Der Notarzt 333 - Karin Graf - E-Book

Der Notarzt 333 E-Book

Karin Graf

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Beschreibung

Die große Chance - Kann sich die junge Ärztin in einer Krisensituation beweisen?

Zitternd und mit aufgerissenen Augen blickt Barbara Sachs auf den Patienten, der sich vor ihr auf der Untersuchungsliege unter unerträglichen Qualen verkrampft. Sie kennt dieses Gesicht nur zu gut. Dieser Mann hat sie vor Monaten brutal vergewaltigt und seitdem immer wieder verfolgt, bedroht und in Angst und Schrecken versetzt. Nie ist es der Polizei gelungen, ihn zu finden. Und nun liegt er hier, im Schockraum der Notaufnahme in der Frankfurter Sauerbruch-Klinik.
Dr. Peter Kersten und die anderen Kollegen sind mit Schwerverletzten beschäftigt, also muss sich Barbara ganz allein um den Patienten kümmern. Seine Symptome sind eindeutig, er leidet unter einer furchtbaren und äußerst qualvollen Infektionskrankheit, die innerhalb kurzer Zeit unweigerlich zum Tod führen wird, wenn er nicht schnell behandelt wird - und selbst dann ist nicht sicher, ob er überlebt.
Die junge Assistenzärztin weiß: Das ist ihre große Chance! Hier und jetzt hat sie die Möglichkeit, ihrem Schrecken ein für alle Mal ein Ende zu setzen. Sie muss einfach nur zugucken und abwarten, bis ihr Peiniger stirbt. Niemand wird es ihr vorwerfen können, wenn der Mann nicht überlebt, seine Erkrankung ist ohnehin weit fortgeschritten und nur noch schwer behandelbar.
Allerdings hat sie einen Eid geschworen. Den Eid, Leben unter allen Umständen zu retten ...

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Seitenzahl: 118

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhalt

Cover

Impressum

Die große Chance

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Wavebreakmedia / iStockphoto

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar

ISBN 978-3-7325-7489-6

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Die große Chance

Kann sich die junge Ärztin in einer Krisensituation beweisen?

Karin Graf

Zitternd und mit aufgerissenen Augen blickt Barbara Sachs auf den Patienten, der sich vor ihr auf der Untersuchungsliege unter unerträglichen Qualen verkrampft. Sie kennt dieses Gesicht nur zu gut. Dieser Mann hat sie vor Monaten brutal vergewaltigt und seitdem immer wieder verfolgt, bedroht und in Angst und Schrecken versetzt. Nie ist es der Polizei gelungen, ihn zu finden. Und nun liegt er hier, im Schockraum der Notaufnahme in der Frankfurter Sauerbruch-Klinik.

Dr. Peter Kersten und die anderen Kollegen sind mit Schwerverletzten beschäftigt, also muss sich Barbara ganz allein um den Patienten kümmern. Seine Symptome sind eindeutig, er leidet unter einer furchtbaren und äußerst qualvollen Infektionskrankheit, die innerhalb kurzer Zeit unweigerlich zum Tod führen wird, wenn er nicht schnell behandelt wird – und selbst dann ist nicht sicher, ob er überlebt.

Die junge Assistenzärztin weiß: Das ist ihre große Chance! Hier und jetzt hat sie die Möglichkeit, ihrem Schrecken ein für alle Mal ein Ende zu setzen. Sie muss einfach nur zugucken und abwarten, bis ihr Peiniger stirbt. Niemand wird es ihr vorwerfen können, wenn der Mann nicht überlebt, seine Erkrankung ist ohnehin weit fortgeschritten und nur noch schwer behandelbar.

Allerdings hat sie einen Eid geschworen. Den Eid, Leben unter allen Umständen zu retten …

Ein schrilles und lang gezogenes „Neiiin!“ ließ Prof. Lutz Weidner, den Chefarzt der Frankfurter Sauerbruch-Klinik, mitten in der Bewegung erstarren. Doch leider um etwa eine halbe Sekunde zu spät. Ein feines Knirschen ertönte, und als er seinen rechten Fuß wieder hob, klebte auf seiner Schuhsohle ein zermatschter Engel.

