Der Notarzt 415 - Karin Graf - E-Book

Der Notarzt 415 E-Book

Karin Graf

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Beschreibung

Dr. Peter Kersten denkt sofort an den Blinddarm, als er in der Notaufnahme der Frankfurter Sauerbruch-Klinik seinen neuen Patienten erblickt. Der junge Mann krümmt sich vor Schmerzen und hält sich den Bauch. Doch bei einer eingehenden Untersuchung stellt der Notarzt fest, dass Dorian Windhagen an etwas sehr viel Schlimmerem als einem entzündeten Appendix leidet. Wenn nicht schon in den nächsten Tagen ein großes Wunder geschieht, wird der Fünfundzwanzigjährige für immer die Augen schließen. Aber nicht nur Peter Kersten ist wild entschlossen, diesem Mann irgendwie zu helfen. Dorian trägt eine große, wenn auch geheime Liebe in seinem Herzen. Und ausgerechnet die Frau, die ihm so viel bedeutet, kann vielleicht etwas zu dem dringend benötigten Wunder beisteuern ...


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Seitenzahl: 117

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Die Reste meines Lebens

Vorschau

Impressum

Die Reste meines Lebens

Arztroman um die große Liebe eines schwer kranken Mannes

Karin Graf

Dr. Peter Kersten denkt sofort an den Blinddarm, als er in der Notaufnahme der Frankfurter Sauerbruch-Klinik seinen neuen Patienten erblickt. Der junge Mann krümmt sich vor Schmerzen und hält sich den Bauch. Doch bei einer eingehenden Untersuchung stellt der Notarzt fest, dass Dorian Windhagen an etwas sehr viel Schlimmerem als einem entzündeten Appendix leidet. Wenn nicht schon in den nächsten Tagen ein großes Wunder geschieht, wird der Fünfundzwanzigjährige für immer die Augen schließen. Aber nicht nur Peter Kersten ist wild entschlossen, diesem Mann irgendwie zu helfen. Dorian trägt eine große, wenn auch geheime Liebe in seinem Herzen. Und ausgerechnet die Frau, die ihm so viel bedeutet, kann vielleicht etwas zu dem dringend benötigten Wunder beisteuern ...

»Teufel noch eins!«

Emil Rohrmoser, der Verwaltungsdirektor der Frankfurter Sauerbruch-Klinik, drosch seine Faust auf die Schreibtischunterlage. Dann starrte er noch einmal auf die lange Liste, die Prof. Lutz Weidner ihm gerade gegeben hatte.

»Und das ist alles nur von diesem einen Monat?«

Der Chefarzt nickte. »Ich würde sagen, wir haben ein großes Problem, Direktor!«

»Was Sie nicht sagen, Weidner!«, unkte Emil Rohrmoser. Er tippte mit einem wurstähnlichen Zeigefinger auf eine Stelle der Liste. »Eine ganze Handtasche samt Inhalt. Wie ist das möglich, Weidner? Es muss doch irgendjemandem auffallen, wenn wer mit einer fremden Handtasche aus einem der Zimmer kommt.«

»Wem sollte das denn auffallen?« Der Chefarzt zuckte mit den Schultern. »Es gehört nicht zu den Aufgaben unserer Mitarbeiter, die Handtaschen unserer Patientinnen auswendig zu lernen. Oder von jeder Besucherin einen Eigentumsnachweis für deren Tasche zu verlangen.«

Direktor Rohrmoser grummelte irgendetwas Unverständliches. Dann schlug er abermals mit der Faust auf den Schreibtisch.

»Verflixt noch mal! Das geht nun schon seit drei Monaten so. Zumindest in diesem Ausmaß. Dass hin und wieder etwas aus den Krankenzimmern geklaut wird, das kommt leider immer mal wieder vor. Dagegen kann man fast nichts machen, außer die Patienten zu ersuchen, ihre Wertgegenstände zu Hause zu lassen oder sie in unserem Safe zu deponieren.«

Lutz Weidner räusperte sich mehrmals hintereinander und setzte immer wieder zum Sprechen an, als ob er etwas sagen wollte, jedoch noch nicht so richtig wusste, wie.

