Der Notarzt 426 - Karin Graf - E-Book

Der Notarzt 426 E-Book

Karin Graf

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Dr. Peter Kersten ist verärgert. Der Klinikchef, Prof. Lutz Weidner, hat eine neue Ärztin für die Notaufnahme eingestellt, ohne ihm die Dame auch nur vorzustellen. Als Leiter der Notaufnahme ist Peter es gewohnt, bei solchen Entscheidungen ein Mitspracherecht zu haben. Dass er nun einfach vor vollendete Tatsachen gestellt wird, passt ihm gar nicht. Außerdem macht ihn der Lebenslauf der neuen Kollegin äußerst skeptisch: Die Frau ist erst sechsundzwanzig Jahre alt und hat bereits vier Facharbeitsdiplome in der Tasche. Eine solch ungewöhnliche Leistung kann man doch nur dann erbringen, wenn man rücksichtslos durchs Leben geht und sich ausschließlich auf eine steile Karriere konzentriert! Solche Menschen sind ihm grundsätzlich suspekt.
Als Dr. Nadine Hartmann dann ihren ersten Dienst in der Notaufnahme antritt, scheinen sich all seine Befürchtungen zu bewahrheiten. Die neue Ärztin spricht respektlos und maßregelnd mit Dr. Kersten. Und es kommt noch schlimmer! Dass es einen tieferen Grund für ihr unangemessenes Verhalten gibt, ahnt zunächst niemand. Bis der Assistenzarzt Tim ihrem Geheimnis auf die Spur kommt ...


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 114

Veröffentlichungsjahr: 2022

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Die Ungezähmte

Vorschau

Impressum

Die Ungezähmte

Dr. Kersten und eine sehr eigenwillige Kollegin

Karin Graf

Dr. Peter Kersten ist verärgert. Der Klinikchef, Prof. Lutz Weidner, hat eine neue Ärztin für die Notaufnahme eingestellt, ohne ihm die Dame auch nur vorzustellen. Als Leiter der Notaufnahme ist Peter es gewohnt, bei solchen Entscheidungen ein Mitspracherecht zu haben. Dass er nun einfach vor vollendete Tatsachen gestellt wird, passt ihm gar nicht. Außerdem macht ihn der Lebenslauf der neuen Kollegin äußerst skeptisch: Die Frau ist erst sechsundzwanzig Jahre alt und hat bereits vier Facharbeitsdiplome in der Tasche. Eine solch ungewöhnliche Leistung kann man doch nur dann erbringen, wenn man rücksichtslos durchs Leben geht und sich ausschließlich auf eine steile Karriere konzentriert! Solche Menschen sind ihm grundsätzlich suspekt.

Als Dr. Nadine Hartmann dann ihren ersten Dienst in der Notaufnahme antritt, scheinen sich all seine Befürchtungen zu bewahrheiten. Die neue Ärztin spricht respektlos und maßregelnd mit Dr. Kersten. Und es kommt noch schlimmer! Dass es einen tieferen Grund für ihr unangemessenes Verhalten gibt, ahnt zunächst niemand. Bis der Assistenzarzt Tim Freitag ihrem Geheimnis auf die Spur kommt ...

Dr. Peter Kersten, der Leiter der Notaufnahme an der Frankfurter Sauerbruch-Klinik, legte die Bewerbungsunterlagen auf den Tisch zurück und blickte den Chefarzt mit gerunzelter Stirn an.

Prof. Lutz Weidner hatte ihn vor zehn Minuten in sein Büro auf der Kardiologie gebeten und dort einfach mit der Tatsache konfrontiert, dass er eine zusätzliche Fachärztin für die Notaufnahme angestellt hätte.

Das war natürlich einerseits eine sehr erfreuliche Neuigkeit, denn von einem normalen Zwölfstundentag und drei freien Tagen pro Woche konnten Peter und sein Team schon lange nur noch träumen. Andererseits jedoch ...