„Seit über dreißig Jahren hüte ich den nun schon, als ob er mein eigen Fleisch und Blut wäre.“ Marianne Hoppe starrte ihren Chef mit tränenfeuchten Augen anklagend an. Sie hob eine zitternde Hand hoch und deutete mit dem Zeigefinger auf den zweiundsechzigjährigen Mediziner im weißen Kittel. „Und Sie haben ihn umgebracht!“, fügte sie mit Grabesstimme hinzu. „Wenn Sie dafür mal nicht in die Hölle kommen!“

Der Chefarzt zuckte gelassen mit den Schultern. Er schlüpfte aus dem Unglücksschuh und klopfte damit so lange gegen den Türrahmen, bis auch noch der letzte hauchfeine Glaskrümel von dem weiß-goldenen Himmelsboten zu Boden gerieselt war.

„Nun gut, wenn dem so sein sollte, dann nehme ich Sie aber mit, Marianne“, sagte er schmunzelnd. „Da Sie das Flatterding genau vor meine Bürotür gelegt haben, sind Sie zweifelsohne wegen Beihilfe zum Mord dran.“

„Also, das ist doch …!“

Prof. Lutz Weidners Sekretärin kletterte von der Trittleiter, auf der sie vor einem offenen Wandschrank gestanden hatte, und zerrte sich eine Kunstreisiggirlande, die sie sich wie einen Schal umgehängt hatte, vom Nacken.

„Ich habe gerade ausprobiert, wie ich die Sachen am besten über Ihrer Tür arrangieren soll, damit Sie es schön weihnachtlich haben. Kann ich damit rechnen, dass Sie wie ein Rhinozeros in den Porzellanladen stürmen und alles plattwalzen? Sonst kommen Sie ja auch nie vor neun von der Morgenvisite zurück!“

„Also gut!“ Prof. Weidner hob resigniert beide Hände hoch und ließ sie mit einem tiefen Seufzer wieder fallen. „Einigen wir uns einfach darauf, dass es meine Schuld war. Wie immer.“

Er stürmte mit langen Schritten in sein Büro.

„Ich besorge Ihnen einen neuen Engel und …“ Er erhob seine Stimme zu doppelter Lautstärke, als Marianne ihm folgte und erneut zu zetern begann. „Und hören Sie jetzt bitte damit auf, so zu tun, als ob ich Ihre Katze oder gar Ihren kleinen Neffen zertreten hät…“

Erst, als es abermals knirschte – doppelt so laut diesmal –, erinnerte er sich an ein farbenfrohes Glitzern, das er aus dem Augenwinkel wahrgenommen hatte, kurz bevor er sich mit Schwung in seinen Chefsessel hatte fallen lassen.

„Bitte! Nur zu! Tun Sie sich keinen Zwang an. Darauf kommt es jetzt auch nicht mehr an“, erwiderte Frau Hoppe in gespielter Großmütigkeit, während sich der Chefarzt erhob und sich mit säuerlicher Miene die feinen Splitter der Christbaumkugeln von der Kehrseite zupfte. „Wenn Ihnen das Vernichten schöner Dinge so viel Freude bereitet, dann bringe ich Ihnen gerne auch noch die Kiste mit dem ganzen restlichen Weihnachtsschmuck. Da können Sie sich dann hineinsetzen oder mit den Füßen darin herumstampfen, ganz so, wie es Ihnen beliebt!“

Mit zusammengebissenen Zähnen, geballten Fäusten und mühsam aufrechterhaltener Beherrschung stürmte sie aus dem Büro des Klinikchefs.

„Frohe Weihnachten!“, rief sie sarkastisch über die Schulter zurück.

„Frohe Weihnachten!“, schallte es fröhlich aus dem Flur zurück, und Jochen Schemke, der Gehilfe von der klinikeigenen Poststelle, schleppte einen riesigen Pappkarton, der bis obenhin mit Paketen gefüllt war, in Mariannes Büro. „Es dauert zwar noch ein Weilchen, aber frohe Weihnachten kann man sich durchaus jetzt schon wünschen.“

Er ließ die Kiste neben Mariannes Schreibtisch auf den Boden fallen, richtete ächzend seinen Rücken gerade und wischte sich mit dem Pulloverärmel den Schweiß von der Stirn.

