Der Notarzt 301 - Karin Graf - E-Book

Der Notarzt 301 E-Book

Karin Graf

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Beschreibung

Als Nick von seinem Chef, dem Notarzt Peter Kersten, gerufen wird, erkennt er an dessen Stimme sogleich, dass etwas Schlimmes passiert sein muss.
"Isabella", sagt Peter Kersten und hält seinem Kollegen den Telefonhörer entgegen. "Sie ist irgendwo eingeschlossen, wo Wasser eindringt. Es scheint sehr ernst zu sein."
"O Gott!" Nicks Hand zittert, als er den Hörer entgegennimmt. Isabella ist seine sechsjährige Tochter!
"Papa! Ich habe solche Angst!", tönt es, unterbrochen von heftigem Schluchzen, aus dem Hörer.
Nur mühsam bekommt der Arzt aus seiner Tochter heraus, wo sie sich befindet. Als er endlich Klarheit hat, schießt ihm die Erkenntnis wie ein Blitz durch den ganzen Körper.
Isabella ist ausgerechnet bei den Menschen, die sie niemals hätte kennenlernen dürfen. Bei den Menschen, vor denen er sie Zeit seines Lebens beschützen wollte. Und noch dazu befindet sie sich in einem abgeschlossenen Raum, in dem unaufhaltsam das Wasser steigt. Er kennt diesen Raum nur zu gut, denn er war einst sein eigenes Kinderzimmer ...

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EPUB

Seitenzahl: 120

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Impressum

Trügerische Sicherheit

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Collin Quinn Lomax/shutterstock

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-5461-4

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Trügerische Sicherheit

Als die Strömung sie erfasst, wird Isabella unter Wasser gezogen

Karin Graf

Als Nick von seinem Chef, dem Notarzt Peter Kersten, gerufen wird, erkennt er an dessen Stimme sogleich, dass etwas Schlimmes passiert sein muss.

„Isabella“, sagt Peter Kersten und hält seinem Kollegen den Telefonhörer entgegen. „Sie ist irgendwo eingeschlossen, wo Wasser eindringt. Es scheint sehr ernst zu sein.“

„O Gott!“ Nicks Hand zittert, als er den Hörer entgegennimmt. Isabella ist seine sechsjährige Tochter!

„Papa! Ich habe solche Angst!“, tönt es, unterbrochen von heftigem Schluchzen, aus dem Hörer.

Nur mühsam bekommt der Arzt aus seiner Tochter heraus, wo sie sich befindet. Als er endlich Klarheit hat, schießt ihm die Erkenntnis wie ein Blitz durch den ganzen Körper.

Isabella ist ausgerechnet bei den Menschen, die sie niemals hätte kennenlernen dürfen. Bei den Menschen, vor denen er sie Zeit seines Lebens beschützen wollte. Und noch dazu befindet sie sich in einem abgeschlossenen Raum, in dem unaufhaltsam das Wasser steigt. Er kennt diesen Raum nur zu gut, denn er war einst sein eigenes Kinderzimmer …

Es war, als würde die Sonne wiedergutmachen wollen, was sie in einem recht wechselhaften Sommer so oft versäumt hatte. Obwohl der September sich bereits seinem Ende zuneigte, herrschte seit Tagen strahlendes Sommerwetter.

Wie neuerdings fast jeden Tag, marschierte Emil Rohrmoser, der Verwaltungsdirektor der Frankfurter Sauerbruch-Klinik, auch an diesem frühen Freitagmorgen zu Fuß zur Arbeit.

Seine Frau hatte ihn dazu verdonnert, weil sein Übergewicht bereits bedenkliche Formen annahm. Genau genommen hatte sie ihn vor die Wahl gestellt: Bewegung oder Diät. Natürlich hatte er unter diesen beiden Übeln das Kleinere ausgewählt.

Inzwischen – und das hätte er niemals für möglich gehalten – genoss er den täglichen Morgenspaziergang längst. Beim Gehen konnte er nicht nur fabelhaft nachdenken, sondern er entdeckte dabei auch täglich allerhand kleine und auch größere Wunder.

Bunte Käfer beispielsweise, schön geformte Steine und prächtig gemusterte Raupen, die ihn an seine Kindheit erinnerten, und Blumen, die köstlich dufteten.

