Der Notarzt 432 - Karin Graf - E-Book

Der Notarzt 432 E-Book

Karin Graf

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Beschreibung

Wo auch immer sie ist, zieht die zwanzigjährige Samira Eisenberg alle Blicke auf sich. Sie ist eine auffallende Schönheit. Da ist es kein Wunder, dass sie vor einiger Zeit "entdeckt" wurde und nun als recht erfolgreiches Model arbeiten kann.
Nach außen hin scheint die junge Frau alles zu haben. Sie lebt den Traum, den viele junge Mädchen hegen, doch in ihrem Inneren sieht es ganz anders aus. Es ist ein hoher Preis, den sie für dieses Leben zahlt.
Als Samira in der Notaufnahme der Frankfurter Sauerbruch-Klinik auftaucht, ist ihre Lage ernst. Es geht für sie um alles: um ihre Gesundheit, ihren Beruf, ihre Familie, ihre Freunde und die Liebe. Und wie es scheint, könnte ausgerechnet der junge Assistenzarzt Dr. Milo Lorenz ihr zu einer ganz unerwarteten Zukunft verhelfen ...


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Seitenzahl: 115

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Der Preis der Schönheit

Vorschau

Impressum

Der Preis der Schönheit

Dr. Kersten und eine Patientin, die alles zu haben schien

Karin Graf

Wo auch immer sie ist, zieht die zwanzigjährige Samira Eisenberg alle Blicke auf sich. Sie ist eine auffallende Schönheit. Da ist es kein Wunder, dass sie vor einiger Zeit »entdeckt« wurde und nun als recht erfolgreiches Model arbeiten kann.

Nach außen hin scheint die junge Frau alles zu haben. Sie lebt den Traum, den viele junge Mädchen hegen, doch in ihrem Inneren sieht es ganz anders aus. Es ist ein hoher Preis, den sie für dieses Leben zahlt.

Als Samira in der Notaufnahme der Frankfurter Sauerbruch-Klinik auftaucht, ist ihre Lage ernst. Es geht für sie um alles: um ihre Gesundheit, ihren Beruf, ihre Familie, ihre Freunde und die Liebe. Und wie es scheint, könnte ausgerechnet der junge Assistenzarzt Dr. Milo Lorenz ihr zu einer ganz unerwarteten Zukunft verhelfen ...

Im Bereitschaftsraum in der Notaufnahme der Frankfurter Sauerbruch-Klinik wartete man gespannt auf einen markerschütternden Schrei.

Es war dort seit jeher der Brauch, einem Jungmediziner, der neu zum Team dazugestoßen war, einen Streich zu spielen.

Der fünfundzwanzigjährige Dr. Maximilian Lorenz hatte seine Facharztausbildung in der Städtischen Klinik begonnen und war recht bald ziemlich frustriert gewesen, weil Assistenzärzte dort als billige Arbeitskräfte verwendet wurden und die Ausbildung dabei weitgehend auf der Strecke blieb.

Prof. Lutz Weidner, der Chefarzt der Sauerbruch-Klinik, hatte den attraktiven jungen Kollegen gerne aufgenommen, denn er war lerneifrig, hatte eine rasche Auffassungsgabe, war kollegial und freundlich.

Vor allem aber hatte Prof. Weidner sich in einem langen Gespräch mit ihm dessen versichert, dass er nicht wie so viele andere Jungärzte nur hinter einer steilen Karriere und schnellem Geld her war, sondern tatsächlich das Heilen kranker Menschen im Sinn hatte.

Milo, wie alle ihn nannten, wollte Psychiater mit dem Schwerpunkt Essstörungen werden. Eine persönliche Erfahrung hatte ihn zu dieser Wahl bewogen. Er wollte nicht darüber reden, und der Chefarzt hatte ihn diesbezüglich auch nicht weiter bedrängt, denn er hatte gesehen, wie der junge Kollege beim Gedanken daran mit den Tränen kämpfte.

Da es noch ein paar Monate dauern würde, bis auf der Psychiatrie ein Ausbildungsplatz frei wurde, hatte der Chefarzt ihm vorgeschlagen, die Wartezeit in der Notaufnahme zu verbringen, und Milo hatte begeistert zugesagt.

