1,99 €
Freudestrahlend umarmt Gloria Lienhart ihren guten Bekannten, den Notarzt Dr. Kersten.
"Ich habe die letzte Prüfung bestanden, ich bin jetzt endlich fertig ausgebildete Fotografin!", verkündet sie stolz. Peter Kersten freut sich aufrichtig für die Dreiundzwanzigjährige. Er weiß, dass sie eine sehr schwere Kindheit hinter sich hat und dass es zeitweise so aussah, als würde sie aufgrund ihrer schwachen Gesundheit niemals das Erwachsenenalter erreichen. Inzwischen hat sich Gloria jedoch zu einer kerngesunden, wunderschönen und lebensfrohen jungen Frau entwickelt. Dass sie nun auch noch ihren großen Traum verwirklicht hat und als Fotografin arbeiten wird, ist einfach wunderbar.
Der Notarzt ahnt nicht, dass er Gloria schon bald bei einer Notoperation vor sich auf dem OP-Tisch liegen haben wird. Denn als sie sich in der Morgendämmerung in den Wald begibt, um dort ein paar stimmungsvolle Bilder zu schießen, gerät sie in eine gefährliche Lage, die zu einem furchtbaren Unglück führt ...
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 114
Veröffentlichungsjahr: 2021
Cover
Die Fotografin
Vorschau
Impressum
Die Fotografin
Arztroman um eine Frau, die in höchste Gefahr gerät
Karin Graf
Freudestrahlend umarmt Gloria Lienhart ihren guten Bekannten, den Notarzt Dr. Kersten.
»Ich habe die letzte Prüfung bestanden, ich bin jetzt endlich fertig ausgebildete Fotografin!«, verkündet sie stolz. Peter Kersten freut sich aufrichtig für die Dreiundzwanzigjährige. Er weiß, dass sie eine sehr schwere Kindheit hinter sich hat und dass es zeitweise so aussah, als würde sie aufgrund ihrer schwachen Gesundheit niemals das Erwachsenenalter erreichen. Inzwischen hat sich Gloria jedoch zu einer kerngesunden, wunderschönen und lebensfrohen jungen Frau entwickelt. Dass sie nun auch noch ihren großen Traum verwirklicht hat und als Fotografin arbeiten wird, ist einfach wunderbar.
Der Notarzt ahnt nicht, dass er Gloria schon bald bei einer Notoperation vor sich auf dem OP-Tisch liegen haben wird. Denn als sie sich in der Morgendämmerung in den Wald begibt, um dort ein paar stimmungsvolle Bilder zu schießen, gerät sie in eine gefährliche Lage, die zu einem furchtbaren Unglück führt ...
Auf kaum einen der zahlreichen Jungmediziner, die Prof. Lutz Weidner in den letzten Jahrzehnten zum Facharzt ausgebildet hatte, war der Chefarzt der Frankfurter Sauerbruch-Klinik jemals so stolz gewesen wie auf Silas Michaelis.
Der attraktive und überaus sympathische junge Mann hatte es geschafft, sich mit nur neunundzwanzig Jahren bereits drei Facharztdiplome zu erarbeiten, und war damit sämtlichen Jungmedizinern um zwei, nein, um mindestens drei Nasenlängen voraus.
Im Laufe dieser Woche hatte er nacheinander alle drei Prüfungen vor einer Prüfungskommission der Landesärztekammer von Hessen abgelegt und sie alle drei mit der Bestnote bestanden.
Silas hatte sein Studium der Medizin mit siebzehn Jahren begonnen und es mit zweiundzwanzig abgeschlossen. Während der sechsjährigen Ausbildungszeit vom Assistenzarzt zum Facharzt für Allgemeinmedizin, Chirurgie und plastische Chirurgie hatte er so hart gearbeitete, wie Prof. Weidner noch nie zuvor jemanden hatte arbeiten sehen.
Und obwohl er beinahe rund um die Uhr geschuftet und gebüffelt hatte, hatte er es dennoch geschafft, zusätzlich zum erklärten Liebling aller Patienten zu werden.
