Der Notarzt 422 - Karin Graf - E-Book

Der Notarzt 422 E-Book

Karin Graf

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Beschreibung

Im Operationssaal der Frankfurter Sauerbruch-Klinik geht es hektisch zu. So schnell wie möglich hat sich das Team fertig gemacht, denn bei dem Patienten, der bereits in Vollnarkose auf dem OP-Tisch liegt, zählt jede Sekunde. Der Anästhesist setzt sich an das Kopfende des Mannes, um die Überwachungsgeräte im Auge zu behalten und jederzeit eingreifen zu können, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert. Während er noch einmal alle Werte kontrolliert, wird er auf den Notarzt Peter Kersten aufmerksam, der diese Operation leiten soll. Peter ist sonst hochkonzentriert bei der Arbeit, aber plötzlich redet er nur noch wirres Zeug, verhält sich unprofessionell und wirkt, als stünde er vollkommen neben sich. Was ist nur los mit ihm? So kann er auf keinen Fall operieren!
Die Assistenzärztin Anne Leuther scheint als Erste zu begreifen, was hier passiert. Doch statt ihrem Chef zu helfen, rennt sie panisch davon ...


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Seitenzahl: 119

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Panik im OP

Vorschau

Impressum

Panik im OP

Während einer Operation rennt Dr. Anne Leuther davon

Karin Graf

Im Operationssaal der Frankfurter Sauerbruch-Klinik geht es hektisch zu. So schnell wie möglich hat sich das Team fertig gemacht, denn bei dem Patienten, der bereits in Vollnarkose auf dem OP-Tisch liegt, zählt jede Sekunde. Der Anästhesist setzt sich an das Kopfende des Mannes, um die Überwachungsgeräte im Auge zu behalten und jederzeit eingreifen zu können, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert. Während er noch einmal alle Werte kontrolliert, wird er auf den Notarzt Peter Kersten aufmerksam, der diese Operation leiten soll. Peter ist sonst hochkonzentriert bei der Arbeit, aber plötzlich redet er nur noch wirres Zeug, verhält sich unprofessionell und wirkt, als stünde er vollkommen neben sich. Was ist nur los mit ihm? So kann er auf keinen Fall operieren!

Die Assistenzärztin Anne Leuther scheint als Erste zu begreifen, was hier passiert. Doch statt ihrem Chef zu helfen, rennt sie panisch davon ...

»Die Anträge auf Zulassung zur Facharztprüfung wurden alle eingereicht, Ihre Logbücher werden bereits von der Landesärztekammer auf Vollständigkeit untersucht, und wenn nichts dagegenspricht, werden Sie in den kommenden Tagen eine Einladungen zur abschließenden Facharztprüfung erhalten.«

Prof. Lutz Weidner, der Chefarzt der Frankfurter Sauerbruch-Klinik, blickte ernst in die Runde. Dutzende Augenpaare schauten ihm hoffnungsvoll entgegen. Er wusste genau, was die meisten der jungen Kollegen von ihm hören wollten. Doch leider konnte er ihnen – bis auf wenige Ausnahmen – keine Versprechungen machen.

»Sie sind uns im Laufe der Jahre natürlich alle ans Herz gewachsen«, fuhr er fort, »aber wie Sie sich wohl denken können, sind wir leider nicht dazu in der Lage, Ihnen allen eine feste Anstellung als Facharztärzte und somit den Verbleib an unserer Klinik anzubieten.«

Ein Raunen und Seufzen erhob sich im großen Sitzungssaal im obersten Stock der Sauerbruch-Klinik, in dem sich an diesem Montagmorgen rund fünfzig Jungmediziner eingefunden hatten, die kurz vor dem Ende ihrer sechsjährigen Facharztausbildung standen.

Wie jedes Jahr informierte Prof. Weidner sie möglichst umfangreich darüber, was sie erwartete. Er kannte die Prüfer alle persönlich, und er kannte auch ihre Eigenheiten.

