Der Notarzt 288 - Karin Graf - E-Book

Der Notarzt 288 E-Book

Karin Graf

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Beschreibung

Zuerst ist Josefine alles andere als begeistert, als das neue Kindermädchen Leonie Wolinski bei ihnen zu Hause einzieht. Die Fünfjährige will lieber nur mit ihrem Papa zusammenleben. Aber der alleinerziehende Arzt schafft es nicht immer, pünktlich aus der Klinik herauszukommen; er ist auf die Hilfe eines zuverlässigen Kindermädchens angewiesen. Dass die junge Frau ihren siebenjährigen Sohn Felix mit in den Hausstand bringt, kann für Josefine doch nur von Vorteil sein - immerhin hat sie sich immer einen Spielkameraden gewünscht.

Tatsächlich sind die Kinder bald ein Herz und eine Seele, gemeinsam haben sie jede Menge Spaß. Doch aus dem Spaß wird bitterer Ernst, als die beiden eines Tages ohne Leonies Wissen allein nach draußen gehen.

"Lauf, Josefine, lauf!", ruft Felix ausgelassen und verfolgt seine Spielkameradin lachend über den Gehweg. Als ihm plötzlich schlagartig bewusst wird, dass sie geradewegs auf die stark befahrende Fahrbahn zulaufen und Josefine bei diesem Tempo sicher nicht mehr rechtzeitig anhalten kann, ist es auch schon zu spät ...

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Seitenzahl: 119

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Impressum

Lauf, Josefine, lauf!

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: shutterstock/Soloviova Liudmyla

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-4444-8

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Lauf, Josefine, lauf!

Doch das lustige Spiel endet mit einem schrecklichen Unfall

Karin Graf

Zuerst ist Josefine alles andere als begeistert, als das neue Kindermädchen Leonie Wolinski bei ihnen zu Hause einzieht. Die Fünfjährige will lieber nur mit ihrem Papa zusammenleben. Aber der alleinerziehende Arzt schafft es nicht immer, pünktlich aus der Klinik herauszukommen; er ist auf die Hilfe eines zuverlässigen Kindermädchens angewiesen. Dass die junge Frau ihren siebenjährigen Sohn Felix mit in den Hausstand bringt, kann für Josefine doch nur von Vorteil sein – immerhin hat sie sich immer einen Spielkameraden gewünscht.

Tatsächlich sind die Kinder bald ein Herz und eine Seele, gemeinsam haben sie jede Menge Spaß. Doch aus dem Spaß wird bitterer Ernst, als die beiden eines Tages ohne Leonies Wissen allein nach draußen gehen.

„Lauf, Josefine, lauf!“, ruft Felix ausgelassen und verfolgt seine Spielkameradin lachend über den Gehweg. Als ihm plötzlich schlagartig bewusst wird, dass sie geradewegs auf die stark befahrende Fahrbahn zulaufen und Josefine bei diesem Tempo sicher nicht mehr rechtzeitig anhalten kann, ist es auch schon zu spät …

Im OP in der Notaufnahme der Frankfurter Sauerbruch-Klinik waren die Scherze und der Smalltalk, mit denen die Ärzte und das Pflegepersonal sonst immer versuchten, ein bisschen von dem Druck abzubauen, der auf ihnen lastete, längst verstummt.

Nur die wenig harmonischen OP-Geräusche, bestehend aus dem Summen, dem Ticken, dem Rauschen, dem Piepsen, dem Gurgeln und Röcheln der medizinischen Geräte, war zu hören.

Während draußen längst der Schichtwechsel stattgefunden hatte und die Kollegen seit mehr als einer Stunde den wohlverdienten Feierabend genossen, arbeiteten Dr. Peter Kersten, der Leiter der Notaufnahme, und sein OP-Team seit drei Stunden verbissen daran, einen aus acht Metern Höhe abgestürzten Bauarbeiter am Leben zu erhalten.

