Der Notarzt 443 - Karin Graf - E-Book

Der Notarzt 443 E-Book

Karin Graf

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Beschreibung

Elina Willander ist eine sehr begabte Medizinstudentin und steht kurz vor ihrem zweiten Staatsexamen. Ihr guter Ruf hat sich schon bis zum Chefarzt der Frankfurter Sauerbruch-Klinik herumgesprochen, und der ist fest entschlossen, der sympathischen jungen Frau anschließend eine Stelle als Assistenzärztin an seiner Klinik anzubieten.
Doch am Tag ihrer letzten Prüfung erscheint Elina nicht in der Uni; die Professoren und Dozenten warten vergeblich auf sie. Auch telefonisch ist sie nicht erreichbar.
Als der Chefarzt der Sauerbruch-Klinik davon erfährt, schickt er seinen neuen Mitarbeiter Samuel Carlsbach zu Elina. Er weiß, dass die beiden sich gut kennen, vielleicht findet Dr. Carlsbach heraus, was mit der Studentin los ist?


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Seitenzahl: 120

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Echo der Erinnerung

Vorschau

Impressum

Echo der Erinnerung

Was Elina erlebt hat, lässt sie nicht mehr los

Karin Graf

Elina Willander ist eine sehr begabte Medizinstudentin und steht kurz vor ihrem zweiten Staatsexamen. Ihr guter Ruf hat sich schon bis zum Chefarzt der Frankfurter Sauerbruch-Klinik herumgesprochen, und der ist fest entschlossen, der sympathischen jungen Frau anschließend eine Stelle als Assistenzärztin an seiner Klinik anzubieten.

Doch am Tag ihrer letzten Prüfung erscheint Elina nicht in der Uni; die Professoren und Dozenten warten vergeblich auf sie. Auch telefonisch ist sie nicht erreichbar.

Als der Chefarzt der Sauerbruch-Klinik davon erfährt, schickt er seinen Mitarbeiter Samuel Carlsbach zu Elina. Er weiß, dass die beiden sich gut kennen, vielleicht findet Dr. Carlsbach heraus, was mit der Studentin los ist?

Doch Samuel bekommt bei seinem Besuch nichts aus Elina heraus, obwohl offensichtlich ist, dass etwas Furchtbares sie bedrückt. Kurz darauf geschieht ein unvorstellbares Unglück ...

Dr. Peter Kersten, der Leiter der Notaufnahme an der Frankfurter Sauerbruch-Klinik, hatte sein Team vor fünf Minuten zu einer Besprechung in den Bereitschaftsraum gerufen.

Hier saßen sie nun alle mit tief gesenkten Köpfen und eierten herum, als ob ein falsches Wort sie das Leben kosten könnte.

»Sie ist ... na ja ... eigentlich schon ... irgendwie ... Andererseits ist sie wiederum ... Nicht wahr? Und überhaupt ... Aber das ist natürlich nur meine Meinung. Oder?«

So lautete Dr. Elmar Rösners Antwort auf Peters Frage, was er von Natascha Kirchmayer hielte.

Natascha Kirchmayer absolvierte ihr praktisches Jahr in der Sauerbruch-Klinik. Ehe sie vor zwei Wochen in die Notaufnahme gewechselt war, hatte sie eineinhalb Monate lang auf der Inneren Medizin zugebracht und sich dort nicht gerade mit Ruhm bekleckert.

»Geht das vielleicht noch ein bisschen ungenauer, Elmar?«, fragte Peter seinen rothaarigen Assistenzarzt ironisch.

»Okay. Wenn du es ganz genau wissen willst ...« Elmar verschränkte seine Finger zu einem unentwirrbaren Knoten und rutschte unruhig auf seinem Stuhl herum. »Ich finde sie irgendwie sehr ... Oder zumindest ... Ja. Also, im Großen und Ganzen ist sie ziemlich ... Nicht wahr? Glaube ich zumindest. Ich kann mich aber auch täuschen, denn so gut kenne ich sie ja noch gar nicht.«

»Vielen Dank für diese umfassende Auskunft«, sagte Peter und verdrehte stöhnend die Augen nach oben. »Hannes? Deine Beurteilung, bitte?«

Der sechzigjährige Anästhesist war schwer damit beschäftigt, die Sahne in seinem Kaffee zu Butter zu rühren, und tat so, als ob er Peters Frage nicht gehört hätte.