Die eine legte besonderen Wert auf untadelige Kleidung und höfliches Benehmen. Der andere nuschelte seine Fragen bei der mündlichen Prüfung so undeutlich, dass man dreimal nachhaken musste. Ein älterer Professor, der vermutlich der längst vergangenen männlichen Vorherrschaft nachtrauerte, war dafür bekannt, Frauen besonders streng zu prüfen und sich über jede Einzelne zu freuen, die er durchfallen lassen konnte.

Der Chefarzt wusste, dass die Nervosität sich in Grenzen hielt, wenn man nicht nur auf die Prüfungsfragen, sondern auch auf das Drumherum bestmöglich vorbereitet war. Und übermäßige Nervosität oder Unsicherheit, auch das wusste er, konnte selbst den Besten zu Fall bringen.

»Wenn wir alle jungen Kolleginnen und Kollegen nach erfolgreich abgeschlossener Ausbildung behalten würden, dann hätten wir hier bald so viele Ärzte, dass wir keinen Platz mehr hätten, um Patienten aufnehmen zu können«, fügte er scherzend hinzu.

Er hatte vorhin ein bisschen geflunkert. Ja, es gab etliche unter seinen Schützlingen, die er tatsächlich vermissen würde. Aber es gab auch jene, von denen er sich anfangs viel versprochen hatte, die ihn im Laufe der Jahre jedoch enttäuscht hatten. Nicht immer nur fachlich, sondern häufig auch menschlich. Sich von diesen zu verabschieden, würde ihm leichtfallen.

Ein lautes Schniefen veranlasste ihn dazu, zur Seite zu blicken. Marianne Hoppe, seine Sekretärin, hatte den Kopf tief über die Unterlagen gesenkt, auf denen unter anderem bereits die ersten Prüfungstermine verzeichnet waren, und betupfte sich Augen und Nase mit einem Zipfel ihrer Strickjacke, der schon ganz nass war.

»Ach, du meine Güte!« Lutz Weidner musste lachen. Er reichte der vollschlanken Mittfünfzigerin mit den bordeauxroten Ringellöckchen ein Papiertaschentuch.

»Der Abschluss einer insgesamt zwölf Jahre dauernden Berufsausbildung ist ein Grund zum Jubeln und kein Anlass, Trübsal zu blasen, Marianne«, sagte er schmunzelnd.

»Weiß ich doch«, schniefte die Sekretärin und putzte sich die Nase. »Innerlich juble ich ja wie verrückt. Aber äußerlich ... Na ja ... die Kinder sind erwachsen geworden. Bis auf ein paar wenige Ausnahmen werden sie uns alle verlassen, und die meisten von ihnen werden wir vermutlich nie wiedersehen.«

Sie zuckte trotzig mit den Schultern.

»Da wird man wohl doch ein bisschen sentimental werden dürfen, oder? – Noch eins!«, forderte sie und wedelte so lange blind mit der Hand, bis sie ein frisches Papiertuch zwischen den Fingern spürte.

»Aber natürlich. Das bin ich doch auch«, versicherte Lutz Weidner ihr. Er konnte den Abschiedsschmerz seiner Sekretärin gut verstehen. Meistens war sie es, zu der die Jungärzte mit ihren Sorgen kamen.

Oft genug hatte er in seinem Büro mit angehört, wie sie einem verzagten Anfänger, der auf der Stelle alles hinschmeißen wollte, weil er sich selbst für unfähig hielt, den Eintritt in sein Büro verweigert und ihm befohlen hatte, gefälligst die Hinterbacken zusammenzukneifen und weiterzumachen.

Sie trocknete Tränen, sie vermittelte bei unglücklichen Romanzen, sie schlichtete Streit und stärkte jenen den Rücken, die von ihrem jeweiligen Oberarzt einen Rüffel bekommen hatten und glaubten, dass die Welt deswegen unterginge.

Jetzt hob sie den Kopf und blickte mit rot geränderten Augen in die Runde.

