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Zwischen Sarah Wolff und ihrer sechsjährigen Tochter Maike besteht ein ausgesprochen enges Band. Dies ist umso besonderer, da Sarah nicht die leibliche, sondern die Stiefmutter des Mädchens ist. Seit drei Jahren ist sie mit Sebastian Wolff, dem Vater des Mädchens, verheiratet, und in diesen Jahren hat sich zwischen ihr und Maike eine so liebevolle Beziehung entwickelt, wie sie nicht inniger sein könnte.
Doch leider ist das Familienglück alles andere als ungetrübt, denn Sebastian hat sich seit der Hochzeit in einen Tyrannen verwandelt, der seine Frau nicht nur bedroht, sondern auch regelmäßig schlägt und schwer verletzt. Unter normalen Umständen hätte sie ihn längst verlassen, wenn ... ja, wenn da nicht Maike wäre. Denn ihrer Tochter hat Sarah hoch und heilig versprochen, sie niemals zu verlassen. Und ihr ist klar: Würde sie sich von Sebastian trennen, würde ihr der angesehene und sehr einflussreiche Journalist sofort den Kontakt zu der Sechsjährigen verbieten. Und das würde nicht nur Sarah, sondern auch Maike das Herz brechen. Was also kann sie anderes tun, als ihrem Kind zuliebe in einer Ehe auszuharren, die ihr das Leben jeden Tag zur Hölle macht?
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Seitenzahl: 117
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
Für immer bei dir
Vorschau
BASTEI LÜBBE AG
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: fizkes / shutterstock
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 9-783-7517-0052-8
www.bastei.de
www.luebbe.de
www.lesejury.de
Für immer bei dir
Arztroman um eine Mutter, die ihrer Tochter ein großes Versprechen gab
Karin Graf
Zwischen Sarah Wolff und ihrer sechsjährigen Tochter Maike besteht ein ausgesprochen enges Band. Dies ist umso besonderer, da Sarah nicht die leibliche, sondern die Stiefmutter des Mädchens ist. Seit drei Jahren ist sie mit Sebastian Wolff, dem Vater des Mädchens, verheiratet, und in diesen Jahren hat sich zwischen ihr und Maike eine so liebevolle Beziehung entwickelt, wie sie nicht inniger sein könnte.
Doch leider ist das Familienglück alles andere als ungetrübt, denn Sebastian hat sich seit der Hochzeit in einen Tyrannen verwandelt, der seine Frau nicht nur bedroht, sondern auch regelmäßig schlägt und schwer verletzt. Unter normalen Umständen hätte sie ihn längst verlassen, wenn … ja, wenn da nicht Maike wäre. Denn ihrer Tochter hat Sarah hoch und heilig versprochen, sie niemals zu verlassen. Und ihr ist klar: Würde sie sich von Sebastian trennen, würde ihr der angesehene und sehr einflussreiche Journalist sofort den Kontakt zu der Sechsjährigen verbieten. Und das würde nicht nur Sarah, sondern auch Maike das Herz brechen. Was also kann sie anderes tun, als ihrem Kind zuliebe in einer Ehe auszuharren, die ihr das Leben jeden Tag zur Hölle macht?
Prof. Lutz Weidner, der Chefarzt der Frankfurter Sauerbruch-Klinik, rückte mit seinem Stuhl näher an den Schreibtisch heran, hinter dem Dr. Peter Kersten saß.
„Die Wahrheit, bitte!“, verlangte er mit Grabesstimme. „Die reine Wahrheit und nichts als die Wahrheit.“
Peter Kersten, der Leiter der Notaufnahme, rutschte unruhig auf seinem Drehsessel hin und her. Wie alle Menschen, die logen und diese zweifelhafte Kunst nicht wirklich gut beherrschten, fühlte er sich äußerst unwohl. Er spürte, wie seine Ohren zu glühen begannen, er wich dem Blick des Chefarztes konsequent aus und spielte mit einem Bleistift, den er zwischen seinen Fingern hin und her wandern ließ.
