Der Notarzt 284 - Karin Graf - E-Book

Der Notarzt 284 E-Book

Karin Graf

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Beschreibung

Mit einem asthmatischen Röcheln öffnet sich die Schiebetür am Ende des Krankenhausflurs, und eine Rolltrage, auf der eine besinnungslose Patientin liegt, wird in die Notaufnahme geschoben. Die junge Frau wurde im nahe gelegenen Park gefunden. Offenbar hat sie einen Blutsturz erlitten und ist daraufhin kollabiert. Wie es aussieht, hat die Unbekannte kurz zuvor ohne medizinische Hilfe ein Kind entbunden. Jetzt ist ihr Zustand so dramatisch, dass nur eine Notoperation ihr Leben vielleicht noch retten kann ... Unterdessen betritt Chefarzt Prof. Lutz Weidner die Frankfurter Sauerbruch-Klinik. Als er sein Büro betreten will, traut er zuerst seinen Augen nicht: Vor der Tür steht ein Korb mit zwei bezaubernden kleinen Babys. Sie sehen so aus, als wären sie erst vor wenigen Stunden geboren. Ganz offensichtlich hat jemand die Kinder bewusst hier abgestellt, damit sie schnell gefunden werden. Gehören diese beiden Säuglinge vielleicht zu der Frau, die gerade in der Notaufnahme behandelt wird? Aber wieso hat sie ihre Kinder ausgesetzt?

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Seitenzahl: 121

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Impressum

Aus Verzweiflung ausgesetzt

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: shutterstock/Patryk Kosmider

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-4251-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Aus Verzweiflung ausgesetzt

Warum die junge Mutter ihre geliebten Zwillinge nicht behalten wollte

Karin Graf

Mit einem asthmatischen Röcheln öffnet sich die Schiebetür am Ende des Krankenhausflurs, und eine Rolltrage, auf der eine besinnungslose Patientin liegt, wird in die Notaufnahme geschoben.

Die junge Frau wurde im nahe gelegenen Park gefunden. Offenbar hat sie einen Blutsturz erlitten und ist daraufhin kollabiert. Wie es aussieht, hat die Unbekannte kurz zuvor ohne medizinische Hilfe ein Kind entbunden. Jetzt ist ihr Zustand so dramatisch, dass nur eine Notoperation ihr Leben vielleicht noch retten kann …

Unterdessen betritt Chefarzt Prof. Lutz Weidner die Frankfurter Sauerbruch-Klinik. Als er sein Büro betreten will, traut er zuerst seinen Augen nicht: Vor der Tür steht ein Korb mit zwei bezaubernden kleinen Babys. Sie sehen so aus, als wären sie erst vor wenigen Stunden geboren.

Ganz offensichtlich hat jemand die Kinder bewusst hier abgestellt, damit sie schnell gefunden werden.

Gehören diese beiden Säuglinge vielleicht zu der Frau, die gerade in der Notaufnahme behandelt wird? Aber wieso hat sie ihre Kinder ausgesetzt?

Noch bis vor wenigen Wochen hatte sie nicht gewusst, wie sie ihre süßen kleinen Zwillinge von ihrem mageren Lohn als Kellnerin ernähren sollte. Jetzt schritt sie in einem traumhaft schönen weißen Kleid barfuß durch den schneeweißen Sand an einem der schönsten Strände Hawaiis. Sie ging auf den mit üppigen, exotischen Blüten geschmückten Baldachin zu, unter dem die große Liebe ihres Lebens auf sie wartete.

„Autsch!“ Sie hielt inne und hob den Fuß hoch, mit dem sie eben auf eine scharfrandige Muschelschale getreten war. Ein winziges Bluttröpfchen hing an ihrer großen Zehe. Sie lachte und zuckte mit den Schultern.

Da konnte er nicht länger an sich halten. Der ehemals skrupellose und gefürchtete Staranwalt rannte so schnell auf sie zu, dass der feine weiße Sand aufstob, und hob sie hoch.

