Der Notarzt 366 - Karin Graf - E-Book

Der Notarzt 366 E-Book

Karin Graf

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Mit schweren Schritten geleitet Johannes Auersbach seine Tochter durch den Kirchengang. Dort vorne wartet der Bräutigam und schaut seiner Zukünftigen entgegen. Die Gäste recken ihre Köpfe nach der schönen Braut. Alles könnte so feierlich sein, doch in Johannes, der zugleich auch der Trauzeuge seiner Tochter ist, überschlagen sich die Gedanken. Nur noch wenige Meter bis zum Altar, gleich muss er Wilhelmina loslassen und an ihren baldigen Ehemann übergeben. Alles in ihm sträubt sich dagegen. Als Vater hat er stets das Beste für seine kleine Mina gewollt. Er hat sich geschworen, sie vor allem Leid zu beschützen. Was aber, wenn der Wartende dort vorne der Falsche ist? Johannes hat sich immer einen ganz anderen jungen Mann an die Seite seiner Tochter gewünscht: Nick, Minas allerbesten Freund seit Kindheitstagen. Die beiden gehören einfach zusammen, auch wenn sie das scheinbar nicht einsehen wollen. Und wie es aussieht, ist es jetzt ohnehin zu spät für eine solche Erkenntnis. Der Pfarrer setzt bereits zu seinen ersten Worten an. In dem Moment greift sich Johannes ans Herz und stürzt bewusstlos auf den kalten Steinboden. Der eilig herbeigerufene Notarzt schafft es trotz aller Bemühungen nicht, den Trauzeugen wieder zur Besinnung zu bringen ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 119

Veröffentlichungsjahr: 2020

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Impressum

Einmal ist keinmal

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Blue Planet Studio / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-9324-8

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Einmal ist keinmal

Bewegender Arztroman um eine Braut und ihren Trauzeugen

Von Karin Graf

Mit schweren Schritten geleitet Johannes Auersbach seine Tochter durch den Kirchengang. Dort vorne wartet der Bräutigam und schaut seiner Zukünftigen entgegen. Die Gäste recken ihre Köpfe nach der schönen Braut. Alles könnte so feierlich sein, doch in Johannes, der zugleich auch der Trauzeuge seiner Tochter ist, überschlagen sich die Gedanken. Nur noch wenige Meter bis zum Altar, gleich muss er Wilhelmina loslassen und an ihren baldigen Ehemann übergeben. Alles in ihm sträubt sich dagegen. Als Vater hat er stets das Beste für seine kleine Mina gewollt. Er hat sich geschworen, sie vor allem Leid zu beschützen. Was aber, wenn der Wartende dort vorne der Falsche ist? Johannes hat sich immer einen ganz anderen jungen Mann an die Seite seiner Tochter gewünscht: Nick, Minas allerbesten Freund seit Kindheitstagen. Die beiden gehören einfach zusammen, auch wenn sie das scheinbar nicht einsehen wollen. Und wie es aussieht, ist es jetzt ohnehin zu spät für eine solche Erkenntnis. Der Pfarrer setzt bereits zu seinen ersten Worten an. In dem Moment greift sich Johannes ans Herz und stürzt bewusstlos auf den kalten Steinboden. Der eilig herbeigerufene Notarzt schafft es trotz aller Bemühungen nicht, den Trauzeugen wieder zur Besinnung zu bringen …

„Ich frage mich wirklich, wozu wir unsere Sachen überhaupt noch in den Schrank hängen“, murmelte die Kinder- und Jugendpsychologin Dr. Lea König, als sie an diesem strahlend schönen Samstagmorgen ihr festliches Seidenkleid und Peter Kerstens besten Anzug aus dem begehbaren Schrank holte. „Für die paar Tage zwischen den einzelnen Festen lohnt es sich doch überhaupt nicht. Wir tanzen, wie man so schön sagt, auf allen Hochzeiten.“

Der Leiter der Notaufnahme an der Frankfurter Sauerbruch-Klinik, räkelte sich im Bett und gähnte.