Und – was sein Herz am höchsten hüpfen ließ – erstaunlich viele Münzen, die die Leute fallen ließen und es dann offensichtlich nicht der Mühe wert fanden, sich danach zu bücken.

Eben bog er wieder von der Schillerstraße in den prächtigen Klinikpark ein, der noch immer in voller Blüte stand.

„Morgen, Herr Breuer!“, rief er dem sechzigjährigen Pförtner zu, der in einem kleinen Häuschen neben der Schranke saß und das hintere Tor zum Klinikpark bewachte. „Gut achtgeben, dass die Blumen nicht ausbüxen!“, scherzte Rohrmoser launig und winkte dem Pförtner lächelnd zu.

„Morgen, Herr Direktor!“, rief Jochen Breuer zurück und tippte sich mit zwei Fingern an die Schirmkappe. „Na, wie viel haben Sie sich heute schon erwandert?“

„Moment!“ Emil Rohrmoser blieb stehen und fuhr mit der linken Hand tief in seine Hosentasche. Dann hielt er seine offene Hand vor die Augen. „Dreimal fünf Cent, sechsmal ein Cent, einmal zwanzig Cent und – Sie werden es nicht für möglich halten – eine Zwei-Euro-Münze!“

„Tz!“ Der Pförtner schüttelte schmunzelnd den Kopf. „Manche Leute verdienen wohl zu viel.“ Er lachte. „Oder zu wenig, um sich neue Hosen ohne Löcher in den Taschen kaufen zu können.“

„In der Tat!“, stimmte ihm der Direktor zu. „Aber gut für mich. Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass das Spazierengehen ein so lukratives Hobby ist. Mein Sparschwein ist schon fast voll. Nur noch zwei, drei Monate und ich habe das Geld für ein sechsgängiges Menü im besten Restaurant der Stadt beisammen.“

„Sagen Sie das bloß nicht Ihrer Frau, Herr Direktor!“, mahnte Jochen Breuer lachend. „Die erteilt Ihnen sonst Spazierverbot und Sie müssen doch noch Diät halten.“

„Ich werde mich hüten!“, konterte Rohrmoser. „Sie wissen ja, ein Gentleman genießt und schweigt. Und das Geld reicht sowieso nur für eine Person.“ Lachend setzte der Verwaltungsdirektor seinen Weg fort.

„Ist das nicht ein tolles Wetter heute, Herr Direktor?“, rief ihm der Pförtner noch nach.

„Kaiserwetter!“, rief Emil Rohrmoser über die Schulter zurück, wünschte dem Pförtner einen schönen Tag und auch gleich noch ein ebensolches Wochenende.

Emil Rohrmosers Laune war heute mindestens so sonnig wie dieser wundervolle hochsommerliche Herbsttag. Das lag daran, dass er für den morgigen Abend – Schönwetter vorausgesetzt – eine Einladung zum Grillen in Stiftungsratspräsident Rötz-Pockes Jagdhaus im Schwarzwald erhalten hatte.

Wenn er ansonsten von Herrn Rötz-Pocke auch nicht allzu viel hielt, eines konnte man dem Präsidenten nicht streitig machen: Er galt als der Grillmeister schlechthin. Herr Rohrmoser brauchte nur an die erlesenen Fleischstücke zu denken, die Rötz-Pocke auf den Rost zu werfen pflegte, und das Wasser lief ihm im Mund zusammen.

„Na? Auch schon emsig auf dem Weg zur Arbeit? Wie geht’s uns denn so?“, erkundigte er sich bei einer kugelrunden Hummel, die laut brummend auf einen der noch immer üppig blühenden Rosenbüsche zusteuerte.

„Danke, gut!“

Für einen Moment glaubte der Verwaltungsdirektor, die Hummel hätte ihm geantwortet. Doch dann sah er Marianne Hoppe, die Sekretärin des Chefarztes, aus einem der lauschigen Seitenwege direkt auf sich zukommen.