„Wie schön du bist“, hauchte er und blickte ihr tief in die Augen. „Du bist wahrlich das Beste und Wertvollste, das mir jemals widerfahren ist. Du hast einen besseren Menschen aus mir gemacht. Ich liebe dich so sehr.“

Eine Träne stahl sich aus Jackys Augenwinkel. Sie war zutiefst ergriffen. In ihrer Brust, dort, wo ihr Herz jetzt doppelt so schnell zu schlagen begann, breitete sich eine nie zuvor gefühlte Wärme aus. Sein liebevoller Blick! Die schönen Worte, die er sagte und in denen so viel Liebe mitschwang!

Beinahe hätte sie laut aufgeschluchzt. In letzter Sekunde gelang es ihr noch, das Schluchzen in ein verächtliches „Pfft!“ umzuwandeln.

„Scheiß-Film, was?“ Finn, der neben ihr saß, stieß sie so fest mit dem Ellbogen an, dass ihr der leere Popcornbecher aus der Hand fiel. Sie trat darauf und schubste ihn dann einfach mit dem Fuß unter ihren Sitz.

„Aber hallo!“, erwiderte sie flapsig. „Voll abgefahren!“ Sie formte ihre Lippen zu einem übertriebenen Kussmund, verdrehte die Augen und schmatzte ein paarmal laut in Finns Richtung.

Jackys Freund lachte.

„Komm, machen wir die Biege, sonst kommen mir von diesem Schwachsinn noch die Nachos wieder hoch. Der Film ist eh gleich aus.“

„Ja, endlich!“ Jacky stöhnte theatralisch. „Lass mich nur noch meine Cola austrinken“, bat sie, nahm den großen Becher, der längst leer war, aus dem Becherhalter und gab vor, zu trinken.

In Wahrheit wollte sie unbedingt noch hören, was die wunderschöne Braut auf der Leinwand ihrem Märchenprinzen nach dem langen Kuss antworten würde.

Bestimmt nicht das, was Jacky – sollte jemals jemand so schöne Worte zu ihr sagen – als Erstes durch den Kopf gehen würde. Ihr wäre so eine Liebeserklärung vermutlich unheimlich peinlich gewesen. Nicht nur deshalb, weil jeder, der solche Worte zu ihr sagte, ein Heuchler und Lügner sein musste, denn sie war weder wertvoll noch teuer noch schön.

Nein, der Hauptgrund wäre, dass sie mit so einem Liebesgedöns absolut nicht klarkam, weil es Liebe in ihrem bisherigen Leben nicht gegeben hatte.

„Ey, Alter“, würde sie vermutlich erwidern und damit die Situation ins Lächerliche ziehen. „Sülz nicht rum, sonst …“

„Du bist immer schon ein guter Mensch gewesen, Liebster“, tönte es jetzt mit rauer Stimme durch den Kinosaal. „Ich habe es von Anfang an gewusst. Es musste nur jemand kommen und dein Herz, das wie ein kleines Vögelchen in einem strengen Winter erfroren war, in die Hände nehmen und wärmen. Danke, dass ich es sein durfte, die …“

„Meine Güte, was für ein abgefahrener Scheiß!“, presste Jacky zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und stieß ein sarkastisches Lachen aus, obwohl sie jetzt viel lieber ein bisschen geweint hätte. Sie zerdrückte den leeren Becher, ließ ihn einfach fallen und stand auf. „Gehen wir! Davon wird einem ja übel!“

Sie war froh, dass es in dem großen Kinosaal noch völlig dunkel war, denn in ihren Augen glitzerten Tränen, und ihr Herz fühlte sich irgendwie wund an.

Während sie sich hinter Finn durch die Bankreihe drängte und sich dann hinten an seiner alten speckigen Lederjacke festhielt, um nicht über die steilen Stufen zu stolpern, die nach unten zum Ausgang führten, versuchte sie, wieder einen halbwegs klaren Kopf zu bekommen.