Sie hatten gebrochene Rückenwirbel wiederaufgerichtet, mit Platten gestützt und verschraubt, zertrümmerte Knochen wie ein Puzzle zusammengesetzt, von außen zementiert und von innen genagelt, den Schädel angebohrt, um Hirndruck abzulassen, einen kollabierten Lungenflügel punktiert und eine zerfetzte Niere entfernt.

„Hab’s gefunden!“, sagte der Notarzt ächzend, der auf der Suche nach einer weiteren Verletzung, die einen stetigen Blutverlust verursachte, auf einen Riss in der Leber und eine gerissene Arterie gestoßen war. Er klemmte die Gefäße ab, die das Organ mit Blut versorgten, trat einen Schritt vom OP-Tisch zurück und streckte seinen schmerzenden Rücken durch. „Ein bisschen trockenlegen bitte, damit ich das nähen kann!“

„Lass mal, Nora, ich mach das schon.“ Jens Jankovsky, der fast zwei Meter große Sanitäter, schaltete den Sauger ein und hielt den Schlauch in die offene Bauchhöhle des Patienten. Ein lautes Schlürfen mischte sich unter die anderen Klänge.

„Kümmere du dich lieber um den Boss“, riet er der Oberschwester. „Der schmort schon im eigenen Saft.“

„O Gott! Wieso sagst du denn nichts, Peter?“ Nora Lechner klemmte hastig einen Tupfer in eine Zange, als sie sah, wie Dr. Kersten blinzelte, weil ihm die Schweißtropfen von der Stirn bereits in die Augen liefen.

„Wollte ich eigentlich, war mir aber zu anstrengend.“ Peters Stimme klang verwaschen und schleppend. Kein Wunder, das war heute wieder einmal einer jener Tage gewesen, an denen er und sein Team kaum jemals für länger als ein paar Minuten aus dem OP hinauskamen.

Seit sechs Uhr morgens waren sie auf den Beinen, eine Mittagspause war natürlich wieder einmal nicht möglich gewesen, und selbst für eine schnelle Tasse Kaffee hatte die Zeit nur zweimal gereicht.

„Ah, das ist angenehm!“ Er schloss die Augen und seufzte wohlig, als die Oberschwester seine Stirn mit dem Tupfer bearbeitete, den sie zuvor mit einer kühlenden Flüssigkeit benetzt hatte.

Ein langgezogener schmachtender Seufzer ließ ihn aufschauen.

„Alles okay, Jens?“, erkundigte er sich besorgt.

„Nee, nichts ist okay!“ Der Sanitäter stellte das Schlürfen ab und tupfte noch die Leber trocken. „Sie war verdammt hübsch“, lamentierte er. „Und nett. Und cool. Und …“

„Wer denn?“ Peter streckte seine rechte Hand fordernd über den OP-Tisch, doch Tim Karven kam ihm zuvor. Ehe die Oberschwester dem Leiter der Notaufnahme das Nähbesteck in die Hand drücken konnte, griff der vierunddreißigjährige Mediziner danach.

„Ruh dich noch ein bisschen aus, Boss. Ich nähe die Leber, und du flickst dann die Arterie wieder zusammen“, schlug er vor.

„Danke, Tim!“ Peter machte einen weiteren Schritt rückwärts, trat von einem Fuß auf den anderen und wippte dann von den Fersen auf die Zehenspitzen und wieder zurück, um seinen Kreislauf in Schwung zu bringen.

Als er keine Antwort bekam, wiederholte er seine Frage von vorhin.

„Wer war verdammt hübsch und nett und cool und sonst noch was?“

„Nele. Meine Freundin“, sagte der Sanitäter seufzend.

„Ich dachte, Ihre Freundin heißt Klara?“, mischte sich Hannes Fischer, der sechzigjährige Anästhesist, ins Gespräch. Er erhob sich halb von dem Hocker, auf dem er am Kopfende des OP-Tisches – umgeben von den Überwachungsgeräten – saß und erhöhte den Sauerstoffanteil in dem Luftgemisch, das die Beatmungsmaschine in die Lunge des Patienten pumpte.

