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Seit zwei Jahren arbeitet Pia als Assistentin für den schwerreichen Großinvestoren Otto Ramskogler. In ihrem Job verdient sie ungewöhnlich viel Geld, doch sie ist sich nur allzu sehr der Tatsache bewusst, dass ein erheblicher Teil davon eine Art "Schweigegeld" ist. Sie weiß pikante Dinge über ihren Chef, von denen niemand etwas erfahren darf. Andernfalls wäre nicht nur sein Privatleben ruiniert, vermutlich würde er sogar ins Gefängnis wandern.
Immer wieder kämpft Pia mit sich. Die Machenschaften ihres Vorgesetzten widern sie an, und durch ihre Mitwisserschaft fühlt sie sich selbst schuldig. Alles in ihr sehnt sich danach, zur Polizei zu gehen, aber zugleich hat die junge Frau furchtbare Angst. Otto Ramskogler hat ihr schon einmal zu verstehen gegeben, was ihr im Falle des Verrats blühen würde. Sollte sie sich ihm gegenüber illoyal verhalten, wäre ihr Leben nicht mehr sicher.
Als Pia durch ein schreckliches Ereignis erblindet und in die Frankfurter Sauerbruch-Klinik eingeliefert wird, muss sie ihr Leben völlig neu ordnen. Und plötzlich muss sie lernen, zu vertrauen, statt immer nur Angst zu haben ...
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Seitenzahl: 123
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
Blindes Vertrauen
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: ALPA PROD / shutterstock
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 9-783-7325-9321-7
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Blindes Vertrauen
Als Pia ihr Augenlicht verliert, muss sie ihre Ängste überwinden
Von Karin Graf
Seit zwei Jahren arbeitet Pia als Assistentin für den schwerreichen Großinvestor Otto Ramskogler. In ihrem Job verdient sie ungewöhnlich viel Geld, doch sie ist sich nur allzu sehr der Tatsache bewusst, dass ein erheblicher Teil davon eine Art „Schweigegeld“ ist. Sie weiß pikante Dinge über ihren Chef, von denen niemand etwas erfahren darf. Andernfalls wäre nicht nur sein Privatleben ruiniert, vermutlich würde er sogar ins Gefängnis wandern.
Immer wieder kämpft Pia mit sich. Die Machenschaften ihres Vorgesetzten widern sie an, und durch ihre Mitwisserschaft fühlt sie sich selbst schuldig. Alles in ihr sehnt sich danach, zur Polizei zu gehen, aber zugleich hat die junge Frau furchtbare Angst. Otto Ramskogler hat ihr schon einmal zu verstehen gegeben, was ihr im Falle des Verrats blühen würde. Sollte sie sich ihm gegenüber illoyal verhalten, wäre ihr Leben nicht mehr sicher.
Als Pia durch ein schreckliches Ereignis erblindet und in die Frankfurter Sauerbruch-Klinik eingeliefert wird, muss sie ihr Leben völlig neu ordnen. Und plötzlich muss sie lernen, zu vertrauen, statt immer nur Angst zu haben …
Als Pia Estermann auf das grün phosphoreszierende Ziffernblatt ihres Reiseweckers blickte, war es bereits Viertel nach eins. Um sechs Uhr sollte sie aufstehen. Doch obwohl sie auch in der letzten Nacht nicht mehr als höchstens vier Stunden geschlafen hatte, konnte sie einfach nicht abschalten.
Zwischen ihrem Schlafzimmer und dem ihres Chefs lagen zwei Bäder, ein großer Salon und ein Arbeits- und Besprechungszimmer. Dennoch konnte Pia das schrille Kreischen, das Kichern, das tierisch anmutende Stöhnen und Brüllen, das Türenschlagen und das Wasserrauschen deutlich hören.
Viel mehr noch als der abartige Krach hinderte sie jedoch der Ekel, den sie bei der Vorstellung empfand, was sich in diesem Augenblick in Otto Ramskoglers Schlafzimmer abspielte, vom Einschlafen ab.