Er hätte sich nicht gewundert, wenn auf seiner Stirn das Wort Lügner in großen roten Leuchtbuchstaben aufgeblinkt wäre.
Den Kopf tief gesenkt, brütete er dumpf vor sich hin, während Prof. Weidner auf seine Antwort wartete.
Wie hatte es nur so weit kommen können? War es tatsächlich so, wie manche Psychologen behaupteten, dass jeder Mensch dazu bereit war, gewalttätig zu werden? Dass nur der richtige Auslöser dazu notwendig war, um einen ansonsten friedliebenden Menschen in einen blindwütigen Berserker zu verwandeln?
Die einen hatten schlicht und einfach Spaß daran, andere zu verletzen oder gar zu töten. Die anderen wurden durch irgendeine kleine Fehlschaltung im Gehirn dazu getrieben. Und wieder andere spielten sich als Richter auf und glaubten, persönlich exekutieren zu müssen, was ansonsten ungestraft geblieben wäre.
War irgendeine dieser Gruppen besser oder schlechter als die andere? Oder waren sie alle gleichermaßen schlicht und einfach als Gewalttäter zu bezeichnen?
Peter kam zu dem Schluss, dass Letzteres der Fall war. Gewalt, aus welchen Gründen auch immer, war verabscheuungswürdig. Es konnte keine Rechtfertigung dafür geben. Punkt. Aus. Ende.
Aber er hatte nicht anders gekonnt!
„Es war nicht mit Absicht“, grummelte er. Automatisch schob sich seine Unterlippe trotzig nach vorne, und sein Blick schweifte unruhig im ganzen Bereitschaftsraum herum.
„Sie sind wahrhaftig der mit Abstand schlechteste …“
„Arzt?“, fragte Peter, als Lutz Weidner mitten im Satz stockte.
„Nein! Nein, nein, das ganz bestimmt nicht!“ Der Chefarzt, der sich zuvor mit den Ellbogen auf den Schreibtisch gestützt, weit vorgebeugt und versucht hatte, Augenkontakt mit dem Notarzt herzustellen, lehnte sich mit einem frustrierten Seufzer zurück. „Lügner wollte ich sagen. Ich kenne niemanden, der so miserabel lügt wie Sie, Kollege.“
Er lachte bitter auf.
„Sehen Sie sich doch nur an! Ihre Nase ist bereits auf ihre doppelte Länge angewachsen.“
Peter wollte es nicht tun, aber er konnte nicht mehr verhindern, dass seine Hand reflexartig nach oben schnellte, um seine Nase zu befühlen.
Der Chefarzt schnaubte durch die Nase und schüttelte den Kopf.
„Wenn man Sie als Spion eingesetzt hätte, wäre das ganze Land längst verraten und verkauft. Geben Sie es doch auf. Sie sind zu dumm zum Lügen. Also: Die Wahrheit, bitte!“
„Es war nicht mit Absicht!“, brauste der Notarzt trotzig auf. „Diese Tür ist die reinste Todesfalle, das wissen Sie selbst! Es handelt sich dabei um eine Fehlkonstruktion. Vielleicht sollte man dort eine Ampel installieren. Damit jeder, der von oben runter und um die Ecke kommt, weiß, dass hinter der Ecke gerade eine Tür aufgemacht wird, gegen die man unweigerlich kracht, wenn man nicht darauf vorbereitet ist.“
Prof. Weidner schlug die Beine übereinander.