Niemals hätten sie und Finn sich freiwillig einen dieser ätzenden Herz-Schmerz-Schinken angesehen. Igitt! Normalerweise gingen sie ausschließlich in Actionfilme oder Horrorstreifen. Aber Finn hatte die Karten von einer Kollegin im Fastfood-Restaurant geschenkt bekommen, wo er den ganzen Tag lang Pommes, Hamburger und Hotdogs fabrizierte.

Er hatte Jacky aus ihrer gemeinsamen winzigen und desolaten Wohnung abgeholt, und da sie ein bisschen zu spät dran gewesen waren, hatten sie nicht erst lange nachgefragt, um was für einen Film es sich handelte.

Das Ergebnis davon war, dass es ihr jetzt nicht besonders gut ging. Der Film hatte sie nämlich eiskalt erwischt. Sie hatte erkannt, was sie war, was sie gerne wäre und was sie niemals sein würde. Obwohl …

Manchmal hatte Jacky das Gefühl, dass mehr in ihr steckte. Manchmal war sie ihr sinnloses Dasein leid. Manchmal ekelte sie sich richtig vor sich selbst. Manchmal war es ihr, als stecke tief unter der rauen Schale eine andere, eine bessere, die richtige Jacky, und sie müsse nur die unschöne Oberfläche irgendwie abbekommen, um an den guten Kern zu gelangen.

Jacky Janisch war zwanzig Jahre alt, sie war gleich nach der mittleren Reife von der Schule abgegangen und schlug sich seither mit Gelegenheitsjobs durchs Leben.

Sie hatte keine besonderen Talente, sie war auch nicht schön – obwohl Finn ihr oft versicherte, dass sie ein heißer Feger sei –, und solche Worte, wie sie die Leinwandschönheit von sich gegeben hatte, würden ihr nie im Leben einfallen.

Na ja, wozu auch? Eher würde die Hölle einfrieren, als dass sich ein reicher Staranwalt – und dann auch noch einer, der so umwerfend aussah wie der im Film – in sie verliebte.

Genau genommen war es ja schon fast ein Wunder, dass Finn sich mit ihr abgab. Der sah nämlich auch nicht übel aus – zumindest, wenn er nicht gerade sternhagelvoll war – und hatte sogar Abitur. Trotzdem passte er irgendwie zu ihr, weil er nämlich genauso ein kaputter Loser war wie sie.

Sie hatten beide von Anfang an keine große Chance gehabt. Finns Eltern waren beide schwere Alkoholiker. Zum Frühstück hatte es bei ihm zu Hause Backpfeifen gegeben, zum Mittagessen Kopfnüsse und zum Abendbrot gar nichts, denn da waren seine Eltern längst in der Kneipe gewesen.

Jacky hatte es fast noch ein bisschen schlechter getroffen als ihr Freund. Sie hatte keinen Vater, und ihre Mutter hatte einen an der Klatsche. Aber so richtig! Sie hatte im Drogenrausch mehrmals versucht, ihre Tochter in der Badewanne zu ertränken, sie mit dem Brotmesser zu erdolchen, mit dem Kopfkissen zu ersticken oder übers Balkongeländer zu schubsen.

In regelmäßigen Abständen war sie deswegen in die Psychiatrie eingewiesen und Jacky ins Heim gebracht worden. Aber kaum hatten die Ärzte behauptet, sie sei jetzt medikamentös gut eingestellt und es könne nichts mehr passieren, hatte man Jacky immer wieder zu ihrer Mutter zurückgebracht.

Tja, wie hätte da bitte schön so eine gebildete Frau aus ihr werden sollen, die mit schönen Wörtern um sich warf, wenn sie doch schon von Geburt an bis zum Hals in der Scheiße steckte? Das Einzige, das sie wirklich gelernt hatte, war, wie man trotzdem überlebte.

„Jacky?“

Finn riss sie aus ihrer besinnlichen Stimmung. Seit gut einer Viertelstunde schlenderten die beiden jetzt schon schweigend am Mainufer entlang – hintereinander mit einem Abstand von mindestens einem Meter.