»Bislang durfte ich mir meine Mitarbeiter immer selbst aussuchen, Professor. Warum diesmal nicht? Und warum haben Sie diese Frau ...« Er schlug die Mappe noch einmal auf und warf einen Blick auf die Daten der neuen Kollegin. »Hartmann. Dr. Nadine Hartmann. Warum haben Sie dieser Kollegin so rasch eine feste Zusage erteilt, ohne erst das Vorstellungsgespräch abzuwarten? Kennen Sie die Frau persönlich?«

Der Klinikchef schüttelte den Kopf.

»Nein, ich bin ihr noch nie begegnet. Sie ist nicht von hier. Sie hat in Heidelberg studiert und ihre Ausbildung zur Fachärztin für Intensivmedizin, Chirurgie, Innere Medizin und Anästhesiologie an der dortigen Uniklinik absolviert. Ich habe ...«

»Moment mal!«, fiel Peter dem Chefarzt ins Wort und schüttelte entschieden den Kopf. »Vier Facharztdiplome? Das kann nicht sein. Ich dachte, sie ist erst ...« Er schlug die Bewerbungsmappe noch einmal auf und warf erneut einen Blick auf die Seite mit den persönlichen Daten. »Sechsundzwanzig! Mit sechsundzwanzig Jahren bereits vier Facharztdiplome geschafft zu haben, das ist unmöglich.«

»Eben deshalb.« Lutz Weidner nickte schmunzelnd. »Als ich ihre Bewerbungsunterlagen erhielt, dachte ich zuerst ebenfalls an einen Irrtum. Doch ein Telefongespräch mit dem Kollegen, der die Uniklinik in Heidelberg leitet, hat mich eines Besseren belehrt. Himbeere oder Karamell?«

»Wie bitte?«

Der Chefarzt steckte seine rechte Hand in seine Kitteltasche, holte die letzten beiden Bonbons heraus, die er von seinem Besuch auf der Kinderstation noch übrig hatte, und hielt sie Peter hin.

»Danke!« Der Notarzt nahm sich beide Bonbons, wickelte sie aus und steckte sich beide zugleich in den Mund. »Sie haben mich einfach übergangen«, lamentierte er mit vollem Mund. »Da glauben Sie doch wohl selbst nicht, dass eines reicht, um mich zu besänftigen.«

Prof. Weidner lachte. »Ich hätte Sie natürlich lieber vorher gefragt, aber Sie waren am frühen Morgen, als ich das Bewerbungsschreiben erhielt, im OP. Ich dachte mir, bei einem so außergewöhnlichen Talent müsse man schnell reagieren, ehe uns jemand diese brillante Kollegin vor der Nase wegschnappt. Deshalb habe ich sie sofort angerufen.«

Lutz Weidner zog seine buschigen, silbergrauen Augenbrauen hoch.

»Haben Sie ihren bisherigen Werdegang gelesen, Kollege? Sie hat ihr Studium mit sechzehn begonnen, jede einzelne Prüfung mit der Bestnote abgelegt und alles in absoluter Rekordzeit – beinahe wie im Vorübergehen – erledigt.«

Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und schlug die Beine übereinander.

»Diese Frau bräuchte vermutlich nur mit den Fingern zu schnippen, um eine Anstellung an jedweder Klinik des ganzen Landes zu bekommen. Dass sie sich ausgerechnet für unser Krankenhaus entschieden hat, ist vermutlich unserem guten Ruf geschuldet. Ich denke, darauf können wir stolz sein.«

»Bestnoten!«, winkte Peter kopfschüttelnd ab. »Seit wann geben Sie etwas auf Noten? Sagen Sie nicht immer selbst, Noten seien nur ein Hinweis darauf, wie gut jemand auswendig lernen kann? Ein gutes Zeugnis macht doch noch lange keine gute Ärztin!«

So sehr der Notarzt einerseits die schier unglaubliche Leistung der jungen Kollegin bewunderte, so sehr zweifelte er andererseits daran, dass sich eine Person, die offensichtlich ihr gesamtes Leben ausschließlich ihrer Karriere opferte und sich weder von Familienplanung noch irgendwelchen Freizeitaktivitäten ablenken ließ, harmonisch in sein Team einfügen würde.

