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Ein etwas mulmiges Gefühl verspürt Chefarzt Prof. Weidner ja doch, als er mit seinen Mitarbeitern den Betriebsausflug in den Schwarzwald antritt. Aber natürlich sind von der Belegschaft mehrere hoch qualifizierte und erfahrene Ärzte in der Sauerbruch-Klinik zurückgeblieben, sodass er die Klinik auch bei einem eventuell auftretenden Notfall in besten Händen weiß.
Notarzt Dr. Peter Kersten ist einer derjenigen, die in Frankfurt die Stellung halten. Die Tatsache, dass Prof. Weidner im Stundentakt immer wieder anruft, um nachzufragen, ob in der Klinik alles in Ordnung sei, lässt ihn schmunzelnd die Augen verdrehen. Was soll denn schon passieren? Er hat doch alles im Griff!
Doch als der Gärtner Rainer Karlitzky durch den Klinikpark geht, macht er eine furchtbare Entdeckung, die eine ganze Lawine von daraus folgenden Ereignissen ins Rollen bringt. Plötzlich stehen Peter Kersten und sein Team vor der großen Herausforderung, etwas Unmögliches schaffen zu müssen. Etwas, wofür man eigentlich das gesamte Klinikpersonal vor Ort haben müsste. Aber der Notarzt ist fest entschlossen, nicht aufzugeben ...
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Seitenzahl: 115
Veröffentlichungsjahr: 2021
Cover
Gemeinsam sind wir stark
Vorschau
Impressum
Gemeinsam sind wir stark
In der Sauerbruch-Klinik schafft ein Ärzteteam das Undenkbare
Karin Graf
Ein etwas mulmiges Gefühl verspürt Chefarzt Prof. Weidner ja doch, als er mit seinen Mitarbeitern den Betriebsausflug in den Schwarzwald antritt. Aber natürlich sind von der Belegschaft mehrere hoch qualifizierte und erfahrene Ärzte in der Sauerbruch-Klinik zurückgeblieben, sodass er die Klinik auch bei einem eventuell auftretenden Notfall in besten Händen weiß.
Notarzt Dr. Peter Kersten ist einer derjenigen, die in Frankfurt die Stellung halten. Die Tatsache, dass Prof. Weidner im Stundentakt immer wieder anruft, um nachzufragen, ob in der Klinik alles in Ordnung sei, lässt ihn schmunzelnd die Augen verdrehen. Was soll schon passieren? Er hat alles im Griff!
Doch als der Gärtner Rainer Karlitzky durch den Klinikpark geht, macht er eine furchtbare Entdeckung, die eine ganze Lawine von daraus folgenden Ereignissen ins Rollen bringt. Plötzlich stehen Peter Kersten und sein Team vor der großen Herausforderung, etwas Unmögliches schaffen zu müssen. Etwas, wofür man eigentlich das gesamte Klinikpersonal vor Ort haben müsste. Aber der Notarzt ist fest entschlossen, nicht aufzugeben ...
»Haben Sie einen steifen Nacken?«, erkundigte sich Chefarzt Prof. Lutz Weidner besorgt bei dem übergewichtigen Verwaltungsdirektor der Frankfurter Sauerbruch-Klinik.
Er schlenderte nun schon seit etlichen Minuten neben Emil Rohrmoser durch den großen Klinikpark, und Direktor Rohrmoser guckte konsequent in die ihm entgegengesetzte Richtung.
»Blödsinn!«, lautete die einsilbige Antwort.
»Nicht? Dann ...« Prof. Weidner zuckte mit den Schultern. »Gefalle ich Ihnen heute vielleicht nicht?«
»Ha! Als ob Sie mir jemals gefallen hätten! Schöner als ich sind Sie auch nicht gerade.«
Der Chefarzt musste lachen. »Das habe ich auch nie behauptet. Ich wollte nur herausfinden, warum Sie so starr nach rechts gucken und es vermeiden, mich anzusehen.«
»So halt!«
»Aha, so halt. Das ist natürlich ein durchaus plausibler Grund. Warum bin ich da nicht gleich selbst drauf gekommen?«
Die beiden Klinikchefs gingen nicht etwa spazieren. Nein, sie standen vor dem Problem, dass die Sauerbruch-Klinik bereits aus allen Nähten zu platzen drohte. Das war natürlich einerseits erfreulich, denn es war ein Zeichen ihres Erfolgs. Andererseits mussten sie eine Entscheidung treffen. Entweder würden sie künftig etliche Hilfe suchende Patienten abweisen oder die Klinik vergrößern müssen.