»Ich wünsche natürlich jedem Einzelnen von euch Pappenheimern, dass er die Prüfung besteht. Aber ihr werdet mir fehlen.«

Sie deutete auf einen attraktiven jungen Mann, der wie üblich zu spät gekommen war, keinen freien Stuhl mehr gefunden hatte, jetzt auf einem der Fensterbretter saß, mit den Beinen baumelte und auf seinem Handy herumwischte.

»Sogar dieses Prachtexemplar von einer Landplage wird mir fehlen. Obwohl der Junge mich wahrlich oft den letzten Nerv gekostet hat.«

Prof. Weidner musste lachen. Ja, der mittlerweile achtundzwanzigjährige Philipp Thiele war anfangs ein richtiges Sorgenkind gewesen und war es teilweise noch immer, denn er war ziemlich rebellisch und impulsiv veranlagt.

Aber anders als Marianne würde der Chefarzt ihn überhaupt nicht vermissen. Er ging nämlich davon aus, dass sein Kollege, der Leiter der Notaufnahme, der einen von zwei Assistenzärzten, die in den nächsten Tagen ihr Facharztdiplom erhalten sollten, für eine feste Anstellung in seiner Abteilung auswählen durfte, sich für den jungen Dr. Thiele entscheiden würde.

»Wie? Was?« Als Philipp merkte, dass sich alle zu ihm umgedreht hatten und ihn anstarrten, sprang er vom Fensterbrett, steckte sein Handy hastig in die Kitteltasche und hob beide Hände hoch. »Ich war das nicht!«

»Was waren Sie nicht, Kollege?«, fragte Prof. Weidner schmunzelnd. Der junge Arzt hatte ihn von Anfang an amüsiert und ihn ein bisschen an seine eigene Sturm-und-Drang-Periode, in der er noch fest daran geglaubt hatte, er könne die Welt im Alleingang zum Besseren verändern, erinnert.

Zwar hatte er Dr. Thiele im Laufe der vergangenen sechs Jahre beinahe wöchentlich die Leviten lesen müssen, weil der gerne Quatsch machte, häufig zu spät zum Dienst erschien und seinen Kollegen Streiche spielte, aber er meinte es nie böse. Und die Zeit, die er morgens verbummelte, holte er nach Dienstschluss unaufgefordert stets doppelt und dreifach nach.

Er konnte mitunter auch ziemlich heftig werden, wenn er der Meinung war, dass man manchen Patienten mit alternativen, nicht invasiven Methoden besser helfen könnte, als immer gleich mit Kanonen auf Spatzen zu schießen.

Das hatte im Laufe der Jahre zu so mancher Auseinandersetzung geführt. Allerdings hatte er, wenn es ihm gelungen war, sich durchzusetzen, immer recht behalten.

Jetzt grinste er sein schiefes Lausbubengrinsen und zuckte mit den Schultern.

»Ich weiß nicht. Was auch immer wer auch immer gerade angestellt hat, diesmal war ich es ganz bestimmt nicht!«

»Niemand hat etwas angestellt«, winkte Marianne Hoppe lachend ab. »Ich habe nur gerade gesagt, dass ich sogar Sie vermissen werde. Und das, obwohl Sie an jeder einzelnen Falte, die ich habe, schuld sind.«

»Nee, werden Sie nicht!« Philipp schüttelte entschieden den Kopf. »Ich werde nämlich mindestens jede Woche einmal hier antanzen und Sie weiterhin nerven, damit sie keine Entzugserscheinungen bekommen. Es sei denn, es will mich keine Klinik in der näheren Umgebung haben und ich muss nach Obergurgelbrummbach an der Knatter auswandern. Aber dann schicke ich Ihnen wöchentlich eine Postkarte, damit Sie mich nicht vergessen.«

»Als ob eine solche Nervensäge wie Sie irgendjemand vergessen könnte!«, stöhnte die Sekretärin augenverdrehend. »Bis an mein Lebensende werde ich mich immer dann, wenn ich mal Sodbrennen habe, an Sie erinnern.«