Woher er die Zeit genommen hatte, auf jeden Einzelnen seiner Patienten einzugehen, zu beruhigen oder zu trösten und sich die Sorgen und Nöte jedes Einzelnen ihm anvertrauten Patienten im Detail anzuhören, das war Lutz Weidner bis heute völlig schleierhaft.
Im Spaß bat er ihn manchmal darum, ihm doch auch einen Schluck von seinem Zaubertrank abzugeben oder ihm das Rezept zu verraten, wie er zu seinen übermenschlichen Fähigkeiten gelangte.
In dem jungen Kollegen sah Prof. Weidner eine große Hoffnung für die Zukunft der Medizin, die in letzter Zeit eine Dynamik entwickelte, die ihm ganz und gar nicht gefallen wollte.
Die Kliniken liefen seiner Meinung nach Gefahr, zu seelenlosen Gesundheitsfabriken zu verkommen. Wobei allerdings der wirtschaftliche Aspekt ganz weit im Vordergrund stand und die Gesundheit der einzelnen Patienten bestenfalls noch eine untergeordnete Rolle spielte.
Mit engagierten, gewissenhaften und leidenschaftlichen jungen Ärzten, wie Silas Michaelis einer war, hoffte er, dass dieser Prozess zumindest für eine Weile aufgehalten werden könnte.
Umso enttäuschter war er, als der junge Kollege ihn an diesem klirrend kalten und nebelverhangenen Freitagmorgen in seinem Büro aufsuchte und ihm sehr aufgeregt erzählte ...
»Stellen Sie sich vor, Professor, Herr Prof. Ralf Feuerstein hat gestern mit mir Kontakt aufgenommen und mir eine Anstellung als Oberarzt an seiner Klinik angeboten. Ich soll bereits am Montag anfangen.«
Lutz Weidner brauchte ein paar Sekunden, um sich zu sammeln. Er hatte dem talentierten Kollegen, dessen Vertrag als Assistenzarzt mit dem heutigen Datum endete, seinerseits eine fixe Anstellung an der Sauerbruch-Klinik anbieten wollen. Da war er wohl um einen Tag zu spät gekommen.
Er wusste so ungefähr, wie viel ein Oberarzt in der privaten Feuerstein-Klinik, die ausschließlich den Reichen und den Schönen vorbehalten war, verdiente. Da konnte er natürlich nicht mithalten.
»Herzlichen Glückwunsch!«, murmelte er.
Er freute sich natürlich für den jungen Kollegen, jedoch weniger für sich selbst.
»Sie wissen ja vermutlich, dass in dieser Klinik keine ernsthaften Erkrankungen oder Verletzungen behandelt werden«, merkte er an. »Dorthin begeben sich Manager mit dem Burn-out-Syndrom, alternde Damen und Herren, die ihre von der Schwerkraft deplatzierten Körperteile wieder an die richtige Stelle gerückt bekommen wollen, und die selbst ernannte Elite, die sich dort einer Frischzellenkur oder Ähnlichem unterziehen will.«
Silas senkte den Kopf. »Ja, ich weiß. Das ist natürlich ein Nachteil, denn ich wollte eigentlich ein richtiger Arzt sein.« Er seufzte frustriert auf, doch als er den Kopf hob, strahlten seine Augen wieder. »Aber stellen Sie sich vor, Herr Professor, man bietet mir ein Anfangsgehalt von zwanzigtausend Euro, eine Dienstwohnung und einen Dienstwagen.«
»Das ist großartig«, sagte der Chefarzt, und er meinte es auch genauso.
Er wusste, dass Silas eine bitterarme Kindheit hinter sich hatte. Er wusste auch, dass er sich während des Studiums, das er durch etliche Jobs ganz alleine finanziert hatte, weil seine Eltern nicht dazu in der Lage waren, ihn finanziell zu unterstützen, absolut nichts gegönnt hatte, was nicht unmittelbar für sein Überleben wichtig gewesen war.
