Der Notarzt 329 - Karin Graf - E-Book

Der Notarzt 329 E-Book

Karin Graf

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Beschreibung

Ein zartes Pflänzchen Hoffnung - Roman um ein elternloses Mädchen, das nicht aufgibt


Seit knapp fünf Monaten lebt die fünfjährige Ginny zusammen mit ihren Eltern auf einem einsamen Berg in Südtirol. Die Familie hat sich vorgenommen, ein "Aussteigerjahr" zu wagen und sich zwölf Monate lang in der Abgeschiedenheit weitestgehend selbst zu versorgen. Und allmählich fühlen sie sich hier oben richtig wohl. Die Hütte, die sie gemietet haben, ist urig und gemütlich, das enge Zusammenleben hat die Eltern einander wieder nähergebracht, und die Ruhe und reichlich vorhandene Zeit haben ihnen eine ganz neue Lebensqualität beschert.

Doch dann kommt ein schrecklicher Morgen: Als Ginny aufwacht, ruft sie vergeblich nach Mama und Papa. Sie ist in der Hütte allein, ihre Eltern sind verschwunden! Und daran ändert sich auch an den folgenden Tagen nichts ...

***

Dr. Peter Kersten ist oft Retter in letzte Minute. In der Unfallchirurgie der Sauerbruch-Klinik kämpft er Tag für Tag um das Leben von Unfallopfern, aber auch um Freundschaften und für die Liebe.
Egal ob bei dramatischen Operationen, mitreißenden Schicksalsschlägen oder den eigenen Sehnsüchten nach Liebe und Zuneigung: Es steht viel auf dem Spiel!

Genießen Sie alle 14 Tage eine neue, bewegende Geschichte um den Notarzt.
Jede Folge ist in sich abgeschlossen und kann unabhängig von den anderen Folgen der Serie gelesen werden.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
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Seitenzahl: 116

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhalt

Cover

Impressum

Ein zartes Pflänzchen Hoffnung

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Studio 37/shutterstock

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-7164-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Ein zartes Pflänzchen Hoffnung

Roman um ein elternloses Mädchen, das nicht aufgibt

Karin Graf

Seit knapp fünf Monaten lebt die fünfjährige Ginny zusammen mit ihren Eltern auf einem einsamen Berg in Südtirol. Die Familie hat sich vorgenommen, ein „Aussteigerjahr“ zu wagen und sich zwölf Monate lang in der Abgeschiedenheit weitestgehend selbst zu versorgen. Und allmählich fühlen sie sich hier oben richtig wohl. Die Hütte, die sie gemietet haben, ist urig und gemütlich, das enge Zusammenleben hat die Eltern einander wieder nähergebracht, und die Ruhe und reichlich vorhandene Zeit haben ihnen eine ganz neue Lebensqualität beschert.

Doch dann kommt ein schrecklicher Morgen: Als Ginny aufwacht, ruft sie vergeblich nach Mama und Papa. Sie ist in der Hütte allein, ihre Eltern sind verschwunden! Und daran ändert sich auch an den folgenden Tagen nichts …

Am zwölften Januar schrieb Marlene Riemer in ihr Tagebuch …

Carl und ich haben beschlossen, auszusteigen. Nicht für immer. Fürs Erste nur probehalber und nur für ein Jahr.

Und weil Virginia schon bald eingeschult werden soll, müssen wir es gleich tun, denn noch brauchen wir keine hunderttausend Genehmigungen von der Schulbehörde.

Mir hätte ja ein Jahr auf einem Hausboot oder auf einer Segelyacht besser gefallen. Irgendwo in der Südsee von einer Insel zur nächsten schippern, die Welt sehen und alle paar Tage eine andere Umgebung und andere Menschen kennenlernen.

Tja, aber daraus wird leider nichts. Der liebe Carl wird ja schon seekrank, wenn er nur in Ginnys kleinem Gummiboot auf dem Badeteich im Kreis herumpaddelt. Alleine der Gedanke daran, ein ganzes Jahr lang nur schwankende Planken unter den Füßen zu haben, verursacht ihm Brechreiz.