»Ein halbes Teelöffelchen Natron in einem Glas lauwarmem Wasser auflösen und trinken. Wirkt sofort«, erwiderte Philipp wie aus der Pistole geschossen. »Nehmen Sie bloß keinen von diesen chemischen Säureblockern. Und im Übrigen haben Sie gar keine Falten. Sie sind schön wie der junge Frühling.«

»Sehen Sie?« Marianne blinzelte dem Chefarzt zu und glättete mit den Fingerspitzen eine Falte über ihrer Nasenwurzel. »Deswegen mag ich den Bengel. Er lügt wie gedruckt, aber wenn man so wie ich auf die Sechz... Fünf... Vierzig zugeht, dann freut man sich auch über gelogene Komplimente. Können wir den Jungen nicht behalten, Chef?«

Prof. Weidner konnte deutlich sehen, wie Dr. Anne Leuther – sie war die zweite Jungärztin, die sich für die Ausbildung als Notärztin entschieden hatte – die Luft anhielt und ihre Augen sich weiteten.

»Das muss der Kollege Kersten entscheiden, Marianne«, sagte er rasch. »Und ich fürchte, er wird sich bei seiner Wahl nach anderen Kriterien richten als Sie. Von Komplimenten über sein gutes Aussehen wird er sich kaum beeinflussen lassen.«

***

Die Kinder- und Jugendpsychologin Dr. Lea König hatte ihre Kräfte maßlos überschätzt.

Sie hatte heute einen freien Tag und wollte diesen dazu nutzen, längst fällige Einkäufe zu erledigen und den Haushalt auf Vordermann zu bringen.

Der Supermarkt war keine zehn Gehminuten von der Villa entfernt, in der sie mit ihrem Lebensgefährten Dr. Peter Kersten am grünen Rand von Frankfurt wohnte. Und weil heute so ein schöner sonniger Morgen war und sie ihre Praxis in den letzten paar Wochen kaum jemals bei Tageslicht verlassen hatte, hatte sie beschlossen, den kurzen Weg zu Fuß zurückzulegen.

Sie brauchte ja ohnehin nicht viel. Brot, Butter, Milch, Eier, was man halt so für die Zubereitung eines schnellen Frühstücks benötigte. Mittags und abends waren Peter und sie ohnehin so gut wie nie zu Hause.

So hatte sie sich das zumindest gedacht. Doch im Supermarkt war ihr eingefallen, dass sie ja auch noch Waschmittel, Weichspüler, Geschirrspültabs, Kaffee, Zucker, Mehl und noch Dutzende andere Dinge brauchte, und so schleppte sie jetzt in jeder Hand zwei große Taschen, hatte sich eine weitere, scheinbar zentnerschwere Plastiktasche über die Schulter gehängt und noch einen Sechserpack mit großen Wasserflaschen unter den rechten Arm geklemmt.

Dermaßen beladen schaffte sie immer nur drei oder vier Schritte, dann musste sie stehen bleiben und die Last anders verteilen, weil der Sechserpack bei jedem Schritt immer tiefer rutschte und die Trageriemen der Umhängetasche sich schmerzhaft in ihre Schulter gruben.

Auf diese Weise hatte sie es gerade erst einmal geschafft, sich fünf oder sechs Meter weit vom Supermarkt zu entfernen. Wenn es in diesem Tempo weiterging, würde sie mit viel Glück in einer Stunde zu Hause sein. Und das vermutlich mehr tot als lebendig.

Was sie sich so entspannend vorgestellt hatte – gemütlich dahinschlendern, die herrliche Morgensonne genießen, die üppige Blumenpracht in den Vorgärten bewundern und vielleicht mit einigen Nachbarn tratschen, denen sie begegnete –, geriet jetzt zu einer echten Herausforderung.

Ihr Rücken ziepte, ihre Arme fühlten sich an, als ob man sie auf eine dieser mittelalterlichen Streckbänke geschnallt hätte, ihr Nacken war völlig verspannt, und ein eisiger Windstoß wäre ihr jetzt weiß Gott lieber gewesen als die herrliche Morgensonne, denn die brachte sie gehörig ins Schwitzen.