Sie hatten sich beide für Zweiteres entschieden. Ein Nebengebäude wäre die einfachste Lösung. Auf das vor ihrer Zeit modernisierte Hauptgebäude, das dem Frankfurter Stadtbild angepasst worden war und vorwiegend aus Glas bestand, eine oder zwei Etagen aufzustocken, wäre zu aufwändig gewesen.
Vor allem aber würden die Arbeiten den Klinikbetrieb und das Ruhebedürfnis der Patienten empfindlich stören. Und wenn die Arbeiter pfuschten, was heutzutage gar nicht mehr so selten vorkam, dann wären Personal und Patienten in Gefahr.
Für die Errichtung eines Nebengebäudes mussten sie allerdings einen Teil des prächtigen Klinikparks opfern. Welchen Teil, das wollten sie eben jetzt herausfinden. Im Moment sah es allerdings nicht so aus, als ob sie in absehbarer Zeit zu einer Einigung gelangen könnten.
»Dort!« Emil Rohrmoser umriss ein Areal mit seinem Zeigefinger. »Das wäre doch ideal, oder? Dort sind keine großen Bäume, die man fällen müsste.«
»Dort ist der Teich, den unsere Patienten so sehr lieben«, gab Prof. Weidner zu bedenken. »Und was machen wir mit all den Goldfischen?«
»Fischsuppe.«
»Direktor!«
»Wo dann, wenn nicht dort? Ständig an allem herumzumosern, was ich vorschlage, das ist einfach. Machen Sie mal einen besseren Vorschlag, wenn Sie einen haben!«
»Wie wäre es dort hinten, direkt an der westlichen Mauer?«, schlug Lutz Weidner vor.
»Dort, wo Karlitzky erst vor etwa eineinhalb Jahren das Heckenlabyrinth angelegt hat?«
Prof. Weidner nickte, obwohl Direktor Rohrmoser ihn ja nicht sehen konnte, weil er immer noch in die andere Richtung guckte.
»Das Labyrinth müsste natürlich weg.«
»Das Letzte, das er in diesem Leben sah, war der heranrasende Rasenmäher«, murmelte der Verwaltungsdirektor.
»Sie sprechen in Rätseln, Direktor. Was soll das heißen?«
»Das lasse ich auf die Schleife des Kranzes drucken, den Ihnen die Belegschaft der Sauerbruch-Klinik hoffentlich spendieren wird, wenn unser Gärtner Sie abgemurkst hat. Ich könnte mir vorstellen, dass er mit dem Rasentraktor so lange am Hintereingang wartet, bis Sie mal kurz frische Luft schnappen wollen. Und dann – zack! – gibt er Vollgas.«
Emil drosch seine linke Faust in seine rechte Handfläche.
»Das war's dann für Sie. Ende im Gelände. Die Maus hat den Faden abgebissen. Die Rede, die ich anlässlich der Trauerfeier halten werde, wird mit ›Ich hab's ihm ja gleich gesagt‹ beginnen.«
Ohne den Kopf in Prof. Weidners Richtung zu drehen, fuhr er todernst mit seinen Ausführungen fort.
»Ja, grinsen Sie nur. Dieses Heckenlabyrinth ist ihm heilig. Er trimmt es täglich mit der Nagelschere. Ich glaube, ihn einmal sagen gehört zu haben, dass es nicht bloß ein gewöhnliches Labyrinth, sondern irgend so etwas Esoterisches ist. Man wird irgendwie ... wuschig im Kopf, wenn man es abschreitet.«
Der Chefarzt zuckte mit den Schultern.