„Man hat ja bereits gegen Ende September die ersten Weihnachtssachen in den Kaufhäusern gesehen. Und die Weihnachtsmänner rennen schon seit Mitte November herum. Die werden von Jahr zu Jahr immer mehr. Da muss es irgendwo ein Nest geben.“

„Na ja, manche Leute erfreuen sich eben an der besinnlichen, vorweihnachtlichen Stimmung“, entgegnete Marianne extra laut. „Andere wiederum haben das Bedürfnis, jedes bisschen himmlischen Glanz sofort zu zertrampeln.“ Sie zuckte mit den Schultern, als der Chefarzt sich in seinem Büro genervt räusperte. „Ja, ja, schon gut, ich sage ja gar nichts mehr!“

Sie beugte sich über die Kiste.

„Was schleppen Sie denn hier alles an, Herr Schemke? Ist das alles von heute? So viel Post? So viel bekommen wir sonst in einer ganzen Woche.“

„Weihnachten steht vor der Tür“, erinnerte sie der fünfunddreißigjährige Postbote. „Da bekommt der Herr Professor wieder jede Menge als Weihnachtsgeschenke getarnte Werbung. Alle Jahre wieder. Das wird jetzt wahrscheinlich von Tag zu Tag mehr werden.“

Er legte Marianne eine Empfangsbestätigung zum Unterschreiben hin.

„Direktor Rohrmoser hat auch eine ganze Kiste voll Plunder gekriegt. Zu dem muss ich dann auch noch rauf. Also dann, einen schönen Tag noch, Frau Hoppe. Morgen früh komme ich wieder.“

„Du meine Güte, so ein riesiger Haufen Pakete! Soll ich das alles für Sie auspacken, oder wollen Sie es selbst tun, Professor?“, rief Marianne fragend, als der Postbote ihr Büro verlassen hatte.

„Als ob ich dafür Zeit hätte!“, grummelte der Chefarzt. „Schauen Sie alles durch. Wenn Ihnen etwas gefällt, können Sie es behalten. Den Rest – sofern es sich um brauchbare Sachen handelt – verteilen wir an Heiligabend wieder an die Patienten, die keinen Besuch und somit auch keine Geschenke bekommen.“

Lutz Weidner kam mit einem Zettel aus seinem Zimmer.

„Zuvor suchen Sie aber bitte noch die Unterlagen von Dr. Noah Karlich, Dr. Amira Huber und Dr. Sebastian Schlemmer heraus.“

„Okay. Wozu?“

„Das sind drei unserer neuen Assistenzärzte, deren Probezeit mit dem Jahresende ausläuft.“

„Fixe Verträge?“

„Im Gegenteil. Kündigen.“

Marianne Hoppes Augen weiteten sich.

„Alle drei? Sind Sie heute Morgen mit dem falschen Fuß aufgestanden, oder was? Was haben die Ihnen denn getan? Die sind noch jung, und da macht man eben noch ab und zu was falsch. Sie sind bestimmt auch nicht als allwissender Mediziner zur Welt gekommen, oder?“

„Keineswegs“, erwiderte Lutz Weidner mit Engelsgeduld. „Für kleine Fehler und anfängliche Unsicherheit habe ich ja auch vollstes Verständnis. Inzwischen sollten Sie mich gut genug kennen, Marianne, um zu wissen, dass ich niemanden vorschnell aburteile. Nicht ohne triftigen Grund.“

Marianne wollte es ganz genau wissen.

„Und was wären das in diesem Fall für triftige Gründe?“

„Na gut!“ Der Chefarzt ließ sich seufzend auf einer Ecke von Frau Hoppes Schreibtisch nieder. „Der Kollege Schlemmer wurde von einem ängstlichen Kleinkind, dem er eine Spritze verabreichen sollte, in die Hand gebissen.“

„Du meine Güte, das arme Kleine!“ Die Sekretärin lachte hinter vorgehaltener Hand. „Ich hatte auch immer so schreckliche Angst vor Ärzten, als ich noch ein Kind war. Und?“

„Er hat reflexartig zugelangt. Eine kräftige Backpfeife für ein fünfjähriges Mädchen. Tut mir sehr leid, aber dafür kann ich beim besten Willen kein Verständnis aufbringen. Er war auch sonst nicht gerade das Gelbe vom Ei.“

Marianne schüttelte entsetzt den Kopf.