„Das liegt am Frühling. Alle wollen im Frühling heiraten.“

„Nein, das liegt daran, dass du so beliebt bist und von fast allen deinen Kolleginnen und Kollegen eingeladen wirst.“ Lea schaute stirnrunzelnd an sich selbst hinab. „Und ich bin dabei die Leidtragende.“

„Magst du keine Hochzeiten?“

„Klar mag ich Hochzeiten! Aber leider mag ich die prächtigen Hochzeitskuchen genauso gerne. Und den Champagner. Zwei, drei Hochzeiten noch und ich muss mir ein neues Kleid kaufen. Oder mir so ein Spandex-Zeugs besorgen, das meine wabbeligen Teile zusammendrückt. Oder abspecken.“

„Lieber ein neues Kleid“, riet Peter seiner Lebensgefährtin. „Ich liebe nämlich deine wabbeligen Teile.“

„Falscher Text, mein Lieber!“ Lea schüttelte schmunzelnd den Kopf. „Du hast keine wabbeligen Teile, du bist gertenschlank und schön wie der junge Frühling, so muss es heißen. Also …“ Sie hob lachend den Zeigefinger hoch. Wir versuchen es gleich noch mal.“

„Sowieso bist du gertenschlank“, beeilte Peter sich, Lea zu versichern. „Und das ist sogar die Wahrheit. An dir ist kein Gramm zu viel. Und der junge Frühling, der kann mit dir überhaupt nicht mithalten. Der verblasst neben deiner unvergleichlichen Schönheit, deiner makellosen Figur, deinem glänzenden güldenen Haar und deinen strahlenden …“

„Danke, das reicht schon.“ Die Psychologin lachte. „Wir wollen es nicht übertreiben. Auch Komplimente wollen wohl dosiert sein, sonst werden sie unglaubwürdig.“ Sie hielt drei verschiedenfarbige Krawatten hoch. „Fühlst du dich heute eher gelb oder rot oder blau-schwarz gestreift?“

„Egal“, erwiderte der Notarzt. „Ich reiße sie mir sowieso bei der erstbesten Gelegenheit wieder runter. Ich kann Krawatten nicht ausstehen, wie du weißt. Besonders gesund sind sie auch nicht, die schnüren einem die Karotisarterie ab, und dabei kann es zur Unterversorgung des Gehirns mit Sauerstoff kommen.“

„Ach, ist das so?“ Lea hob interessiert den Kopf hoch. „Könnte das der Grund dafür sein, dass unsere Politiker …“ Sie brach ab und machte eine wegwerfende Handbewegung. „Aber lassen wir das.“

Sie hängte Peters Anzug, ein dazu passendes Hemd und die rote Krawatte auf einen Kleiderbügel und zog eine Schutzhülle aus Plastik darüber.

„Vergiss nicht, dass du die Sachen nachher in die Klinik mitnimmst. Sonst musst du im Kittel zur Trauung kommen, und Weiß ist doch der Braut vorbehalten.“

Es hatte sich leider wegen mehrerer Erkrankungen in seinem Team so ergeben, dass Peter heute die Frühschicht übernehmen musste. Er wusste noch nicht einmal hundertprozentig, ob er es schaffen würde, am frühen Nachmittag zur kirchlichen Trauung zu erscheinen.

„Wenn ich nicht kommen kann, stoße ich um kurz nach sieben zu euch“, sagte er. „Dann fahre ich direkt in das Hotel, in dem das Fest stattfindet. Nimmst du das Hochzeitsgeschenk mit, Schatz?“

Lea nickte. „Ich gebe es vor der kirchlichen Trauung im Hotel ab. Um es in die Kirche mitzunehmen, ist es ein bisschen zu groß.“

„Gut. Wilhelmina wird ausflippen, wenn sie es auspackt. Seit Jahren wünscht sie sich schon eine alte Bahnhofsuhr für ihr Wohnzimmer. Die wird ihr gefallen.“

„Die ist wirklich wunderschön. Ein Glück, dass wir sie zuletzt doch noch auf dieser Auktion gefunden haben.“ Lea steckte Peters Schuhe zusammen mit passenden Socken in eine Plastiktüte. „Sag mal, wieso gibt es denn vor der kirchlichen Trauung keine standesamtliche? Ist es nicht allgemein üblich, zuerst am Standesamt zu heiraten?“

