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Nie hätte Leni es für möglich gehalten, und doch ist es geschehen: Ihre Ehe mit Max ist am Ende. Dreizehn Jahre lang waren sie überglücklich miteinander, aber all das hat ihr Mann weggeworfen. Weggeworfen für eine blutjunge "Tussi", die ihm mit ihrer knappen Kleidung und ihren körperlichen Reizen den Kopf verdreht hat. Und wie es aussieht, war das Ganze nicht etwa ein einmaliger Ausrutscher, nein - Max trifft sich schon seit Wochen heimlich mit dieser Larissa!
Als Leni ihrem Mann auf den Kopf zusagt, dass sie über seine Affäre im Bilde ist und aus dem gemeinsamen Haus ausziehen wird, weiß dieser vor Verzweiflung und Scham weder ein noch aus. Er liebt seine Frau über alles und will sie nicht verlieren. Aber Larissas Reizen kann er einfach nicht widerstehen. Max bittet Leni inständig, mit ihm zusammen Stefania Feinlein aufzusuchen. Von dieser Paartherapeutin hat er schon viel Gutes gehört, vielleicht kann sie ihnen irgendwie helfen, ihre Ehe zu retten? Zögernd willigt Leni schließlich ein. Doch was die Psychologin ihnen empfiehlt, ist nicht nur höchst unkonventionell, sondern führt dazu, dass plötzlich außer Lenis Ehe auch ihr Leben in höchste Gefahr gerät ...
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Seitenzahl: 124
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
In Erinnerung an unsere Ehe
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Prostock-studio / shutterstock
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 9-783-7325-9776-5
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
In Erinnerung an unsere Ehe
Kann eine Therapeutin Max und Leni helfen, ihre Liebe zu retten?
Von Karin Graf
Nie hätte Leni es für möglich gehalten, und doch ist es geschehen: Ihre Ehe mit Max ist am Ende. Dreizehn Jahre lang waren sie überglücklich miteinander, aber all das hat ihr Mann weggeworfen. Weggeworfen für eine blutjunge „Tussi“, die ihm mit ihrer knappen Kleidung und ihren körperlichen Reizen den Kopf verdreht hat. Und wie es aussieht, war das Ganze nicht etwa ein einmaliger Ausrutscher, nein – Max trifft sich schon seit Wochen heimlich mit dieser Larissa!
Als Leni ihrem Mann auf den Kopf zusagt, dass sie über seine Affäre im Bilde ist und aus dem gemeinsamen Haus ausziehen wird, weiß dieser vor Verzweiflung und Scham weder ein noch aus. Er liebt seine Frau über alles und will sie nicht verlieren. Aber Larissas Reizen kann er einfach nicht widerstehen.
Max bittet Leni inständig, mit ihm zusammen Stefania Feinlein aufzusuchen. Von dieser Paartherapeutin hat er schon viel Gutes gehört, vielleicht kann sie ihnen irgendwie helfen, ihre Ehe zu retten?
Zögernd willigt Leni schließlich ein. Doch was die Psychologin ihnen empfiehlt, ist nicht nur höchst unkonventionell, sondern führt dazu, dass plötzlich außer Lenis Ehe auch ihr Leben in höchste Gefahr gerät …
„Genau so möchte ich es haben!“
In dem malerischen kleinen Städtchen Feldbach im wunderschönen Harz betrat Renate Baldur den Schönheitssalon und drückte der Inhaberin Leni Pfeffer eine aufgeschlagene Illustrierte in die Hand. Ein großes Foto von Helene Fischer füllte eine ganze Seite aus.
„Okay.“ Leni musste schlucken. Frau Baldur war klein, nicht wirklich dick, aber doch recht rundlich und hatte mausbraunes kurzes Kraushaar. Ihre Mundwinkel und die Kinnpartie hingen so stark nach unten, dass die Hautfalten hin und her schlackerten, wenn sie den Kopf schüttelte, und um die Augen hatte sie so viele Krähenfüße, als ob ein ganzer Vogelschwarm über ihr Gesicht gepilgert wäre.