Heute war bereits sein zweiter Arbeitstag, und Dr. Peter Kersten, der Leiter der Notaufnahme, hatte beschlossen, dem neuen Kollegen die spezielle Einweihung zuteilwerden zu lassen. Natürlich hatte sich das gesamte Team mit Feuereifer an den Vorbereitungen beteiligt.

Die Arbeit in der Notaufnahme war oft erschütternd und hart genug, da nutzte man zwischendurch jede Gelegenheit, um sich mit ein bisschen Spaß von den oft tragischen Schicksalen, die man hier tagtäglich miterlebte, abzulenken.

Jens Jankovsky, der fast zwei Meter große junge Sanitäter, war in das dritte Untergeschoss gelaufen und hatte Ossie aus dem Materiallager geholt. Ossie war ein Skelett und nach der lateinischen Bezeichnung Os für Knochen benannt worden.

Dr. Elmar Rösner, der rothaarige Assistenzarzt der Notaufnahme, hatte das Gerippe, das gelegentlich für Anatomiestudien verwendet wurde, in einem der Behandlungsräume auf die Untersuchungsliege gebettet und ein Krankenblatt mit erfundenen Daten und einer erfundenen Anamnese ausgefüllt.

Oberschwester Nora und Schwester Annette hatten Ossie eine blonde Löckchenperücke verpasst, ihm ein Kleid und Stöckelschuhe angezogen und eine Handtasche neben die Liege gestellt.

Dr. Hannes Fischer, der sechzigjährige Anästhesist, hatte das Skelett an den Tropf gehängt.

Kurz darauf hatte sich im Bereitschaftsraum folgende Szene abgespielt ...

»Elmar, wo ist denn das Behandlungsprotokoll von Frau Oswald? Du weißt schon, die ältere Dame, die gestern Abend bei uns war. Was hatte sie denn nun, und wie hast du sie behandelt?«, fragte Peter.

Elmar zuckte mit den Schultern.

»Gar nicht. Ich habe den Kollegen Lorenz darum gebeten, den Fall zu übernehmen, weil ich gerade was anderes zu tun hatte.«

»Ach so. Nun, Kollege Lorenz, welche Diagnose haben Sie gestellt, was haben Sie der Patientin verordnet, und wo ist das Behandlungsprotokoll?«

Milo wurde für einen Moment unsicher.

»Ich kann mich nicht daran erinnern, dass mich irgendwer darum gebeten hat, einen Fall zu übernehmen.«

»Ich habe deutlich gehört, wie der Kollege Rösner Sie darum ersucht hat!«, wies der Anästhesist den jungen Mann schroff zurecht.

»Ich auch«, stimmte die Oberschwester ihm zu.

Peter warf einen Blick auf seine Armbanduhr.

»Fast neun Uhr. Heißt das, Frau Oswald liegt seit gestern Abend, also seit rund fünfzehn Stunden, im Behandlungsraum und wartet darauf, dass sich jemand um sie kümmert?«

»Ich habe sie gleich bei Ihrer Ankunft an den Tropf gehängt, Peter«, widersprach der Anästhesist. »Sie war völlig dehydriert. Danach hatte ich mich darauf verlassen, dass der Kollege Lorenz sie weiter betreut.«

»Großer Gott!« Peter stützte den Kopf in beide Hände und seufzte tief. »Das fängt ja schon mal gut an. Könnten Sie wenigstens jetzt nach ihr sehen und sich für die Verspätung entschuldigen?«

»Okay. Es tut mir ... aber ich kann mich wirklich nicht daran erinnern, dass ...«

»Lassen Sie die Ausreden stecken. Ist schon gut. Bei uns bekommt jeder noch eine zweite Chance. Aber dass mir so etwas bitte nicht noch einmal vorkommt!«

Ziemlich geknickt hatte Milo den Bereitschaftsraum verlassen. Und seither warteten sie auf seine Reaktion.

