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Eigentlich will Claudio mit seiner Freundin Hanni nur einen Spaziergang machen, um Pilze für das Abendessen zu suchen. Doch statt Steinpilzen finden die beiden einen herrenlosen Kinderwagen, der in rasendem Tempo den steilen Hang herunterrumpelt - und zwar genau auf sie zu! Mit einem beherzten Sprung schafft Claudio es in letzter Sekunde, das Gefährt zu stoppen, bevor es sich überschlagen kann.
"Ist wahrscheinlich ohnehin leer", sagt er lachend und befreit seinen zerschrammten, leicht blutenden Ellbogen von kleinen Steinchen und Schmutz.
Doch er irrt sich - in dem Kinderwagen entdecken sie ein kleines Baby!
"Großer Gott!", stammelt Claudio erschrocken. "Wer ...?" Als sein Blick nach oben wandert, bemerkt er eine sehr attraktive junge Frau, die entsetzt die Augen aufreißt, sich beide Hände vors Gesicht schlägt, dann kehrtmacht und wie gehetzt im Wald verschwindet.
"Sie hat den Wagen absichtlich runtergeschubst!", stellt Hanni fassungslos fest.
Bestürzt schauen sie auf das kleine Baby, das den Zwischenfall gut überstanden zu haben scheint. Was sollen sie jetzt tun? Die Polizei rufen? Aber Claudio hat einen anderen Plan, wie sie dem Kind - und vielleicht auch dessen Mutter - helfen können ...
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Seitenzahl: 120
Veröffentlichungsjahr: 2017
Cover
Impressum
Ein kleines Bündel Leben
Vorschau
Keine Chance dem Herbstblues!
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: shutterstock/Dmitri Mihhailov
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-5230-6
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Ein kleines Bündel Leben
Beim Spaziergang findet das junge Paar ein Baby
Karin Graf
Eigentlich will Claudio mit seiner Freundin Hanni nur einen Spaziergang machen, um Pilze für das Abendessen zu suchen. Doch statt Steinpilzen finden die beiden einen herrenlosen Kinderwagen, der in rasendem Tempo den steilen Hang herunterrumpelt – und zwar genau auf sie zu! Mit einem beherzten Sprung schafft Claudio es in letzter Sekunde, das Gefährt zu stoppen, bevor es sich überschlagen kann.
„Ist wahrscheinlich ohnehin leer“, sagt er lachend und befreit seinen zerschrammten, leicht blutenden Ellbogen von kleinen Steinchen und Schmutz.
Doch er irrt sich – in dem Kinderwagen entdecken sie ein kleines Baby!
„Großer Gott!“, stammelt Claudio erschrocken. „Wer …?“ Als sein Blick nach oben wandert, bemerkt er eine sehr attraktive junge Frau, die entsetzt die Augen aufreißt, sich beide Hände vors Gesicht schlägt, dann kehrtmacht und wie gehetzt im Wald verschwindet.
„Sie hat den Wagen absichtlich runtergeschubst!“, stellt Hanni fassungslos fest.
Bestürzt schauen sie auf das kleine Baby, das den Zwischenfall gut überstanden zu haben scheint. Was sollen sie jetzt tun? Die Polizei rufen? Aber Claudio hat einen anderen Plan, wie sie dem Kind – und vielleicht auch dessen Mutter – helfen können …
„Aber sonst geht es Ihnen noch gut, ja?“
Diese Antwort, die Olivia Hanisch der Kinder- und Jugendpsychologin Lea König an diesem wunderschönen Spätsommermorgen verächtlich entgegenschleuderte, war alles andere als höflich gemeint.
Ihr Gesicht sprach Bände. Ihre smaragdgrünen Augen funkelten zornig, aber hinter der aufgesetzten Empörung glaubte Lea panische Angst erkennen zu können.
Sie wich erschrocken einen Schritt zurück. Mit einer so heftigen Reaktion auf ihre gut gemeinte Frage hatte sie nicht gerechnet.
Wann immer es ihre Zeit erlaubte, half Lea in der Frankfurter Sauerbruch-Klinik aus. Heute auf der Entbindungsstation.