„Seit ich hier an der Sauerbruch-Klinik beschäftigt bin, seit Jahrzehnten also, ist es durch diese Tür noch zu keinen Todesfällen gekommen.“
„Er ist ja auch nicht tot! Oder?“
„Nein. Aber sein Nasenbein ist gebrochen, und es fehlen ihm zwei Vorderzähne. Abgesehen davon, dass man sich niemals zu gewalttätigen Handlungen hinreißen lassen sollte, schon gar nicht als Arzt, ist Herr Wolff nicht irgendwer. Das wissen Sie. Er wird nicht ruhen, ehe er uns nicht restlos fertiggemacht hat.“
„Wieso uns? Wenn schon, dann ja wohl mich.“
„Und mit Ihnen unsere ganze Klinik. Was meinen Sie, wie es sich auswirken wird, wenn täglich in den Zeitungen steht, dass in unserem Krankenhaus unbescholtene Bürger aus dem Hinterhalt niedergeschlagen werden?“
„Er ist gegen die Tür gerannt!“
„Die Sie genau zum richtigen Zeitpunkt mit voller Wucht aufgestoßen haben.“
„Konnte ich wissen, dass er um die Ecke gerannt kommt?“
„Er behauptet, Sie hätten es absichtlich getan!“
„Er lügt!“
„Oder Sie!“
„Soll er mich halt anzeigen!“
„Das hat er bereits!
„Mir doch egal!“
„Mir aber nicht!“
Der Schlagabtausch der beiden Mediziner wurde immer schneller und lauter.
„Hat er Sie beleidigt?“
„Blödsinn!“
„Waren Sie eifersüchtig auf seinen Erfolg und seinen Reichtum?“
„Ha, ha!“
„Was dann?“
Als Peter ahnte, dass es nur noch Sekunden dauern würde, bis er einknickte, stand er auf.
„Wohin, Kollege? Wir sind noch nicht fertig!“
Der Notarzt grummelte irgendetwas Unverständliches und deutete mit dem Kinn auf einen Aktenschrank, der an der gegenüberliegenden Wand stand.
Er öffnete ihn, nahm einen Ordner heraus, kehrte wieder an seinen Schreibtisch zurück und warf die Mappe wortlos vor den Chefarzt auf den Tisch.
„Was ist das?“
„Hm!“ Peter forderte den Klinikchef dazu auf, es selbst herauszufinden, indem er sein Kinn herausfordernd nach oben ruckte.
Der medizinische Leiter der Sauerbruch-Klinik schlug die Mappe auf. Dann sog er zischend die Luft ein.
„Wer ist das?“ Er starrte schaudernd auf das Foto einer Frau, deren Gesicht nur noch eine einzige blutige Masse war.
„Hm!“, grummelte Peter und gab dem Chefarzt abermals mit einer knappen Geste zu verstehen, dass er selbst nachsehen sollte. Er bekam den Mund nicht mehr auf. Seine Kehle fühlte sich wie zugeschnürt an. Die Zunge klebte völlig ausgedörrt an seinem Gaumen fest. Er konnte nur noch ganz flach atmen. In seinem Inneren tobte ein heftiger Krieg.
Er hatte gedacht, er würde sich erleichtert fühlen, wenn er tat, was er getan hatte. Er hatte gedacht, er könne damit etwas beenden, was nun schon seit Jahren so ging. Er war so verdammt naiv gewesen, dass er tatsächlich geglaubt hatte, es würde genügen, jemandem eine Lehre zu erteilen, um damit die Welt ein bisschen besser zu machen.
Doch es hatte nicht geklappt. Die Welt war nicht besser geworden. Im Gegenteil. Er hatte sich nur ebenfalls in das Buch eingetragen, in dem alle Schlechtigkeiten der Welt verzeichnet waren.
Gewalt gegen Gewalt erzeugte immer nur noch mehr Gewalt. Das war eine ganz simple Rechnung, nicht wahr? Ein Schwert und noch ein Schwert ergab ja auch keine Friedenstaube. Oder?
„Verdammte Scheiße! – Entschuldigung, es tut mir leid. Es ist mir rausgerutscht.“
Doch Prof. Weidner hatte seinen verbalen Ausrutscher gar nicht gehört. Er blätterte mit fest zusammengepressten Lippen und spitzen Fingern eine Seite nach der anderen um. Ein Foto nach dem anderen. Eines schlimmer als das andere. Von Bild zu Bild immer noch mehr Blut. Schlimmere Verletzungen. Wenn diese Serie sich in diesem Muster fortsetzte, musste an ihrem Ende unweigerlich der Tod stehen.