Die achtundfünfzigjährige Buschauffeurin hatte sich zeit ihres Lebens nichts anderes ins Gesicht geschmiert als billiges Salatöl, und die scheußliche Dauerwelle hatte sie sich alle paar Monate bei einem Discountfriseur im Einkaufszentrum von Neustadt auffrischen lassen. Und so sah sie auch aus. Selbst Lenis Klobürste hatte eine schickere Fasson.
Natürlich wusste die attraktive Kosmetikerin und Friseurin, wo der plötzliche Wunsch zur Veränderung herkam. Das war einer der Nachteile des sonst recht idyllischen Lebens in einer sehr kleinen Kleinstadt: Es gab keine Geheimnisse. Seit Tagen ging das Gerücht in Feldbach um, Renate Baldur sei mittels einer Online-Partnervermittlung auf der Suche nach einem Ehemann.
„Also sollen wir Ihre Haare blondieren?“
„Nein.“ Frau Baldur schüttelte energisch Kopf und Hängebacken. „Ich bin Busfahrerin und kein Go-Go-Girl!
„Extensions?“
„Was?“
„Das ist eine künstliche Haarverlängerung.“
„Nein! Damit mir die Fransen dann beim Fahren bei offenem Fenster vors Gesicht wehen und ich noch einen Unfall baue?“
Seufzend nahm Leni die Illustrierte, die roch, als hätte sie bereits ein paar Tage lang als Unterlage in Frau Baldurs Hamsterkäfig gedient, noch einmal vorsichtig zwischen Daumen und Zeigefinger und hielt sie der Kundin, die sich bereits in einen der neuen sündhaft teuren Behandlungsstühle gefläzt hatte, vor die Augen.
„Aber schauen Sie her, Helene Fischer hat langes blondes Haar.“
„Weiß ich.“ Frau Baldur zuckte mit den Schultern. „Machen Sie es halt so, dass ich wie Helene Fischer mit kurzen brünetten Haaren aussehe. Das kann doch nicht so schwer sein.“
„Versuchen kann ich es ja“, gab sich Leni wenig zuversichtlich. Genauso gut hätte man von ihr verlangen können, aus einem Dackel ein Rennpferd zu machen. Aber bitte! Sie war an Derartiges gewöhnt.
Nicht selten kamen Kundinnen mit Fotos von Hollywoodstars zu ihr und verlangten, genauso auszusehen wie Angelina Jolie, Nicole Kidman oder Marilyn Monroe.
„Wenn Sie ein bisschen Zeit haben, lassen wir vor dem Waschen eine Ölpackung in Ihre Haare einwirken“, schlug sie vor. „Die sind schon recht brüchig. Von der Dauerwelle.“
„Ja, ja, machen Sie nur“, winkte die Kundin ab. „Ich habe bis sieben Zeit. Dann treffe ich mich mit einem Herrn. In der Pfeffermühle.“
„Ach, wie schön! Ich hoffe, Sie haben reserviert. Die Pfeffermühle ist abends immer sehr voll.“
„Hab ich.“ Frau Baldur griff zu einer der Illustrierten, die auf dem Tischchen vor ihr lagen. „Unglaublich, was Ihr Mann aus der alten, halb verfallenen Mühle gemacht hat“, sagte sie anerkennend. „Ich werde fast jeden Tag von Fahrgästen nach dem Weg gefragt. Die Pfeffermühle steht sogar in diesem Buch mit den besten Restaurants des Landes und wird auch in jedem Reiseführer erwähnt.“
„Ja, ich weiß.“ Leni lächelte stolz. Vier Jahre war es erst her, dass sie und Max in Berlin alle Zelte abgebrochen hatten und in das kleine verschlafene Feldbach gezogen waren.
Sie hatten sich beide in Rekordzeit genau das aufgebaut, wovon sie schon immer geträumt hatten. Max das Restaurant, das sehr idyllisch im Wald an einem rauschenden Mühlbach gelegen war und zu dem die Gäste mittlerweile von weither kamen. Und Leni ihren Schönheitssalon, der sich ebenfalls in kürzester Zeit zu einem Geheimtipp entwickelt hatte, der sogar Kundinnen aus der Großstadt anlockte.
„Du meine Güte“, murmelte Leni fast tonlos, als sie mit den Fingern durch die Haare der Kundin fuhr und dann auf eine Handvoll abgebrochener glasfaserartiger Kringel blickte.