Prof. Lutz Weidner, der Chefarzt des großen modernen Krankenhauses, hatte sie darum gebeten. Es zeigten nämlich gleich drei der kürzlich niedergekommenen Frauen Anzeichen einer Wochenbettdepression, und er mochte sie nicht gerne entlassen, ehe geklärt war, wie ernst die Störungen waren und wie sie sich möglicherweise auf die neugeborenen hilflosen Würmchen auswirken konnten.
Auch Olivia Hanisch hatte hier entbunden. Allerdings schon vor etwas mehr als drei Monaten.
Sie war nur zu einer Kontrolluntersuchung vorbeigekommen, als die Psychologin – die sie vom Sehen kannte, weil sie beide im selben Wohnviertel zu Hause waren – sie aufgehalten und ihr ein in ihren Augen wahrhaft impertinentes Angebot gemacht hatte.
„Wie kommen Sie darauf, ich könnte eine Gruppentherapie für Wochenbett-depressive Mütter benötigen?“, hakte sie jetzt pikiert nach. „Mache ich auf Sie den Eindruck, als hätte ich nicht mehr alle Tassen im Schrank oder mein Leben nicht mehr im Griff?“
„Natürlich nicht!“, beschwichtigte Lea die bildhübsche Frau, die wie Mitte zwanzig aussah, die jedoch – wenn die Gerüchte stimmten – bereits dreiunddreißig war.
Lea lief ihr relativ häufig über den Weg. Abends im Supermarkt, morgens beim Bäcker oder am Zeitungskiosk, und so manches Mal hatte sie auch schon beim Friseur neben ihr gesessen.
Geredet hatten die beiden Frauen allerdings noch nie miteinander. Abgesehen von den üblichen Höflichkeitsfloskeln natürlich, die man gerne absonderte, wenn man beispielsweise an der Kasse hinter jemandem stand, dessen Gesicht einem vertraut war, den man aber nicht wirklich kannte.
Dennoch wusste Lea eine Menge über Olivia Hanisch. Es wurde nämlich sehr viel über sie getratscht. Nichts Negatives. Man redete voller Ehrfurcht und Respekt über sie, denn trotz ihrer relativ jungen Jahre war sie bereits Herrin über ein beachtliches Imperium, das sie sich ganz allein aufgebaut hatte.
Begonnen hatte sie nach dem Abitur mit einer kleinen Tankstelle, die sie von ihrem Vater geerbt hatte.
Damals hatten in dem ruhigen Wohnviertel am Rande des Frankfurter Stadtwaldes alle die Tage gezählt und darauf gewartet, dass das unerfahrene Mädchen das Erbe in den Sand gesetzt und das Geld für Schmuck, Partys und schöne Kleider verprasst hätte.
Nun, das war nicht nur nicht passiert, heute besaß Olivia Hanisch an die zwanzig Großtankstellen, etliche Werkstätten und etliche Läden für Autozubehör.
Das eher bescheidene Haus, in dem sie aufgewachsen war, hatte sie längst zu einer großzügigen und wirklich stilvollen Villa ausbauen lassen, und vor Kurzem hatte sie auch noch drei Autobahnraststätten aufgekauft.
„Es handelt sich ja nicht wirklich um eine Therapiesitzung, sondern eher um eine allgemeine Informationsveranstaltung. Ich erkläre ein paar Maßnahmen, die man ergreifen kann, wenn einen der Babyblues erwischt, und ich gebe auch ein paar Tipps, wie man mit dieser gewaltigen Umstellung besser klarkommt. Ich frage jede Frau, die mir über den Weg läuft, ob sie mitmachen möchte“.
Das behauptete Lea, aber es entsprach nicht ganz den Tatsachen. Sie hatte sich sehr wohl bereits Gedanken darüber gemacht, ob Olivia nicht eventuell an einer postpartalen Stimmungskrise litt. Die junge Mutter hatte sich in den letzten paar Wochen doch sehr stark verändert.