„Morgen, Frau Hoppe! Na? Das ist vielleicht ein Prachtwetter, was?“

„Sehr schön, ja. Noch!“, erwiderte die vollschlanke Mittfünfzigerin mit den bordeauxroten Korkenzieherlöckchen. „Aber nicht mehr lange. Wie immer braut sich genau zu Beginn des Wochenendes was zusammen.“

Emil Rohrmoser fuhr wie elektrisiert herum. Das war nun wirklich nicht das, was er hören wollte. Genauso gut hätte die Sekretärin ihm prophezeien können, dass er nur noch einen Tag zu leben hätte. Oder dass das Geld dramatisch abgewertet worden war. Oder dass eine schlimme Hungersnot bevorstand.

„Was braut sich zusammen? Wo braut sich was zusammen?“, grummelte er missmutig. „Nichts braut sich zusammen! Wenn sich hier irgendwas zusammenbraut, dann ist das höchstens das Bier, das ich morgen Abend beim Grillen trinken werde!“

„Morgen Abend?“ Marianne, die wusste, dass das Essen neben dem Sparen die größte Leidenschaft des Direktors war, schaute Emil mitleidig an. „Da wird garantiert nichts draus. Sehen Sie die Wolke dort oben? Spätestens um fünf, wenn ich Feierabend mache, gießt es wie aus Eimern.“

„Wo?“ Herr Rohrmoser beugte den Kopf weit nach hinten, schirmte mit einer Hand seine Augen gegen die noch tief stehende Morgensonne ab und blickte in die angezeigte Richtung. „Das? Ha! Das ist doch nur eine läppische kleine …“

Er dachte eine Weile angestrengt nach. Verflixt, wie hießen diese Dinger doch gleich wieder? Er wollte Frau Hoppe mit einem meteorologischen Fachbegriff mundtot machen, ehe sie mit ihrem einfältigen Geschwätz noch ein Unglück herbeiredete.

„Cumulus Määh, so nennt man diese Wolken“, flunkerte er kurzerhand, weil ihm der korrekte Begriff nicht einfallen wollte und er sich ziemlich sicher war, dass Marianne Hoppe sowieso kein Latein konnte. „Schäfchenwolken. Auch Schönwetterwolken genannt. Wie der Name schon sagt, bringen die keinen Regen!“

„Ja, jetzt ist es vielleicht noch eine Cumulus Määh“, erwiderte die Sekretärin schnippisch. „Aber ich verwette mein linkes Bein, dass die sich spätestens bis zum Mittag zu einer Cumulus Muh und bis zum Abend zu einer Cumulus Törrööh zusammengeballt hat.“

„Impertinente Person!“, grummelte der Verwaltungsdirektor verbittert, als sich ihre Wege trennten. „Die soll mir noch einmal wegen einer Gehaltserhöhung kommen!“

„Trotzdem ein schönes Wochenende, Herr Direktor!“, rief ihm die Sekretärin noch zu, ehe sie die Klinik durch den Hintereingang betrat, während Emil Rohrmoser die Absicht hatte, das Gebäude zu umrunden und den Haupteingang zu nehmen, um in der großen Empfangshalle nach dem Rechten zu sehen.

„Ja, danke. Ihnen auch ein schönes!“, rief er sarkastisch zurück. „Und viel Glück bei der Amputation!“

„Ähm … welche …?“

„Linkes Bein!“

„Ach so! Das wird nicht nötig sein. Denken Sie an meine Worte, Herr Direktor. Törrööh! Und … Regenschirm nicht vergessen!“ Damit fiel die Tür hinter ihr ins Schloss.

***

Im Waschraum vor dem OP pfiff Dr. Peter Kersten, der Leiter der Notaufnahme an der Frankfurter Sauerbruch-Klinik, heute erstmals auf die strengen Hygienevorschriften und verkürzte das obligatorische Händewaschen und Nägelbürsten auf die Hälfte der vorgeschriebenen Zeit. Dann stieß er die doppelte Schwingtür mit dem Fuß auf und stürmte in den Operationssaal.

„Heiliger Strohsack! Wieso sagst du denn nichts, Nick?“

„Hab ich“, erwiderte der Mediziner, der ganz allein am OP-Tisch stand, einsilbig.