„Gut, den schmeißen wir raus. Wer einmal zuschlägt, der tut es immer wieder. Und weiter?“

„Die Kollegin Huber hat beim Entkleiden eines älteren Patienten, der sich wohl vor Schmerzen ein paar Tage lang nicht mehr richtig gewaschen hatte, eine höchst ungebührliche Reaktion gezeigt.“

„Und zwar?“

Der Chefarzt würgte, als ob er sich übergeben müsse, dann streckte er die Zunge weit heraus und stieß ein lautes, angeekeltes „Bäääh!“ aus.

„Man konnte dem alten Herrn deutlich ansehen, wie sehr er sich schämte.“

„Oh! Das ist richtig gemein!“

„Eben!“

„Und Nummer drei?“ Marianne warf einen Blick auf den Zettel, den der Professor ihr auf den Schreibtisch gelegt hatte. „Noah Karlich, was hat der angestellt?“

„Der hat trotz mehrmaliger Ermahnungen wiederholt junge Pflegerinnen belästigt.“

„Na dann!“ Als ob der Chefarzt ihre Erlaubnis für die drei Kündigungen erbeten hätte, hakte Frau Hoppe nun auch den dritten Namen mit Rotstift auf dem Zettel ab. „Wir dulden hier keinen Sexismus am Arbeitsplatz! Wo kämen wir denn da hin?“

Sie holte die Mappen mit den Unterlagen der drei betreffenden Assistenzärzte von einem Regalbrett herunter.

„Ich bringe sie gleich rauf ins Personalbüro und sage Hannelore, dass sie die Kündigungen heute noch fertig machen soll.“

Ehe sie ihr Büro verließ, um sich in den Verwaltungstrakt zu begeben, fiel ihr noch etwas ein.

„Frau Huber war zuletzt in der Notaufnahme zugange. Sie wissen ja, Dr. Kersten ist auf jeden einzelnen Mitarbeiter wie auf einen Bissen Brot angewiesen. Sollten wir ihn nicht vorher fragen?“

„Der Kollege Kersten hat heute seinen freien Tag“, erwiderte der Chefarzt schulterzuckend. „Außerdem war er es ja, der mir nahegelegt hat, die Kollegin auszutauschen, weil es bereits zu mehreren unschönen Vorfällen gekommen ist.“

„Ah, na dann!“ Marianne wedelte mit dem Zettel. „Tut mir wirklich leid, Leute“, sagte sie ernst, „aber Respektlosigkeit und ein eklatanter Mangel an Einfühlungsvermögen haben an meiner Klinik nichts verloren.“

„Und ich dachte immer, es sei meine Klinik und ich hätte hier das Sagen“, bemerkte Lutz Weidner schmunzelnd.

„Oh!“ Noch einmal machte die Sekretärin an der Türschwelle kehrt.

Sie hob die Kiste hoch, in der sich der Weihnachtsschmuck befand, stieg auf die Trittleiter, schob die Kiste in den Schrank zurück, schloss diesen ab und steckte sich den Schlüssel in die Tasche ihrer Kostümjacke.

Mit einem schnippischen „Sicher ist sicher!“ verließ sie nun endgültig das Büro.

***

„Fünf, sieben, neun, zwölf. Zwölf Barbiepuppen, und alle noch originalverpackt! Gibt es da irgendetwas, was du mir gestehen willst? Hast du in jungen Jahren einmal einen Spielwarenladen überfallen?“

Dr. Peter Kersten, der Leiter der Notaufnahme an der Frankfurter Sauerbruch-Klinik, und seine Lebensgefährtin, die Kinder- und Jugendpsychologin Dr. Lea König, waren gerade dabei, den weitläufigen Dachboden von Leas Villa zu durchstöbern.