„Klara ist seit fast vier Wochen meine Exfreundin“, gab der Sanitäter frustriert zur Antwort. „Sie hat mich in die Wüste geschickt.“

„Wieso das denn?“ Oberschwester Nora hielt Tim eine Auffangschale hin, als dieser einen dunkelroten Gewebefetzen hochhielt, den er von der Leber abgetrennt hatte. „Ich dachte, es lief gut zwischen euch beiden?“

„Das schon, aber nachdem ich sie fünfmal hintereinander versetzt hatte, hat sie mich vor die Wahl gestellt“, erwiderte Jens. „Entweder ich suche mir einen Job mit regelmäßigen Dienstzeiten oder unsere Beziehung ist Geschichte.“

„Danke, dass du dich für uns entschieden hast“, murmelte Peter, der dieses Problem nur zu gut kannte. Ehe er Lea König begegnet war, die selbst beruflich ziemlich stark eingespannt war und deshalb Verständnis dafür hatte, dass sie ziemlich oft vergebens auf ihn wartete, hatte kaum eine seiner Beziehungen länger als ein halbes Jahr gehalten.

„Und die Neue? Nele? Wieso war die hübsch und nett und cool? Ist sie gestorben, oder was?“, hakte die Oberschwester nach.

„Jetzt wahrscheinlich schon. Für mich zumindest. Nein, umgekehrt“, korrigierte sich der Sanitäter. „Ich für sie. Wir wollten uns nämlich um sieben beim Italiener treffen. Ich habe sie eingeladen. Als Wiedergutmachung dafür, dass ich sie allein in dieser Woche dreimal versetzt habe.“

Jens Jankovsky warf einen Blick auf die Uhr, die über der Tür zum Waschraum hing, und seufzte resigniert.

„Jetzt ist es Viertel vor acht.“

„So spät schon?“ Dr. Fischer schaute ebenfalls auf die Uhr. „So ein Mist! Dann ist der Film, für den ich mir eine Karte gekauft habe, zur Hälfte durch. Die Kinokarte kann ich wieder einmal in den Müll werfen.“

„Geht mir ähnlich. Ich wollte mit Lea ins Theater gehen. Das wird auch nicht mehr klappen.“ Peter seufzte. „Eine halbe Stunde brauchen wir mindestens noch.“

„Und ich habe Josefine versprochen, dass ich sie heute selbst um sechs vom Kindergarten abhole, dass wir noch in einem Restaurant zu Abend essen, ich sie dann höchstpersönlich ins Bett bringe und ihr noch eine Gute-Nacht-Geschichte vorlese.“

Tim Karven verknotete den letzten Stich und packte die Leber zur Sicherheit noch in ein Kunststoffnetz ein, das sich im Laufe der Zeit vollständig auflösen sollte.

„Gut, dass ich Frau Wanninger in weiser Voraussicht noch nicht gesagt habe, dass sie zu Hause bleiben kann. Nora, ein Nähbesteck, bitte.“ Seufzend zog er die Enden des Netzes fest zusammen und vernähte sie. „Jetzt liegt Josefine wahrscheinlich schon im Bett und wird von der alten Schreckschraube dazu genötigt, um Vergebung für ihre Sünden zu flehen.“

„Himmel!“ Nora Lechner verdrehte stöhnend die Augen. „Es geht mich zwar nichts an, Dr. Karven, aber ich denke, Sie sollten sich schleunigst um ein anderes Kindermädchen umschauen, ehe Josefine völlig verkorkst ist.“

„Wieso verkorkst?“ Jens warf seiner Kollegin einen fragenden Blick von der Seite zu.

„Verkorkst durch Frau Wanningers Lebensweisheiten“, erwiderte die Oberschwester. „Ich habe mich neulich mit der Kleinen unterhalten, und da hat sie mir erklärt, dass Frauen ausschließlich dazu da seien, gute Mütter und brave Ehefrauen zu sein.“

„Heiliger Dingsbums!“

Dem Anästhesisten, der gerade eine Injektion vorbereiten wollte, fiel vor Schreck die Spritze aus der Hand. Er kickte sie mit dem Fuß zur Seite und kramte eine frische Spritze aus einer der Schubladen an seinem Materialwagen hervor.