»Jede einzelne Ecke des Parks ist ihm heilig. Der Park ist sein Baby. Er kennt praktisch jeden einzelnen Regenwurm hier mit vollem Namen.«
»Eben!«
»Ja, aber irgendwo müssen wir doch ...« Prof. Weidner brach ab, als sein Blick auf das vierstöckige Gebäude hinter der Parkmauer fiel, das im Osten direkt an den Klinikpark angrenzte. Plötzlich dämmerte es ihm. »Grundgütiger! Sie hadern doch nicht etwa immer noch damit, dass Sie vor einem Jahr zu spät gekommen sind?«
»Zu spät? Ich?« Emil Rohrmoser hatte so laut gebrüllt, dass sein Hals jetzt ganz rau war und er husten musste. »Ich bin noch nie irgendwohin zu spät gekommen«, fuhr er mit etwas gedämpfterer Lautstärke fort. »Zu spät zu kommen ist ganz und gar wider meine Natur. Ich bin kein Zuspätkommer. Sie vielleicht, aber ich nicht! Merken Sie sich das, Sie alter Zausel!«
Lutz Weidner lachte. »Warum haben wir das Gebäude damals vor einem Jahr dann nicht gekauft? Es wäre ideal für eine Vergrößerung unserer Klinik gewesen. Dann hätte Herr Karlitzky sogar noch zweitausend Quadratmeter zusätzlich bekommen und hätte endlich den japanischen Steingarten mit Bächlein, Seerosenteich und Teehaus anlegen können, von dem er schon so lange träumt.«
Ein trockenes Schluchzen drang tief aus Emils Brust.
»Hören Sie auf, mich zu quälen, Weidner! Ich will mich nicht daran erinnern. Ich kann nicht mal hingucken, ohne dass mich die Wut überkommt.« Er stieß etwas aus, was wie das bedrohliche Fauchen eines Tigers kurz vor dem Angriff klang. »Erinnern Sie sich an Dr. Jörg Wobrazek?« Es hörte sich an, als ob er diesen Namen verächtlich ausspucken würde.
»Den ehemaligen Leiter unserer Rechtsabteilung? Natürlich!«
»Ihn hatte ich damals damit beauftragt, die Verträge unter Dach und Fach zu bringen.«
»Und er hat es versemmelt?«
»Ich konnte es ihm nie nachweisen, aber ich bin davon überzeugt, dass er von der Pharmafirma, die das Gebäude letztendlich bekommen hat, mit einem Haufen Geld oder weiß der Geier was bestochen wurde.«
Der Chefarzt blieb abrupt stehen.
»Ach! Hat er nicht kurz nachdem Sie ihn gefeuert haben die Leitung der Rechtsabteilung von MNMC übernommen?«
»Sie sagen es!« Emil seufzte abgrundtief. Dann lachte er verächtlich auf. »Sie wissen, wofür die Abkürzung MNMC steht?«
Lutz Weidner nickte. »Mother Natures Medicine Chest. Zu Deutsch: Die Hausapotheke von Mutter Natur.«
»Genau. Da lachen ja die Hühner! Von wegen Natur! Die produzieren dort den übelsten Dreck, den man sich nur vorstellen kann.«
»Ich weiß.« Prof. Weidner nickte. »Ich würde nicht einmal die kostenlosen Ärztemuster verwenden, mit denen die uns überschwemmen. Deren Produkte enthalten so ziemlich alles, womit man kranke Menschen noch kränker machen kann. Aber ...«
Der Chefarzt schaute nachdenklich zu dem im Eiltempo aus Fertigteilen aufgezogenen Gebäude jenseits der Parkmauer. Das Bauwerk sah nicht sonderlich stabil aus, das würden sie natürlich abreißen müssen, aber das Grundstück wäre für ihre Zwecke wie geschaffen.
»Vielleicht sollten wir mit unserem Vorhaben noch ein paar Monate warten?«, schlug er vor.