„Die war schon vor fünf Wochen. An dem Wochenende, an dem du auf Vortragsreise in der Schweiz warst und ich dieses Seminar in Berlin hatte.“

„Ach so. Dann sind sie also schon verheiratet?“

„Nein.“ Peter schüttelte schmunzelnd den Kopf und setzte sich im Bett auf. „Der Termin musste verschoben werden. Er findet irgendwann im Sommer noch einmal statt.“

„Noch einmal?“ Lea zuckte mit den Schultern. „Warum denn?“

„Das war eine verrückte Sache. Die Zeremonie war schon halb vorüber, da hat Minas Trauzeuge – es war ihr Vater – einen Herzinfarkt erlitten. Und zwar noch bevor der Standesbeamte das Brautpaar zu Mann und Frau erklären konnte.“

„Du meine Güte! Wurde die Zeremonie abgebrochen?“

„Natürlich. Wilhelmina hat ein unglaublich inniges Verhältnis zu ihrem Vater. Er hat sie ganz alleine großgezogen. Ihre Mutter ist wenige Tage nach der Geburt an irgendwelchen übersehenen Komplikationen gestorben. Sie war vor Angst um ihn völlig durch den Wind und ist natürlich im Krankenwagen mitgefahren.“

„Na klar. Ist er …? Er ist doch nicht etwa …?“

Peter lachte. „Nein, es geht ihm gut. Tom hatte damals in der Notaufnahme Dienst. Weißt du, was er behauptet hat?“

„Was denn?“

„Dass man gar nicht gesünder sein kann als Johannes Auersbach. Er hatte ihn unter Verdacht, nur markiert zu haben.“

„Warum sollte er das tun?“

„Also …“ Peter warf einen Blick auf den Wecker, der auf seinem Nachtschränkchen stand. Es war bereits sechs Uhr, und er musste spätestens um halb sieben losfahren, wenn er pünktlich in der Notaufnahme der Sauerbruch-Klinik sein wollte. „Wenn wir noch zusammen frühstücken wollen, muss ich mich sputen, Schatz.“

Er sprang aus dem Bett und lief ins Bad, um sich die Zähne zu putzen. Lea folgte ihm.

„Also? Warum?“, erinnerte sie Peter an die Antwort auf ihre Frage, die er ihr noch schuldig war.

„Wilhelmina hat schon einmal geheiratet. Vor drei Jahren. Gleich nach Beendigung ihres Medizinstudiums. Einen fast zwanzig Jahre älteren Dozenten. Damals war ich bei der standesamtlichen Trauung anwesend. Wir beide waren da noch gar nicht zusammen.“

„Dann ist Mina also geschieden?“

„Eben nicht“, erwiderte Peter schmunzelnd. „Auch damals war ihr Vater der Trauzeuge, und auch damals hat er kurz vor der Eheschließung eine Herzattacke erlitten und ist beim Standesamt vom Stuhl gekippt. Damals habe ich ihn selbst untersucht.“

„Und auch nichts gefunden?“

„Nichts. Er war damals sechsundfünfzig. Anhand seiner Vitalparameter und seines allgemeinen Gesundheitszustands hätte ich ihn allerdings auf Anfang dreißig geschätzt. Und kaum war die Hochzeit abgesagt, ging es ihm auch schon wieder hervorragend.“

„Und der Mann, den Mina heute heiratet …“

„Ist ein anderer. Die damalige Beziehung mit diesem Dozenten ist zu Bruch gegangen, ehe sie einen neuen Hochzeitstermin ausmachen konnten.“

Lea schüttelte schmunzelnd den Kopf.

„Das ist schon ein bisschen verdächtig. Wenn so etwas einmal passiert, dann denkt sich keiner was dabei. Einmal ist keinmal. Aber zweimal hintereinander einen Herzinfarkt bei der Trauung der eigenen Tochter zu erleiden, das klingt nicht mehr nach einem Zufall. Vielleicht kann er sie nicht loslassen. Wohnt sie noch bei ihm?“

Peter nahm die Zahnbürste aus dem Mund, um antworten zu können.