Sie knetete eine dreifache Portion ihrer speziellen Ölmischung in das zerrupfte Vogelnest und hüllte es in Frischhaltefolie und zusätzlich noch in ein Handtuch ein. Dann trat sie vor ihre Kundin und begutachtete das nächste Krisengebiet.
„Ich würde zunächst einmal ein Peeling vorschlagen, um die verhornten Hautschuppen zu entfernen.“
„Ja, ja, entfernen Sie nur tüchtig. Augen, Nase, Mund würde ich gerne behalten, aber sonst ist da nichts, worum es schade wäre.“
Während sie die dunkelgrüne Peelingmaske in Frau Baldurs Gesicht pinselte, wartete Leni mit angehaltenem Atem auf …
„Ach übrigens, was ich Ihnen noch sagen wollte, falls Sie es nicht eh schon wissen …“
Na bitte! Mit genau diesen Worten und mit geheucheltem Mitleid leitete seit etwa drei Wochen jede zweite Kundin die Neuigkeit ein, die für Leni zwar längst keine mehr war, ihr aber dennoch immer wieder aufs Neue einen schmerzhaften Stich mitten ins Herz versetzte. Nämlich …
„Ich habe Ihren Mann neulich in Neustadt gesehen. Mit …“ Renate Baldur ließ die Hand am Gelenk baumeln, spreizte geziert den kleinen Finger ab und verstellte ihre Stimme zu einem erotischen Hauchen. „Mit Fräulein Larissa Kutschke, unserer neuen blutjungen Grundschullehrerin.“
Es folgte ein amüsiertes Gelächter, das wie das schrille Kläffen eines dieser winzigen Handtaschenhunde klang, und dann …
„Das Lesen hat sie ihm aber nicht beigebracht, das kann ich Ihnen verraten.“
„Ja, ich weiß.“
Frau Baldur schien mit dieser unspektakulären Reaktion nicht zufrieden zu sein, also setzte sie noch eins drauf.
„Und nicht nur ein Mal. Sie wissen ja, ich fahre fast täglich alle zwei Stunden nach Neustadt. Dort habe ich dann eine halbe Stunde Pause, dann geht es wieder zurück. Vorgestern habe ich die beiden auch wieder gesehen.“
„So, so.“
„Da sind sie gerade ins Hotel Rosemarie rein. Sie wissen ja vielleicht, im Rosemarie kann man auch Zimmer für nur ein, zwei Stunden buchen, wenn … wenn …“ Wieherndes Gelächter schüttelte Renate Baldurs ganzen Körper. „Wenn man schnell mal ein Mittagsschläfchen machen will“, keuchte sie.
Okay, das war neu. Dass die Sache schon so weit ging, das versetzte Leni einen mächtigen, schmerzhaften Stich. Sie presste die Lippen fest zusammen und pinselte der Kundin die dunkelgrüne Maske so eifrig ins Gesicht, als ob sie einen Weltrekord im Pinseln aufstellen wollte.
„Ziemlich eng umschlungen sind sie rein. Er hatte die Hand auf ihrem Po. Wo sie ihre Hand hatte, das sage ich Ihnen lieber nicht. So alt und abgebrüht kann man gar nicht werden, dass man da nicht noch kräftig erröten würde. Und sie hatten es verdammt eilig.“
Sofort tauchte ein Bild vor Lenis Augen auf. Ihr Max und diese platinblonde, erst dreiundzwanzig Jahre alte Sirene. Und dann konnte sie sich nicht länger zusammenreißen. Sie ließ den Pinsel fallen, wandte ihr Gesicht ab und schluchzte qualvoll auf.
„Jesses, das wollte ich aber nicht!“ Frau Baldur sprang halb von dem Behandlungsstuhl auf und wollte Lenis Hand nehmen.
Doch die hübsche Dreißigjährige mit den langen kastanienbraunen Haaren wich schluchzend zurück.