Also, nach langen, hitzigen Diskussionen haben wir uns für die Berge entschieden. Wir mieten uns irgendwo eine Hütte oder einen kleinen Bergbauernhof und versorgen uns ein ganzes Jahr lang selbst.

So denkt Carl sich das zumindest. Ha, ha, ha! Er wird lästern, wenn er erst einmal die halbe Million Konservendosen, gefriergetrocknete Nahrungsmittel und all das eingelegte Obst und Gemüse sieht, das ich jetzt schon zu horten beginne.

Aber wenn er dann im Herbst erkennt, dass die Wildschweine über Nacht die Kartoffeln ausgebuddelt und die Rehe und Hasen sich das ganze Gemüse einverleibt haben, das er zu pflanzen gedenkt, wenn ihm der erste Schneesturm die romantischen Flausen aus dem Kopf pustet, dann wird er vermutlich liebend gerne an meinem Zwieback knabbern und die Omeletts essen, die ich aus Milchpulver und Trockenei zubereiten werde.

Na, und spätestens am zweiten Morgen ohne Kaffee wird ihm das Lästern über meinen Mangel an Vertrauen darüber, dass die Natur alles bereitstellt, was der Mensch zum Leben braucht, sowieso vergehen. Dann wird er ganz kleinlaut angekrochen kommen, und ich werde ihn – mit einem süffisanten Lächeln natürlich! – gnädig an meinem dekadenten Großstadtluxus teilhaben lassen.

Marlene musste schmunzeln, als sie jetzt, etwa acht Monate nachdem sie diese Zeilen geschrieben hatte, in ihrem Tagebuch blätterte und sich zurückerinnerte. Es war nämlich ganz genau so gekommen.

Anfang Mai hatten sie sich beide ein Jahr Bildungsurlaub genommen und ihre geräumige Dachterrassenwohnung in Berlin gegen eine Berghütte in über zweitausend Metern Höhe in der wunderschönen Rosengartengruppe der Südtiroler Dolomiten getauscht.

Es war einfach unglaublich hier oben. Anfangs hatte sie gedacht, es würde hart werden, sich an die fehlende vollautomatische Küche, an das umständliche Wäschewaschen und das raue Klima zu gewöhnen.

Auch der Gedanke daran, festzusitzen und nach einem Ehestreit, wenn ihr die Decke auf den Kopf fiel oder ihr alles zu viel wurde, nicht einfach ins Auto springen, eine Freundin aufsuchen und den Frust bei ihr abladen zu können, war ihr ein bisschen unheimlich gewesen.

Das alles hatte ihr jedoch wider Erwarten gar keine so großen Probleme bereitet. Was ihr anfangs wirklich hart zugesetzt hatte, war die unheimliche Stille in der Nacht gewesen. Wenn es nicht gerade einen Sturm oder ein Gewitter gab, dann war es nachts so still, dass sie deswegen tatsächlich nicht schlafen konnte.

Das plötzliche Fehlen des Großstadtlärms und der vertrauten Geräusche aus den Nachbarwohnungen hatte sich in den ersten Tagen und Nächten beinahe so angefühlt, als ob sie gestorben oder aus irgendeinem Grund in den Weltraum geraten wäre und dort im luftleeren Raum herumtriebe.

Und hier oben war es nachts nicht einfach nur dunkel. Nein, wenn man in der Nacht die Lichter löschte oder ohne Laterne einen Schritt vors Haus trat, dann war es … als ob man plötzlich erblindet wäre

Außer in besonders mondhellen und sternklaren Nächten natürlich. Dann schienen die Sterne so dicht über ihren Köpfen zu funkeln, dass man meinte, man müsse sich nur ein bisschen auf die Zehenspitzen stellen und die Hand weit nach oben strecken, um sie pflücken zu können.