»Was?« Emil Rohrmoser fuhr wie der sprichwörtlich geölte Blitz von seinem Chefsessel hoch. »Sie wollen doch nicht etwa behaupten, dass ...? Spucken Sie es aus, Weidner! Na los!«

»Aus dem Safe ist ebenfalls etwas verschwunden.«

»Heiliges Sparschwein!« Es hörte sich an, als würde sämtliche Luft aus der Brust des Verwaltungsdirektors entweichen, als er sich wieder in seinen Sessel fallen ließ. »Frau Biermann ...«

»Frau Biermann von der Anmeldestelle ist über jeden Verdacht erhaben«, fiel ihm der Chefarzt energisch ins Wort. »Sie ist die Einzige, die einen Schlüssel für den Patientensafe hat. Da wird sie wohl nicht so dumm sein, etwas daraus zu entwenden. Außerdem arbeitet sie seit fünfundzwanzig Jahren für unser Krankenhaus und genießt mein vollstes Vertrauen.«

Emil nickte. »Sie haben ja recht, Weidner. Es ist unvorstellbar, dass sie etwas genommen hat. Was war es denn? Was wurde aus dem Safe gestohlen?«

»Der Verlobungsring einer jungen Dame, die vor zwei Wochen nach einem Autounfall in die Notaufnahme eingeliefert wurde. Oberschwester Nora hat vor der Notoperation sämtlichen Schmuck, den sie trug, in den Safe einschließen und sich eine Quittung dafür ausstellen lassen. Heute Morgen konnte die junge Frau entlassen werden. Ihr übriger Schmuck war noch im Safe, der Ring jedoch nicht mehr. Sie war untröstlich.«

»Vielleicht hatte sie ihn am Tag des Unfalls gar nicht dabei?«, überlegte Emil und klang dabei sehr hoffnungsvoll.

»Der Ring stand explizit auf der Quittung.«

»Verdammt! Unsere Versicherung wird dafür aufkommen.«

»Trotzdem ...« Der Chefarzt seufzte. »Es war ein selbst designtes Einzelstück.«

Direktor Rohrmoser schnalzte genervt mit der Zunge. »Höchst bedauerlich. Aber zumindest wissen wir jetzt, dass es sich bei dem Dieb um eine weibliche Person handelt.«

»Wie kommen Sie denn zu dieser Erkenntnis, Direktor?« Lutz Weidner zuckte verständnislos mit den Schultern.

»Schmuck, Handtaschen und ...« Emil hielt dem Chefarzt die Liste mit den gestohlenen Gegenständen unter die Nase. »Da! Eine Packung Tampons. Ein Mann kann damit nichts anfangen. Also kann es sich nur um eine Frau handeln.«

»Und das hier?« Der Chefarzt hielt die Liste nun seinerseits unter die Nase des Direktors. »Ein elektrischer Barttrimmer. Was sollte eine Frau damit anfangen?«

»Vielleicht ist es ja eine ältere Frau mit Damenbart?«

»Eine ältere Frau bräuchte wiederum keine Tampons.«

»Ach, Sie immer!«, brauste der Verwaltungsdirektor auf. »Sie finden ja ständig in jeder Suppe ein Haar!«

»Das mag schon sein. Aber zumindest kein Barthaar«, erwiderte Prof. Weidner schmunzelnd. Er überflog die Liste noch einmal. »Das passt irgendwie alles nicht zusammen«, murmelte er. »Ein Teddybär aus der Kinderabteilung. Ein Autoschlüssel ...«

»Ist der dazugehörige Wagen auch weg?«

»Eben nicht. Wozu also der Schlüssel? Ein Laptop, ein Lippenstift, ein kleiner Koffer, in dem sich nur Schmutzwäsche befand, etliche Brieftaschen und Armbanduhren. Einer Patientin wurde das gerahmte Foto ihrer Kinder vom Nachtschränkchen gestohlen, während sie unten im Therapiezentrum bei der physikalischen Behandlung war. Nein, nein ...«

Der Chefarzt machte eine wegwerfende Handbewegung und schüttelte zugleich den Kopf.