„Ja, einmal kurz gerufen!“ Peter streckte beide Arme nach vorne und ließ sich von der Oberschwester den sterilen Operationskittel überstreifen. „Wir hatten im Schockraum zu tun und konnten nicht in derselben Sekunde alles stehen und liegen lassen. Hättest du nicht die zehn Minuten warten können?“

„Nee!“

„Herrgott! Geht das nicht schneller?“, fuhr Peter Schwester Nora unwirsch an, die ihm jetzt die Latexhandschuhe über die noch feuchten Hände zog. „Tut mir leid!“, entschuldigte er sich sofort.

Er schaute sich suchend um. Nein, außer der Oberschwester befand sich niemand mit Nick im OP.

Peter wusste, dass eine Operation – selbst ein völlig simpler Routineeingriff – ohne wenigstens einen Assistenten kaum zu bewerkstelligen war. Schließlich musste ja jemand die Wundhaken halten, die die Operationswunde offen hielten, und für manche Tätigkeiten waren zwei Hände schlicht und einfach zu wenig.

„Und warum konntest du nicht warten?“, wollte er von Nick Stefani, einem der besten, aber leider auch einem der wortkargsten Notärzte, die er jemals gehabt hatte, wissen.

„Keine Zeit!“

Als Dr. Peter Kersten endlich mit dem Einkleiden fertig war, eilte er mit großen Schritten auf den OP-Tisch zu und beugte sich über die Stelle, die nicht von den dunkelgrünen sterilen Tüchern abgedeckt war.

„Heiliger …! Was ist das denn?“, rief er erschrocken aus, als sein Kollege jetzt die Wundhaken in den Schnitt am Unterleib einsetzte und eine ganze Menge rötlich-gelbe Flüssigkeit herausschwappte.

„Blutiger Harn. Absaugen!“, befahl Nick seinem Chef.

Peter nahm den Sauger von Schwester Nora in Empfang und hielt ihn in die Operationswunde. Erst jetzt, als Nick die Wartezeit dazu nutzte, um ans Kopfende des OP-Tisches zu hetzen und einen Blick auf die Monitore der Überwachungsgeräte zu werfen, schaute der Notarzt auf das Gesicht des Patienten.

„Das ist ja noch ein Kind! Ein kleines Mädchen! Maximal sechs Jahre alt! Wie lautet deine Diagnose?“

„Intraperitonealer Blasenriss und beginnende Urosepsis.“

„Heiliger Strohsack! Tatsächlich, jetzt sehe ich es!“ Der Notarzt warf den Sauger in eine Auffangschale, und die Oberschwester befestigte sofort einen neuen Aufsatz an dem Gerät. „Hast du eine Blutprobe ins Labor geschickt, Nick?“

„Sicher.“

„Befinden sich bereits Bakterien im Blut?“

„Vereinzelt.“

„Dann war es höchste Zeit! Somit hattest du völlig recht, Nick“, redete Peter weiter, während er die Harnblase freilegte, in der ein langer Riss klaffte. „Natürlich konntest du nicht warten, es besteht akute Lebensgefahr. Aber wie konntest du die korrekte Diagnose so schnell stellen? Und wie konnte es überhaupt zu dieser Verletzung kommen?“

Das waren zu viele Fragen für den wortkargen Mann. Nick kämpfte sichtlich damit, die kürzestmögliche Antwort darauf zu finden.

Er seufzte erleichtert auf, als die Antwort sich fürs Erste erübrigte, weil sich jetzt die pneumatische Schiebetür zur Schleuse öffnete und Dr. Hannes Fischer, der Anästhesist der Notaufnahme, ähnlich atemlos in den OP stürmte wie Peter kurz zuvor.

„Operiert ihr hier ohne Narkose, oder was?“

„Nee!“ Das war eine Antwort, wie Nick sie schätzte. Kurz und bündig.

„Und wer hat dann meinen Job gemacht?“, wollte der Anästhesist wissen.

„Ich.“

„Sie? Alleine?“ Dr. Fischer warf dem Leiter der Notaufnahme einen fassungslosen Blick zu und deutete mit dem Kinn auf Nick. „Er? Alleine?“ Er hob beide Hände hoch, als ob er sich ergeben wollte. „Okay, dann übernehme ich aber keine Verantwortung für den Pfusch, den er hier vermutlich angerichtet hat.“

Er machte einen großen Bogen um den OP-Tisch herum, weil er nur OP-Dress, Haube, Handschuhe und Mundschutz trug und mit dem sterilen Bereich nicht in Kontakt kommen wollte. Währenddessen echauffierte er sich lautstark.