Sie wich zur Seite und wankte eng an den Gartenzäunen entlang, als sie hinter sich das typische Tapp-Tapp-Tapp hörte, das ein Kinderfuß produzierte, um einen dieser Scooter zur Höchstgeschwindigkeit anzutreiben.

Sie wusste aus Erfahrung, dass Kinder ihre Fähigkeit, bei hoher Geschwindigkeit auch noch konzentriert zu lenken und Hindernissen auszuweichen, häufig überschätzten. Von einem Roller von hinten gerammt zu werden und dann ihre gesamten Einkäufe von der Straße aufsammeln zu müssen, das konnte sie jetzt wirklich nicht auch noch brauchen.

Das mulmige Gefühl, das sie hatte, wurde noch dadurch verstärkt, dass das Kind aus voller Kehle irgendeinen Song schmetterte, den Lea nicht kannte. Bei so viel deutlich hörbarer Lebensfreude befand sich der oder die Kleine vermutlich gerade mit dem Kopf hoch über den Wolken und achtete bestimmt nicht auf einen sich mühsam dahinschleppenden Packesel.

Stehen bleiben und sich umdrehen, das wollte Lea nicht, denn es war ihr gerade vorhin gelungen, ihre Last so geschickt zu verteilen, dass sie diesmal vermutlich ganze zwei, drei, wenn nicht sogar fünf Meter am Stück schaffen könnte.

Plötzlich verwandelte sich das hektische Tapp-Tapp-Tapp in ein lang gezogenes Schleifen. Das fröhliche Kind versuchte offensichtlich, den Roller innerhalb einer Sekunde von Lichtgeschwindigkeit auf null abzubremsen.

Der Sand, der noch vom Winter auf dem Bürgersteig lag, spritzte hoch auf, und einzelne Körner prallten gegen Leas Rücken.

Zwar wurde ihr von hinten eine Warnung zugerufen – »Nicht erschrecken!« –, doch sie schrie dennoch erschrocken auf, als der Roller jetzt mit blockierenden Rädern von hinten auf sie zuschlitterte und dann dicht neben ihr anhielt.

»Tut mir echt leid! Ich wollte Sie nicht erschrecken, Frau König«, sagte eine lachende Stimme.

Während Lea sich schwer atmend gegen einen Lattenzaun lehnte und kurz die Augen schloss, wurde ihr der Sechserpack unter dem Arm hervorgezogen, und dann wurde ihr nach und nach jede einzelne Tasche aus der Hand genommen.

Als sie wieder einigermaßen normal atmen konnte und die Augen öffnete, sah sie sich einer jungen Frau gegenüber, deren Anblick sie faszinierte. Genau so hatte sie sich früher Pippi Langstrumpf im Erwachsenenalter vorgestellt.

Eine Fülle ungezähmter roter Locken, eine freche Stupsnase, eine halbe Million Sommersprossen, ein Lächeln, das vermutlich rund um den ganzen Kopf gelaufen wäre, hätten ihre Ohren die Mundwinkel nicht gestoppt, und vor Lebenslust funkelnde grüne Augen.

Die bildhübsche junge Frau trug kurze Hosen und dazu ein ärmelloses grasgrünes Top. Lea konnte sehen, dass eines ihrer Knie aufgeschürft war und an ihren Armen und Beinen mehr Heftpflaster klebten, als die Psychologin in ihrer gesamten Hausapotheke vorrätig hatte.

»Du meine Güte!« Sie schüttelte staunend den Kopf.

Die junge Frau lachte schallend, während sie Leas gesamte Einkäufe auf dem schmalen Trittbrett ihres Scooters auftürmte.

»Sie haben vermutlich mit einer Achtjährigen gerechnet, oder? Meine Großmutter sagt immer, dass ich wie eine Grundschulgöre daherkomme und mich auch so verhalte.«

»Das habe ich ganz bestimmt nicht gedacht«, protestierte Lea. »Es ist nur so, dass ... Sie sehen aus wie ...«