Jacky hatte gedacht, Finn sei wegen des blöden Films sauer.

„Ja?“

„Meinst du, es ist schon zu spät?“

„Zu spät für was?“ Sie holte auf und lief neben ihm her.

„Versprich mir, mich nicht auszulachen!“

„Werd ich nicht. Zu spät für was?“

„Um ebenfalls bessere Menschen zu werden.“

Okay, damit hatte sie nun wirklich nicht gerechnet. Eine Weile war es ganz still.

„Blöde Frage, was?“ Finn bereute es längst wieder, dass er Jacky diesen peinlichen Einblick in seine Seele gewährt hatte.

„Nein, gar nicht.“ Sie suchte seine Hand und hielt sie fest. „Ich habe nämlich vorhin genau über dasselbe nachgedacht.“

„Echt jetzt?“

„Ja. Und … von wegen zu spät … Wir sind doch beide erst zwanzig. Da ist doch noch alles möglich.“

„Okay … das schon. Aber … kann man es schaffen, mehr aus sich selbst zu machen, wenn man aus der untersten Schicht der untersten Unterschicht abstammt?“, fragte er leise.

„Manche haben es schon geschafft.“

„Wer denn?“

„Mir fällt gerade kein Name ein, aber es gibt bestimmt welche.“

„Kann sein. Aber wie?“

Jacky zuckte mit den Schultern.

„Keinen blassen Schimmer. Na ja … Wir könnten ja vielleicht mal versuchen, uns nicht jeden Abend zuzudröhnen. Mal was anderes tun, als uns volllaufen zu lassen und Gras zu rauchen.“

„Was denn?“

„Keine Ahnung. Ein Buch lesen. Mal ins Museum gehen. Reden. Über … Dinge. Also … andere Dinge als bisher. Und du, du könntest was studieren, denn du bist echt nicht auf den Kopf gefallen.“

„Du doch auch nicht. Und du könntest was aus deiner Stimme machen.“

„Was für eine Stimme denn?“ Sie lachte verlegen.

„Ich hör dir echt gern zu, wenn du unter der Dusche singst“, gestand er. „Du hast eine richtig gute Stimme.“

„Quatsch! Du veräppelst mich!“ Sie boxte ihn verlegen kichernd in die Seite.

„Nein, wirklich!“ Finn drückte ihre Hand.

Dann schwiegen sie wieder eine Weile.

„Zum Studieren braucht man Geld.“ Finn kickte gegen eine leere Getränkedose, die auf der Uferpromenade lag, und schaute ihr versonnen nach, wie sie laut scheppernd dahineierte und dann im Gebüsch verschwand.

„Für Gesangsunterricht braucht man auch Geld“, erwiderte sie seufzend.

„Apropos! Ich durfte heute servieren, weil René krank war, und habe dabei einen Haufen Trinkgeld gekriegt“, fiel es ihm da plötzlich ein. Er deutete mit einer Kopfbewegung auf ihre Lieblingskneipe, an der sie zufällig gerade vorüberkamen. „Wollen wir einen draufmachen?“

„Aber hallo!“, erwiderte sie, rannte lachend los und zog ihn an der Hand hinter sich her.

***

Während Jacky und Finn in der Kneipe am Mainufer das taten, was sie fast jeden Abend taten, nämlich sich fast bis zur Besinnungslosigkeit volllaufen zu lassen, versuchte Schwester Angelika, ihre Gesichtszüge unter Kontrolle zu bekommen, die ihr zu entgleisen drohten.

Die Pflegerin, die heute am Anmeldeschalter der Notaufnahme der Frankfurter Sauerbruch-Klinik Nachtdienst hatte, biss sich fest auf die Unterlippe. Das war jetzt wirklich nicht die passende Situation, um in Gelächter auszubrechen.

Aber das Paar, das eben jetzt eng umschlungen durch den Patienteneingang in die Notaufnahme kam, war einfach zu komisch. Irgendwie … goldig. Drollig. Süß.