„Ich bin zwar laut meiner drei Exfrauen ein übler Macho“, gestand er. „aber das hört sich sogar für mich nach dem finstersten Mittelalter an. Ist die bei irgendeiner Sekte? Beim Verein der demütigen Betschwestern von der scheinheiligen Einfalt, oder so was in der Art?“

„Nicht direkt bei einer Sekte, aber ich glaube, sie gehört irgend so einem Gebetsverein an.“

Tim trat von dem OP-Tisch zurück und machte seinem Chef Platz, nachdem er auch noch die Leberarterie präpariert und zum Nähen vorbereitet hatte.

„Ich würde nichts lieber tun, als Frau Wanninger gegen eine etwas umgänglichere Person auszutauschen. Aber Kindermädchen wachsen nun einmal leider nicht auf Bäumen. Es ist verdammt schwer, eine Frau zu finden, die halbwegs flexibel und dazu auch noch zuverlässig ist.“

„Ist sie das denn? Zuverlässig, meine ich?“ Jens runzelte die Stirn. „Hat sie nicht erst neulich vergessen, Josefine abends vom Kindergarten abzuholen?“

Tim nickte zerknirscht.

„Allein in diesem Monat dreimal. Ich glaube, sie säuft heimlich. Zumindest sind die Flaschen in meiner Hausbar neuerdings ständig leer, wenn mich jemand besucht und ich ihm was zu trinken anbieten will.“

Peter schob das Operationsmikroskop in die richtige Position und griff zum mikrochirurgischen Nähbesteck.

„Und deine Exfrau? Kümmert die sich überhaupt nicht mehr um ihre Tochter? Hat sie sich auch von Josefine scheiden lassen?“, erkundigte er sich, während er den ersten Stich mit der winzigen Nadel setzte und Tim mit einer langen Pinzette dafür sorgte, dass sich der hauchdünne Faden nicht verhedderte.

„Sieht so aus.“ Tim Karven seufzte tief. „Amanda hat sich einen Filmproduzenten geangelt, lebt jetzt bei ihm in Hollywood und macht dort große Karriere. Ich glaube, sie hat längst vergessen, dass sie einmal eine Tochter hatte. Und Josefine kann sich natürlich auch gar nicht mehr an ihre Mutter erinnern. Sie war damals ja erst ein Jahr alt.“

„Ich wusste gar nicht, dass deine Ex Schauspielerin ist.“ Jens hob interessiert die Augenbrauen hoch.

„Aber hallo!“ Peter lachte leise. „Deswegen musste Tim bei der Heirat doch ihren Namen annehmen, weil Amanda mit diesem Namen ja berühmt geworden ist. Dabei hat Tim Tanner so gut zusammengepasst. Schade drum! Willst du deinen alten Namen nicht wieder annehmen?“

„Zu kompliziert!“, winkte Tim ab. „Also, bei mir wäre es ja relativ einfach, aber bei Josefine nicht. Und ich hätte schon gerne denselben Nachnamen wie mein Kind.“

„Was muss ich denn gucken, um Ihre Exfrau mal im Fernsehen zu sehen?“, erkundigte sich die Oberschwester.

„Hauptsächlich müssen Sie sehr schnell gucken, Nora“, erwiderte der attraktive Mediziner lachend. „Zu mehr als einer Leiche in einem letztklassigen Horrorfilm, die drei Sekunden lang im Bild war, und einer Passantin in einem Fernsehkrimi hat Amanda es nämlich bislang nicht gebracht. Ich fürchte, für mehr reicht das Talent auch nicht aus.“

„Und dafür lässt sie ihr Kind im Stich!“, grummelte der Anästhesist, hob eine Ampulle hoch und blickte den Notarzt fragend an. „Bist du bald fertig, Kollege? Dann gebe ich jetzt eine Dosis Heparin, damit deine hübsche Naht nachher nicht von einem Blutklumpen zerstört wird.“

„Ja, ich hab’s gleich, du kannst schon …“, murmelte Peter Kersten, setzte den letzten winzigen Stich und verknotete dann den Faden.