Es handelte sich übrigens keineswegs um eine alte, karge Almhütte, wie man sie sich gerne vorstellte. Mit höchstens zwei zugigen Räumen, deren Wände von der offenen Feuerstelle geschwärzt waren und einer selbst zusammengezimmerten, mit Heu gefüllten Bettstatt.

Das Fundament und das Erdgeschoss der Hütte, die eigentlich ein richtiges Haus war, waren sehr stabil aus Bruchsteinen erbaut worden. Davon gab es hier jede Menge, denn hier oben wuchsen weit mehr Steine als Pflanzen. Hinter dem Haus ragten die kahlen Felsen steil auf. Wenige Meter über ihnen gab es schon gar keine Vegetation mehr.

Der erste Stock war vermutlich nachträglich und ganz aus Holz aufgebaut worden. Es gab vier große Räume. Zwei Schlafzimmer, oben eine geräumige Wohnstube mit einem heimeligen Kachelofen, eine kleinere Kammer und eine Küche unten.

Und natürlich die gut gefüllte Speisekammer, über die Carl anfangs sehr geringschätzig gelächelt hatte und aus der sie ihn jetzt immer öfter mit sanfter Gewalt verjagen musste, damit er die Bestände nicht zu rasch dezimierte.

Noch wusste er nichts von dem kleinen Fässchen Bier, das sie gut versteckt hatte und das er an Heiligabend ganz bestimmt nicht als dekadent zurückweisen würde.

Womit sie nicht gerechnet hatte – es gab hier sogar Strom und Warmwasser aus dem Wasserhahn. Zumindest dann, wenn die Sonne lange genug auf die Solarmodule auf dem Dach schien.

Aber immerhin, sie mussten sich nicht bei Minusgraden draußen an einem Brunnentrog waschen, sondern konnten sogar ab und zu ein Bad nehmen. Für ein Vollbad reichte es zwar nie, aber selbst ein „Viertelbad“kam Marlene schon wie der pure Luxus vor.

Kanalisation gab es hier natürlich keine. Nur eine Sickergrube. Deshalb durfte sie auch keine gängigen Putzmittel verwenden. Sie scheuerte die Gusseisenpfanne mit Sand aus, und für die Körperpflege verwendeten sie alle drei naturbelassene Kernseife. Mit der wurde auch die Wäsche gewaschen.

„Ginny! Schatz!“ Marlene riss das Küchenfenster auf und beugte sich weit hinaus. Ein paar Meter unterhalb der Hütte, wo der Boden noch ein bisschen fruchtbarer war, hatten sie gleich nach ihrem Einzug einen sehr bescheidenen Kartoffelacker und ein paar Gemüsebeete angelegt.

Der Sommer war lang und sehr warm gewesen. Während die Menschen unten im Tal bei bis zu achtunddreißig Grad im Schatten schwitzten, hatte es hier oben zumeist angenehme fünfundzwanzig Grad gehabt.

Die Erbsen, die Tomaten, die Karotten, der Kohl und all die anderen leckeren Sachen waren wunderbar gediehen.

Das hieß allerdings nicht, dass die Früchte ihrer oft sehr anstrengenden Arbeit jetzt eingekocht oder eingelegt in der Speisekammer standen.

Das war der Grund, warum sie heute ihr Tagebuch hervorgeholt hatte. Nämlich, um Carl zu beweisen, dass sie vorhergesehen hatte, was passieren würde.

Es dürfte sich unter den Tieren sehr rasch herumgesprochen haben, dass hier ein neuer Schnellimbissmit exotischen Delikatessen eröffnet worden war.

Jeden Morgen war die Erde, die sie mühsam von überallher zusammengetragen hatten, von Hufen, Pfoten und Tatzen aufgewühlt gewesen. An manchen Tagen war nicht einmal ein einzelner Schnittlauchhalm übrig geblieben, den sie hätten ernten können.

