte, nahm dankend seinen Kaffee von Elmar entgegen.

„Das liegt am Datum“, behauptete er. „So kurz nach Weihnachten und Neujahr sind die Leute total abgebrannt. Es ist einfach kein Geld mehr übrig, um Unfug zu machen und sich dabei zu verletzen.“

„Abgebrannt?“ Dr. Hannes Fischer, der Anästhesist der Notaufnahme, stellte seinen Materialwagen, den er eben im gegenüberliegenden Medikamentenraum aufgefüllt hatte, vor der Tür ab und betrat den Bereitschaftsraum. „Ich bin auch abgebrannt“, lamentierte er und schlurfte gähnend in die Küchenecke, um sich ebenfalls eine Tasse Kaffee zu holen.

Nachdem er einen Schluck genommen hatte, seufzte er tief.

„Jedes Jahr nehme ich mir vor, keine Weihnachtsgeschenke mehr zu verteilen, die sowieso keiner braucht, und jedes Jahr falle ich wieder auf diesen Rummel herein und kaufe ein, als hätte ich im Lotto gewonnen. Ich möchte wetten, dass mindestens die Hälfte von dem Krempel ohnehin sofort nach den Feiertagen umgetauscht worden ist.“

„Machen Sie es doch so wie ich“, schlug Jens dem fast sechzigjährigen Mediziner vor. „Ich verschenke an Weihnachten Gutscheine für diverse Hilfsdienste: Klempnern, Möbel zusammenbauen, Babysitten, Rasen mähen, Gartenzaun lackieren … Was halt so anfällt. Das kostet nichts, kommt immer wieder gut an und ist zudem auch noch sinnvoll.“

„Ach, das können Sie machen, junger Mann“, winkte der Anästhesist ab und setzte sich mit seinem Kaffee auf eine Ecke von Peters Schreibtisch.

„Aber ich kann ja nichts. Ich habe ein einziges Mal versucht, ein verstopftes Abflussrohr selbst auseinanderzunehmen und zu reinigen. Danach musste die Wasserwacht mit Rettungsbooten anrücken. Beinahe zumindest.“

Er schüttelte den Kopf.

„Fürs Babysitten habe ich viel zu schwache Nerven, und beim letzten Versuch, meinen Rasen selbst zu mähen, habe ich nach nur zehn Sekunden das Stromkabel durchgemäht. Ich könnte höchstens Gutscheine für eine kostenlose Vollnarkose verschenken. Ich glaube aber kaum …“

Dr. Fischer brach ab, als in diesem Augenblick die Rettungsfunkanlage hektisch zu piepsen begann.

„Na? Hokuspokus, was? Wie ich sagte! Das geht jetzt auf dein Konto, Boss!“ Elmar Rösner warf seinem Chef einen tadelnden Blick zu und drückte auf den Sprechknopf der Anlage, die ausschließlich für die Ärzte aus den Rettungswagen reserviert war.

„Notaufnahme Sauerbruch-Klinik, Rösner hier“, meldete er sich und strafte Peter erneut mit einem bitterbösen Blick.