Während seiner Ausbildung zum Facharzt – mit dem Gehalt eines Assistenzarztes konnte man auch keine großen Sprünge machen – hatte er ein winziges Appartement im Schwesternwohnheim bewohnt, um das wenige Geld für zusätzliche Kurse und Seminare über alternative Heilmethoden zu sparen. Erst vor wenigen Wochen hatte er eine nur unwesentlich größere Wohnung in der Nähe der Klinik gemietet.
Wenn er also jetzt die Möglichkeit hatte, schlagartig all das zu bekommen, was er bis jetzt vollständig hatte entbehren müssen, wer sollte es ihm dann verdenken, dass er sich über dieses Angebot freute?
»Ich freue mich wirklich für Sie«, sagte der Chefarzt. »Ich möchte nur, dass Sie wissen, dass Sie jederzeit hierher zurückkommen können, wenn Sie die richtige Medizin vermissen. Ob in einer Woche oder in drei Jahren, ich nehme Sie jederzeit wieder in unsere große Familie auf.«
»Danke! Das bedeutet mir sehr viel, Herr Professor. Vielleicht halte ich es ohnehin nicht lange dort aus. Ich wollte halt nur ... ich dachte ... ich ...«
»Sie wollten einmal sehen, wie es sich lebt, wenn man nicht ständig darüber nachdenken muss, ob man sich eine neue Hose, ein Paar Schuhe oder sogar ein Auto leisten kann. Richtig?«
»Ja!«, seufzte er. »Das wird eine völlig neue Erfahrung für mich sein. Ob sie mir so gut gefällt, dass ich dafür die paar Pferdefüße in Kauf nehme, das weiß ich noch nicht.«
»Pferdefüße?«
»Nun, Herr Prof. Feuerstein sagte, dass ich noch sehr, sehr viel lernen muss, ehe ich ein vollwertiges Mitglied seiner Klinik sein kann.«
»Lernen? Sie?« Lutz Weidner schüttelte irritiert den Kopf. »Was könnten Sie denn von dem Kollegen Feuerstein lernen? Umgekehrt käme es mir logischer vor.«
»Bestimmt nicht.« Silas lachte leise. »Der Mann ist immerhin Professor, während ich gerade einmal meine Ausbildung zu Ende gebracht habe.«
»Professor honoris causa«, stellte der Chefarzt richtig. »Hat er das denn nicht erwähnt? Es handelt sich um einen verliehenen Ehrentitel und keineswegs um einen akademischen Grad, den er sich selbst erarbeitet hat.«
»Das wusste ich nicht.« Silas zog überrascht die Augenbrauen hoch. »Allerdings hatte er bei der Aussage, dass ich noch sehr viel lernen müsse, wohl ohnehin andere Dinge im Kopf als medizinisches Fachwissen«
»Und zwar?«
Es schien Silas sichtlich peinlich zu sein, darüber zu reden.
»Na ja ... also ... Golf spielen, zum Beispiel. Und ...«
»Was?« Der Chefarzt lachte amüsiert auf. »Golf spielen ist eine Voraussetzung, um in der Feuerstein-Klinik arbeiten zu dürfen?«
»Unter anderem.« Silas zuckte verlegen mit den Schultern und kaute auf seiner Unterlippe herum.
»Was denn noch?«
»Tja ... also ... das ... das liegt mir ganz besonders schwer im Magen. Weil ... weil ich nicht glaube, dass ich es kann.«
»Sie und etwas nicht können? Wenn es einen Menschen auf der Welt gibt, von dem ich zu behaupten wage, dass er alles lernen kann, dann sind Sie das!«
»Danke, aber mit können meinte ich eigentlich eher ...«
»Dass Sie nicht sicher sind, ob Sie sich dazu überwinden können?«, half der Chefarzt ihm weiter, als sein junger Kollege stockte.
Er nickte seufzend.