„War er das?“
„Der Weihnachtsmann wird‘s nicht gewesen sein!“
„Gibt es dafür Beweise?“
Peter zuckte mit den Schultern. Ja, er hatte Beweise. Aber die konnte er sich in sein Poesiealbum kleben. Oder sie sich sonst wohin stecken.
„Haben Sie denn nie Anzeige erstattet? Bei solchen Verletzungen, besonders dann, wenn sie wiederholt auftreten, sind wir dazu verpflichtet, Anzeige zu erstatten.“
Peter zuckte mit den Schultern, schüttelte den Kopf, verdrehte die Augen und grunzte verächtlich.
„Sie haben Anzeige erstattet?“
„Sicher.“
„Und?“
„Ha, ha!“
„Seine Frau hat die Aussage verweigert?“
„Sicher.“
„Was hat sie bei der Befragung angegeben?“
„Pfhh!“
„Dass sie die Treppe runtergefallen ist?“
„Mhm.“
Der Chefarzt blätterte zum nächsten Foto weiter.
„Dass sie beim Gemüse schneiden mit dem Messer abgerutscht ist?“
„Mhm.“
„Dass sie sich beim Bügeln ungeschickt angestellt hat?“
„Jep!“
„Dass sie gegen die Tür gerannt ist?“
„Mhm.“
„Und heute ist er gegen die Tür gerannt.“
„Tja …“
„Zufällig?“
„Nicht ganz.“ Ein abgrundtiefer Seufzer drang tief aus Peters Brust.
„Selbstjustiz also!“
Ein verzweifeltes Aufschluchzen folgte dem Seufzer.
„Es ist so verdammt schnell gegangen“, sprudelte jetzt die Wahrheit aus ihm heraus. „Da war plötzlich die Gelegenheit, und ich hatte keine Zeit, nachzudenken. Es war ein Reflex. Ich wollte es nicht. Ich …“
Peter brach mit einem frustrierten Seufzer ab. Keine Lügen mehr! Dazu war es jetzt ohnehin schon zu spät.
„Doch, ich wollte es. Und wie ich es wollte! In diesem Augenblick wollte ich es mit jeder Faser meines Herzens. Ja, ich habe es absichtlich getan.“
Prof. Weidner schlug schaudernd die vorletzte Seite um, die – wie alle anderen auch – aus einer transparenten Hülle bestand, in der ein großes Foto steckte.
„Himmelherrgott noch mal!“ Genau wie er vorher gedacht hatte, endete die Serie mit dem Tod. Er blickte auf eine wirklich übel zugerichtete Frauenleiche. Doch bei der Frau auf diesem einen Foto handelte es sich nicht um Sarah Wolff. Das hier war eine andere Frau. Sie sah Sarah Wolff zwar verblüffend ähnlich, aber es war eindeutig eine andere.
„Wer ist das?“
„Nummer eins.“
„Seine erste Frau?“
„Ja. Elisabeth Wolff.“
„Wie ist sie zu Tode gekommen?“
Peter stieß ein fast schon irres Lachen aus.
„Raten Sie doch mal, Professor.“
„Auf der Treppe?“
„Gewonnen!“
„Erzählen Sie!“, forderte Prof. Weidner den Notarzt auf und lehnte sich seufzend zurück. „Von Anfang an. Die Wahrheit, bitte. Die reine Wahrheit und nichts als die Wahrheit.“
***
„Maike, träumst du?“ Babette Gamsbichler, die Grundschullehrerin, riss Maike aus ihren Gedanken.
„Nein.“ Das war die Wahrheit. Sie träumte nicht. Denn träumen, das war ja etwas Schönes. Was Maike jedoch im Kopf herumging, war nicht schön. Ganz und gar nicht schön.
Es hatte etwas damit zu tun, was heute Morgen passiert war. Das hatte sie an etwas erinnert, was vor langer, langer Zeit auch schon einmal passiert war. Fast ganz genauso wie heute.