„Ja. Er besitzt ein großes Haus in der Nähe vom Zoo. Wilhelmina hat darin zwar ihre eigene Wohnung, aber natürlich sehen sie sich jeden Tag und verbringen viel Zeit miteinander.“

„Na, dann bin ich aber gespannt, was heute passieren wird.“ Lea lachte. Sie dachte eine Weile nach. „Gar nichts vermutlich“, antwortete sie sich selbst. „Nur die kirchliche Trauung alleine ist ja ohnehin nicht rechtskräftig. Und in der Kirche wird er wohl kaum eine dramatische Szene veranstalten.“

„Wohl kaum“, stimmte Peter ihr zu. „Heute sind an die fünfzig Gäste eingeladen. Außerdem ist das Fest im besten Hotel der Innenstadt schon vorbereitet und bezahlt, und die Hochzeitsreise ist ebenfalls gebucht. Die beiden fliegen am frühen Morgen auf die Seychellen.“

„Das muss alles zusammen einen Haufen Geld gekostet haben“, mutmaßte Lea. „Da wäre es doch ziemlich gemein, wenn er ihnen auch das noch kaputtmachen würde.“

„Na ja, es ist sein Geld. Er hat alles bezahlt. Auch die Reise und sogar die Ringe.“

„Und der Mann, den Wilhelmina heiratet – kennst du ihn gut?“

„Nicht besonders. Eigentlich nur vom Sehen und vom üblichen Kliniktratsch.“ Peter wollte seinen Rasierapparat anstecken, überlegte es sich jedoch anders und drückte ihn Lea in die Hand. „Bist du so lieb und steckst ihn mir in die Tüte mit den Schuhen? Ich rasiere mich in der Notaufnahme, kurz bevor ich aufbreche.“

„Ist er auch Arzt an der Sauerbruch-Klinik?“, hakte Lea nach, während sie den Rasierapparat verstaute.

„Nein, er arbeitet seit etwa zwei Jahren in unserer Rechtsabteilung. Er hat Jura studiert, sein Studium aber nicht abgeschlossen. Jetzt erledigt er den Schreibkram für Dr. Altenberg. Trotzdem stellt er sich gerne als Doktor Dennis Wurbala vor.“ Peter verdrehte die Augen und schnitt eine Grimasse.

„Du magst ihn nicht?“

„Wie gesagt, ich kenne ihn nicht wirklich. Aber er ist mir irgendwie unsympathisch. Ich kann nicht wirklich verstehen, was Mina an ihm findet.“ Peter holte sich ein frisches T-Shirt aus dem Schrank und schlüpfte in die Jeans vom Vortag, die er ohnehin nur ein halbe Stunde lang auf der Fahrt zur Arbeit und eine weitere halbe Stunde auf der Heimfahrt angehabt hatte. „Du kennst sie ja. Sie ist so …“

Der Notarzt zuckte mit den Schultern. Er war noch ziemlich verschlafen, und es fielen ihm nicht die richtigen Worte ein.

„Einfach“, half Lea ihm weiter. „Sie ist einfach im positiven Sinn. Ich meine damit das Gegenteil von kompliziert. Sie ist so erfrischend natürlich. Sie ist spontan, quirlig, temperamentvoll, warmherzig, offen, einfach ein sehr angenehmer Mensch, in dessen Nähe man sich wohlfühlt. Und er?“

„Das genaue Gegenteil. Kleinkariert, mausgrau, langweilig, spießig und ziemlich überheblich. Obwohl er eigentlich absolut keinen Grund dazu hätte, denn er ist ja selbst nicht gerade das Gelbe vom Ei.“

Lea lachte. „Ich denke, das wird eine sehr spannende Hochzeit werden. Und ich fürchte, ich werde keine Zeit haben, um die Braut gebührend zu bewundern. Meine Augen werden starr auf den Trauzeugen gerichtet sein, und ich werde mit angehaltenem Atem auf die kleinsten Anzeichen achten, ob er womöglich abermals eine Herzattacke erleidet.“

***

Während Peter Kersten in der Villa im Frankfurter Stadtteil Schwanheim noch mit der Morgentoilette beschäftigt war, betrat Prof. Lutz Weidner, der Chefarzt der Sauerbruch-Klinik, um kurz nach sechs Uhr morgens die Kardiologie, deren Leiter er war.