Ihr Chef war vierundsechzig, fett, hässlich und widerlich. Seine Zähne waren groß und vergilbt wie alte Klaviertasten, in seiner Nase wucherten dichte schwarze Haarbüschel, und egal, ob sommers oder winters, er schwitzte zu jeder Jahreszeit wie ein Schneemann im April und verströmte dementsprechend einen ziemlich unangenehmen Körpergeruch.
Die beiden Mädchen, die er sich von weiß Gott wo hatte kommen lassen, waren bestenfalls neunzehn – zumindest hoffte sie das –, zierlich, wirkten noch recht kindlich und waren sehr hübsch.
Das Abendessen wollte Pia hochkommen, wenn sie daran dachte, was sie gesehen hatte, als sie einmal irrtümlich den kleinen Koffer geöffnet hatte, den er normalerweise stets selbst trug und von dem er ihr gleich zu Beginn gesagt hatte, dass sie sich um dieses Gepäckstück nicht zu kümmern bräuchte.
Es war vor einem Jahr gewesen. Sie waren nach Tokio geflogen. Die Maschine war mit einiger Verspätung angekommen, und die Zeit bis zu ihrem ersten Termin war verdammt knapp gewesen. In der Hektik hatte Pia den Koffer mit jenem verwechselt, in dem ihr Chef seine Arbeitsunterlagen transportierte.
Sie hatte ihn geöffnet, um die Dokumente für die geschäftliche Besprechung vorzubereiten, hatte ihren Irrtum sofort erkannt und den Deckel schockiert wieder zugeschlagen.
Sie hatte gar nicht wissen wollen, was sich unter den Dingen, die ihr auf den ersten Blick ins Auge stachen, befand. Doch was sie in den höchstens zwei oder drei Sekunden gesehen hatte, hatte sich unauslöschlich in ihr Gedächtnis gebrannt.
Mit rosarotem Plüsch überzogene Handschellen, eine Schulmädchenuniform, Kleinmädchenunterwäsche mit Häschen und Miezekätzchen bedruckt und rosarote Seidenbänder, wie die kleinen Mädchen sie sich in die Zöpfe flochten.
Seither fragte sie sich jede Nacht, in der sie sich schlaflos in komfortablen Betten wälzte, die in prunkvollen Schlafgemächern in den teuersten Suiten der luxuriösesten Hotels auf der ganzen Welt standen, warum sie nicht einfach in sein Zimmer ging, ihm ein paar Backpfeifen versetzte, ihm sagte, was sie von ihm hielt, und fristlos kündigte.
Doch wenn der Spuk am nächsten Morgen vorüber war, schien ihr immer wieder – und dafür verachtete sie sich mitunter selbst – das wahrhaft fürstliche Gehalt, das er ihr bezahlte, die schlaflosen Nächte und die Abscheu, die sie ihm gegenüber empfand, aufzuwiegen.
Außerdem: Was ging es sie an, was er in seiner Freizeit machte? Wenn er auch sie belästigt hätte, dann wäre das etwas anderes gewesen. Doch das tat er nicht. Nie. Keine schlüpfrigen Andeutungen, keine noch so flüchtigen Berührungen, nichts.
Der Grund, warum er sie in Ruhe ließ, war Pia allerdings klar. Grund war ganz bestimmt nicht sein ehrenwerter Charakter. Und auch nicht der Umstand, dass sie nicht hübsch genug gewesen wäre. Nein, sie war ihm mit ihren einunddreißig Jahren schlicht und einfach zu alt.
Otto Ramskogler war Großinvestor. Seine dubiosen Geschäfte führten ihn in fast jeden Winkel dieser Erde. Er war ein absoluter Machtmensch, der über Leichen ging, wenn er sich einen Vorteil davon versprach. Und er war maßlos gierig. Essen, Trinken, Frauen – er wies nichts zurück, schon gar nicht, wenn es etwas davon gratis zu bekommen gab.
Seit fast zwei Jahren arbeitete Pia nun schon als seine persönliche Assistentin. Der Job war ihr von einem Headhunter angeboten worden, als das Unternehmen, in dem sie zuvor im Management tätig gewesen war, pleiteging und sie praktisch über Nacht vor dem Nichts gestanden hatte.