Damals war sie erst drei Jahre alt gewesen. Das wusste sie noch so genau, weil sie kurz darauf die Ohrringe bekommen hatte, die sie immer noch trug. Zum Geburtstag. Dem dritten. Kleine silberne Herzen, in denen noch kleinere goldene Herzen steckten.
Laura, ihre beste Freundin aus dem Kindergarten, hatte sie so sehr darum beneidet, dass ihre Freundschaft daran kaputt gegangen war. Weil Maike sie ihr nicht leihen wollte.
Aber wenige Tage vor den Ohrringen war etwas passiert, was sie schon fast vergessen hatte. Heute Morgen war die Erinnerung daran plötzlich wieder dagewesen. Weil eben fast das Gleiche wieder passiert war.
Es hatte unten laut gerummst, als sie noch im Bett gelegen hatte. Dann war ein Rettungswagen gekommen und hatte Mama mitgenommen. Und Mama war nie wieder zurückgekommen. So war es damals gewesen.
Heute Morgen hatte es wieder gerummst. Und es war wieder ein Rettungswagen gekommen. Und der hatte Mama – die neue Mama, von der sie längst vergessen gehabt hatte, dass sie neu war – wieder mitgenommen. Und jetzt hatte Maike schreckliche Angst, dass die neue Mama, die sie sehr, sehr lieb hatte, auch wieder nicht zurückkommen würde.
Wenn Papa sie heute Mittag von der Schule abholte und ihr wieder Ohrringe schenkte, dann würde sie Bescheid wissen. Aber sie wollte keine Ohrringe mehr bekommen. Nie wieder. Sie wollte lieber Mama behalten! Für immer.
„Du guckst ja schon wieder in die Luft, Maike!“
Frau Gamsbichler sprang von der Kante des Lehrertischs, auf der sie meistens saß, wenn sie nicht gerade irgendwas an die Tafel schrieb, und stellte sich dicht neben Maikes Pult. „Kannst du mir wiederholen, worüber ich gerade gesprochen habe?“
Das konnte sie natürlich nicht, denn sie hatte ja nicht zugehört. Vor ihr, hinter ihr und links und rechts von ihr begannen die Kinder jetzt zu zischen. Sie wollten ihr vorsagen, worüber Babette Gamsbichler gesprochen hatte. Da sie aber natürlich nur hinter vorgehaltener Hand flüstern konnten, verstand Maike …
„Tier. Sie haben über das Tier gesprochen.“
Die Lehrerin schüttelte tadelnd den Kopf.
„Du hörst nicht nur nicht zu, Maike, du scheinst auch schlecht zu hören.“ Sie wandte sich an die anderen Kinder. „Und wie oft muss ich euch noch sagen, dass nicht vorgesagt wird, wenn ich einen von euch etwas frage?“
Sie senkten alle die Köpfe oder guckten in die Luft oder betrachteten so interessiert ihre Bleistifte, als ob denen plötzlich vier Beine gewachsen wären. Keiner wollte es gewesen sein.
„Vier, nicht Tier! Wir haben über die Zahl vier gesprochen. Kannst du mir ein Rechenbeispiel nennen, das vier ergibt?“
Maike biss sich fest auf die Unterlippe. Mit dem Rechnen hatte sie es nicht so besonders. Ihr Gehirn mochte keine Zahlen. So, wie sie selbst Brokkoli immer gleich wieder ausspuckte, weil ihr der nicht schmeckte, so spuckte ihr Gehirn alle Zahlen gleich wieder aus, weil ihm die auch nicht schmeckten.
Gut möglich, dass ihr Gehirn sogar allergisch gegen Zahlen war. So, wie sie selbst gegen Erdnüsse und Äpfel allergisch war.
Musik und Zeichnen waren ihr lieber. Naturkunde mochte sie auch sehr gerne. Vor allem dann, wenn von Tieren die Rede war. Und im Lesen und Schreiben war sie sogar schon ziemlich gut.