Auf dem Weg zu seinem Büro warf er einen Blick in das Ärztezimmer.

„Guten Morgen, lieber Kollege!“, grüßte er seinen Assistenzarzt, den siebenundzwanzigjährigen Nicolas Jung, der in der vergangenen Nacht Bereitschaftsdienst gehabt hatte, freundlich und beschwingt. „Gab es irgendwelche Vorkommnisse, über die ich Bescheid wissen sollte?“

„Morgen, Professor.“ Nick hob den Kopf, und Prof. Weidner entfuhr ein zischender Laut. Der junge Mediziner im dritten Ausbildungsjahr sah wie um zwanzig Jahre gealtert aus.

Die dunklen Haare standen ihm wirr vom Kopf ab, seine Augen waren gerötet und verquollen, und schwarze Ringe darunter ließen sie wie tief eingesunken wirken.

Die Nachtdienste auf der Kardiologie waren üblicherweise eine recht gemütliche Angelegenheit. In der Regel konnte der diensthabende Arzt die ganze Nacht lang schlafen und wurde nur sehr selten von der Nachtschwester zu Hilfe gerufen.

Natürlich ging Lutz Weidner beim Anblick des sonst so attraktiven und fröhlichen jungen Mannes automatisch davon aus, dass dieser eine schlaflose Nacht hinter sich hatte, in der ein lebensbedrohlicher medizinischer Zwischenfall sich an den nächsten gereiht haben musste.

„Mussten Sie jemanden reanimieren? Frau Koholka vielleicht? Haben sich bei ihr nach der gestrigen Operation Komplikationen eingestellt? Oder haben sich bei Herrn Rupp weitere Herzkranzgefäße verschlossen, und er hat einen neuerlichen Infarkt erlitten? Was war, um Himmels willen, in dieser Nacht los? Reden Sie doch, Kollege!“

„Nichts war los“, winkte Nick müde ab. „Frau Krausgruber hatte einen Albtraum. Ich habe eine Weile an ihrem Bett gesessen und mit ihr geplaudert, bis sie wieder eingeschlafen ist. Das war aber auch schon alles. Die restliche Nacht war es völlig ruhig.“

„Und warum sehen Sie dann wie durchgekaut und ausgespuckt aus?“ Lutz Weidner legte dem jungen Mediziner, der wie er Kardiologe werden wollte, vier Finger unter das Kinn, hob seinen Kopf hoch und schaute ihm prüfend in die Augen. „Sie sind doch nicht etwa krank?“

Nick versuchte zu lächeln und schüttelte den Kopf.

„Nee, Professor, mir geht es super.“

„Erzählen Sie mir doch keine Märchen!“ Der Chefarzt legte Nick eine Hand auf die Stirn, um seine Temperatur zu prüfen. „Halten Sie mich für einen so miserablen Arzt, dass Sie glauben, mich täuschen zu können?“

„Natürlich nicht!“ Nick atmete tief ein und straffte seine vornüberhängenden Schultern. „Sie wissen doch, dass Sie mein absolutes Vorbild sind. Ich möchte einmal so sein wie Sie, wenn ich …“ Er zuckte verlegen grinsend mit den Schultern. „Wenn ich groß bin.“

„Vielen Dank, das ehrt mich sehr.“ Prof. Weidner deutete eine Verbeugung an.

Bei aller Bescheidenheit hatte er sich so etwas Ähnliches doch schon gedacht. Der junge Kollege, den er sehr schätzte und mochte, hing seit seinem ersten Tag auf der Kardiologie förmlich an seinen Lippen. Er scheute sich auch nicht davor, ihm bei komplizierten Behandlungen oder Operationen tausend Fragen zu stellen.