Neulich hatte die Psychologin sie morgens beim Bäcker getroffen. Die Füße der sonst so gepflegten und eleganten Unternehmerin hatten in Hauspantoffeln gesteckt. Sie hatte zur Jeans ein seidenes Schlafanzugoberteil getragen, ihre sonst so glänzenden kupferroten Haare waren ungewaschen und strähnig und ihr Mund war rundherum mit Zahnpastaresten verkrustet gewesen.
Ein anderes Mal war Lea ihr auf dem Weg zum Supermarkt begegnet, wo Olivia laut mit irgendjemandem geredet hatte, der gar nicht da gewesen war.
Das musste alles noch lange nichts heißen, denn allein die Tatsache, dass ein Baby im Haus war, bedeutete einen so tiefen Einschnitt in das bisher gewohnte Leben, dass man in der ersten Zeit mitunter alles andere vernachlässigen und gelegentlich auch schon mal den Kopf verlieren konnte.
Das alles wusste Lea natürlich, aber sie hatte dennoch ein komisches Gefühl, und ihr Instinkt trog sie nur selten.
„Ach, ist das so? Na gut.“ Olivia Hanisch schaute die Psychologin sehr skeptisch an. Sie schien ihr die Ausrede nicht so ganz zu glauben.
Entweder, weil Lea nicht unbedingt eine Meisterin im Flunkern war, oder weil Olivia genau wusste, dass sie sehr wohl Hilfe brauchte. Und zwar dringend.
Lea tippte auf die zweite Möglichkeit. Aber was sollte sie tun? Sie konnte die Frau ja nicht gut dazu zwingen, an der Sitzung teilzunehmen.
„Sie können Ihr Baby ruhig mitbringen, Anja!“, rief sie, als sie sah, wie eine der Teilnehmerinnen mit ihrem schreienden Neugeborenen in Richtung Säuglingsstation hastete.
„Stört Sie das denn nicht, Lea? Arian schreit pausenlos!“ Die junge Mutter kehrte um. „Kann es sein, dass er mich nicht ausstehen kann?“, erkundigte sie sich lachend. „Ich habe manchmal das Gefühl, wenn er schon sprechen könnte, dann würde er mir sagen, ich möge die Fliege machen und ihn nicht ständig anglotzen und betatschen. Ich kann tun, was ich will, er brüllt ohne Punkt und Komma.“
„Umso besser!“, sagte Lea lachend. „Ich bringe Ihnen nämlich auch ein paar Tricks bei, wie man kleine Schreihälse recht einfach beruhigen kann. Und wenn es nicht klappen sollte, zeige ich Ihnen, wie man es anstellt, bei dem ständigen Gebrüll nicht die Nerven zu verlieren.“
Sie öffnete die Tür zu dem Raum, den Frau Dr. Sofia Greber, die Leiterin der Entbindungsstation, ihr zur Verfügung gestellt hatte.
„Kommen Sie, meine Damen, lassen Sie uns anfangen!“ In der Hoffnung, Olivia hätte nun doch Lust bekommen, an der Sitzung teilzunehmen, schaute Lea sich suchend um.
Doch Frau Hanisch war bereits am Ende des Korridors angelangt und verließ mit ihrem kleinen Sohn die Endbindungsstation, ohne sich noch einmal umzudrehen.
***
Unten, in der Notaufnahme der Frankfurter Sauerbruch-Klinik, gab heute wieder einmal ein Patient dem nächsten die Klinke in die Hand.
Es war erst kurz nach zehn Uhr, und es zeichnete sich bereits jetzt deutlich ab, dass heute offensichtlich wieder einmal einer jener Tage war, an denen halb Frankfurt die Treppe runterfiel, beim Joggen von einem Hund gebissen wurde, sich beim Brotschneiden den Daumen halb absäbelte oder einfach nur über die eigenen Füße stolperte.
„Herr Claudio Falck wieder einmal! Alleine für ihn würde es sich lohnen, wenn endlich mal einer eine medizinische Nähmaschine erfinden würde.“
Mit diesem Stoßseufzer brachte Schwester Trudi, die nur eins fünfzig kleine vollschlanke Pflegerin, einen jungen Mann in den Behandlungsraum, den Dr. Peter Kersten, der Leiter der Notaufnahme, seit fast zwei Stunden nicht mehr verlassen hatte.