»Hannes!«, rief der Notarzt mit doppelter Lautstärke.

»Ja? Hast du mich was gefragt?«

»Deine Beurteilung der neuen Praktikantin, bitte!«

»Oh, du meinst diese ... Wie hieß sie doch gleich wieder? Warte mal, gleich hab ich's. Es liegt mir auf der Zunge.«

»Kirchmayer.«

»Ah ja, jetzt weiß ich es wieder. Genau. Richtig. Du sagst es, Peter. Ja, Natascha Kirchmayer, so heißt sie.«

Dr. Fischer hoffte sichtlich, dass sein Teil an dem unangenehmen Gespräch damit beendet sei. Wie alle anderen auch, mochte er nicht der Grund dafür sein, dass eine hoffnungsvolle junge Kollegin vor die Tür gesetzt wurde.

Doch so leicht ließ Peter sich nicht abwimmeln.

»Weiter!«, drängte er. »Was hältst du von ihr?«

»Von ihr? Von Frau Kirchmayer meinst du?« Hannes Fischer versuchte, Zeit zu schinden. »Was ich von ihr halte? Das willst du wissen? Ja? Von der neuen Praktikantin meinst du?«

»Ja, von der neuen Praktikantin«, bestätigte Peter ungeduldig. »Und jetzt schieß endlich los!«

»Nun ja ... sie bemüht sich sehr.«

»Ist das dein Ernst? So lautet deine fachliche Expertise? Sie bemüht sich sehr?« Peter lachte laut auf. Davon, dass die junge Dame sich bemühte, war ihm noch nichts aufgefallen. »Du wärst mir ja ein schöner Stationsleiter!«

»Ich war noch nicht fertig!«, protestierte der Anästhesist. Es ärgerte ihn, dass Peter, der zwanzig Jahre jünger war als er, an seinen Führungsqualitäten zweifelte. »Sie bemüht sich sehr, sich zu bemühen. Das wollte ich sagen«, ergänzte er seine Aussage von vorhin trotzig.

»Was immer das auch bedeuten mag«, unkte Peter und blickte den Nächsten in der Runde fragend an. »Jens? Deine ehrliche Meinung?«

Der fast zwei Meter große junge Sanitäter saß im hinteren Teil des Bereitschaftsraums auf dem Esstisch und schlenkerte mit den Beinen.

»Sie ist ... hübsch.«

»Das war nicht die Frage«, brauste Peter Kersten auf. »Hübsch ist kein Kriterium, wenn es darum geht, zu beurteilen, ob jemand das Zeug zum Arzt hat.«

»Ich passe«, winkte Jens ab. »Ich kenne sie ja am wenigsten von allen, denn ich war letzte Woche einen Tag lang nicht da. Zeitausgleich, ihr wisst schon. Da kann ich natürlich nicht viel über sie sagen.«

Peters Blick fiel auf Schwester Annette. Die bildhübsche, erst einundzwanzigjährige Pflegerin hatte ein unheimlich mitfühlendes Wesen. Von ihr erwartete Peter ganz bestimmt keine ernsthafte Kritik. Sie würde es vermutlich nicht einmal übers Herz bringen, etwas Negatives über Jack the Ripper oder Graf Dracula zu äußern.

»Sie frage ich erst gar nicht, Annettchen«, sagte er deshalb und wollte mit Oberschwester Nora fortfahren. Jedoch ...

»Warum denn ausgerechnet mich nicht? Ich möchte aber auch gefragt werden! Ich bin zwar die Jüngste in der Notaufnahme, aber trotzdem habe ich Augen im Kopf und kann die medizinischen Qualitäten einer Praktikantin sehr wohl beurteilen.«

»Natürlich können Sie das«, versicherte Peter ihr. »Daran zweifle ich keine Sekunde lang. Ich dachte nur, dass Sie die Letzte seien, die jemanden kritisieren möchte.«

»Falsch gedacht, Herr Kersten. Ich finde Natascha Kirchmayer unter jeder Kritik. Sie ist unfreundlich zu den Patienten. Sie hält es für unter ihrer Würde, Anweisungen von simplen Pflegerinnen entgegenzunehmen. Sie ist rotzfrech, arrogant und beleidigend. Und wenn sie Fehler macht, schiebt sie diese eiskalt anderen in die Schuhe.«

Peters Augen weiteten sich. Wenn Schwester Annette so streng über jemanden urteilte, dann musste wirklich bereits Feuer unterm Dach sein.