»Und was wäre das?«
»Die Jagd.« Silas stieß einen abgrundtiefen Seufzer aus. »Prof. Feuerstein sagt, wir seien unseren Patienten einen gewissen gehobeneren Lebensstil schuldig. Er meinte, die wichtigen und mächtigen Leute hätten nur zu ihresgleichen Vertrauen. Deshalb müssten wir so werden wie sie.«
»Du meine Güte!« Prof. Weidner schüttelte schmunzelnd den Kopf. »Als Kardiologe suchen mich viele Patienten auf, die jahrelang einen ungesunden Lebensstil gepflogen haben. Nach dieser Theorie müsste ich dann doch eigentlich trinken und rauchen und mich von Schweinebraten und Fastfood ernähren.«
Silas nickte zustimmend.
»Ja, das ist schon wirklich eine merkwürdige Ansicht für einen Arzt, nicht wahr? Aber für die Kreise, die in der Feuerstein-Klinik verkehren, mag es schon irgendwie stimmen.«
»Da könnten Sie recht haben. Aber was hat das nun mit der Jagd zu tun?«
»Zu einem gehobenen Lebensstil, sagte Prof. Feuerstein, würde die Jagd unabdingbar dazugehören.«
Prof. Weidners Augenbrauen gingen nach oben.
»Ach! Ich wusste gar nicht, dass das Ballern auf Tiere zum gehobenen Lebensstil gehört.«
»Ich auch nicht.« Silas rutschte unruhig auf der braunen Ledercouch in Lutz Weidners Besucherecke herum. »Ich ... ich muss mir heute noch ein Gewehr kaufen und damit schießen lernen. Am Sonntag, also übermorgen, da hat einer von Herrn Feuersteins reichen Patienten – irgendein Baron von Sowieso – zu einer Jagd im Frankfurter Stadtwald eingeladen. Und da ... da ... da ...«
»Da sollen Sie mitkommen?«
Silas nickte. »Es werden einige sehr einflussreiche und mächtige Leute dabei sein, die ich kennenlernen soll.«
»Haben Sie denn schon jemals auf ein Tier geschossen?«
»Eben nicht!«, brauste er auf. »Ich liebe Tiere. Ich bin deswegen sogar Vegetarier. Weil ich gegen das Töten bin. Auf dem Bauernhof meiner Eltern ist nie auch nur ein einziges Tier geschlachtet worden. Und ich bin doch Arzt geworden, um Leben zu erhalten und Schmerzen zu lindern und nicht, um ...« Er brach ab und seufzte gequält auf. »Mir wird schon übel, wenn ich nur daran denke. Ich könnte es nicht. Aber ...«
»Nun, Sie müssen ja nicht unbedingt derjenige sein, der schießt, oder?«, beruhigte der Chefarzt ihn. »Bei so einer Treibjagd sind ja bestimmt etliche Leute zugange. Sie können ja in die Luft ballern, wenn es so weit ist.«
»Das hoffe ich wirklich sehr!«, seufzte Silas. Er schaute unter halb geschlossenen Lidern zu Lutz Weidner auf. »Jetzt komme ich Ihnen wohl sehr albern vor, nicht wahr? Oder vielleicht gar berechnend. Käuflich. Charakterschwach.«
»Nein, nein, nein!«, beeilte sich der Chefarzt, ihm zu versichern. »Sie sind noch sehr jung. Das Leben hat Ihnen vieles vorenthalten, was für andere selbstverständlich ist. Natürlich wollen Sie auch diese Welt einmal kennenlernen, wenn man Sie Ihnen schon zu Füßen legt. Das verstehe ich nur zu gut. Und der Drang, alles zumindest einmal auszuprobieren, genau das macht ja Ihre Stärke aus.«
Um Silas Michaelis nicht in Bedrängnis zu bringen, ließ Prof. Weidner den Vertrag, den er schon vorbereitet hatte, heimlich unter einem Aktenordner verschwinden.