Wenn sie heute jemand fragte, warum sie für dieses Scheusal arbeitete, das reihenweise Existenzen zerstörte, um sich daran zu bereichern, dann erzählte sie gerne von den vielen Reisen, von der Abwechslung, davon, dass kein Tag wie der andere war, und von den vielen interessanten Menschen, die sie durch ihren Job kennenlernte.
Und dann war da natürlich auch noch die drohende Arbeitslosigkeit, die sie gerne als Rechtfertigung heranzog. Wovon hätte sie ihre Wohnungsmiete bezahlen, womit ihre laufenden Fixkosten decken sollen? Und nach den neuen Gesetzen hätte es ihr durchaus blühen können, dass die Arbeitsagentur ihr eine Anstellung als Putzfrau antrug und ihr das Arbeitslosengeld strich, wenn sie sich verweigerte.
Das war zwar alles richtig, doch es war nur die halbe Wahrheit. Es war hauptsächlich das Geld gewesen, das sie dazu bewogen hatte, den Vertrag zu unterschreiben.
Otto Ramskogler zahlte ihr fünfmal so viel, wie sie in ihrem vorigen Job verdient hatte. Und nach Abschluss besonders lukrativer Geschäfte kam es nicht selten vor, dass er einfach so fünfzigtausend Euro auf ihr Konto einzahlte. Mitunter auch mehr.
Doch diese Tatsache wollte sie nicht einmal sich selbst eingestehen, denn es fühlte sich zu sehr so an, als ob sie ihre Seele verkauft hätte. Hatte sie ja auch … irgendwie.
Pia war nicht dumm, sie wusste genau, dass sie das viele Geld nicht unbedingt ausschließlich ihrer Tüchtigkeit zu verdanken hatte. Ein beträchtlicher Teil davon war Schweigegeld. Herrn Ramskoglers finanzielle Transaktionen bewegten sich haarscharf an der Grenze der Legalität, und was er in den Nächten trieb, befand sich mit großer Wahrscheinlichkeit jenseits davon.
Bestimmt hätte sie in absehbarer Zeit auch etwas anderes gefunden, etwas weniger Anrüchiges, denn sie hatte ein abgeschlossenes Wirtschaftsstudium, beherrschte vier Sprachen fließend und verfügte über berufliche Erfahrung und erstklassige Zeugnisse.
Andererseits … wäre es anderswo viel besser gewesen? Waren nicht fast alle erfolgreichen Wirtschaftsbosse, wenn schon nicht kriminell, so doch zumindest rücksichtslos und abgebrüht?
Fünf Jahre, hatte sie sich vorgenommen. Wenn sie es fünf Jahre lang bei ihrem unerfreulichen Arbeitgeber aushielt, dann hätte sie genügend Geld auf dem Konto, um ein paar Jahre lang nicht arbeiten gehen zu müssen und unternehmen zu können, wovon sie schon als kleines Mädchen geträumt hatte: eine Weltreise.
Am anderen Ende der Suite – Pia hatte längst gelernt, die Geräusche zu deuten – ging es jetzt endlich auf das Finale zu. Sie wühlte ihren Kopf unter das Kissen, um möglichst wenig von Otto Ramskoglers abartigem Grunzen mitzubekommen.
Ein paar Minuten noch, dann würde er jeder der beiden Damen ein paar Geldscheine in die Hand drücken und sie zur Eile antreiben. Wenn er mit ihr oder ihnen fertig war, konnte es ihm nicht schnell genug gehen, sie loszuwerden.
Am nächsten Morgen, wenn sie schaudernd den Tagesplan mit ihm durchging, während er ekelhaft schmatzend und schlürfend ein Frühstück hinunterschlang, von dem eine Großfamilie satt geworden wäre, würde er – wie immer – mit listigen Fragen herauszubekommen versuchen, ob sie in der Nacht irgendetwas mitbekommen hatte.
Pia würde sich – ebenfalls wie immer – völlig ahnungslos geben. Solange er nichts tat, was eindeutig gegen das Gesetz verstieß, wollte sie gute Miene zum bösen Spiel machen.