Der Notarzt hob die Augenbrauen hoch, schnalzte tadelnd mit der Zunge und ging dem Patienten mit ausgestreckter Hand entgegen.
Einerseits freute er sich immer, Claudio Falck zu sehen, der seit etwa vier Jahren Stammgast in der Notaufnahme war. Es steckte immer irgendeine spannende Geschichte hinter seinen mehr oder weniger schlimmen Verletzungen.
Andererseits machte er sich Sorgen, dass es den sympathischen jungen Mann einmal so schwer erwischen könnte, dass er es nicht mehr schaffte, auf seinen eigenen Beinen ins Krankenhaus zu kommen.
Herr Falck war laut Krankenblatt fünfundzwanzig Jahre alt, hätte aber ohne Probleme auch für siebzehn oder achtzehn durchgehen können.
Mit seinem pausbäckigen gutmütigen Gesicht, der kleinen spitzen Nase und den leicht abstehenden runden Ohren sah er so lieb und unschuldig aus wie ein Chorknabe.
Und so war er auch. Claudio war ein sehr freundlicher junger Mann, der für alles und jeden Verständnis hatte, der niemals vorschnell urteilte, dem keine alte Dame entkam, die er alleine eine schwere Tasche schleppen sah, und der seiner dreiundzwanzigjährigen Freundin Johanna – genannt Hanni – treu und in Liebe ergeben war.
Den eher ungewöhnlichen Vornamen hatte sein Vater ihm in der Hoffnung verpasst, er möge dem Namen, den einst mächtige römische Imperatoren trugen, alle Ehre machen.
Claudios Vater war durch dubiose Geschäfte zu erstaunlich viel Macht und Reichtum gelangt, und er war ein gewissenloser übler Tyrann. Nur war er leider der lateinischen Sprache nicht mächtig und hatte keine Ahnung gehabt, dass Claudius „der Lahme, der Hinkende“ bedeutete.
Und tatsächlich war Claudio in seiner Entwicklung fast allen gleichaltrigen Jungen immer um ein paar Jahre hinterhergehinkt.
Er war ein eher schlechter Schüler gewesen, er hatte Fußball gehasst, er war stets jeder Streiterei ängstlich aus dem Weg gegangen, er hatte geweint, wenn er sah, dass jemandem Unrecht geschah, und er hatte bei einem Meter fünfundsiebzig zu wachsen aufgehört.
Sein Vater hatte ihn „Heulsuse“, „Weichei“ und „Warmduscher“ genannt, hatte ihn sogar verdächtigt, schwul zu sein, hatte sich für seinen eigenen Sohn geschämt und ihm geraten, Friseur, Märchenonkel oder Ministrant zu werden.
Umso erstaunter waren alle gewesen, als der sanftmütige Claudio nach dem mit Ach und Krach bestandenen Abitur verkündet hatte, er würde Privatdetektiv werden und nicht anderes.
Einzig Hanni, mit der Claudio seit drei Jahren eine unspektakuläre, aber sehr stabile und liebevolle Beziehung führte, hatte immer an ihn geglaubt und seine beruflichen Pläne nach besten Kräften unterstützt.
Claudio Falck hatte sich mühsam nach oben gearbeitet. Nicht einmal die Prügel, die er seither regelmäßig bezog, konnte ihn von seinem Ziel abbringen. Er hatte als Laufbursche in einer Detektei und als Kaufhausdetektiv Erfahrungen gesammelt und nebenher so gut wie jeden Kurs belegt, der irgendwie zum Thema passte.
Heute kannte er sich mit den Gesetzen aus, wie kaum einer sonst. Er hatte alles über Kriminaltechnik und Kriminologie gelernt. Er hatte zahlreiche Schulungen zum Thema Aufspür- und Abwehrtechnik absolviert. Er hatte drei verschiedene Kampfsportarten gleichzeitig trainiert und sich ein umfassendes psychologisches Wissen angeeignet.