„Das kann ich schon mal überhaupt nicht leiden, wenn jeder glaubt, er könnte intubieren und narkotisieren, wie es gerade so kommt! Nicht umsonst ist die Anästhesie ein eigener medizinischer Fachbereich und kein Hobby. Oder?“

„Sicher“, murmelte Peter besänftigend. Doch Dr. Fischer ließ sich nicht besänftigen.

„Ich wette, der Tubus sitzt nicht richtig, die Dosierpumpe ist falsch eingestellt, die Dosis ist nicht exakt berechnet, und das Luft-Sauerstoff-Gemisch ist irgendwie über den Daumen gepeilt worden. Ist Ihnen eigentlich klar, Kollege, was dabei alles schief …“

An seinem angestammten Arbeitsplatz am Kopfende des OP-Tisches angelangt, stellte er sein Gezeter abrupt ein und verschaffte sich einen raschen Überblick.

„Oh! Okay …! Wette verloren. Gekonnt und perfekt intubiert!“, musste er schließlich zugeben. „Das Atemgerät ist auch völlig korrekt eingestellt. Dosierpumpe … passt. Und die Dosis könnte nicht besser sein. Und das haben Sie alles ganz allein gemacht, Kollege?“

„Ja.“

„Wie kann man ganz allein intubieren? Da komme sogar ich ins Schwitzen! Und ich bin ein alter Hase.“

„Es geht.“

„Ich weiß, dass es geht!“, grummelte der Anästhesist. „Wenn man es gelernt hat und wenn es unbedingt sein muss, dann geht das. Irgendwie halt. Aber …“ Er seufzte und machte eine wegwerfende Handbewegung. „Na, egal! Aus Ihnen kriegt man ja sowieso nichts raus. Im Kalten Krieg wären Sie ein Super-Spion gewesen. Die Folterknechte hätten sich an Ihnen die Zähne ausgebissen.“

Er zeigte auf eine der zwei Infusionsflaschen, aus denen irgendwelche Flüssigkeiten in die Venenverweilkatheter am Handrücken und in der Armbeuge der kleinen Patientin tropften.

„Was ist das?“

„Antibiotikum.“

„Und das andere?“

„Plasmaexpander.“

„Für …?“

„Urosepsis.“

„Sehr gut. Hätte ich beides auch gegeben.“ Hannes Fischer stieß einen anerkennenden Pfiff aus. „Der ist gut, Peter! Aber – hat er ein Schweigegelübde abgelegt? Hast du ihm das Sprechen verboten? Hat er Angst, dass sich seine Stimmbänder zu stark abnutzen könnten, oder was?“

„Mehr weiß ich auch noch nicht“, erwiderte Peter Kersten und schmunzelte unter seinem Mundschutz. Er verrichtete jetzt die Arbeit eines Assistenzarztes und hielt die Wundhaken, während Nick den Riss in der Blase fachgerecht zunähte. „Würdest du uns eventuell ein Mindestmaß an Information zukommen lassen, Nick?“, erkundigte er sich sarkastisch.

„Okay.“

„Super! Was war die Ursache? So eine Verletzung kommt nicht allzu oft vor und schon gar nicht bei Kindern.“

„Baum. Runtergefallen. Vorgestern schon. Hat sich einen tieferliegenden Ast in den Unterleib gerammt.“

„Okay.“ Peter nickte. „Das kann eine so seltene Verletzung durchaus herbeiführen. Mit welcher Anamnese wurde sie eingeliefert?“

„Vierzig Grad, Bewusstseinstrübung, Schüttelfrost, Tachykardie, Blutdruckabfall, Tachypnoe, Anurie.“

„Verstehe. Sie hatte also hohes Fieber und Schüttelfrost, war nicht mehr ansprechbar, hatte eine stark erhöhte Pulsfrequenz, der Blutdruck war signifikant zu niedrig und die Atemfrequenz viel zu hoch“, fasste Peter Kersten zusammen. „Und die Anurie? Seit wann? Und wie viel?“

„Nichts. Seit gestern Mittag.“

„Sie hat seit gestern Mittag keinen Harn mehr abgesetzt?“

„Nee.“