Ginny hatte eines Morgens behauptet, sie hätte im Morgengrauen durch das Fenster ihres Schlafzimmers einen Hirsch gesehen, der sich, rülpsend und sichtlich überfressen, nach unten in den Wald zurückgeschleppt hatte.

Aber, okay, sie hatten sich schließlich auch an deren Sachen bedient. Sie hatten körbeweise Pilze und Beeren nach Hause getragen. Da war es wohl nur fair, dass die rechtmäßigen Bergbesitzer sich stattdessen an ihrem Gemüse gütlich taten.

„Geh nicht zu weit runter, Ginny!“, rief sie ihrer kleinen Tochter jetzt zu. „Nur so weit, dass ich dich vom Fenster aus noch sehen kann!“

Virginia war mit einem Körbchen unterwegs, um Gemüse für das Abendbrot zu ernten.

Man hatte ihnen gesagt, dass man hier oben bereits im frühen September mit Schnee rechnen musste. Deshalb wollten sie auch das Wintergemüse – die Kürbisse, den Blumenkohl, das Rotkraut und den Endiviensalat – so rasch wie möglich verbrauchen, bevor es unter einer zwei Meter hohen Schneeschicht begraben wurde und man nicht mehr an es herankam.

Ginny liebte es, auf diese Weise „einkaufen zu gehen“. Aber da Marlene gehört hatte, dass man hier oben durchaus auch auf Bären und Wölfe stoßen konnte, machte es sie nervös, ihr kleines Mädchen aus den Augen zu verlieren.

„Mach dir keine Sorgen, Mami, ich bin vorsichtig!“, rief Ginny zurück und hob den halb gefüllten Korb hoch. „Viel ist eh nicht mehr übrig“, empörte sie sich. „Die waren schon wieder da und haben uns wieder mal alles weggefressen!“

„Im nächsten Jahr bauen wir einen stabilen Zaun um die Beete herum!“ Carl kam ächzend und stöhnend, einen riesigen Korb voll Brennholz auf den Rücken geschnallt, von unten herauf.

Marlene schloss das Fenster und setzte sich wieder an den Küchentisch.

„Im nächsten Jahr? Träum weiter, Carl!“, sagte sie kopfschüttelnd und fuhr sich mit allen zehn Fingern durch das von der Kernseife stumpf und strohig gewordene Haar.

Während Carl offensichtlich längst vergessen hatte, dass ihre Zeit hier oben begrenzt war, hatte sie bereits nach den ersten paar Wochen eine Liste mit den Dingen zu führen begonnen, die sie gleich nach ihrer Rückkehr nach Berlin zu erledigen gedachte.

Ein Friseurbesuch stand ziemlich weit oben. Eine Pizza bestellen. Ein Schaumbad mit Rosenblütenduft. Mit ihren Freundinnen ausgehen. Telefonieren, im Internet surfen und fernsehen. Ihre bis ins Nagelbett abgebrochenen Fingernägel wachsen lassen, ein schönes Kleid und High Heels tragen, ein Wellnesswochenende …

Sie und Carl hatten so große Sehnsucht nach Ruhe und Stille, nach sauberer Luft und einem natürlichen Leben gehabt, dass sie dafür ihr gesamtes bisheriges Leben über den Haufen geworfen hatten.

Carl schien in dem einfachen, harten Leben tatsächlich seine Erfüllung gefunden zu haben. Marlene dagegen ertappte sich immer öfter dabei, wie sie nach guten Gründen suchte, um das Experiment abzubrechen.

Wenn sie einmal im Monat den beschwerlichen Abstieg ins Tal auf sich nahmen, um dringend benötigte Dinge einzukaufen, ihre Post abzuholen, die in einem Postfach für sie aufbewahrt wurde, und mit Angehörigen zu telefonieren, dann hoffte sie manchmal auf ein heftiges Unwetter, das ihnen den Wiederaufstieg unmöglich machen würde.