„Doch! Ich glaube schon“, schniefte sie. „Genau das wollten Sie!“
„Na ja, Sie haben schon recht“, gab die Busfahrerin unumwunden zu. „Wahrscheinlich wird man so, wenn man so lange allein lebt. Boshaft und sensationslüstern. Es gibt hier in Feldbach ja nicht besonders viele Freizeitangebote. Da muss man halt selbst schauen, wie man sich ein bisschen amüsieren kann. Es tut mir wirklich aufrichtig leid, Frau Pfeffer.
„Okay. Schon gut, ich werd‘s überleben. Und … aber … und eine Helene Fischer kann ich auch nicht aus Ihnen machen“, stieß Leni unter Tränen trotzig aus.
„Das war mir schon klar.“ Frau Baldur grinste verschmitzt. „Aber probieren kann man‘s ja. Hätte ja sein können, dass Sie irgendwelche magischen Fähigkeiten besitzen. Ich karre schließlich fast täglich Damen von Neustadt hierher, die behaupten, dass Sie Wunder wirken können.“
Sie brach in ein vergnügtes Gackern aus.
„Ich wäre Ihnen schon dankbar, wenn ich hinterher wenigstens gut fünf Minuten jünger aussähe. Ich habe dem Herrn, mit dem ich mich heute Abend treffe, ein fünfzehn Jahre altes Foto von mir geschickt. Wenn der mich so sieht, trifft ihn der Schlag.“
Sie betrachtete sich interessiert im Spiegel.
„Vielleicht kann man das Grüne ja gleich drauflassen. Damit sehe ich irgendwie vorteilhafter aus als ohne“, giggelte sie.
Leni trocknete sich die Tränen mit einem Papiertuch.
„Ich kann Ihnen Hyaluronsäure spritzen“, bot sie an. „Die polstert die Falten von innen auf und hebt die Kinnpartie an.“
„Was, das machen Sie auch?“ Renate Baldur starrte Leni Pfeffer verblüfft an. „Darüber habe ich schon öfter mal was gelesen. Aber ich dachte, dazu müsse man zum Schönheitschirurgen gehen, und das wollte ich nicht.“
„Ich habe das gelernt. Bei einem Arzt.“ Leni zog die Nase hoch und deutete mit dem Kinn hinter sich. „Dort hängt das Diplom, wenn Sie mir nicht glauben.“
Die Kundin machte sich nicht die Mühe, sich umzudrehen.
„Ihnen glaub ich jedes Wort. Und? Wie …? Ich meine …“
„Es tut ein bisschen weh, und es hält maximal ein Jahr lang. Dann müsste man nachspritzen. Ach ja, und ganz billig ist es auch nicht. Ich verlange hundertfünfzig Euro dafür.“
„Na, das ist ja ein Ding! In der Schönheitsklinik in Neustadt verlangen sie mehr als das Doppelte dafür. Mensch, wenn Sie mich damit so halbwegs vorzeigbar hinkriegen – dafür wäre ich Ihnen ewig dankbar.“
„Kein Problem. Sie werden sehr zufrieden sein, das verspreche ich Ihnen.“
„Super! Aber … kann ich danach denn sofort unter die Leute gehen? Bin ich dann nicht rot und verschwollen im Gesicht?“
„Die Einstichstellen wird man sehen, aber da gebe ich Ihnen ein gut deckendes Make-up drüber“, versprach Leni. „Ich kann Sie auch schminken, wenn Sie möchten.“
„Ja, tun Sie das!“ Renate Baldur ließ sich seufzend gegen die gepolsterte Rückenlehne fallen. „Jetzt tut es mir noch mehr leid, dass ich Ihnen das von vorhin so brühwarm unter die Nase gerieben habe. Aber machen Sie sich wegen der Tusse bloß keinen Kopf. Die ist eine neurotische Gans, die wird Ihr Mann bald satthaben.“
Sie lachte verächtlich auf.