»Schauen Sie sich ruhig in der Welt der Reichen und Schönen um«, fuhr er schmunzelnd fort. »Und wenn Sie irgendwann einmal entdecken, dass es nicht Ihre Welt ist, dann kommen Sie wieder nach Hause. Okay?«
»Danke.« Silas schloss für einen Moment die Augen. »Wenn ich gewusst hätte, dass Sie mich auch nach der Ausbildung noch haben wollen, dann hätte ich den Anruf von Prof. Feuerstein vermutlich nicht einmal beantwortet.«
»Hatten Sie denn Zweifel daran?«
Er nickte. »Ich weiß doch, dass Sie nicht jeden Assistenzarzt übernehmen können, den Sie ausgebildet haben. Da würde die Sauerbruch-Klinik doch längst aus allen Nähten platzen.«
»Das stimmt.« Prof. Weidner nickte. »Allerdings sind Sie nicht jeder Assistenzarzt. Diesbezüglich halte ich es wie Aschenputtel«, erklärte er lächelnd. »Sie wissen ja, die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen ... oder so ähnlich.«
»Na ja ... so toll bin ich nun wieder auch nicht.«
»Doch, das sind Sie!«, widersprach ihm der Klinikchef energisch. »Und dass Sie das nicht einmal zu wissen scheinen, spricht ebenfalls für Sie. Wie gesagt, ich halte Ihnen einen Platz frei.«
Er lachte und hob beide Hände.
»Zu den üblichen Konditionen natürlich. Sie wissen ja, miserable Bezahlung, Überstunden, die Sie selbst in hundert Jahren nicht ausgleichen könnten, keine Zeit für Golf, und wenn es beim Menschen so etwas wie einen natürlichen Jagdtrieb gibt, dann verwenden wir diesen hier ausschließlich darauf, Krankheitserreger aufzuspüren und plattzumachen.«
***
Die Kinder- und Jugendpsychologin Dr. Lea König hatte vor einer Minute ihren letzten Patienten für diesen Vormittag – einen sechsjährigen autistischen Jungen – verabschiedet.
Sie überlegte, ob sie ihren Lebensgefährten anrufen und fragen sollte, ob er Zeit hätte, um mit ihr rasch etwas essen zu gehen. Doch dann verwarf sie diesen Gedanken wieder.
Dr. Peter Kersten, der Leiter der Notaufnahme an der nur fünf Gehminuten von Leas Praxis entfernten Sauerbruch-Klinik, hatte so gut wie nie Zeit, um sich eine kurze Mittagspause abzuknapsen. Sie wollte ihn mit ihrem Anruf nicht in Bedrängnis bringen und ihm kein schlechtes Gewissen machen, wenn er sie, wie so oft, auf ein andermal vertrösten müsste.
Außerdem hätte er sie längst von sich aus angerufen, wenn es die Lage in der Notaufnahme erlaubt hätte, mit ihr zum Mittagessen zu gehen.
Sie beschloss, ein paar längst überfällige Besorgungen zu machen, sich danach bei Luigi eine Pizza zum Mitnehmen zu holen und dann die restliche Zeit bis zu ihrer nächsten Therapiesitzung um zwei Uhr mit ebenfalls längst fälligem Bürokram, den sie bereits seit Wochen lustlos vor sich herschob, herumzubringen.
Sie holte gerade ihre Jacke aus dem Garderobenschrank, als stürmisch an ihre Praxistür geklopft wurde.
»Moment! Komme sofort!«, rief sie und zerrte genervt an dem mittleren von drei Bügeln, die sich ineinander verhakt hatten. Sie war sicher, dass Frau Dreyer mit dem sechsjährigen Matthias noch einmal zurückgekehrt war, weil sie irgendetwas vergessen hatte.
Es waren üblicherweise die Eltern ihrer kleinen Patienten, die so nervös waren, dass sie alles Mögliche hier liegen ließen. Lea hatte einen halben Schrank voller Sachen, deren Besitzer nicht mehr zu eruieren waren. Regenschirme standen ganz oben auf der Hitliste, gefolgt von Jacken, Schals, Hüten, Taschenbüchern, mit denen sie sich die Wartezeit vertrieben ...