Eine solche Leistung konnte man nur dann erbringen, wenn man mit Scheuklappen durchs Leben ging, jede Ablenkung um sich herum ausblendete und sich ausschließlich auf einen raschen beruflichen Erfolg und eine steile Karriere konzentrierte. Solche Menschen waren ihm ein bisschen unheimlich.

»Oft sind es doch gerade die schrecklich Lerneifrigen«, fuhr er fort, »die dann im realen Leben versagen, weil es den typischen Strebern zumeist an Intuition, Fantasie und Eigendynamik mangelt.«

»Und darauf legen Sie so großen Wert?«

Eigentlich hätte Peter sich gleich denken können, dass es sich hierbei um eine Fangfrage handelte, denn als der Chefarzt ihm diese Frage stellte, grinste er schief, und in seinem Blick lag für einen Moment dieses listige Funkeln, das immer dann zu sehen war, wenn er sich mit jemandem einen Scherz erlaubte.

Doch der Notarzt hatte es zu spät erkannt und tappte deshalb blind in die Falle. Er nickte überdeutlich.

»Ja, darauf lege ich sehr viel mehr Wert als auf gute Noten, erstklassige Zeugnisse, ein Elefantengedächtnis und vier Facharztdiplome in einem Alter, in dem die meisten noch nicht einmal eines geschafft haben.«

Prof. Weidner nickte bestätigend und gab Peter damit das Gefühl, er wäre einsichtig geworden und würde seine übereilte Zusage an die Kollegin noch einmal überdenken. Deshalb setzte Peter noch rasch eins drauf.

»Ein erfülltes Privatleben, Aktivitäten und Interessen abseits des Berufs und genügend Lebensfreude sind gerade für unsere Tätigkeit von immenser Wichtigkeit. Ein Arzt, der nur für seinen Beruf lebt, läuft Gefahr, sehr bald auszubrennen und körperlich und seelisch vor die Hunde zu gehen.«

»Sehr schön!« Lutz Weidner rieb sich die Hände. »Dann habe ich hier genau das Richtige für Sie.« Er holte eine weitere Bewerbungsmappe von seinem Schreibtisch und legte sie vor Peter auf den Couchtisch in der Besucherecke. »Ich denke, damit werde ich Ihnen eine große Freude bereiten. Dieser junge Kollege hat all das, was Sie so sehr schätzen.«

»Und zwar?« Peter kniff die Augen misstrauisch zusammen und legte den Kopf schief.

»Miserable Zeugnisse, miserable Noten, ein Gedächtnis wie ein Sieb, mit siebenundzwanzig noch immer kein einziges Facharztdiplom in Aussicht, dafür jedoch jede Menge Eigendynamik, Intuition und mitunter sogar ein bisschen zu viel Fantasie, wie mir scheint.«

»Mit einem Wort: Zu der strebsamen Dame wollen Sie mir nun auch noch das andere Extrem aufs Auge drücken?«

Der Professor nickte schmunzelnd.

»Richtig! Da haben Sie einen schönen Ausgleich zu der Kollegin Hartmann. Die beiden werden einander bestimmt hervorragend ergänzen.«

Während der Chefarzt ihm die Nachteile des Kollegen begeistert angepriesen hatte, hatte Peter dessen Lebenslauf bereits flüchtig überflogen.