Angelika hatte eigentlich gedacht, dass so etwas nur in Filmen vorkam und dort natürlich völlig überspitzt dargestellt wurde. Aber nein, die beiden älteren Herren – einer von ihnen musste so um die sechzig sein, der andere vielleicht ein paar Jahre jünger – gebärdeten sich tatsächlich so, als würden sie ein schwules Paar parodieren.

„Du böser, böser Junge!“, zeterte der ältere der beiden, während er den jüngeren, der offensichtlich flüchten wollte, fest an der Hand hielt. „Wir gehen jetzt zum Onkel Doktor hinein, und du wirst ihm sagen, wo es dich zwickt! Ansonsten rede ich kein Wort mehr mit dir! Nie wieder! Hörst du?“

Dabei streckte er tatsächlich den freien Arm – an dem eine sehr exklusive Herrenhandtasche hing – weit von sich, ließ die Hand am Gelenk baumeln und spreizte – wie in einem schlechten Film – geziert den kleinen Finger ab.

Angelika Kessler hatte längst einen Blick dafür und erkannte an der blassen Gesichtsfarbe und den bläulichen Lippen des jüngeren Mannes, dass etwas mit ihm nicht ganz in Ordnung sein konnte.

„Ist Ihrem … ähm … Freund übel geworden?“, erkundigte sie sich mitfühlend, stand auf und kam aus ihrem kleinen Büro, das vorne ein großes Sichtfenster hatte.

„Mann!“, stellte der ältere Herr richtig. „Das ist mein rechtmäßig angetrauter Ehemann! Edgar Lubinoff. Mein Name ist Maximilian. Und ja, ihm ist übel geworden, aber dieser verdammte Sturkopf will mal wieder nicht zugeben, dass er Hilfe braucht!“

„Quatsch! Mir geht es blendend“, winkte Edgar Lubinoff ab und klang dabei ziemlich kläglich. Dann begann er zu schwanken.

„Ja, ich sehe es.“ Schwester Angelika sprang hastig einen Schritt nach vorne, packte seinen freien Arm, legte ihn sich über die Schultern und fasste den Mann beherzt um die Mitte, ehe er zu Boden gehen konnte.

„Ich brauche eine Rolltrage!“, rief sie laut. „Sofort, bitte! Jens? Annette? Nora? Irgendwer?“

„Siehst du!“, säuselte Maximilian Lubinoff streng. „Die hübsche Schwester mag dir auch nicht abnehmen, dass es dir blendend geht, du schlimmer Schelm!“ Er wandte sich an die Pflegerin, ohne dabei seinen Partner aus den Augen zu lassen. „Er wäre mir im Theater im Pausenraum fast umgekippt. Und das passiert ihm in letzter Zeit öfter mal.“

Der attraktive, groß gewachsene Mann, den sie jetzt fest stützte, kam Schwester Angelika ziemlich bekannt vor. Aber der Schauspieler, den sie im Kopf hatte, hieß nicht Edgar Lubinoff, sondern …

„Wow! Wenn das nicht Anatol Althoff, mein absoluter Lieblingsschauspieler ist!“ Jens Jankovsky, der fast zwei Meter große junge Sanitäter der Notaufnahme, kam jetzt mit einer Rolltrage um die Ecke geprescht.

„Gib dem hübschen Jungen eine Autogrammkarte mit persönlicher Widmung von mir, Max!“, hauchte der Patient und sank auf die Rolltrage nieder, auf die Angelika und Jens ihn betteten.

Sein Ehemann stemmte empört die Hände in die Hüften und stieß einen kleinen spitzen Schrei aus.

„Du hast – mit Verlaub! – überhaupt nicht zu bemerken, dass der Junge hübsch ist, Edgar! Du bist ein verheirateter Mann!“

Also doch, dachte Angelika Kessler. Anatol Althoff – das war vermutlich sein Künstlername – war einer der großen Charakterdarsteller des Landes. Er spielte vorwiegend am Theater und war nur selten, und wenn, dann nur in wirklich guten Filmen zu sehen.