Sie hatte sich gleich zu Beginn ihrer Zusammenarbeit mit Herrn Ramskogler selbst geschworen, dass sie sofort etwas unternehmen würde, sollte sie auch nur den geringsten Verdacht hegen, dass die Mädchen, die er sich jede Nacht kommen ließ, wenn sie auf Reisen waren, noch minderjährig waren.
Dass sie dabei manchmal fünfe gerade sein ließ, weil man ja schließlich mit einem Auge am Schlüsselloch nicht zweifelsfrei beurteilen konnte, ob ein Mädchen nun achtzehn oder doch erst sechzehn oder gar fünfzehn war, das hielt sie ihrem Gerechtigkeitssinn zugute.
Manchmal, wenn die Schuldgefühle sie besonders plagten und sie sich dafür schämte, wegzuschauen, wo man eigentlich ganz genau hinschauen sollte, redete sie sich ein, dass die Mädchen doch das Geld brauchten. Dass sie egoistisch wäre, wenn sie ihnen ein gutes Geschäft vermasseln würde, nur um sich selbst reinzuwaschen.
Es war Viertel nach zwei, als ihr Diensthandy klingelte. Sie brauchte gar nicht erst auf das Display zu schauen, um zu wissen, wer sie so spät noch anrief.
Auch das gehörte zu ihren Aufgaben: Ina-Marie Ramskogler zu besänftigen, wenn sie – von krankhafter Eifersucht geplagt – ihre nächtlichen Kontrollanrufe tätigte.
Nicht nur das, sie musste auch in jeder Stadt, in der sie sich aufhielten, ein Geschenk für die von viel zu vielen Schönheitsoperationen völlig verunstaltete Dreiundfünfzigjährige besorgen, Otto Ramskoglers Handschrift imitieren, ihr Postkarten mit schwülstigen Liebesschwüren schicken und ihren Chef an den Geburtstag seiner Frau, den Hochzeitstag und überhaupt an alle Tage erinnern, an denen sie Glückwünsche und ein Geschenk von ihm erwarten könnte.
„Ich kann Otto nicht erreichen!“, legte Ina-Marie gleich ohne Begrüßung los. An ihrem weinerlichen Lallen erkannte Pia, dass die Gute wieder einmal völlig betrunken war. „Auch nicht auf dem Hotelfeleton … Tele…dings. Die an der Rep…zep…zeption sagen, er hätte den Hörer daneben gelegt. Warum tut er das? Gehen Sie sofort in sein Zimmer, und sehen Sie nach, ob er alleine ist! Und wenn Sie dort irgendeine Schlampe sehen, dann machen Sie sie kalt.“
Und abermals musste Pia lügen und heucheln und immer schön freundlich bleiben, obwohl sie diesem impertinenten Weibsstück gerne einmal gründlich die Meinung gesagt hätte.
„Oh, Frau Ramskogler, ich fürchte, Ihr armer Mann brütet noch immer über den Unterlagen für die morgige Besprechung. Sie wissen ja, dabei geht es um Millionen, und er möchte natürlich so gut wie möglich vorbereitet sein.“
Das war schon einmal Lüge Nummer eins. Morgen früh würden sie Rio verlassen und nach Frankfurt fliegen. Dort wollte er das nächste lukrative Geschäft abwickeln. Doch Ina-Marie sollte nichts davon erfahren, denn …
Sonst kommt das alte Wrack am Ende noch auf die Idee, von Berlin nach Frankfurt zu fliegen, mich dort zu überraschen und ein romantisches Wochenende mit mir verbringen zu wollen. Nein, danke!
„Ehrlich gesagt, möchte ich ihn nicht gerne stören. Er hat mich extra vor einer halben Stunde ins Bett geschickt, damit er sich voll auf seine Arbeit konzentrieren kann.“
Ina-Marie wollte zu lamentieren anfangen, doch Pia gab ihr keine Gelegenheit dazu.