»Anhand der Gegenstände, die entwendet wurden, lässt sich überhaupt kein Muster erkennen. Es scheint sich also um jemanden zu handeln, der nicht für den Eigenbedarf stiehlt.«

»Sondern?« Emil Rohrmoser zuckte mit den Schultern. »Um die Sachen zu verkaufen? Wer, zum Kuckuck, kauft einen Autoschlüssel ohne Auto? Wer kauft das Bild fremder Kinder? Wer einen gebrauchten Lippenstift, einen Teddybär oder eine angebrochene Packung Tampons?«

»Ich habe nicht die geringste Ahnung, Direktor.«

»Und die Polizei?«

»Kann auch nichts machen«, erwiderte der Professor. »Sie können ja schlecht von den Hunderten Menschen, die täglich bei uns ein und aus gehen, Fingerabdrücke nehmen und deren Alibis mit den Zeiten vergleichen, in denen die einzelnen Gegenstände verschwunden sind.«

»Das Personal ...«

»Unsere Angestellten haben sich allesamt freiwillig dazu bereit erklärt, sich durchsuchen zu lassen«, fiel Prof. Weidner dem Verwaltungsdirektor ins Wort. »Es wurden stationsweise sämtliche Garderobenschränke, Schreibtischschubladen und Handtaschen untersucht. Selbstverständlich auch mein Büro. Ihr Büro ist wohl der einzige Raum im ganzen Krankenhaus, in dem nicht nachgesehen wurde.«

Emil fuhr wie eine gereizte Klapperschlange hoch.

»Wollen Sie damit etwa sagen ...?«

Lutz Weidner hob beide Hände hoch. »Beruhigen Sie sich, Direktor. Nichts dergleichen wollte ich andeuten. Niemand käme auf die Idee, dass Sie etwas damit zu tun haben könnten. Immerhin tragen Sie ja auch die Verantwortung für diese Klinik. Mit einer solchen Aktion würden Sie sich doch nur ins eigene Fleisch schneiden.«

»Richtig!« Emil nickte. »Dann kann es also nur ein Patient gewesen sein«, schlug er vor. »Immerhin beherbergen wir hier Hunderte Leute, die wir praktisch kaum kennen.«

»Auch das ist auszuschließen. Das geht ja nun schon seit drei Monaten so. Wir haben jedoch in der Regel keine Patienten, die drei Monate lang bei uns behandelt werden.«

»Auf der Intensivstation aber doch!«, widersprach Direktor Rohrmoser.

Der Chefarzt nickte. »Komapatienten vielleicht. Aber die gehen nicht nachts heimlich auf Raubzug. Das können die gar nicht.«

»Und wenn es einer ist, der nur so tut als ob?«

Über diese Frage konnte Lutz Weidner nur den Kopf schütteln.

»Glauben Sie mir, Direktor, unseren Ärzten und Pflegerinnen würde es gewiss auffallen, wenn jemand drei Monate lang vorzutäuschen versuchte, im Koma zu liegen. Außerdem würden die Überwachungsgeräte sofort Alarm schlagen, wenn derjenige die Elektroden von seinem Körper entfernen würde.«

»Und wenn er sie dran lässt?«

»Und mit mehreren schrankgroßen, lebenserhaltenden Maschinen im Schlepptau treppauf und treppab schleicht? Das ist unmöglich, Direktor!«

»Jemand, der sich als Besucher ausgibt?«

Lutz Weidner nickte. »Das wird es vermutlich sein. Aber was sollten wir dagegen tun? Jeden einzelnen Besucher einer Leibesvisitation unterziehen? Oder am Haupteingang einen Röntgenscanner installieren, der Aufnahmen vom Inhalt sämtlicher Taschen macht?«

»Natürlich nicht«, seufzte der Direktor. »Aber vielleicht könnten wir ja einmal damit anfangen, die Stationstüren auch tagsüber abzuschließen. Die Besucher müssten dann halt klingeln.«

»Das habe ich längst veranlasst.«

»Und trotzdem geht es weiter?«

»Und trotzdem geht es weiter!« Prof. Weidner warf einen Blick auf seine Armbanduhr, stand auf und schob den Stuhl, den er sich vor Direktor Rohrmosers Schreibtisch gestellt hatte, auf seinen Platz zurück.