Sie drängte ihren Mann jedes Mal dazu, seine Post gleich unten durchzusehen, und malte sich aus, es würde ein Brief von der Anwaltskanzlei dabei sein, die Carl zusammen mit zwei Partnern betrieb, der ihn zurückbeorderte, weil die Firma in irgendwelche Schwierigkeiten geraten war.

Oder die Bank meldete, dass das Konto für die fortlaufenden Zahlungen nicht mehr gedeckt sei, weil der Amerikaner, dem sie ihre Wohnung für ein Jahr vermietet hatten, schon seit Monaten nichts mehr einbezahlt hätte.

Egal, was. Irgendwas! Doch obwohl normalerweise im Leben ständig alles, was schiefgehen kann, auch tatsächlich schiefgeht, schien ausgerechnet jetzt, wo sie darauf wartete, wie zum Hohn alles wie am Schnürchen zu laufen.

***

In der Notaufnahme der Frankfurter Sauerbruch-Klinik war heute wieder einmal nicht daran zu denken gewesen, rechtzeitig Feierabend zu machen.

Obwohl der Schichtwechsel schon vor Stunden stattgefunden hatte und seither zwei komplette Teams gleichzeitig einen Patienten nach dem anderen abfertigten, wurde das Gedränge im Warteraum nicht weniger.

Mit zunehmender Wartezeit stiegen wie immer auch die Aggressionen und die Gewaltbereitschaft an. Besonders dann, wenn manche, die schon seit drei Stunden und länger warteten, in letzter Sekunde doch noch einmal zurückgestellt wurden, weil neue Fälle angekommen waren, die ein sofortiges Handeln erforderten.

Dr. Peter Kersten, der Leiter der Notaufnahme, stürmte alarmiert aus einem der Behandlungsräume, als er Schwester Annette, die mit einundzwanzig Jahren jüngste seiner Pflegerinnen, weinend aus dem Warteraum kommen hörte.

„Schwester Annette? Was ist passiert?“

„Ach!“ Die bildhübsche junge Frau mit den langen hellblonden Haaren machte eine wegwerfende Handbewegung. „Nichts Außergewöhnliches, Dr. Kersten. Nur, dass ich es heute schon leid bin, ständig beschimpft zu werden.“

„Wer hat Sie beschimpft?“, wollte der Notarzt wissen.

„Wer nicht?“, lautete die resignierte Gegenfrage. „Ich meine, ich kann ja verstehen, dass niemand gerne drei, vier, fünf Stunden lang in einem überfüllten Wartezimmer sitzt. Ich kann auch verstehen, dass alle gerne nach Hause gehen wollen. Aber …“

„Aber?“, hakte Peter nach, als die junge Pflegerin stockte und verhalten aufschluchzte.

„Na ja …“

Annette Fleming rang mit sich selbst. Sie wollte nicht petzen und auch kein Aufsehen erregen. Aber schließlich platzte es doch aus ihr heraus.

„Der hat sein Messer ein Stück weit aus seiner Hosentasche herausgezogen. Wenn du mich noch mal blöd kommst, finde ich raus, wo du wohnst und mach dich Messer, hat er mir gedroht. Nur, weil ich ihn gebeten habe, noch ein bisschen zu warten, weil eine Patientin mit einer stark blutenden Wunde dazwischengekommen ist.“

„Wie sieht der aus?“ Peter wollte schon zum Warteraum stürmen, doch Schwester Trudi, die nur eins fünfzig kleine, füllige Mittfünfzigerin, kam aus einem der anderen Behandlungsräume gesaust und stellte sich ihm in den Weg.

„Machoalarm? Stopp! Der gehört mir, Chef!“, knurrte sie. „Mir hat gerade eine demente alte Dame ihre Handtasche um die Ohren gehauen und mir dann auch noch mitten ins Gesicht gespuckt. Die kann ich aber nicht gut zur Schnecke machen, die ist einundneunzig. Da kommt mir der Typ gerade recht zum Abreagieren.“

Sie wandte sich an ihre junge Kollegin.