»Wieso, warum und wozu? Glauben Sie denn, dass unser Krankenhaus vielleicht noch wächst, wenn es nur genügend regnet?«
»Nein, das nicht, aber mir ist zu Ohren gekommen, dass Mutter Naturs Giftschrank geradewegs auf eine Insolvenz zuschlittert, weil niemand ihre minderwertigen Produkte haben will.«
»Vergessen Sie es!«, seufzte der Verwaltungsdirektor. »Mir ist nämlich zu Ohren gekommen, dass Wobrazek mit irgendeiner dieser ach so philanthropischen Foundations einen Deal ausgehandelt hat.«
»Und zwar?«
»Die kaufen deren Produkte jetzt zu völlig überteuerten Preisen mit Spendengeldern auf und schicken sie in Drittweltländer. Die denken wohl, wer kein Geld hat, muss auch doof sein und kann keine Beipackzettel lesen.«
»Das ist unerhört!« Lutz Weidner schüttelte frustriert den Kopf. »Aber leider ist das die übliche Vorgangsweise. Wenn die Menschen wüssten, wofür das Geld, das sie in gutem Glauben spenden, oft verwendet wird!«
»Ja, nichts auf der Welt ist mehr so, wie man denkt, dass es ist. Und schon gar nicht so, wie es sein sollte. Wo ›Wohltätigkeitsorganisation‹ draufsteht, ist oft das genaue Gegenteil drin. Man kann niemandem mehr glauben und niemandem vertrauen.«
»Ich fürchte, ich kann Ihnen diesbezüglich nicht mal widersprechen«, seufzte Prof. Weidner. »Aber was machen wir jetzt? Goldfischsuppe? Herrn Karlitzkys Labyrinth opfern? Oder sollen wir darauf hoffen, dass der schmutzige Deal von MNMC auffliegt, die Leute ihre gerechte Strafe und wir das Grundstück bekommen?«
»Gerechtigkeit!«, grummelte Emil Rohrmoser kopfschüttelnd. »Glauben Sie wirklich, dass es so etwas heutzutage überhaupt noch gibt?«
»Doch! Unbedingt.« Der Chefarzt nickte nachdrücklich. »Sie kennen doch den Spruch: Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht.«
Emil stieß ein verächtliches Zischen aus.
»Der Spruch stammt aus einer Zeit, in der es noch keine unzerbrechlichen Plastikkrüge gab.«
»Trotzdem. Ich durfte erst neulich wieder das unrühmliche Ende eines mächtigen Herrn hautnah miterleben, der seine vermögende Gattin mit Psychoterror und kleinen Gaben diverser Gifte langsam und unbemerkt um die Ecke bringen wollte. Dem Kollegen Kersten sind die ständigen Erkrankungen der Frau komisch vorgekommen, und er hat eine polizeiliche Untersuchung eingeleitet.«
»Ach ja! War das nicht dieser steinreiche Unternehmer, der den Hals nicht vollbekommen konnte und sich auch noch das Vermögen seiner Frau alleine unter den Nagel reißen wollte? Was ist aus ihm geworden?«
Lutz Weidner lachte. »Er muss jetzt durch die engen Zwischenräume der Gitterstäbe hindurch dabei zugucken, wie seine Frau nicht nur ihr, sondern auch sein Vermögen verprasst. Das heißt, nein, sein Vermögen hat sie gespendet.«
»Großartig!« Emil klatschte in die Hände. »Hoffentlich nicht diesen Schlitzohren, die das Giftzeug von MNMC aufkaufen?«
»Nein. Sie hat ein großes Wohnhaus gekauft und Appartements für Obdachlose eingerichtet.«
»Sehr schön!« Emil Rohrmoser dachte kurz nach. Dann seufzte er tief. »Gut, warten wir noch ein halbes Jahr, ehe wir eine Firma mit dem Bau eines Nebengebäudes beauftragen. Wenn die bis dahin nicht über ihre eigene Gier stolpern, dann müssen wohl die Goldfische umgesiedelt werden oder Herrn Karlitzkys Heckenlabyrinth muss dran glauben.«
Er stupste den Chefarzt jovial mit dem Ellbogen in die Seite.
»Sie müssen ihm dann halt ein starkes Beruhigungsmittel verabreichen, ehe er eines Morgens mit der Nagelschere hierher rennt und bemerkt, dass seine geliebten Hecken bereits von der Planierraupe getrimmt wurden.«
»Also warten wir«, seufzte Lutz Weidner. »Es ist jetzt ohnehin eine ungünstige Zeit, mit einem solchen Bauprojekt zu beginnen. Sobald der erste Schnee fällt, müssten die Arbeiten dann ja sowieso bis zum nächsten Frühling gestoppt werden.«
Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr.