»Er wird doch nicht vor Schreck in Ohnmacht gefallen sein?« Schwester Annette, die ein sehr mitfühlendes Wesen hatte, wollte schon aufstehen und nach dem Assistenzarzt sehen, doch die anderen hinderten sie daran.

»Bleib sitzen, Annettchen!«, rief Jens. »Der Mann ist Arzt, der fällt doch nicht in Ohnmacht, wenn er ein Gerippe sieht.«

»Wahrscheinlich überlegt er sich gerade eine Ausrede«, feixte Dr. Fischer. »Sein zweiter Arbeitstag bei uns und schon hat er eine Patientin um die Ecke gebracht.«

»Oder er wirft Ossie zum Fenster raus und behauptet dann, Frau Oswald sei schon gegangen«, ergänzte Elmar kichernd.

Sie hörten durch die nur angelehnte Tür eine Rolltrage mit einem quietschenden Rad am Bereitschaftsraum vorüberfahren. Kurz darauf ertönte das typische Rumpeln, mit dem die Rolltrage in den Aufzug geschoben wurde.

»Wo fährt er denn hin?«, fragte Peter.

»Keine Ahnung.« Dr. Fischer zuckte mit den Schultern. »Vielleicht traut er sich nicht, uns zu gestehen, dass ihm die Patientin weggestorben ist, und er will sich jetzt irgendwo Hilfe holen. Warten wir einfach ab. Ich bin gespannt, was er sagt, wenn er zurückkommt.«

Schwester Annette wurde die ganze Sache unheimlich. Sie konnte nicht mehr darüber lachen.

»Geht das nicht ein bisschen zu weit?«, fragte sie leise. »Vielleicht ist er völlig verzweifelt und weiß nicht, was er tun soll.«

Als er zehn Minuten später noch immer nicht wieder zurück war, verstummte auch das letzte schadenfrohe Kichern. Jetzt bekamen sie langsam alle Gewissensbisse.

Und plötzlich tauchte Dr. Maximilian Lorenz wieder im Bereitschaftsraum auf. Lächelnd, als ob nichts vorgefallen wäre.

»Und?«, fragte Peter und hielt den Atem an. »Wie geht es Frau Oswald?«

Milo zuckte gelassen mit den Schultern.

»Ich hätte ja gesagt, dass es sich bei Frau Oswald um ein Gerippe handelt, das schon seit ein paar Hundert Jahren ziemlich tot ist und für Demonstrationszwecke konserviert wurde. Aber um auch Ihre Zweifel auszuräumen, Herr Kersten, habe ich sie auf die Pathologie gebracht.«

Sein Gesicht war völlig ernst. Nicht das geringste Schmunzeln entschlüpfte ihm.

»Ich habe Dr. Zelenka, dem Leiter der Pathologie, gesagt, dass Sie nicht ganz sicher sind, ob sie nicht doch noch lebt. Dr. Zelenka hat den Tod der Patientin eindeutig bescheinigt. Ach ja, Dr. Zelenka lässt Sie schön grüßen, Herr Kersten, und er empfiehlt Ihnen, bei Gelegenheit mal einen Auffrischungskurs über das Einmaleins der Medizin zu belegen.«

Er legte Peter das Krankenblatt auf den Schreibtisch.

»Hier ist das Behandlungsprotokoll.«

»Frau Olga Oswald. Alter: Die Patientin wollte keine Angaben dazu machen«, las der Notarzt vor. »Symptome: eklatantes Untergewicht, extreme Dehydration, Patientin weigert sich, mit Arzt zu kommunizieren. Diagnose: Mausetot. Weitere Behandlung nicht zielführend.«

Schallendes Gelächter erfüllte den Bereitschaftsraum.

»Das ging ja wohl nach hinten los, Peter!«, prustete der Anästhesist.

»Tja, wer anderen eine Grube gräbt ...« Jetzt konnte auch Schwester Annette wieder lachen.

»Gut gebrüllt, Löwe!« Elmar schlug dem jüngeren Kollegen anerkennend auf die Schulter.

Peter stand auf, wischte sich ein paar Lachtränen aus den Augenwinkeln und reichte Milo die Hand.