Wie jedes Jahr fand auch diesmal wieder kurz vor Weihnachten ein Kirchenflohmarkt vor der Martinuskirche in Schwanheim statt, und auch diesmal wollten sie sich – wie schon so oft – mit einem eigenen Verkaufsstand daran beteiligen.

Der Erlös sollte unter finanzschwachen Familien mit Kindern aufgeteilt werden, um auch diesen ein schönes Weihnachtsfest zu ermöglichen.

„Großtante Dorothee!“, erklärte Lea lachend und wischte sich mit dem Unterarm eine Spinnwebe von der Stirn. „Bis zu meinem sechzehnten Lebensjahr habe ich zu jedem Anlass – Geburtstag, Heiligabend, Ostern, Namenstag und was es sonst noch alles gibt – eine Barbiepuppe von ihr geschenkt bekommen. Und das, obwohl ich Barbiepuppen nicht ausstehen konnte.“

„Und als du sechzehn warst, hat sie es endlich kapiert? Oder hat es ihr dann gedämmert, dass du mit sechzehn vielleicht schon ein bisschen zu alt für Puppen bist?“

„Nein, dann ist sie gestorben. In den anderen Kisten müsstest du noch mindestens zehn weitere Exemplare finden. Als sie noch lebte, habe ich mich nie getraut, die Sachen wegzugeben. Falls sie einmal nachfragen sollte, ob sie noch da sind, weißt du? Und danach habe ich sie einfach vergessen und bei jedem Umzug mitgeschleppt.“

„So uralte Puppen müssten theoretisch heute schon einiges wert sein, Schatz“, überlegte Peter und zuckte zusammen, als Lea ihm ein nicht ganz ernst gemeintes „Uralt? Was willst du damit sagen?“ entgegenschmetterte. „Nein! Himmel! So war das doch nicht gemeint. Aber so an die zwanzig Jahre müssen die doch wohl schon auf dem Buckel haben, oder?“

„Mindestens“, beschwichtigte Lea ihn. „Die Erste habe ich ja schon zu meinem ersten Geburtstag bekommen. Die muss also genau fünfunddreißig Jahre alt sein.“

„Warte mal!“ Peter wischte sich die staubigen Hände an seiner Hose ab, holte sein Smartphone aus der Gesäßtasche und suchte etwas im Internet.

„Was?“ Lea richtete sich abrupt auf, als Peter nach einer Weile zischend die Luft einsog.

„Vor Kurzem wurde eine vierzig Jahre alte Barbiepuppe für fast fünfzehntausend Euro versteigert!“

„Ehrlich? Wahnsinn!“ Lea holte die Puppen wieder aus der Kiste mit den Sachen für den Flohmarkt heraus. „Dann verkaufen wir die gesondert. So teuer wie möglich. Es hat ohnehin noch nie so viele Familien wie jetzt gegeben, die gegen Monatsende nicht mehr wissen, wie sie ihre Kinder sattbekommen sollen.“

Sie warf Peter einen verschwörerischen Blick zu und legte ihren Zeigefinger vor die Lippen.

„Das machen wir aber hinter Pastor Heidenheimers Rücken. Von dem bekommen nämlich immer möglichst viele Familien möglichst wenig Geld. Wir machen es umgekehrt. Wir suchen die Allerärmsten raus, und die bekommen möglichst viel Geld.“

„Großartig!“ Peter steckte sein Handy wieder weg. „Wenn wir für die älteren Puppen pro Stück so um die zehntausend Euro bekommen, dann können ein paar Familien zumindest ein paar Monate lang aufatmen.“

„Wenn wir Glück haben, dann sind die alle mindestens so alt, wie ich es bin“, überlegte die Psychologin. „Tante Dorothee hat immer gerne auf Vorrat eingekauft. Ich würde es ihr zutrauen, dass sie noch vor meiner Geburt zwanzig Barbiepuppen besorgt und sie mit „Herzlichen Glückwunsch zum ersten, zweiten, dritten – und so weiter – Geburtstag!“ beschriftet hat.“

Sie hob eine der Schachteln hoch, in die die Puppen verpackt waren, und betrachtete sie nachdenklich.