»Klingt ja echt toll«, unkte er. »Tim Freitag. Mit Ach und Krach gerade einmal so durchs Studium gekommen. Bereits aus zwei Kliniken rausgeflogen. Wegen mangelnder Disziplin. Diesen Tunichtgut wollen Sie mir wirklich andrehen?«

»Ja. Es fehlen ihm nicht mehr besonders viele Übungen, bis er zur Facharztprüfung antreten darf. Ich denke, in ein, zwei Jahren müssten wir ihn mit ein bisschen Glück so weit haben.«

»Ihm haben Sie aber doch hoffentlich nicht auch schon fest zugesagt, oder?«

»Doch. Er war gestern Abend zu einem Vorstellungsgespräch bei mir. Ich wollte Sie natürlich dazubitten, doch er hatte sich leider um fast zwei Stunden verspätet. Da waren Sie schon weg. Er wird morgen früh zusammen mit der Kollegin Hartmann seinen Dienst in der Notaufnahme antreten.«

»Warum?«, rief Peter entnervt aus. »Ich kann ja verstehen, dass Sie sich von all den Rekorden, die Frau Hartmann aufgestellt hat, haben blenden lassen. Aber warum, um alles in der Welt, entscheiden Sie sich für einen solchen Taugenichts, der die Uhr offensichtlich noch nicht lesen kann und noch nicht einmal erwachsen geworden ist?«

»Ich mochte ihn«, erwiderte der Chefarzt ernst. »Erstens hat er mit keiner seiner Schandtaten hinterm Berg gehalten. Im Gegenteil, er hat sich selbst genauso beschrieben, wie seine ehemaligen Chefs ihn beschrieben haben. Und zweitens war er mir sofort überaus sympathisch. Der berühmte Funke ist übergesprungen, wie man so schön sagt.«

»Na großartig.« Peter seufzte tief. »Und ich muss ausbaden, dass bei Ihnen die Funken springen! Warum ausgerechnet ich? Warum stecken Sie Herrn Freitag nicht in eine Abteilung, in der er weniger Schaden anrichten kann?«

»Weil ich mir von Ihnen und der Kollegin Hartmann einen gewissen erzieherischen Einfluss auf den jungen Kollegen erhoffe. Und umgekehrt ebenso.«

»Umgekehrt? Sie wünschen sich, dass Tim Freitag mich zu etwas mehr Disziplinlosigkeit erzieht? Kein Problem. Wenn Ihnen das gefällt, dann komme ich gleich morgen zwei Stunden zu spät zum Dienst.«

»Nein! Nicht so herum!«

»Wie dann?«

»Nun, die Kollegin Hartmann scheint für ihr Alter ein wenig zu zielstrebig und ernsthaft zu sein. Vielleicht färbt die pure Lebensfreude, die Herr Freitag ausstrahlt, ein bisschen auf sie ab.«

»Ich leite eine Notaufnahme und keine Erziehungsanstalt für verhaltenskreative Jungärzte«, protestierte Peter.

»Darf ich Sie daran erinnern, mein lieber Kollege«, erwiderte der Chefarzt schmunzelnd, »dass auch Sie einst ein verhaltenskreativer Jungarzt waren?«

Prof. Weidner war Oberarzt der Kardiologie gewesen, als Peter Kersten sich vor rund zwanzig Jahren um einen Ausbildungsplatz als Facharzt für Innere Medizin, Chirurgie und Intensivmedizin beworben hatte.

»Scheint recht begabt zu sein, es fehlt ihm jedoch der nötige Ernst, so lauteten damals die Worte meines Vorgängers, wenn ich mich richtig erinnere.« Er legte den Kopf schief und hob den Zeigefinger hoch. »Und habe ich damals nicht sofort Ihr Potential erkannt, Kollege? Habe ich Sie nicht unter meine Fittiche genommen, Sie unterstützt, gefördert und ... ja, auch erzogen? Und ...«

Der Chefarzt deutete auf die Fältchen, die seine Augen umgaben.

»Habe ich diese nicht zum Teil davon bekommen, dass ich ziemlich häufig beide Augen zugedrückt und über Ihren Überschuss an Lebensfreude und Ihre spätpubertären Scherze hinweggesehen habe?«

Auf diese Weise entwaffnet, hob Peter beide Hände hoch.