»Gehen wir rein. In einer halben Stunde findet die große Versammlung statt. Wir müssen unbedingt heute festlegen, wer mitkommen darf und wer hierbleiben muss. Wir fahren ja bereits am Freitag. Hoffentlich haben unsere Mitarbeiter das bereits untereinander ausgemacht, und es kommt zu keinen Eifersüchteleien.«
Emil runzelte die Stirn. »Finden Sie es wirklich klug, jetzt einen Betriebsausflug zu veranstalten?«
»Unbedingt!« Der Chefarzt nickte nachdrücklich. »Unsere Leute sind das ganze Jahr über enorm tüchtig. Da haben sie sich einmal im Jahr eine Belohnung verdient. Und das gesellige Beisammensein fördert außerdem den Zusammenhalt.«
»Und was, wenn hier inzwischen eine Seuche oder sonst was ausbricht, während wir uns am anderen Ende der Welt in irgendeinem Whirlpool suhlen?«
»Der Schwarzwald ist nicht das Ende der Welt«, widersprach der Professor. »Und die Zeit ist jetzt gerade günstig. Die sommerlichen Sportunfälle und die hitzebedingten Herz- und Kreislaufgeschichten sind passé, die Wintersportunfälle und die Knochenbrüche wegen Glatteis kommen frühestens in zwei Monaten, und die jährliche Grippewelle ist kaum vor Januar zu erwarten. Der Spätherbst ist erfahrungsgemäß die ruhigste Zeit des Jahres.«
»Ich weiß nicht ...« Direktor Rohrmoser runzelte die Stirn. »Ich habe irgendwie kein gutes Gefühl bei der Sache.«
Lutz Weidner schmunzelte. Er wusste genau, woher das ungute Gefühl des Verwaltungsdirektors kam.
»Würden Sie sich besser fühlen, Direktor, wenn ich Ihnen sage, dass wir außer der Anreise keinen Cent zu bezahlen brauchen? Der Besitzer des Wellnesshotels, in dem wir ein verlängertes Wochenende verbringen werden, hat uns eingeladen. Aus Dankbarkeit dafür, dass ihm in unserem Krankenhaus nach jahrelangem Martyrium praktisch ein neues Leben geschenkt wurde. Er hält das gesamte Hotel drei Tage lang nur für uns frei.«
Emil hob überrascht den Kopf.
»Kein Scherz, Weidner?«
»Kein Scherz, Direktor!«
»Mit Vollpension?«
»Mit Vollpension und so vielen Behandlungen, wie das Herz begehrt.«
»Diätessen?«
»Hausmannskost.«
»Na dann!« Herr Rohrmoser lachte. »Ich habe ein wunderbares Gefühl. Wir fahren!«
***
»Nein, nein, nein! Sie nicht! Sicher nicht! Sie können gleich wieder gehen!«
Die siebenundzwanzigjährige Assistenzärztin Dr. Valentina Jung betrat mit der täglichen Spritze für Frau Rauch eines der gemütlich eingerichteten Dreibettzimmer auf der Inneren Medizin.
Heike Rauch, eine pensionierte Grundschuldirektorin, die sich eine Lungenentzündung eingefangen hatte, setzte sich ruckartig in ihrem Bett auf und schüttelte energisch den Kopf.
»Schicken Sie mir jemanden, der das besser kann als Sie!«, verlangte sie herrisch. »Einen richtigen Arzt, der nicht erst lange in meinem Arm herumstochern muss, ehe er die richtige Stelle findet.«
Sie streckte ihren linken Arm aus und deutete auf den kaum noch sichtbaren Bluterguss, der vor zwei Tagen entstanden war, als Valentina ihr eine Braunüle in die Armbeuge gestochen hatte.
»Da, sehen Sie sich das an! Ich bin hier an dieser Stelle schon öfter mal gestochen worden, aber so etwas habe ich noch nie erlebt! Man muss schon sehr unfähig sein, um einen solchen Schaden anzurichten.«