»Die Polizei hat versprochen, öfter mal in der Eingangshalle präsent zu sein, um dadurch eventuell eine abschreckende Wirkung zu erzielen. Wir haben in den Wartebereichen Warnhinweise angeschlagen, und die Patienten bekommen bei der Aufnahme einen Zettel in die Hand gedrückt, auf dem erklärt wird, wie sie sich vor Diebstahl schützen können.«

»Gut! Wird darauf geachtet, ob beispielsweise der Ring irgendwo zum Verkauf angeboten wird?«

Lutz Weidner nickte. »Selbstverständlich. Mehr können wir im Moment allerdings nicht tun.«

»Verdammte Langfinger!«, fluchte der Verwaltungsdirektor. »Ich werde darüber nachdenken, was man eventuell noch unternehmen könnte. Schlimmstenfalls müssen wir tief in die Tasche greifen und noch mehr Überwachungskameras installieren. Aber ...« Er hob die Hand und rieb Daumen und Zeigefinger aneinander. »Das kostet!«

»Ich weiß. Und in den Patientenzimmern wären Kameras ohnehin nicht gestattet.« Der Chefarzt ging zur Tür. »Ich muss los, Direktor. Ich habe in einer halben Stunde eine Herzklappenoperation, auf die ich mich noch vorbereiten möchte.«

»Busswald!«, brüllte Emil Rohrmoser, als Lutz Weidner gegangen war. Nur Sekunden später tauchte seine Sekretärin in der offenen Tür auf.

»Ja bitte, Herr Direktor? Kann ich etwas für Sie tun?«

»Nein, ich sitze hier und rufe einfach nur so zum Spaß jeden Namen, der mir gerade in den Sinn kommt!«, erwiderte Emil ironisch. »Natürlich können Sie was für mich tun! Rufen Sie bei der Kriminalpolizei an, und vereinbaren Sie einen Beratungstermin für mich.«

»Geht es um die Diebstähle?«

»Ach, Sie wissen also auch schon davon?«

Irene Busswald nickte. »Es ist nämlich so, dass gestern mein Pelzhut weggekommen ist. Es war natürlich nur eine Imitation. Weißer Nerz. Aber trotzdem war er nicht gerade billig, und ich mochte ihn sehr gerne.«

»Heiliges Sparschwein!« Emil erschrak bis ins Mark. Natürlich nicht wegen des affigen Pelzhuts seiner Sekretärin, sondern weil er befürchtete, sie könnte Ersatz von ihm verlangen.

Reflexartig stülpte er einen aufgeschlagenen Aktenordner über das gut gefüllte Sparschwein, das auf seinem Schreibtisch stand.

»Und? Erwarten Sie jetzt, dass ich eine Großfahndung nach Ihrem Pelzdeckel einleiten lasse?«, unkte er. »Ich glaube auch gar nicht, dass das etwas mit den Diebstählen zu tun hat. Vermutlich war es bloß ein Beamter des Amts für guten Geschmack, der das Ding aus dem Verkehr gezogen hat, ehe sich jemand daran die Augen verletzt. Kein Mensch trägt heute noch einen Pelzhut.«

»Wie Sie meinen, Herr Direktor.« Die attraktive Fünfzigjährige hatte es bereits vor Jahren aufgegeben, sich über die oft recht merkwürdigen Reaktionen ihres Chefs Gedanken zu machen. »Heute noch?«, hakte sie nach.