»Einweihung bestanden. Willkommen in unserem Team.«

»Vielen Dank, Herr Dr. Kersten.«

»Peter reicht völlig. Und du. Du hast die Prüfung ja voll und ganz bestanden.«

»War das jetzt schon alles?«, fragte Milo grinsend. »Oder schickt ihr mich am Nachmittag noch in eine andere Abteilung, um einen lebensrettenden Drüsenpersumbrator, einen Mastdarmauspuff oder irgendwas anderes, was es nicht gibt, auszuleihen?«

Dem Notarzt fielen vor Enttäuschung kurz die Mundwinkel nach unten. Doch dann musste er erneut lachen.

»Das hatten wir vor. Aber das ist ja nun hinfällig.«

»Sie waren der Erste von mindestens zwanzig Assistenzärzten, der sich nicht wenigstens ein bisschen erschreckt hat«, stellte die Oberschwester lachend fest. »Wie kommt das?«

Milo wurde sehr ernst.

»Ich gestehe, dass ich mich doch kurz erschreckt habe«, antwortete er, und seine Augen füllten sich mit Tränen. »Ich hatte so eine Art Flashback, als ich den Behandlungsraum betrat. Laureen hatte noch ein bisschen Haut drüber, aber im Prinzip hat sie fast genauso ausgesehen, als sie ... als sie ...«

»Setz dich!« Peter schob dem jungen Kollegen einen Stuhl in die Kniekehlen. »Schwester Annette, könnten Sie bitte ...«

»Bin schon dabei.« Beim ersten Anblick der leicht schwankenden Gestalt war die junge Pflegerin in die kleine Küchenzeile im hinteren Bereich des Bereitschaftsraums gelaufen, um ein Glas Wasser zu holen.

Peter setzte sich Milo gegenüber.

»Erzähl!«, forderte er ihn auf. »Wer ist oder war Laureen, und was ist mit ihr geschehen?«

»Ich ... ich kann nicht. Es ist noch zu frisch.«

»Es muss raus!«, widersprach der Leiter der Notaufnahme. »Es ändert nichts an dem, was geschehen ist, aber es wird immer einfacher zu ertragen, je öfter man darüber redet. Genauso wie seinen Organismus sollte man auch seine Seele regelmäßig entgiften.«

»Das mag schon sein. Aber ... wie kommt ihr dazu, euch meinen Jammer anzuhören? Wir kennen uns doch erst seit ...«

»Lange genug!«, fiel ihm der Anästhesist ins Wort. »Außerdem gehören Sie jetzt zur Familie. Da versteht es sich von selbst, dass man füreinander da ist. Das Gleiche erwarten wir natürlich auch von Ihnen. Ganz besonders ich. Ich habe drei schlimme Scheidungen hinter mir, und ich könnte Ihnen Geschichten erzäh...«

»Ich sehe mal nach, ob jemand im Wartezimmer ist.« Die Oberschwester sprang auf.

Elmar tat es ihr gleich. »Ich helfe dir dabei!«

Peter wollte den beiden folgen.

»Ich sollte dann auch langsam in die Hufe kommen.«

»Bleibt sitzen.« Dr. Fischer lachte. »Sehen Sie, Kollege Lorenz? Keiner will mein Gejammer mehr hören. Deshalb freue ich mich immer sehr, wenn ein Neuer kommt, dem ich ein Ohr abkauen kann. Aber Sie zuerst. Also raus mit der Sprache!«

***

»Grundgütiger!«, rief Prof. Lutz Weidner erschrocken aus, als seine Sekretärin Marianne Hoppe um neun Uhr ihr Büro betrat.

Der Chefarzt hatte gerade seine Morgenvisite beendet und sich mit einem Becher Kaffee in sein Büro zurückgezogen, um noch einmal die Unterlagen eines Patienten zu studieren, den er für zehn Uhr auf die Kardiologie bestellt hatte. André Schlängler war erst zweiundvierzig Jahre alt, doch offensichtlich genoss er seinen Reichtum, den er mit Finanzspekulationen erworben hatte, ein bisschen zu sehr.