Und jetzt – als ob sie nur darauf gewartet hätten, dass einer den Anfang machte – tauten auch alle anderen auf.

Selbst Dr. Holger Kramer, der Radiologe der Notaufnahme, der zuvor so getan hatte, als ob er gar nicht hier wäre, hatte etwas zu berichten.

»Gestern habe ich sie darum gebeten, einer älteren Patientin, die ein bisschen nervös war, die Untersuchung mit dem CT genau zu erklären.«

»Und?«, hakte Peter interessiert nach. »Hat sie?«

»Oh ja!« Der Radiologe nickte überdeutlich. »Sie hat. Und wie!« Er hob den Kopf so hoch, dass seine Nase geradewegs zur Decke zeigte, und verstellte seine Stimme zu einem arroganten Näseln. »Also, Sie gehen jetzt dort rein und legen sich auf das Dings. Haben Sie das jetzt so halbwegs gecheckt?«

»Das war alles?« Oberschwester Nora wirkte fassungslos.

»Genau das hat die ältere Dame auch gefragt«, fuhr Dr. Kramer fort. Darauf Frau Kirchmayer: Sicher ist das alles! Was denn noch? Sie haben nichts anderes zu tun, als ruhig liegenzubleiben. Die ganze Arbeit machen ja sowieso wir Ärzte.«

»Tolle Erklärung!«, unkte Elmar. »Haben Sie ihr das durchgehen lassen, Kollege?«

»Ich habe sie natürlich zurechtgewiesen. Leider!«

»Wieso denn leider?«, wollte Jens wissen.

»Weil ich die Sache damit nur noch schlimmer gemacht habe. Ihre Antwort – vor der Patientin! – lautete nämlich: Wozu denn der Aufwand? Die Alte versteht doch sowieso nur Bahnhof.«

»Nein!« Peter schlug sich erschrocken eine Hand vor den Mund. »Das hat sie nicht wirklich gesagt, oder?«

»Doch! Ich muss es wissen, ich stand ja direkt daneben. Ich habe Frau Kirchmayer rausgeschmissen und mich bei der Patientin entschuldigt.«

»Das ist ... unverzeihlich! Respektlosigkeit Patienten gegenüber, so etwas dulde ich nicht.« Peter stand entschlossen auf. »Okay, das reicht mir dann eigentlich schon. Hat noch irgendwer irgendwas zu ihrer Verteidigung vorzubringen?«

Er wartete ein paar Sekunden lang, doch niemand hatte etwas Positives über die angehende Kollegin zu sagen.

»Auf mich hat sie ebenfalls vom ersten Tag an einen miserablen Eindruck gemacht. Sie ist bestenfalls auf dem Wissensstand eines Drittsemesters, dafür ist sie allerdings arrogant und selbstbewusst wie eine Nobelpreisträgerin.«

»Was hast du jetzt vor?«, erkundigte sich der Anästhesist, als Peter zur Tür ging. »Hältst du ihr eine Standpauke?«

»Nein, davon verspreche ich mir nichts. Ich habe, seit sie bei uns ist, täglich mit ihr gesprochen, ohne dass sie ihr Verhalten danach auch nur geringfügig geändert hätte. Ich werde Prof. Weidner sagen, dass wir hier in der Notaufnahme keine Verwendung für sie haben. Wenn er sich etwas davon verspricht, sie weiter auszubilden, dann gerne auf einer anderen Station, aber hier bei uns stört sie nur.«