»Was?«

»Der Beratungstermin bei der Kriminalpolizei. Heute ginge es nur nach sechs Uhr. Morgen hätten Sie am Vormittag zwischen zehn Uhr dreißig und elf Uhr fünfzehn Zeit, weil unser Steuerberater den vereinbarten Termin abgesagt hat.«

»Heute noch!«, erwiderte Emil. »Sagen Sie den Termin am frühen Nachmittag mit dem Bürgermeister ab. Da spare ich dann auch was, denn der erwartet immer, dass ich ihn auf einen Kaffee einlade.«

»Mit welcher Begründung?«

»Lassen Sie sich halt was einfallen, Busswald. Wofür habe ich Sie denn sonst? Und danach rufen Sie den Steuerberater an und sagen ihm, dass die Zeit, die ich mir morgen extra für ihn frei gehalten habe, von seinem nächsten Honorar abgezogen wird. Das wird ihm eine Lehre sein, einen Termin so kurzfristig abzusagen.«

***

»Der fünfundzwanzigjährige Dorian Windhagen lag auf der Couch im Wohnzimmer der elterlichen Villa, in der er immer noch wohnte, und zog Bilanz über sein Leben.

Worauf, so überlegte er, könnte er mit Stolz zurückblicken, wenn ihm jemand sagte, dass er morgen, übermorgen oder in einem halben Jahr sterben müsste?

Diese trüben Gedanken kamen nicht von ungefähr. Er fühlte sich seit dem frühen Morgen tatsächlich so, als ob es demnächst mit ihm zu Ende ginge.

Höchstwahrscheinlich handelte es sich nur um eine harmlose Magen-Darm-Grippe oder eine beginnende Erkältung. Dennoch ging es ihm so elend, dass er über die Endlichkeit des Lebens nachdachte.

Er brauchte auch gar nicht lange zu grübeln, ehe er einen Strich unter seine Bilanz ziehen konnte. Unter dem Strich stand ... genau gar nichts.

Okay, er war ein netter Mensch, der mit allen gut klarkam, keine Vorurteile kannte, noch nie irgendjemandem – egal, ob Mensch oder Tier – wissentlich wehgetan hatte, und er war nicht auf den Kopf gefallen.

Aber reichte das, um sagen zu können, er hätte ein erfülltes Leben hinter sich und irgendetwas Sinnvolles vollbracht, dass er der Nachwelt hinterlassen konnte?

Falls es ein Leben danach gab – er glaubte fest daran – und er auf der anderen Seite gefragt wurde, was er mit seinen fünfundzwanzig Jahren angestellt hätte, wie würden die, die ihn fragten, dann auf seine Antwort reagieren?

Wow, ist ja echt toll? Oder: Das war's? Sonst nichts? Oder: Setzen, fünf? Oder: Also echt jetzt, wir hätten mehr von dir erwartet?

Es war nicht etwa so, dass er seit fünfundzwanzig Jahren nur herumhing, Löcher in die Luft guckte und die Zeit totschlug. Nein, er war sogar sehr fleißig gewesen. Aber eben nicht aus eigenem Antrieb. Und er hatte eigentlich ausschließlich Dinge getan, die seine Eltern für ihn beschlossen hatten.

Seine Eltern hatten sich bereits in jungen Jahren gemeinsam ein beachtlich erfolgreiches Immobilienunternehmen aufgebaut. Sie kauften vorwiegend Häuser, Villen und Luxusappartements bei Zwangsversteigerungen auf, renovierten und modernisierten sie mit minimalem Kostenaufwand und verkauften oder vermieteten sie anschließend mit großem Gewinn.

Nicht nur hier in Deutschland. An Bertram und Viola Windhagen wandten sich auch jene, die gerne eine Finca auf Mallorca, eine Villa in Spanien, ein Strandhaus auf den Bahamas oder ein Chalet in den Schweizer Bergen besitzen wollten.

Für Dorians Eltern hatte von Anfang an festgestanden, dass ihr einziger Sohn das Unternehmen eines Tages selbstständig weiterführen würde, wenn sie alt und nicht mehr dazu in der Lage waren.

Also hatte er Betriebswirtschaft, Recht und Management studiert, obwohl ihn das überhaupt nicht interessierte, und seine Studien vor rund einem Jahr mit dem Master of Arts abgeschlossen.

Seither kaufte und verkaufte er Häuser, Appartements und Grundstücke, haute Käufer und Verkäufer mit Verträgen voller Kleingedrucktem übers Ohr und trug dazu bei, dass das Firmenkonto aus allen Nähten platzte.