„Ich kann Ihnen aber verraten, obwohl ich das vielleicht gar nicht darf“, redete sie wie aufgezogen weiter, „dass Ihr Mann am Abend eine halbe Ewigkeit lang nach einem wirklich tollen Geschenk für Sie gesucht hat. Halb Rio de Janeiro hat er abgeklappert. Dadurch hat er natürlich sehr viel Zeit verloren, die er jetzt aufholen muss.“
Das Wort „Geschenk“ war Ina-Maries Lieblingsvokabel. Sie stellte das Zetern und Lamentieren umgehend ein und wollte wissen, was er ihr mitbringen würde.
Natürlich wusste Pia darüber Bescheid. Ramskogler dachte doch keine Sekunde lang daran, sich für das alte Wrack, wie er seine Gattin gerne nannte, die Hacken abzulaufen.
Wäre er nicht so gierig gewesen, hätte er Ina-Marie schon vor Jahren vor die Tür gesetzt. Doch sein Rechtsanwalt hatte ausgerechnet, wie viel er ihr im Fall einer Scheidung bezahlen müsste. Die Summe hatte ihn dazu bewogen, dafür zu sorgen, dass sie nie auf die Idee käme, ihn zu verlassen. Auf sie könnte er mit Leichtigkeit verzichten, jedoch niemals auf die Hälfte seines Vermögens.
Besorgen Sie bitte irgendwas für das versoffene alte Wrack.
Gerne. Wie viel darf es kosten?
Ach, wie üblich, maximal hunderttausend.
Irgendeine Idee, worüber sie sich besonders freuen würde?
Sehe ich so aus, als ob mich das interessieren würde? Wenn Sie was finden, über das sie sich so sehr freut, dass sie vor Freude einen Herzinfarkt erleidet und verendet, überweise ich noch am selben Tag eine Million auf Ihr Konto.
Ja, Otto Ramskogler hatte Humor. Und wie alles an ihm, war auch dieser widerlich.
Nicht er, sondern Pia war bei schwülheißen dreißig Grad durch halb Rio gelaufen und hatte schließlich ein Diamantcollier für siebzigtausend Dollar erstanden, das gut zu dem Armband passte, das sie drei Monate zuvor in Hongkong gekauft hatte.
„Und ob ich es gesehen habe“, sülzte sie schwärmerisch. „Und ich muss sagen, ich beneide Sie glühend. Zum einen um das Geschenk, von dem ich Ihnen nicht verraten werde, was es ist, und zum anderen um Ihren Ehemann, der wirklich jede Mühe auf sich nimmt, um Ihnen eine Freude zu bereiten.“
Bei dieser letzten Behauptung streckte sie die Zunge weit heraus und stellte schaudernd fest, dass ihr die Lügen mittlerweile so leicht über die Lippen gingen, als wäre es die normalste Sache der Welt.
Sie ließ Ina-Marie noch eine Weile betteln und raten und lauschte dabei mit einem Ohr den Schritten, die draußen an ihrer Tür vorüberhuschten. Die Eingangstür fiel ins Schloss, und nur Sekunden später fing Ramskogler zu schnarchen an.
Es war halb drei, als sie das betrunkene Gestammel von Ina-Marie einfach wegdrückte, das Handy ausschaltete, den Hörer des Hoteltelefons abnahm und ihn neben den Apparat legte. Die dreieinhalb Stunden, die ihr noch blieben, wollte sie ganz bestimmt nicht damit zubringen, dem alten Wrack Honig ums Maul zu schmieren.
Sie kontrollierte noch einmal, ob der Wecker richtig eingestellt war, dann schloss sie seufzend die Augen. Nur noch Frankfurt, danach hatte sie fünf Tage frei.
Fünf Tage ohne Lügen und Betrügereien und fünf Nächte, in denen sie lange schlafen konnte, ohne von Ramskoglers Grunzen und Stöhnen wachgehalten und halb zum Erbrechen gebracht zu werden.
***
Der Winter war noch einmal mit voller Wucht nach Frankfurt zurückgekehrt. Über Nacht waren an die vierzig Zentimeter Schnee gefallen, und ein eisiger Wind fegte über die weiß überzuckerte Stadt.