Er wartete, bis das blutverdünnende Medikament seine Wirkung voll entfaltet hatte, und entfernte dann die Gefäßklemmen.

„So, wie es aussieht, spaziert Herr Obermayer in drei, vier Wochen auf seinen eigenen Beinen aus unserer Klinik. Und das nach einem Sturz von der obersten Plattform des Baugerüsts!“

„Ja, Wahnsinn!“ Dr. Fischer stieß unter seinem Mundschutz einen leisen Pfiff aus. „Das ist wahrlich eine gute Entschädigung für eine verfallene Kinokarte.“

Peter nickte. „Und für einen versäumten Theaterabend.“

„Wenn ich Josefine erzähle, wie knapp der Mann am Tod vorbeigeschrammt ist, wird sie mir bestimmt verzeihen, dass ich mein Versprechen schon wieder nicht halten konnte.“ Tim suchte den Bauchraum des geretteten Patienten nach etwaigen vergessenen Instrumenten oder Tupfern ab und entfernte dann die Wundhaken.

„Okay, ich werde versuchen, mich mit diesem Wissen zu trösten, wenn ich heute wieder einmal allein vor der Glotze sitze und irgendeine geschmacklose Tiefkühl-Pampe in mich hineinschippe“, lamentierte der Sanitäter. Seine Stimme triefte vor Selbstmitleid. „Ein gerettetes Leben ist es doch allemal wert, dass ich nicht mal Zeit habe, um kleine Jense zu produzieren, die mich dann später mal im Altersheim besuchen.“

„Mir kommen gleich die Tränen“, sagte der Notarzt grinsend.

Er trat zur Seite, um seinem Kollegen Platz zu machen, der vor dem Schließen der letzten Operationswunde noch eine Drainage legte.

„Aber mach dir keine Sorgen darüber, dass du im Alter einsam sein könntest, Jens. Wenn du in der Notaufnahme bleibst – was ich stark hoffe, weil ich dich brauche –, dann stehen die Chancen recht gut, dass du das Rentenalter gar nicht erst erreichst.“

„Super, Boss, vielen Dank!“ Jens verdrehte kopfschüttelnd die Augen. „Du weißt wirklich, wie man frustrierten Mitarbeitern Trost und Zuversicht spendet.“

***

In der noblen Privatklinik, die Prof. Ludwig Wolinski gemeinsam mit seinem Sohn Jürgen betrieb, gab es keine Zwölfstundendienste. Es gab auch keine Überstunden, keine ungeplanten Operationen und keinen Stress. Keiner der rund fünfhundert Angestellten konnte sich darüber beklagen, zu wenig Zeit für ein funktionierendes Privatleben zu haben.

Natürlich nicht, denn den Patienten, die es sich leisten konnten, luxuriöser und komfortabler krank zu sein als gewöhnliche Kassenpatienten, und die dafür mitunter täglich den durchschnittlichen Monatslohn eines „normalen“Arbeiters hinblätterten, konnte man kein übermüdetes, abgespanntes oder gar mürrisches Personal zumuten.

Eingebettet zwischen sanften grünen Hügeln und umgeben von hohen Tannen lag die Wolinski-Klinik, weit abseits von jeder Stadt und jeder Straße inmitten der noch unberührt anmutenden Natur des Schwarzwaldes.

Ausschließlich aus Holz, Bruchsteinen und viel Glas erbaut, wirkte das Gebäude auf den ersten Blick eher wie ein Luxushotel. Nicht nur von außen.

Wenn man die Klinik betrat, landete man in einer Lobby, in der selbst an Regentagen die Sonne hell zu strahlen schien, weil die fünftausend handgeschliffenen Kristallelemente einer riesigen Deckenleuchte das kleinste bisschen Licht einfingen und um ein Vielfaches verstärkt in jeden Winkel der großen Halle reflektierten.