„Frau Wallner hat mir erzählt, ihr Seppi hat neulich eine Kröte in die Schule mitgebracht. Der Notarzt musste kommen und ihr eine Beruhigungsspritze geben. Nervenzusammenbruch. Wegen einer Kröte! Überkandidelte Schnepfe! Ich glaube, sie kommt aus der Großstadt. Dort gibt es Tiere natürlich nur in Dosen. Oder im Kühlregal.“
„Schon gut“, winkte Leni ab. „Sie sind ja nicht die Erste, die mir das steckt. Ganz Feldbach scheint Bescheid zu wissen. Bis jetzt habe ich zu Hause den Mund gehalten. Hab gedacht, es wäre eine einmalige Sache. Ein Ausrutscher. Aber offensichtlich ist es doch etwas Ernstes.“
„Männer sind Schweine!“, zischte die Kundin. „Aber ganz ohne sie ist es halt auch irgendwie langweilig. Bloß Charakter haben die meistens keinen. Ein wackelnder Hintern und ein Paar Gummimöpse reichen, und sie verwandeln sich in sabbernde Straßenköter. Aber ich verwette mein neues faltenfreies Gesicht dafür, dass da keine Liebe mit im Spiel ist. Das ist bloß was rein Sexuelles.“
„Das macht die Sache auch nicht besser“, seufzte Leni. „Aber jetzt sollten Sie nicht mehr so viel reden, Frau Baldur, sonst bekommt die Maske Sprünge. Zehn Minuten lassen wir sie noch drauf, dann kann man sie einfach abziehen, und die abgestorbenen Hautschüppchen gehen mit. Ich bereite inzwischen das Hyaluron vor. Soll ich uns rasch einen Kaffee machen?“
Renate Baldur nickte. „Sie sind ein richtiger Schatz. Und Ihrem Mann gehören die Hammelbeine lang gezogen. Der weiß wohl nicht, was er da aufs Spiel setzt, der windige Streuner!“
Wann immer die Kinder- und Jugendpsychologin Dr. Lea König ihren Lebensgefährten von der Arbeit abholte, machte sie sich auf eine längere Wartezeit gefasst.
Als Leiter der Notaufnahme an der Frankfurter Sauerbruch-Klinik konnte Dr. Peter Kersten nicht einfach alles stehen und liegen lassen und nach Hause gehen, wenn sein Zwölfstundendienst beendet war.
Manchmal kam in letzter Sekunde noch eine komplizierte Notoperation dazwischen, die nicht einfach um Punkt sieben abgebrochen und an das Team der Spätschicht weitergereicht werden konnte.
Und so hatte Lea sich auch an diesem Abend ein bisschen Schreibkram mitgebracht, den sie an Peters Schreibtisch im Bereitschaftsraum erledigen wollte, während sie auf ihn wartete.
Heute hatten sie ohnehin nichts vor, was eine Verspätung zunichtemachen könnte. Heute mussten sie nicht – wie leider nur allzu oft – Theaterkarten verschenken, eine Einladung absagen, die Reservierung in einem Restaurant stornieren oder Freunde versetzen, die auf sie warteten.
Es war Peter und ihr gelungen, sich ein paar Tage freizuschaufeln, und sie hatten sich eine romantische Blockhütte mitten in freier Natur im traumhaft schönen Harz gemietet. Dort wollten sie – abgesehen von einem unliebsamen Termin, den sie morgen in Freistadt wahrnehmen mussten, fünf Tage lang nur schlafen, wandern und sich selbst nach Strich und Faden verwöhnen.
Verdient hatten sie es sich allemal, denn sie hatten beide während der vergangenen Monate hart gearbeitet und konnten sich kaum noch an ihren letzten gemeinsamen Urlaub erinnern.
„Der Chef ist noch im OP“, informierte die bildhübsche junge Schwester Annette sie, die gerade im hinteren Bereich des Bereitschaftsraums frischen Kaffee aufbrühte. „Er müsste aber jeden Moment rauskommen.“
„Danke.“ Lea lachte. „Das glaube ich aber erst, wenn er leibhaftig vor mir steht.
„Sie haben ja recht“, erwiderte die Pflegerin schmunzelnd. „Es kann immer noch was dazwischenkommen. Möchten Sie auch einen Kaffee?“
„Gerne.“ Lea nahm ihren Laptop aus ihrer Tasche, stellte ihn auf den Schreibtisch und schaltete ihn ein. „Aha, erwischt!“ Sie lachte und hob eine Tüte Gummibärchen hoch. „Er hat mir hoch und heilig versprochen, so ein Zeug nicht mehr zu essen, dieser Schlawiner.“