„Diesmal haben wir wieder einmal eins aufs Auge gekriegt“, erklärte Schwester Trudi seufzend. „Da ist ein beachtlicher Cut unter der linken Braue, der genäht werden muss. Zum Kleben ist die Wunde schon zu alt. Denke ich zumindest mal. Es ist schon gestern Nacht passiert.“
„Herr Falck, Sie leben wirklich ziemlich gefährlich!“, sagte Peter Kersten, der Leiter der Notaufnahme, und schüttelte dem sympathischen jungen Mann die Hand. „Wer hat Sie denn diesmal auseinandergenommen? Und warum?“
Claudio lachte. „Ein Mann, den ich im Auftrag seiner Ehefrau beschatten sollte. Gestern war ich unvorsichtig, da hat er mich beim Fotografieren erwischt, als er weit nach Mitternacht mit seiner Geliebten eng umschlungen in deren Wohnung ging. Seiner Ehefrau hat er gesagt, er sei für zwei Wochen geschäftlich in Kanada.“
Claudio winkte schmunzelnd ab.
„Macht aber nichts, denn ich bin ohnehin fertig mit ihm. Ich habe genügend Beweise zusammengetragen, die seiner Frau eine schnelle Scheidung ermöglichen und es ihr ersparen, dass er sich auch noch die Kinder und die Hälfte von ihrem Vermögen krallt.“
„Du meine Güte!“ Peter hatte sich die Wunde genauer angesehen, während Claudio erzählte. „Das muss allerdings genäht werden. Das sieht ja fast so aus, als hätte Ihr Gegner mit einem scharfrandigen Gegenstand zugeschlagen. Hatte er einen Schlagring oder so was in der Art?“
„Nein, kein Schlagring.“ Claudio grinste ein bisschen verschämt. „Ich hatte die Kamera mit dem Teleobjektiv noch vor dem Auge, als er auf mich losgegangen ist.“
„Heiliger Strohsack! Und wie sieht er aus? Haben Sie zurückgeschlagen?“
„Nein, natürlich nicht.“ Claudio nahm auf der Behandlungsliege Platz. „Erstens war ja eine Dame dabei, und zweitens ist es doch irgendwie verständlich, dass er sauer reagiert hat. Wer lässt sich schon gerne hinterherspionieren?“
Claudio sog zischend die Luft ein, als Schwester Trudi die Wunde desinfizierte.
„Ach, das ist heute übrigens mit großer Wahrscheinlichkeit das letzte Mal, dass Sie mich hier sehen, Herr Dr. Kersten.“
Der Notarzt schob die große beleuchtete Lupe vor Claudios Auge.
„Wie bitte? Also, wenn Sie mir jetzt sagen, dass Sie einen besseren Notarzt gefunden haben, dann bin ich wirklich beleidigt!“, drohte er scherzhaft.
„Nein, nein! Der Beste sind Sie! Daran kann es überhaupt keinen Zweifel geben. Es wird nur in Zukunft zu keinen Verletzungen mehr kommen.“
„Wie das?“ Peter zog das Lokalanästhetikum in eine Spritze auf und warnte den jungen Detektiv vor. „Achtung, jetzt pikst es ein bisschen.“
„Autsch!“
„Schon vorüber.“
„Danke!“ Claudio war erleichtert. „Ich konnte deshalb nicht gleich gestern nach dem Vorfall hierherkommen, weil ich noch lernen musste. Heute um acht Uhr morgens bin ich nämlich zur staatlichen Prüfung angetreten“, erklärte er.
„Ach ja? Und?“
„Ich habe sie bestanden und meine Zulassung als Privatdetektiv bekommen. Ein kleines Büro habe ich schon vor einer Woche gemietet. In einem Gebäude übrigens, das gar nicht weit von Frau Dr. Königs Villa entfernt ist.“
Er betastete mit den Fingerspitzen vorsichtig die dunkelblaue Stelle unter dem verletzten Auge, die nun langsam gefühllos zu werden begann.
„Ich hoffe, dass ich irgendwann das ganze Haus kaufen kann. Jetzt mache ich mich aber erst einmal selbstständig und kann mir dann selbst aussuchen, welche Fälle ich übernehme.“