»Soweit ich weiß, hat die Innere Medizin sie auch vorzeitig abserviert.«

Elmars Stimme klang dumpf, denn sein Kopf steckte wie so oft im Kühlschrank. Der immer hungrige Assistenzarzt hielt Ausschau nach irgendetwas Essbarem, das jemand unvorsichtigerweise dort deponiert hatte. »Kann sich aber auch um ein Gerücht handeln.«

»Muss wohl so sein«, gab Dr. Fischer zu bedenken. »Die Innere Medizin ist eine der Abteilungen, die im Ausbildungsplan zwingend vorgeschrieben ist. Die fertigt man nicht in eineinhalb Monaten ab. Auf der Inneren und auf der Chirurgie sind für Praktikanten jeweils vier Monate eingeplant. Mit nur eineinhalb Monaten Innere kann sie sowieso nicht zur letzten Staatsprüfung antreten.«

»Ich verstehe überhaupt nicht, warum der Chefarzt sie aufgenommen hat«, überlegte Holger Kramer. »Er akzeptiert doch sonst immer nur jene Studenten, bei denen aufgrund ihrer bisherigen Leistungen bereits abzusehen ist, dass sie das Zeug zu wirklich guten Ärzten haben.«

Peter nickte. »Genau das werde ich ihn fragen.« Damit verließ er den Bereitschaftsraum. Er wollte mit dem Aufzug in den vierten Stock hinauffahren, um Prof. Lutz Weidner in dessen Büro aufzusuchen.

Doch ein ziemlich makabrer Vorfall hielt ihn davon ab.

***

»Nennen Sie mir jetzt bitte noch alle Hirnnerven und zwar in der richtigen Reihenfolge und mit der Erläuterung, in welchem Hirnareal sie zu finden sind.«

Frau Prof. Leonie Weidner hoffte inständig, dass die Studentin, die ihr in einem der kleineren Hörsäle der Frankfurter Goethe Universität gegenübersaß, an dieser Frage scheitern möge.

Prof. Lutz Weidners Ehefrau war nicht etwa besonders streng oder gar gemein. Sie konnte nur nicht verstehen, wie es kam, dass ausgerechnet eine der miserabelsten Studentinnen, die ihr im Laufe ihrer nun schon fast dreißigjährigen Lehrtätigkeit an der Medizinischen Fakultät begegnet waren, seit nunmehr einer halben Stunde die Antworten auf sämtliche Prüfungsfragen nur so aus dem Ärmel schüttelte.

Das ging nun schon seit rund einem Jahr so. Die wirklich guten Studentinnen konnten die eine oder andere Frage nicht oder nicht vollständig beantworten. Das war bei der Menge an Stoff, den die jungen Leute für die letzte Prüfung vor dem Praktischen Jahr zu lernen hatten, nicht weiter verwunderlich.

Verwunderlich war jedoch, dass ausgerechnet die größten Armleuchter die korrekten Antworten ohne jegliche Schwierigkeiten herunterleierten. Als ob sie die Fragen vorab gewusst und gezielt nur den Stoff gelernt hätten, der abgefragt wurde.

Der zweite Abschnitt der ärztlichen Prüfung und hier besonders der mündliche Teil, bei dem es keine Antwortmöglichkeiten zum Ankreuzen gab, war eigentlich auch dazu da, um so kurz vor dem Ende des Studiums noch einmal diejenigen auszusieben, von denen im Laufe der Jahre klar geworden war, dass sie nicht das Zeug zum Arzt hatten.

Genauso wie auch ihr Mann, der Chefarzt der Sauerbruch-Klinik, versuchte Frau Prof. Weidner zu verhindern, dass das Land mit noch mehr gewissenlosen Medizinern überschwemmt wurde, als es ohnehin schon gab.

Wer sich bereits während der Beratungsstunden im ersten Semester ausschließlich nach Verdienstmöglichkeiten und Karrierechancen erkundigte und den Umgang mit Patienten als notwendiges Übel ansah, handelte sich bei ihr damit ganz gewiss keinen Stein im Brett ein.

Leonie Weidner blickte in das hübsche Gesicht der jungen Frau und konnte nicht die geringste Unsicherheit darin erkennen. Im Gegenteil, sie lächelte siegessicher, holte tief Luft und ratschte dann alle zwölf Hirnnerven monoton und ohne Unterbrechung herunter.