»Schon klar, Professor! Und jetzt ist die Zeit gekommen, um dafür zu bezahlen. So meinen Sie das doch, oder?«

»Nicht bezahlen.« Der Klinikchef schüttelte den Kopf. »Aber das Gute, das man im Leben geschenkt bekommen hat, sollte man irgendwann an andere weitergeben. So meine ich das. Glück, das man weitergibt, vermehrt sich. Wenn man es für sich selbst behält, endet es irgendwann.«

Er stand auf und signalisierte Peter damit, dass er das letzte Wort gesprochen hatte und es zu diesem Thema weiter nichts mehr zu besprechen gab.

***

Für das Gejammer über das Vergessen im Alter konnte Konrad Haydegger kein rechtes Verständnis aufbringen. Er selbst war sechsundneunzig Jahre alt und kein bisschen dement.

Das Problem war: Er wäre es gerne gewesen. Er beneidete diejenigen, die sich darüber beklagten, dass die schwarzen Löcher in ihrer Vergangenheit immer größer wurden, dass sie sich kaum noch an die Namen und die Gesichter ihrer eigenen Kinder erinnern konnten und dass die ganze Welt um sie herum langsam im Nebel versank.

Konrad hätte weiß Gott was dafür gegeben, wenn er nur hätte vergessen können. Es erschien ihm grausam, bei vollem Bewusstsein mit ansehen zu müssen, wie sein Körper von Tag zu Tag immer mehr verrottete.

Er konnte keine drei Schritte mehr laufen, und an manchen Tagen war er sogar zu schwach, um den Löffel hochzuheben. Dann musste er wie ein Baby gefüttert werden. Ganz zu schweigen davon, dass er nicht mehr selbst zur Toilette gehen konnte. Das war verdammt demütigend.

Manchmal betete er darum, möglichst bald zu sterben oder wenigstens vergessen zu können, dass er bis vor ein paar Jahren ein angesehener, respektierter und als Direktor einer großen Bank sogar wichtiger Mann gewesen war.

Hätte er vor ein paar Jahren, als sein Körper noch funktioniert hatte, geahnt, wie seine letzten Jahre aussehen würden, dann hätte er sich vermutlich rechtzeitig aus dem Staub gemacht. Es war entwürdigend, gewickelt, gefüttert, gewaschen, bevormundet und wie ein geistig zurückgebliebenes Kleinkind behandelt zu werden.

Wenn er hin und wieder zur Untersuchung ins Krankenhaus gekarrt wurde und seine Altersgenossen sah, wie sie irgendetwas Unverständliches vor sich hin brabbelten, ins Leere starrten und geistig längst dort angelangt waren, wohin der Körper ihnen bald folgen würde, dann beneidete er sie glühend um die Leere in ihren Köpfen.

Sie lächelten dankbar, wenn ein Arzt kam und ein joviales »So, Opilein, jetzt wollen wir mal sehen, ob Sie auch immer brav Ihre Medizin eingenommen haben!« von sich gab.

Konrad jedoch musste daran denken, dass jene, die jetzt auf ihn herabschauten, noch die Windeln vollgemacht hatten und nicht bis drei hatten zählen können, als er tagaus, tagein dafür gesorgt hatte, dass der Laden lief und die jungen Leute es besser hatten, als er selbst es in seiner Jugend gehabt hatte.

Für ihn fühlten sich solche Respektlosigkeiten jedes Mal wie eine Ohrfeige an. Es war wie ein Déjà-vu. Im Kindergarten und in der Grundschule war er so herablassend behandelt worden, weil er noch zu schwach gewesen war, um sich Respekt zu verschaffen. Und jetzt war er wieder zu schwach dazu, und sie behandelten ihn abermals so.

Dass er sich jahrzehntelang für dieses Land abgerackert hatte, das war vergessen. Es zählte nicht mehr. Er war jetzt ein nutzloser Esser, der sein Ablaufdatum überschritten hatte und den Renten- und Krankenkassen auf der Tasche lag.

Wieso brachte diesen jungen Pfeifen denn niemand bei, dass auch in einem noch nicht oder nicht mehr voll funktionsfähigen Körper ein voll funktionsfähiger Geist wohnte, der Respekt verdiente?