Lutz Weidner hatte seine Herzkranzgefäße vor zwei Tagen mittels Koronar-Angiografie untersucht. Drei davon waren komplett verschlossen. Heute wollte er versuchen, die undurchlässigen Gefäße mittels PTCA – perkutane transluminale Koronar-Angioplastie oder auch Ballondilatation genannt – im Herzkatheterlabor aufzudehnen.

Wenn dieser Versuch fehlschlug, weil die Gefäße von zu viel Alkohol, fettreichem Essen, dicken Zigarren und durchfeierten Nächten bereits porös geworden waren, dann musste der Mann spätestens morgen auf den OP-Tisch und mindestens zwei Bypässe implantiert bekommen.

Als er durch die halb offene Tür Stöckelschuhe auf dem Parkettboden klappern hörte, guckte er über den Rand des Ordners, der Herrn Schlänglers Patientenakte enthielt.

Das Gesicht seiner langjährigen Sekretärin war wie immer, wenn sie aus ihrem Urlaub auf Gran Canaria zurückkam, dunkelbraun verbrutzelt. Doch das war es nicht, was ihn erschreckte. Es waren vielmehr ihr grimmiger Blick und die nach unten hängenden Mundwinkel.

Sie schaute drein, als ob ihre Katze gestorben oder ihre Wohnung während ihrer Abwesenheit abgebrannt wäre oder ob sie ihren Flug verpasst hätte und zu Fuß von Gran Canaria nach Frankfurt hätte laufen müssen.

Mit dem bereits erwähnten »Grundgütiger!« sprang Lutz Weidner auf und eilte nach draußen.

»Guten Morgen, Marianne! Ich freue mich, dass Sie wieder hier sind.«

»Tag!«, grummelte sie nicht sonderlich freundlich. »Als ob an diesem Morgen irgendetwas gut wäre!«

»War das Wetter auf Gran Canaria nicht schön?«

Sie hob wortlos ihre dunkelbraunen Arme hoch, die in kurzen, giftgrünen Flatterärmeln steckten, welche zu einer langen, wallenden Tunika gehörten, für die es um diese Jahreszeit eigentlich schon viel zu kalt war.

»Ich verstehe.« Prof. Weidner nickte. »Gemessen an Ihrer Sonnenbräune war das Wetter sonnig und heiß.«

»Na also«, grummelte sie missmutig. »Wozu dann die Frage?« Sie kramte ein kleines Paket aus ihrer Tasche. »Da, das habe ich Ihnen aus dem Urlaub mitgebracht.«

Der Chefarzt öffnete das Paket und gab sich überrascht, obwohl er ohnehin längst gewusst hatte, dass sich eine Muschel darin befand. Marianne verbrachte ihren Urlaub nämlich seit sechsundzwanzig Jahren auf Gran Canaria und hatte ihm in dieser Zeit niemals etwas anderes als eine Muschel als Souvenir mitgebracht.

»Ach, die ist aber wunderschön. Vielen Dank, Marianne!«

»Die können Sie auf Ihren Schreibtisch stellen und Kleinkram wie Büroklammern, Radiergummi, Bleistiftspitzer, Münzen für den Kaffeeautomaten und all so was hineintun, dachte ich mir.«

»Das ist eine großartige Idee.« Er eilte in sein Büro, leerte den Kleinkram wie Büroklammern, Radiergummi, Bleistiftspitzer, Münzen für den Kaffeeautomaten und all so was von der vorjährigen Muschel in die diesjährige und stellte die alte Muschel in den Schrank zu den übrigen fünfundzwanzig Stück.

Marianne Hoppe folgte ihm.

»Während meiner Abwesenheit muss jemand in meine Wohnung eingebrochen sein«, kam sie endlich auf den Grund ihrer schlechten Laune zu sprechen.

»Grundgütiger!« Lutz Weidners Augen weiteten sich erschrocken. »Sind Sie gut gegen Diebstahl versichert?«

Sie nickte. »Das hilft mir aber nicht viel, denn es wurde ja nichts gestohlen.«

»Ihre Katze ... Sie wurde doch hoffentlich nicht ...«