»Der Nervus olfactorius im Telencephalon, der Nervus opticus im Diencephalon, der Nervus oculomotorius im Mesencephalon, der Nervus trochlearis, ebenfalls im Mesencephalon ...«

So ging es – beinahe ohne zwischendurch einmal Luft zu holen – bis zum zwölften Hirnnerv, dem Nervus hypoglossus in der Medulla oblongata, weiter.

Frau Prof. Weidner blieb nichts anderes übrig, als der Kandidatin alle verfügbaren Punkte und somit die Bestnote zu geben. Die Bestnote für eine junge Dame, die beim zweiten Sezierkurs im dritten Semester die Aufgabe erhalten hatte, den Appendix freizulegen und daraufhin die Brust der Leiche aufgeschnitten hatte. Es kostete Leonie Weidner sehr viel Überwindung, zu sagen ...

»Sehr gut. Alles korrekt, kein einziger Fehler. Sie haben die volle Punktezahl erreicht.«

»Klar doch. Weiß ich selbst. War ein Kinderspiel für mich. Ich dachte echt, dass schwierigere Fragen kommen würden.«

Keine Spur von Erleichterung. Kein Gott sei Dank, dass ich es hinter mir habe. Ich habe bis zum Umfallen gebüffelt und war so schrecklich nervös. Auch kein erkennbarer Stolz auf die eigene Leistung.

Andere Studenten, die die Prüfung mit weit weniger Punkten bestanden, waren hinterher so erleichtert und stolz, dass sie hüpften, lachten, klatschten und fallweise sogar ein paar Tränen vergossen.

Ein junger Mann, den sie am frühen Morgen geprüft hatte, war ihr sogar spontan um den Hals gefallen und hatte ihr gestanden, dass er nicht ganz sicher gewesen war, ob er den heutigen Tag überleben würde.

Diese junge Dame hingegen blieb völlig ungerührt. Sie grinste bloß. Ziemlich überheblich, wie es Leonie schien. Sie wirkte, als ob sie lediglich das kleine Einmaleins aufgesagt hätte oder nach ihrem Namen gefragt worden wäre.

»Irgendetwas stimmt hier ganz und gar nicht«, murmelte sie, als die Studentin den Hörsaal verlassen hatte.

»Du wirkst irgendwie irritiert, Leonie.« Dozent Karl-Heinz Hochreiter, der nebenan ebenfalls geprüft hatte, gesellte sich zu ihr. »Hattest du denn so viele Versager?«

»Nur zwei«, erwiderte sie leise. »Aber es waren nicht die, von denen ich es erwartet hätte.«

»Das war bei mir genauso. Die schlimmsten Nieten, die wir eigentlich bereits im ersten Semester abgeschrieben hatten, die sich aber irgendwie bis hierher durchgemogelt haben, haben bei der Prüfung am besten abgeschnitten.«

»Aber nur bei den weiblichen Studenten«, murmelte Leonie Weidner.

Die Augen des Dozenten weiteten sich.

»Richtig! Das war mir erst gar nicht aufgefallen, aber jetzt, wo du es sagst ...!«

Er lachte leise. »Ich habe neulich beim Zahnarzt im Wartezimmer irgend so eine psychologische Studie gelesen, die besagte, dass wir Männer immer dümmer, kleiner und schwächer werden. Angeblich soll die Evolution uns in den kommenden Jahrtausenden plattmachen, weil wir überflüssig geworden sind.«

»Da war wohl ein paar Psychologen langweilig«, unkte Leonie. »Oder sie mussten Forschungsgelder verbrauchen und wussten nicht, wie. Daran kann es bestimmt nicht liegen.«

»Hoffentlich hast du recht!« Der Dozent wischte sich den imaginären Schweiß von der Stirn. »Ich hatte schon überlegt, ob ich mich schon mal mit den Affen im Zoo anfreunden sollte, für den Fall, dass ich im nächsten Leben als Schimpanse zur Welt komme.«

Er lachte. Dann zog er fragend die Augenbrauen hoch.

»Wenn nicht daran, woran sonst könnte der plötzliche Höhenflug der Faulen und Unbegabten liegen?«